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Der Brief, der Venetia erreichte, war höchst elegant und formell – und in einem Geist unheiligen Vergnügens geschrieben worden. Damerel gab sich große Mühe mit ihm und fragte sich, was für eine Wirkung er wohl auf sie haben würde. Er apostrophierte sie als Fremde, aber es war unwahrscheinlich, daß sie sich davon täuschen ließ, und meinte, er erinnere sich nicht sehr gut, wer sie war. Obwohl er sorgfältig darauf achtete, nicht ein Wort niederzuschreiben, das ihr verraten konnte, wie sehr er die Situation genoß, würde sie bestimmt merken, wie boshaft ihm das Schicksal in die Hand gespielt hatte. Das konnte sie vielleicht in einer Stimmung schäumenden Grolls zur Priory bringen, aber er glaubte nicht, daß es sie von einem jungen Bruder von zarter Gesundheit fernhalten würde, der ausschließlich ihrer Obhut anvertraut zu sein schien; und Damerel zweifelte nicht an seiner Fähigkeit, sie so sanft behandeln zu können, daß sich ihr gesträubtes Gefieder legte. Er beendete seinen Brief mit einem steifen «Ihr ergebener usw.» und wünschte sich, als er ihn versiegelte, ihr Gesicht sehen zu können, wenn sie ihn las.

Tatsächlich aber schoß ihr nicht ein einziger der Gedanken durch den Kopf, die er sich vorgestellt hatte. Als der Brief Undershaw erreichte, war sie viel aufgeregter, als sie es Nurse verraten wollte, die, seit man entdeckt hatte, daß Aubrey nicht heimgekommen war, um mit seiner Schwester mittagzuessen, unentwegt eine Katastrophe prophezeit hatte. Der Umstand an sich hatte Venetia noch nicht erschreckt; Aubrey hatte ihr nicht gesagt, wohin er ritt, und soviel sie wußte, hätte es ganz gut Thirsk oder sogar York sein können, wo es einen Buchladen gab, der sich seiner Kundschaft erfreute. Aber gegen vier Uhr hatte sie das nervenzermürbende Stadium erreicht, daß sie sich fragte, ob sie alle Diener ausschikken solle, um das Land abzusuchen, oder ob sie, wenn sie das tat, einem Anfall ausgefallener Torheit nachgab, die Aubrey wütend machen würde. Als ihr daher Ribble den Brief brachte – die händeringende Nurse in seinem Kielwasser, die erklärte, sie hätte es doch gleich gewußt, und da war ihr heiliges Lämmchen mehr tot als lebendig aufgeklaubt worden und nun lag es in der Priory mit sämtlichen Knochen im Leib gebrochen –, hatte kein Gedanke an Damerel Platz in Venetias Kopf. Ihre Finger zitterten, als sie den Brief aufbrach. Sie war ganz krank vor Furcht; und in ihrer Angst, das Schlimmste zu erfahren, bemerkte sie nicht einmal die ironische Formalität, auf die soviel Mühe verwandt worden war. Ihre Augen überflogen das Blatt, und sie rief dankbar aus: «Nein, nein, er ist nicht schlimm verletzt! Rufus ist mit ihm gestürzt, aber er hat sich nichts gebrochen. Ein verstauchter Knöchel – beträchtliche Quetschungen – im Fall irgendeiner Verletzung der linken Hüfte – Oh, wie wirklich freundlich von ihm! Hör zu, Nurse! Lord Damerel hat schon nach York geschickt, um Dr. Bentworth zu Aubrey zu holen! Er schreibt jedoch, obwohl Aubrey selbst glaubt, er sei auf das Bein gefallen, sei es, nach dem verstauchten rechten Knöchel zu schließen, Damerels Meinung nach nicht der Fall, und er habe sich nicht mehr getan, als sich das schwache Hüftgelenk erschüttert. Ich bete zu Gott, daß er recht hat! Er hielt es für besser, Aubrey zur Priory zu befördern, als ihn der Qual der längeren Fahrt nach Hause auszuliefern – das war wirklich besser! Und wenn ich so gut sein wolle, die für Aubrey nötigen Sachen zusammenzurichten, würde der Überbringer des Briefes sie mit zur Priory nehmen. Als würde ich nicht auf der Stelle selbst zu Aubrey fahren!»

«Das werden Sie nicht!» erklärte Nurse. «Der Herrgott mag es für richtig ansehen, eine alte Frau in die Hände der Verruchten auszuliefern, aber im Buch der Bücher heißt es, daß da viele Kümmernisse für die Gerechten sind, und, was mehr bedeutet, daß ihnen Hilfe wird, die mir, wie ich vertraue, auch wird, obwohl ich niemals dachte, daß ich gezwungen sein würde, Sündern in den Weg gestellt zu werden! Aber was das betrifft, daß Sie den Fuß in jenes gottlose Herrenhaus setzen, Miss Venetia, niemals!»

Als Venetia aus der plötzlichen Wendung des Gespräches zum Biblischen erkannte, daß ihr Schutzengel stark bewegt war, widmete sie sich in den nächsten zwanzig Minuten der Aufgabe, deren Aufregung zu besänftigen, indem sie ihr erklärte, sie hätten mehr Grund, Damerel dem Guten Samariter zu vergleichen als den Verruchten, und redete ihr gut zu, ihren eigenen Entschluß, zu Aubrey zu fahren, als etwas ebenso Harmloses wie Unvermeidbares zu akzeptieren. In alldem hatte sie nur zum Teil Erfolg, denn obwohl Nurse wußte, daß sie, sobald sich Miss Venetia zu etwas entschlossen hatte, machtlos war, es zu verhindern, und sie weiter gezwungen war, eine schwache Ähnlichkeit Damerels mit dem Guten Samariter zuzugeben, blieb sie doch beharrlich dabei, von ihm als dem Gottlosen zu sprechen und sein barmherziges Betragen irgendeinem obskuren, aber sicherlich üblen Motiv zuzuschreiben.

Sie kam damit der Wahrheit näher, als sie wußte oder Venetia überzeugt haben könnte, zu glauben. Venetia hegte weder Argwohn, noch zierte sie sich. Sie kannte die Welt nur aus den Büchern, die sie gelesen hatte, ihre Erfahrung hatte sie nie gelehrt, die Aufrichtigkeit irgendeines Menschen zu bezweifeln, der ihr eine Freundlichkeit erwies. Als daher Damerel um eine Biegung der Auffahrt eine Kutsche kommen sah und hinausschlenderte, um seinen Gast zu begrüßen, war es weder eine wütende Göttin noch eine würdevolle junge Dame, die aus dem Fahrzeug sprang und ihm beide Hände hinstreckte, sondern ein wunderschönes, aufrichtiges Geschöpf ohne Betroffenheit in den freimütigen Augen, sondern nur mit einer glühend warmen Dankbarkeit. Sie rief aus, als er ihre Hände ergriff: «Ich bin Ihnen ja so dankbar! Ich wünschte nur, ich könnte Ihnen sagen, wie, aber anscheinend gibt es da nichts als einfach Danke sagen.» Sie fügte mit einem schüchternen Lächeln hinzu: «Sie haben mir außerdem einen so tröstlichen Brief geschrieben. Das war so lieb – haben Sie erraten, daß ich ganz krank vor Angst war? Oh, bitte sagen Sie mir, daß es wirklich stimmt und er nicht schlimm verletzt ist!»

Es dauerte einige Augenblicke, bevor er ihr antwortete oder ihre Hände freigab. Schon in einem verblichenen alten Kleid, die Haare unordentlich unter einem Strohhut und das Gesicht rot vor Empörung, hatte er sie für ein ungewöhnlich hübsches Mädchen gehalten. Jetzt war sie einfach, aber reizend in narzissenfarbenen Musselin gekleidet, mit einem Hut aus ungebleichtem Stroh, dessen hochgeschlagene Krempe den Rahmen für ein liebreizendes Gesicht bildete, das weder zornrot noch empört war, sondern mit unverhüllter Freundlichkeit zu ihm aufblickte und lächelte – und sie benahm ihm den Atem. Kaum gewahr, daß er immer noch ihre Hände hielt, und das mit einem viel zu starken Griff, stand er da und starrte auf sie nieder, bis Nurse ihn zur Vernunft rief, indem sie betont und sehr einschüchternd hüstelte. Da faßte er sich schnell und sagte: «Aber sicher, Miss Lanyon! Nach meiner besten Überzeugung ist es vollkommen wahr, aber obwohl ich einige Erfahrung mit gebrochenen Knochen habe, weiß ich nichts von dem Leiden, das Ihren Bruder lahm macht, und hielt es daher für unbedingt nötig, um seinen Arzt zu schicken. Ich hoffe, es dauert nicht lange, bis er kommt. Bis dahin aber – Sie sind sicher schon ungeduldig, den Jungen zu sehen. Ich bringe Sie sofort zu ihm.»

«Danke! Ich habe unsere Nurse mitgebracht, wie Sie sehen, und sie hat vor, hierzubleiben, damit sie sich um ihn kümmern kann – wenn sie darf?»

«Oh, das ist sogar großartig!» sagte er und lächelte anerkennend amüsiert, als er einem düsteren Blick aus den feindseligen Augen der strengen Moralistin begegnete. «Sie werden genau wissen, was für ihn zu tun ist, und wenn er Sie um sich hat, wird er sich viel wohler fühlen.»

«Hat er große Schmerzen?» fragte Venetia ängstlich, als Damerel sie ins Haus führte.

«Nein, jetzt nicht. Ich habe ihm etwas Laudanum gegeben, und es scheint ihm erträglich zu gehen – aber ich fürchte, Sie werden ihn ziemlich schläfrig antreffen.»

«Ihm Laudanum gegeben?» rief Venetia aus. «Oh, wenn er das geschluckt hat, dann muß er grauenhaft gelitten haben! Er will nie Medizinen nehmen – nicht einmal das mildeste Opiat, nur damit er schlafen kann, wenn ihn die Hüfte schmerzt!»

«Oh, er hat es durchaus nicht willig geschluckt, kann ich Ihnen versichern!» antwortete er und führte sie durch die Marmorhalle zur großen Treppe. «Ich respektiere zwar seinen Widerwillen, aber es wäre Wahnsinn gewesen, ihm zu erlauben, den spartanischen Jüngling zu spielen, als er – falls ich darin nicht irre – ebensosehr an der Angst litt, daß der sich zum Krüppel gemacht hatte, wie an den Schmerzen von seinen abgeschlagenen Knochen. So zumindest habe ich gedacht!»

«Sie hatten sehr recht!» stimmte sie zu. «Aber falls Sie es ihm nicht geradezu in den Hals geschüttet haben, was Sie hoffentlich nicht getan haben, kann ich mir nicht vorstellen, wie Sie ihn überreden konnten, es zu nehmen, denn ich kenne keinen zweiten derart widerborstigen Menschen!»

Er lachte. «Nein, nein, ich war nicht gezwungen, Gewalt anzuwenden!» Er öffnete die Tür zu Aubreys Zimmer, während er sprach, und trat beiseite, um sie vorgehen zu lassen.

Aubrey lag in der Mitte eines großen Himmelbettes und trug ein Nachthemd, das ihm um viele Nummern zu groß war, und sah nur wie ein klägliches Bündelchen aus, aber er hatte wieder et was Farbe. Von seiner Schwester aufgeweckt, die ihm die Finger auf das Handgelenk gelegt hatte, öffnete er die Augen, lächelte sie schläfrig an und murmelte: «Dummchen! Ich hab mich nur blaugeschlagen, meine Liebe – nichts von Bedeutung! Ich glaube, ich habe ihn zu stark angetrieben – Rufus, meine ich.»

«Tolpatsch!» sagte sie liebevoll.

«Ich weiß. Damerel sagte, mehr Hintern als Kopf.» Er faßte Nurse ins Auge, die sich, nachdem sie einen prallgefüllten Reisesack niedergestellt hatte, ihrer Haube entledigte, ganz mit der Miene eines Menschen, der entschlossen war, an seiner Seite zu bleiben, was immer die Folgen sein mochten. Er würgte hervor: «O Gott, nein, nicht das ...! Wie konntest du nur, Venetia? Nimm sie weg! Ich will verdammt sein, wenn ich ihr Getue und Geschäume um mich haben will, als wäre ich ein Baby!»

«Undankbarer Balg!» bemerkte Damerel. «Es geschähe dir recht, wenn dich dein Kinderfräulein beim Wort nähme und dich meiner Gnade ausliefern wollte. Ich würde dich bestimmt verhauen.»

Zum beträchtlichen Erstaunen Venetias veranlaßte diese Einmischung, weit entfernt davon, Aubrey zu verletzen, ihn zu einem winzigen Lachausbruch. Er wandte den Kopf auf dem Kissen so, daß er Damerel ansehen konnte, und sagte: «Na, wie würde denn das Getue von Nurse Ihnen passen, Sir?»

«Aber schon sehr! Du hast mehr Glück, als du weißt.»

Aubrey zog eine Grimasse; aber als Damerel das Zimmer verlassen hatte, sagte er: «Ich mag ihn – du nicht? Du wirst ihm doch alles sagen, was sich schickt, ja? Ich glaube nicht, daß ich das getan habe, und eigentlich müßte ich es.»

Sie beruhigte ihn diesbezüglich, und er schloß die Augen. Bald war er eingeschlafen, so daß Venetia nichts übrigblieb, als sich niederzusetzen und auf die Ankunft Dr. Bentworths zu warten, während Nurse den Portemanteau auspackte, die Lippen mißbilligend zusammengekniffen, außer wenn sie sie öffnete und Venetia Warnungen zuflüsterte, nicht in die Klauen des Bösen zu fallen. Gleich darauf wurde sie von Mrs. Imber in das anschließende Ankleidezimmer gezogen, und Venetia blieb es überlassen, sich die Zeit, so gut sie konnte, zu vertreiben. Es gab nichts, was sie hätte beschäftigen können, außer ihren Gedanken, und vom Fenster aus nichts zu sehen als einen vernachlässigten Garten, vom Herbstsonnenschein gebadet. Nachdem sie im Geist das Unkraut gejätet, ihn mit Blumenbeeten voll von ihren Lieblingsblumen versorgt und ein paar Männer veranlaßt hatte, den Rasen zu mähen, fragte sie sich, wie lange sie wohl würde müßig dasitzen müssen. Sie fürchtete, ziemlich lange, denn York lag zwölf Meilen entfernt, und es war mehr als unwahrscheinlich, daß ein vielbeschäftigter praktizierender Arzt frei anzutreffen war, damit er sofort an Aubreys Krankenbett eilen konnte.

Als Nurse in das Zimmer zurückkam, war Venetia froh zu sehen, daß ihr Gesicht seinen Ausdruck kompromißloser Strenge leicht entspannt hatte. Ihre Meinung über Damerels Moral und ihre Überzeugung, daß sein Ende anderen Sündern eine Lehre sein würde, blieb unverändert, aber sie war bis zu einem gewissen Grad besänftigt durch die Entdeckung, daß er Mrs. Imber aufgetragen hatte, nicht nur ein Bett im Ankleidezimmer für sie aufzustellen, sondern auch jeglichem ausdrücklichen Befehl nachzukommen, den sie, Nurse, für angemessen hielt, ihr aufzuerlegen. Ferner war sein Kammerdiener nicht, wie man hätte annehmen sollen, ein unverschämter Naseweis, sondern ein sehr respektabler Mann, der sich mit großer Höflichkeit zu ihr betrug, sich ihrem überlegenen Urteil unterwarf und sich als Gunst die Erlaubnis erbat, die Pflichten, dem Kranken zu dienen, mit ihr teilen zu dürfen. Es schien, daß ihm Nurse diese Ehre gnädig gewährt hatte, aber ob sie das getan hatte, weil sie von seinem Takt besiegt wurde oder weil sie wußte, daß Aubrey hartnäckig jeglichem Versuch, ihn auf den Stand des Kinderzimmers herunterzudrücken, widerstehen würde, wurde nicht enthüllt. Sie stellte Venetia gerade eindringlich vor Augen, wie unnötig es für diese sei, auch nur einen Augenblick länger in der Priory zu bleiben, als Aubrey aufwachte, ziemlich böse, und klagte, ihm sei heiß, er habe Durst und fühle sich unbehaglich. Nurse hielt das für eine ausgezeichnete Gelegenheit, Damerels ansteckendes Nachthemd gegen eines seiner eigenen auszutauschen. So rief sie Marston zu Hilfe und war ziemlich beschäftigt, als Damerel in das Zimmer trat, um Venetia einzuladen, in seiner Gesellschaft ein Abendessen einzunehmen. Bevor noch Nurse die skandalöse Natur seiner Einladung begriffen hatte, war diese angenommen worden, und Damerel führte Venetia mit einer Verbeugung aus dem Zimmer.

«Danke!» sagte Venetia, als er die Tür schloß. «Wissen Sie, Sie sind gerade im richtigen Augenblick hereingekommen, als die arme Nurse zu sehr damit beschäftigt war, mit Aubrey zu schimpfen, um daran zu denken, was ich tun könnte!»

«Ja, ich habe nicht geglaubt, ich würde diese Hürde so schnell nehmen», stimmte er zu. «Hätten Sie ihr nachgegeben?»

«Nein, aber sie wird stark vom Heiligen Geist bewegt, und es ist durchaus möglich, daß er sie dazu bewogen hätte, Ihnen etwas Unhöfliches zu sagen, was mich in tödliche Verlegenheit gestürzt hätte.»

«Oh, machen Sie sich darüber keine Sorgen!» sagte er lachend. «Sagen Sie mir nur, wie ich sie ansprechen soll!»

«Nun, wir haben sie schon immer <Nurse> genannt.»

«Zweifellos! Aber ich kann euch das nicht gut nachmachen. Wie heißt sie?»

«Priddy. Die niedrige Dienerschaft nennt sie Mrs. Priddy, obwohl ich mir nicht denken kann, warum eigentlich, weil sie doch nie verheiratet war.»

«Dann soll sie Mrs. Priddy bleiben. Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, daß ich in ihrer Einschätzung über der niedrigen Dienerschaft stehe!» Ein nicht zu unterdrückendes Gekicher ließ ihn auf sie hinunterschauen; er sah, wie ihre Augen vor Erheiterung fast überflossen, und fragte: «Was denn? Rangiere ich etwa über ihr?»

«Ich jedenfalls glaube nicht», antwortete sie vorsichtig. «Zumindest habe ich sie nie sagen gehört, selbst nicht vom Wäschermädchen, daß sie von Fröschen gefressen werden würde!»

Er lachte schallend auf. «Guter Gott, erwartet mich dieses Schicksal?»

Ermutigt durch die Entdeckung, daß er ihren Spaß am Albernen teilte, lachte sie mit und sagte: «Ja, und auch, daß Ihr Nachwuchs der Raupe ausgeliefert werden wird.»

«Oh, dagegen habe ich nichts! Die Raupe ist meinem Nachwuchs willkommen.»

«Nein, wie können Sie so unnatürliche Gefühle haben? <Nachwuchs> muß doch Ihre Kinder bedeuten!»

«Zweifellos! Alle eventuellen Resultate meiner Fehltritte kann die Raupe fressen und hat meinen Segen dazu!» gab er zurück.

«Die armen kleinen Dinger!» sagte sie und fügte nach einer Weile nachdenklich hinzu: «Wobei es gar nicht leicht ist, zu erkennen, was ihnen eine einzige Raupe Böses antun könnte.»

«Wissen Sie, daß Sie ein sehr sonderbares Mädchen sind?» fragte er abrupt.

«Warum? Habe ich etwas gesagt, das ich nicht hätte sollen?» fragte sie ziemlich ängstlich.

«Im Gegenteil – ich fürchte, das habe ich.»

«Wirklich?» Sie runzelte die Stirn. «Fehltritte? Nun, es war ganz meine Schuld, daß ich Ihre Kinder überhaupt erwähnte, wo ich doch weiß, daß Sie nicht verheiratet sind. Haben Sie eigentlich – Nein.»

Seine Lippen zuckten, aber er sagte ernst: «Nicht, daß ich wüßte.» Das entlockte ihr ein verständnisvolles Zwinkern. «Ja, das wollte ich Sie wirklich fragen», gab sie zu. «Ich bitte um Entschuldigung! Die Sache ist die, wissen Sie, ich spreche so selten mit jemandem anderen als mit Aubrey, daß ich vergesse, mich vorzusehen, was ich sage, wenn ich in Gesellschaft bin.»

«Hüten Sie Ihre Zunge ja nicht um meinetwillen!» sagte er und ließ sie ins Speisezimmer ein. «Ich habe Ihren Freimut gern – und hasse Dämchen, die rot werden und sich im Zaum halten!»

Sie setzte sich auf den Stuhl, den Imber für sie bereit hielt. «Nun, ich glaube nicht, daß ich das je tat, selbst als grünes Ding nicht.»

«Ziemlich lange her!» sagte er neckend.

«Doch, denn, wissen Sie, ich bin fünfundzwanzig.»

«Ich muß es Ihnen glauben, aber klären Sie mich doch bitte auf: Mögen Sie meine Geschlechtsgenossen nicht, oder haben Sie ein Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt?»

«Ich wollte, Sie brächten mich nicht zum Lachen, gerade wenn ich Suppe esse! Jetzt wäre ich fast erstickt! Natürlich nicht!»

«Was für eine Bande von Dummköpfen müssen die Yorkshire-Burschen sein! Diese Suppe scheint ausschließlich aus Zwiebeln zu bestehen. Ich wundere mich nicht, daß Sie fast erstickt wären. Und soweit ich sehen kann», sagte er und schaute durch sein Monokel die verschiedenen Gerichte an, die auf dem Tisch standen, «kommt es noch schlimmer. Was, zum Teufel, soll denn dieser Mist sein, Imber?»

«Kalbfleisch, Mylord, mit einer Béchamelsoße – da Mrs. Imber nicht auf Gesellschaft vorbereitet war», antwortete Imber in Verteidigung seiner Gattin. «Aber es gibt Hammelpastete und Rebhühner als zweiten Gang, mit grünen Bohnen und Champignons, und – und als Nachtisch Obst, was, wie Mrs. Imber hofft, Sie entschuldigen werden, Miss Lanyon, denn da Seine Lordschaft nicht für Süßes ist, hatte sie keine Creme noch ein Gelee bereit, und wie Sie wissen, Miss, solche Dinge brauchen ihre Zeit.»

«Ich staune, daß die arme Mrs. Imber imstande war, auch nur halb so viel Gerichte auf den Tisch zu zaubern», antwortete Venetia sofort. «Bei einer solchen Aufregung im Haus kann sie doch nicht eine freie Minute gehabt haben! Bitte, sagen Sie ihr, daß ich Kalbfleisch ganz besonders gern esse und Gelees geradezu verabscheue!»

Damerel betrachtete sie mit einem Lächeln in den Augen. Er sagte, als Imber die leeren Suppenteller davontrug: «Alles ist schön an Ihnen! – Ihr Gesicht, Ihr Name und Ihr Wesen! Erzählen Sie mir von Ihrem Leben! Wieso habe ich Sie nie vorher gesehen? Kommen Sie nie nach London?»

Sie schüttelte den Kopf. «Nein. Obwohl ich das vielleicht werde, wenn Aubrey nächstes Jahr nach Cambridge geht. Und Ihnen von meinem Leben erzählen – darauf gibt's nur eine einzige Antwort, und die ist – <ein unbeschrieben' Blatt, Mylord>

«Soll ich darunter verstehen, daß Sie in Gedanken vor Gram vergehen? Ich hoffe, Sie wollen mir nicht erzählen, daß Sie düster melancholisch sind, denn ich könnte schwören, daß das nicht stimmt!»

«Heiliger Himmel, nein! Nur, daß ich keine Lebensgeschichte habe. Ich habe mein ganzes Leben in Undershaw verbracht und nichts getan, was des Erzählens wert wäre. Ich wollte, Sie erzählten mir etwas von dem, was Sie getan haben!»

Er schaute schnell von dem Gericht auf, das er ihr servierte, und seine Augen wurden hart. Sie begegnete diesem prüfenden Starren mit einem leichten fragenden Heben der Brauen und sah, daß sich seine Lippen zu dem höhnischen Lächeln verzogen, das sie an den Corsair erinnert hatte. «Lieber nicht», sagte er trocken.

«Ich habe gesagt, nur etwas von dem, was Sie getan haben!» rief sie empört aus. «Sie können doch nicht Ihr ganzes Leben damit verbracht haben, in idiotische Klemmen geraten zu sein!»

Der häßliche Blick verschwand, als er in Gelächter ausbrach.

«Den größten Teil meines Lebens, versichere ich Ihnen! Was wünschen Sie zu wissen?»

«Ich möchte gern alles von den Orten erfahren, wo Sie waren. Sie sind sehr viel gereist, nicht?»

«O ja!»

«Darum beneide ich Sie. Das ist etwas, wonach ich mich immer sehnte. Ich fürchte, das werde ich nie, weil alleinstehende Frauenzimmer so gräßlich eingeschränkt sind, aber ich schwelge immer noch im Plänemachen für Reisen zu all den fremden Orten, über die ich nur gelesen habe.»

«Nein, nein, tun Sie das nicht!» bat er. «Solche Träume, glauben Sie mir, sind die Saat, aus denen die Exzentriker entspringen! Sie würden wie dieses schäbige Stanhope-Weib werden, das sich zur Königin von Horden übelriechender Beduinen aufschwingt!»

«Ich versichere Ihnen, das würde ich nicht. Es klingt sehr unangenehm – und ebenso langweilig wie das Leben, das ich kenne! Sie spielen dabei, nehme ich an, auf Lady Hester an – sind Sie ihr je begegnet?»

«Ja, in Palmyra, im Jahr – oh, ich habe es vergessen! – 13? 14? Es ist belanglos.»

«Haben Sie Griechenland besucht, und auch die Levante?» unterbrach sie ihn.

«Ja. Warum? Kann es sein, daß Sie Klassik studiert haben?»

«Nein, ich nicht, aber Aubrey. Bitte, erzählen Sie ihm doch von dem, was Sie in Athen gesehen haben müssen! Er hat nur Mr. Appersett, mit dem er über das reden kann, was ihm am liebsten ist, und obwohl Mr. Appersett – der Vikar, wissen Sie! – ein großer Gelehrter ist, hat er es doch nicht richtig gesehen, mit eigenen Augen, wie Sie!»

«Ich werde Aubrey alles erzählen, was er nur wissen will – falls Sie mir, geheimnisvolle Miss Lanyon, erzählen werden, was ich von Ihnen wissen will!»

«Nun ja», antwortete sie freundlich. «Obwohl mir rätselhaft ist, was ich Ihnen da erzählen soll, oder warum Sie mich geheimnisvoll nennen!»

«Ich nenne Sie geheimnisvoll, weil ...», er machte eine Pause, amüsiert von dem Blick unschuldiger Erwartung in ihren Augen, «– oh, weil Sie fünfundzwanzig sind, unverheiratet und, soweit ich entdecken kann, unbegehrt!»

«Im Gegenteil!» gab Venetia zurück und ging auf den Scherz ein. «Ich habe sogar zwei Freier! Der eine ist äußerst romantisch, und der andere ist ...»

«Nun?» drängte er, als sie zögerte.

«Würdig!» platzte sie heraus und brach in fröhliches Gelächter aus, als er den Kopf in die Hände fallen ließ.

«Und dabei sind Sie eine unvergleichliche Schönheit!»

«Nein, wirklich? In Wahrheit ist da überhaupt kein Geheimnis dran – mein Vater war ein Einsiedler.»

«Das klingt wie ein non sequitur.»

«Nein, das ist gerade der Kern der Sache.»

«Aber, guter Gott, hat er Sie genauso eingesperrt gehalten wie sich selbst?»

«Nicht ganz, obwohl ich oft den Verdacht hatte, daß er es am liebsten getan hätte. Sehen Sie, meine Mutter starb. Ich nehme an, er muß sie geradezu verzweifelt geliebt haben, denn er verfiel in die bedauerlichste Lethargie und wurde genau wie Heinrich der Erste – <niemals wieder lächelte er>! Ich kann nicht sagen, wie das war, weil er nie erlaubte, ihren Namen zu erwähnen. Außerdem war ich damals erst zehn Jahre alt und kannte beide Eltern überhaupt nicht. Ja, ich kann mich kaum erinnern, wie sie aussah, sicher weiß ich nur, daß sie hübsch war und wunderschöne Kleider trug. Jedenfalls wurde Papa durch ihren Tod äußerst schwermütig, und bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr habe ich, glaube ich, nie ein Wort mit jemandem außerhalb unseres eigenen Haushalts gewechselt.»

«Guter Gott! War er verrückt?»

«O nein! Bloß grillenhaft!» antwortete sie. «Ich habe nie an ihm erlebt, daß er sich um die Behaglichkeit jemandes anderen als seine eigene gekümmert hätte, aber ich stelle mir vor, das ist bei exzentrischen Menschen so. Als ich heranwuchs, erlaubte er Lady Denny und Mrs. Yardley, mich hie und da zu den Unterhaltungen in York mitzunehmen. Und einmal stimmte er tatsächlich zu, daß ich eine Woche in Harrogate verbrachte, bei meiner Tante Hendred! Ich hatte wirklich gehofft, er würde auch zustimmen, daß ich sie in London besuche, damit sie mich auf die übliche Art in die Gesellschaft einführt. Sie hat sich dazu erbötig gemacht, aber er wollte es nicht, und ich muß schon sagen, sie dürfte es nicht sehr gewollt haben, denn gedrängt hat sie ihn nicht mehr.»

«Arme Venetia!»

Falls sie bemerkte, daß er ihren Vornamen benützte, ließ sie es sich nicht anmerken, lächelte nur und sagte: «Ich gebe zu, ich war damals sehr niedergeschlagen, aber schließlich – wissen Sie, ich glaube nicht, daß ich überhaupt hätte gehen können, selbst wenn Papa dazu bereit gewesen wäre, denn Aubrey war immer noch an ein Sofa gefesselt, und ich hätte ihn nicht allein lassen können.»

«So sind Sie also nicht weiter als bis nach Harrogate gekommen! Kein Wunder, daß Sie vom Reisen träumen! Wie haben Sie eine derart unerträgliche Tyrannei ertragen?»

«Oh, es war nur dieser eine Punkt, in dem Papa unnachgiebig war! Im übrigen konnte ich machen, was ich wollte. Ich war nicht unglücklich – oder haben Sie das geglaubt? Nicht ein bißchen! Ich langweile mich vielleicht hie und da ein wenig, aber im allgemeinen hatte ich immer genug, was mich beschäftigte: das Haus führen und mich um Aubrey kümmern.»

«Wann starb Ihr Vater? Sicherlich schon vor einigen Jahren? Warum bleiben Sie dann hier? Ist Gewohnheit so stark?»

«Nein, aber die Umstände sind es! Wissen Sie, mein älterer Bruder gehört dem Stab Lord Hills an, und bis es ihm paßt, den Dienst zu quittieren, muß sich doch irgendwer um Undershaw kümmern. Und dann ist doch auch Aubrey da. Ich glaube nicht, daß er zustimmen würde, fortzugehen, weil das bedeuten würde, daß er nicht mehr mit Mr. Appersett studieren könnte. Und ihn allein lassen ginge nicht an.»

«Ich glaube gern, daß er Sie vermissen würde, aber ...»

Sie lachte. «Aubrey? O nein! Aubrey hat Bücher lieber als Menschen. Die Sache ist die, ich fürchte, Nurse würde ihn wahnsinnig machen, weil sie versuchen würde, ihn in Watte zu packen, etwas, das er nicht ertragen kann.» Sie runzelte die Stirn. «Ich wünschte nur, daß sie ihn nicht zu Tode aufregt, solange er hier ist! Ich mußte sie mitbringen, denn hätte ich es nicht getan, wäre sie zu Fuß hergewandert. Und dann weiß sie ja auch, was zu tun ist, wenn er leidend ist, und ich konnte ihn nicht ganz Ihnen zur Last lassen. Vielleicht wird Dr. Bentworth sagen, daß er heimkommen darf.»

Aber als der Arzt kam – und obwohl er imstande war, etwaige Ängste, daß Aubrey seine Hüfte ernstlich verletzt hätte zu beschwichtigen –, sagte er auf die Andeutung Nurses hin, daß Aubrey besser in seinem eigenen Heim aufgehoben wäre, glatt nein. Je ruhiger man ihn hielte, sagte Dr. Bentworth, um so schneller würden die gezerrten Sehnen heilen. Dieses Verdikt akzeptierte Nurse nur zögernd, Aubrey jedoch, dessen Geduld durch die ärztliche Untersuchung ziemlich schwer geprüft worden war, nahm es mit tiefer Erleichterung auf.

Mit einem Takt, der durch Erfahrung erworben war, hatte Venetia den Doktor nicht ins Krankenzimmer begleitet. Sie hatte Damerel gebeten, statt ihr mit ihm zu gehen. Er hatte genickt und in seiner kurz angebundenen Art gesagt: «Ja, ich gehe. Machen Sie sich keine Sorgen!» Es dauerte einige Minuten, bevor es ihr einfiel, daß sie sich an ihn wie an einen langjährigen Freund gewandt hatte. Dann dachte sie etwas verwundert über das ausgedehnte Abendessen nach und wie sie plaudernd sitzen geblieben waren, lange nachdem Imber den Tisch abgeräumt hatte – Damerel in seinen geschnitzten Stuhl zurückgelehnt, mit einem Glas Portwein in den langen Fingern, sie die Ellbogen auf den Tisch gestützt und einen halb gegessenen Apfel in der Hand; und wie die Dämmerung unbeachtet ins Zimmer geschlichen war, bis Imber hohe, vielarmige Kerzenleuchter hereinbrachte und sie auf den Tisch setzte. Sie saßen dann in einem Lichttümpel, während die Schatten an seinem Rand immer dunkler wurden. Als sie sich zu erinnern versuchte, wovon sie in dieser gemütlichen Stunde gesprochen hatten, erschien es Venetia, von allem oder vielleicht auch von nichts – sie wußte es nicht. Sie wußte nur, daß sie einen Freund gefunden hatte.

Als ihr der Arzt sagte, er könne ihr nicht raten, Aubrey von der Priory mit heimzunehmen, schien er sowohl überrascht wie erleichtert zu sein, daß sie sein Verdikt so ruhig aufnahm. Der Beiklang einer Entschuldigung in seiner Stimme verblüffte sie zuerst, aber nachdem sie das überdacht hatte, sah sie, was er gemeint haben mußte, als er von Verlegenheit und einer peinlichen Situation gesprochen hatte. Als Damerel in das Zimmer zurückkam, nachdem er den Arzt zu seinem Wagen hinausbegleitet hatte, schaute sie ziemlich ängstlich zu ihm auf und sagte etwas mühsam: «Ich fürch te – ich hatte nicht bedacht – wird es Sie sehr stören, Aubrey hierzubehalten, bis es ihm besser geht?»

«Nicht ein bißchen!» antwortete er munter und beruhigend. «Was hat Ihnen denn solch eine verrückte Idee in den Kopf gesetzt?»

«Nun, weil Dr. Bentworth sagte, wie leid es ihm täte, daß er mich in eine peinliche Situation bringen müsse», enthüllte sie ihm. «Er meinte natürlich, daß es ziemlich ungehörig ist, Ihnen den armen Aubrey aufzuhalsen, und er hat auch vollkommen recht! Ich kann mir nicht denken, wieso es mir nicht früher eingefallen ist, aber ich muß sagen ...»

«Er meinte nichts dergleichen», unterbrach sie Damerel brutal. «Seine Besorgnis gilt nicht mir, sondern Ihnen. Er war sich der Unschicklichkeit bewußt, Sie zur Bekanntschaft mit einem Mann zügelloser Neigungen zwingen zu müssen. Die Moral und die Medizin kämpften miteinander in seiner Brust, und die Medizin trug den Sieg davon – aber ich bin überzeugt, die Moral wird ihm eine schlaflose Nacht bereiten!»

«Weiter nichts?» rief sie aus, und ihre Stirn erhellte sich wieder.

«Das ist alles», antwortete er ernst. «Falls er natürlich nicht fürchtet, daß ich Aubrey verderben könnte. Ansteckung, wissen Sie!»

«Ich glaube nicht, daß Sie das könnten», sagte sie, die Sache leidenschaftslos erwägend. Sie sah, daß seine Lippen zitterten, und ihr eigener Ernst schwand. «Oh, ich will damit nicht sagen, daß Sie das überhaupt versuchen würden! Sie wissen sehr gut, daß ich das nicht meine! Die Sache ist nur so – selbst wenn Sie hier eine Orgie abhielten, würde er das sehr wahrscheinlich nur für sehr zahm halten, verglichen mit den Römern, nicht zu erwähnen die Bacchantinnen, die, soviel ich entdecken kann, genau die Art Frauenzimmer waren, von denen man wünschen möchte, daß ein Junge lieber nichts von ihnen wüßte!»

Diese Ansicht der Dinge war fast zuviel für seine Selbstbeherrschung; es dauerte eine Weile, bevor er seine Stimme genügend in der Gewalt hatte, um sagen zu können: «Ich verspreche Ihnen, ich werde hier keine Orgien abhalten, solange Aubrey unter meinem Dach ist.!»

«O nein, ich weiß, daß Sie das nicht würden! Obwohl ich sagen muß», fügte sie hinzu, und ihre Augen glitzerten lustig, «es wäre der Mühe wert – nur uni Nurses Gesicht zu sehen!»

Darüber lachte er schallend heraus, warf den Kopf in herzhafter Erheiterung zurück und keuchte: «Warum, oh, warum nur habe ich Sie erst jetzt kennengelernt?»

«Es ist anscheinend wirklich ein Jammer», stimmte sie ihm zu. «Ich habe mir das selbst gedacht, denn ich habe mir immer einen Freund gewünscht, mit dem zusammen ich lachen könnte.»

«Um mit ihm zu lachen!» wiederholte er langsam.

«Vielleicht haben Sie schon Freunde, die mit Ihnen lachen», sagte sie schüchtern. «Ich nicht, und es ist wichtig, glaube ich – wichtiger als Mitleid bei Kummer, das man sogar leicht bei jemandem finden kann, den man entschieden nicht mag.»

«Aber einen Sinn für das Lächerliche mit jemandem zu teilen, läßt keine Abneigung zu – ja, das ist wahr! Und selten. Mein Gott, wie selten! Starren sie Sie sehr an, unsere würdigen Nachbarn, wenn Sie lachen?»

«Ja! Oder sie fragen mich, was ich eigentlich damit meine, wenn ich einen Spaß mache!» Sie schaute auf die Uhr über dem leeren Kamin. «Ich muß gehen.»

«Ja, Sie müssen gehen. Ich habe schon Post in die Ställe geschickt. Es ist noch licht genug für Ihren Kutscher, daß er den Weg erkennt, aber in einer Stunde oder sogar noch früher wird es dunkel.» Er nahm ihre Hände, legte Handfläche an Handfläche und hielt sie so zwischen den seinen. «Sie werden morgen wiederkommen – um Aubrey zu besuchen! Lassen Sie sich nicht von ihnen davon abreden, von unseren würdigen Nachbarn! Außerhalb meiner Parktore verspreche ich Ihnen nichts – trauen Sie mir nicht! Innerhalb jedoch ...» Er schwieg, und sein Lächeln verzerrte sich zu etwas, das nicht ganz ein Hohnlächeln, aber dennoch verächtlich war. «Oh, innerhalb der Tore», sagte er in spröder Selbstverspottung, «werde ich mich daran erinnern, daß ich zumindest als Gentleman erzogen wurde!»