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Original italienische Lederschuhe eilten in schnellen Schritten über den roten Teppich in Safwân al-Buhairis Büro. Ihr Rhythmus glich dem Ticken der Wanduhr, auf der es gerade neun war.
Die Tür öffnete sich, und mit einem grossen, vor Papieren überquellenden Aktenordner trat Mustafa Ârif ein. »Guten Abend, mein Herr«, sagte er.
Safwân wirkte höchst angespannt, als er ihm entgegnete: »So, was haben Sie getan?«
»Alles in Ordnung«, antwortete Mustafa, »die Papiere, die in seinem Büro waren, haben wir. Aber da ist noch etwas.«
»Nämlich?«
»Diese Dokumente sind Kopien. Und die Originale sind nicht da. Wir haben das ganze Büro durchsucht, drei Räume mitsamt der Computer und einen Safe in Saîd Maamûns Büro. Keine Originale.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nun ja, jemand könnte sie bei sich zu Hause haben, vielleicht sogar einer, der gar nichts mit der Zeitung zu tun hat. Das ist eine Möglichkeit. Oder die ursprüngliche Quelle kommt eigentlich von ausserhalb der Zeitung und hat ihr all diese Informationen geschickt – und die Originale dann natürlich selbst behalten.«
»Hat der Chefredakteur nicht geredet?«
»Bis jetzt noch nicht. Er sagte, diese Informationen habe er aus anonymer Quelle erhalten.«
»Zeigen Sie mir die Papiere, die Sie gefunden haben!«
Mustafa legte den Aktenordner vor Safwân auf den Tisch. Dieser schlug ihn auf und begann nervös die Seiten umzublättern, bis sein Blick auf die Fotos von der Bar Vertigo fiel. Er prüfte sie eingehend. Dazu gab es nichts mehr zu sagen. Das war eine entsicherte Handgranate, eine vollständige Dokumentation des Geschehens aus dem Blickwinkel eines Augenzeugen. Bilder, die für sich selbst sprachen, und das Gesicht eines seiner Männer …
Angestrengt schob er die Fotos zur Seite, und als Mustafa aus dem Raum ging, begann er die Papiere zu studieren.
Er wusste nicht, wie viel Zeit darüber vergangen war. Vielleicht eineinhalb Stunden, mit Zigaretten und mehreren Tassen Kaffee. Er war der Einzige, der begriff, wie gefährlich diese Dokumente waren. Der Einzige, der wusste, dass jedes Wort darin wahr war, auf bestürzende Weise wahr. Safwân besass eine Schublade voller Akten, die noch detailliertere Dossiers über die Leute enthielten, die in den Papieren vor ihm erwähnt waren. Die Akten der Elite. Dieselben Namen, die die Plakate an der Brücke des 6. Oktober schmückten und die Werbung im Fernsehen und auf den Strassen dominierten. Ihre vollständigen Akten. All ihre Fehler schlummerten dort und warteten auf ein Zeichen, um über sie herzufallen. Sie waren das Gewehr des Zirkusaufsehers, immer bereit für den Fall, dass der Löwe den Dompteur anfiel, um ihn augenblicklich niederzustrecken. Und noch etwas begriff er in seinem tiefsten Inneren: dass der, der dieses Dossier angelegt hatte, nichts mehr zu verlieren hatte.
Weil Safwân so konzentriert war, bemerkte er zunächst gar nicht, wie Mustafa an die Tür klopfte und eintrat.
»Ihre Anweisungen, mein Herr?«, wollte er wissen.
»Diese Papiere sind keine Arbeit von ein oder zwei Monaten. Damit war jemand mehr als drei Jahre beschäftigt. Allein über al-Assâl und seine Firmen gibt es eine ganze Akte: Statistiken, Gesundheitsatteste, die ihn zur Hölle schicken können, und Fotos mit Frauen. Ebenfalls von Habîb Amîn und seinem Vater: all ihre Besitztümer und Aktivitäten, und von Habîb auch Fotos mit Frauen. Ausserdem sind da mehrere Abgeordnete, die für ein halbes Pfund pro Quadratmeter ein paar Grundstücke gekauft haben, und wieder Fotos mit Frauen. Finden Sie das nicht ein bisschen seltsam? Ich meine all diese Fotos mit Frauen. Der vielleicht Einzige ohne Fotos ist Aiman Wasfi. Das ist, wie Sie wissen, eine andere Ebene, er steht dem Pascha sehr nahe. Aber hier sind Informationen, die auch ihm äusserst gefährlich werden können. Hier ist ein Dokument über Waffengeschäfte mit Israel. Allein das reicht schon.«
»Das ist in der Tat seltsam.«
»Die Quelle dieser Fotos ist nicht der Verfasser dieser Artikel. Es sind zwei Personen, nicht eine. Die Fotos stehen in keinerlei Zusammenhang zu den Texten. Gefährlich sind die Bilder, ja – aber sie stammen mehr oder weniger alle von ein und demselben Ort. Wer sie aufgenommen hat, ist an diesen Ort gebunden, er sitzt dort fest. Nur die Stammgäste fotografiert er. Aber der, der diese Artikel geschrieben hat, ist frei. Er kann die Fotos gefunden oder gekauft haben. Der Einzige, der nicht an solche Orte geht, ist Aiman Wasfi. Deshalb gibt es von ihm keine Fotos, sondern nur eine Akte. Verstanden? Hatten Sie mir nicht gesagt, Sie hätten in dem Kasino nach dem Fotografen dort gefragt?«
»So ist es, mein Herr.«
»Bestimmt ist er die Quelle dieser Fotos. Von Fathi al-Assâl gibt es zum Beispiel sowohl alte Bilder aus der Zeit vor der Handyära als auch neue. Das muss jemand gewesen sein, der schon lange da arbeitet.«
»Der Fotograf dort hiess Gûda, mein Herr. Er ist vor kurzem bei einem Unfall umgekommen. Ausserdem gab es noch einen jungen Mann, der ein paar Monate mit ihm gearbeitet hatte. Wir haben erfahren, dass er mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche nach Saudi-Arabien gegangen ist.«
»Haben Sie sich bei den Passbehörden vergewissert?«, hakte Safwân nach.
Mustafa biss die Kiefer zusammen. »Ehrlich gesagt nicht, aber es gibt einen Brief, den er an einen der Angestellten dort geschickt hat und in dem er ihm von seiner Reise und der Arbeit in einem Erdölunternehmen in Saudi-Arabien berichtet.«
»Ich bezweifle, dass er in der Lage war, so schnell auszureisen. So leicht kommt man nicht an ein Visum, und er musste seinen Ausweis ändern und seinen neuen Beschäftigungsstatus eintragen lassen. So was dauert, abgesehen vom Visum selbst. Vergewissern Sie sich bei der Passstelle!«
»So gut wie erledigt, mein Herr.«
»Und dann dieser Gûda«, fuhr Safwân fort. »Hat er keinen Verwandten? Oder Freund? Irgendjemanden, der ihn kennt? Irgendwelche Informationen! Ich will alle Einzelheiten über ihn wissen, über seine letzten Tage, bevor er gestorben ist. Falls er denn tatsächlich tot ist.«
»Wir prüfen das nach, mein Herr.«
»Eine Sache bleibt noch: Wer immer das geschrieben hat, ist Journalist. Das erkennt man an seinem Stil. Er hat sich selbst verraten. Haben Sie irgendwelche Informationen über diesen Alâa Gumaa, den Galâl Mursi gefeuert hat?«
»Ich versuche gerade, seine Adresse herauszufinden, mein Herr.«
Safwâns Stimme wurde schärfer: »Warum haben Sie die nicht längst?«
»Unter der Adresse, die sie bei der Zeitung hatten und die in seinem Ausweis steht, haben wir nachgefragt. Man sagte uns, er habe früher dort gewohnt, sei aber vor etwa sechs Monaten unbekannt verzogen. Ich werde mit der Telefongesellschaft arrangieren, dass sie ihn orten, mein Herr. Das ist nur eine Frage der Zeit.«
»Er hat jetzt bestimmt Angst. Er wird zögern, den nächsten Schritt zu tun, bevor wieder Ruhe eingekehrt ist. Das gibt uns ein wenig Zeit, allerdings nicht viel. Zunächst muss die Zielperson gut überwacht werden. Sehr wahrscheinlich ist er nicht allein. Und noch etwas: Sorgen Sie dafür, dass der Chefredakteur der Freien Generation heute aus der Haft entlassen wird. Er wird sicher versuchen, seine Quelle anzurufen.«
»Okay, mein Herr. Betrachten Sie das Ganze als ausgeführt.«
»Solange es keine Informationen gibt, geht heute niemand nach Hause, Mustafa!«
»Wie Sie wünschen, mein Herr«, sagte Mustafa und zog sich leise zurück. Er schloss die Tür zwischen sich und Safwân, der sich eine Zigarette anzündete, sich in die Akten vergrub und von seinen Ängsten zerfressen wurde wie unseres Herrn Sulaiman Stab von den Ameisen.38