6
Als er eintrat, schäumte Aubrey immer noch vor Ärger, die Augen glänzten zu stark, seine schmalen Wangen waren hochrot. Damerel sagte amüsiert: «Na, du verpaßt deinen Besuchern türkische Bäder, was?»
«Wo ist er?» fragte Aubrey.
«Abiit, excessit ...»
«Was schon? Vae victis! Haben Sie ihn hinausgeschmissen?»
«Im Gegenteil! Ich habe ihn eingeladen, dieses Haus als sein eigenes anzusehen.»
«O mein Gott, nein!»
«Das ist so ziemlich genau das, was er auch gedacht hat – obwohl er es nicht so ausgedrückt hat. Ich bilde mir ein, er mag mich nicht im geringsten – aber seine Höflichkeit war nicht zu überbieten.» Er wandte seine lachenden Augen Venetia zu. «Würdig war genau das richtige schmückende Beiwort!»
Sie lachte zurück. «Oh, haben Sie erraten?»
«Natürlich! Der Arme, er hat mir herzlich leid getan!»
«Leid getan – dieser – dieser Blasebalg?» explodierte Aubrey. «Warten Sie nur, was Sie erleben, wenn Sie ihm erlaubten, Ihr Haus als sein eigenes zu betrachten. Das tut er bei uns, seit mein Vater starb! Sich einmischen und Moralpredigten halten! Ich sage dir auf den Kopf zu, Venetia, wenn du den heiratest, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben!»
«Na, ich will ihn ja gar nicht heiraten, also hör auf, dich in eine Aufregung hineinzureden.»
Er bewegte sich unruhig und zuckte ein bißchen zusammen.
«Lieber lebe ich noch mit Conway zusammen! Nein, beim Zeus, Conway ziehe ich sogar diesem aufgeblasenen, predigenden Wichtigtuer vor, der noch nie im Leben über mehr als eine Schnecke gesprungen ist! Und der redet davon, mir Lehren zu geben ...! Der hat den schlechtesten Sitz und die härtesten Hände als Reiter in der ganzen Grafschaft, und macht eine Meile Umweg, um in einer Hecke, die sein Pferd hätte nehmen können, eine Lücke zu finden! Man würde ihn für einen Postkutschenreiter halten! Und was seine verfluchte Anmaßung betrifft, hier hereinzukommen und Moralpredigten zu halten, kannst du ihm sagen, Venetia, daß ich mir das vielleicht von Conway gefallen lasse, aber von niemandem sonst!»
«Guter Gott, demnächst wird er noch von mir Genugtuung verlangen!» rief Damerel aus. «Mr. Lanyon, erlauben Sie mir, mich demütigst bei Ihnen entschuldigen zu dürfen!»
Aubrey wandte den Kopf in den Kissen und schaute ihn einigermaßen ungeduldig und höchst mißtrauisch an: «Ziehen Sie mich auf?»
«Das würde ich nie wagen! Ich bitte um Verzeihung, weil ich die verfluchte Anmaßung gehabt habe, Sie auszuschelten. Wie ich mich nur so schlecht benehmen konnte ...!»
«Unsinn!» biß Aubrey böse zurück, aber doch mit dem Schimmer eines Grinsen wider Willen. «Alles, was Sie gesagt haben, war, daß ich ein verdammter junger Narr bin, der mehr Hintern als Hirn hat, und das macht mir nichts!»
«Nein, wirklich nicht! Das ist ganz einfach!» nickte Venetia beifällig. «Ich habe doch gewußt, daß Seine Lordschaft alles gesagt haben muß, was nett und höflich ist, daß er sich derart beliebt bei dir gemacht hat!»
«Na, jedenfalls hält er mir keine Moralpredigten!» gab Aubrey zurück und versuchte, nicht zu lachen. «Aber was das Beliebtsein betrifft, daß er diesen Weichschädel heraufkommen hat lassen ...»
«Was, du undankbarer Schlingel?! Und wer hat dich vor ihm gerettet? Wenn ich nicht mit einer Schwindelgeschichte über Nurse und eine Rolle Scharpie hereingekommen wäre, dann wäre er immer noch da! Paß nur auf, daß ich das nicht wahrmache. Ich tu's, wenn du noch weiter verschnupft bist.»
«Ja», sagte Aubrey mit einem tiefen Seufzer. «Ich bitte um Entschuldigung. Ich wollte nicht – O Herr, ich weiß nicht, warum, zum Teufel, ich über einen solchen Einfaltspinsel wütend geworden bin. Im allgemeinen werde ich es nicht.»
Das Rot des Ärgers in seinen Wangen verschwand allmählich. Als Marston mit einem Tablett mit kaltem Huhn und Obst und Tee hereinkam, hatte er seinen Gleichmut wiedergefunden; und obwohl er das Huhn zurückwies, ließ er sich ohne viel Schwierigkeiten überreden, etwas Tee zu trinken und ein Stück Butterbrot zu essen. Damerel ging fort, als das Mittagessen hereingebracht wurde, kam aber zurück, gerade als Nurse dabei war, die Kompresse um Aubreys Knöchel zu wechseln und seine diversen blauen Flekke mit einer großartigen Medizin eigener Zubereitung zu salben, und lud Venetia ein, mit ihm eine Runde im Garten zu machen.
Sie war sehr gern dazu bereit, erwartete jedoch kaum, daß sie Nurse ohne Widerrede würde entfliehen können. Aber alles, was Nurse sagte, war, sie dürfe nicht ohne Hut hinausgehen, was ebenso überraschend war wie der Umstand, daß sie anscheinend nicht zu merken schien, wie erschöpft Aubrey aussah. Das war ein Zustand, der ihr für gewöhnlich Ausrufe, Vorwürfe, prüfende Fragen und ausgiebiges Schelten entlockt hätte. Aber obwohl sie ihn sehr prüfend angesehen hatte, machte sie keine Bemerkung.
Für diese Enthaltsamkeit hatte Aubrey seinem Gastgeber zu danken. Damerel hatte Nurse auf ihrem Weg zu Aubreys Zimmer abgepaßt und ihr von dem katastrophalen Ergebnis von Edwards Besuch erzählt.
Edward hatte bisher als ehrbarer Kandidat auf Venenas Hand die Gunst Nurses genossen, aber kein Mensch, der einen Rückfall Aubreys verschuldete, konnte hoffen, seinen Platz in ihrer Wertschätzung zu behalten. Als sie erfuhr, daß er Aubrey eine Standpauke gehalten hatte, funkelten ihre Augen vor Wut, denn Aubrey Standpauken zu halten war ein Privileg, das ausschließlich ihr selbst vorbehalten war. Wäre sie anwesend gewesen, dann hätte Edward etwas zu verdauen gehabt! Sie war nicht anwesend gewesen, aber in ihrer Abwesenheit hatte Damerel – obwohl ein Sünder – mit einer Promptheit und einem Anstand gehandelt, der unverzüglich ihre Zustimmung gewann. Er hatte sich als so verdienstlich erwiesen, daß sie seinen Rat befolgte und selbst einsah, es wäre unvorsichtig, Aubrey gegenüber die Episode zu erwähnen. Damerel meinte, wenn man Aubrey in Ruhe ließ, würde er einschlafen, zu welchem Zweck er vorschlug, er würde die Schwester eine Weile von seiner Seite entfernen. Vielleicht möchte sie gerne im Garten herumschlendern – was meinte Mrs. Priddy?
Erfreut, aber dennoch mißtrauisch, sagte Nurse, es sei nicht nötig, daß Venetia noch länger in der Priory bleibe, wozu Damerel lächelte und sagte: «Durchaus nicht, aber wir könnten sie nie dazu überreden, heimzugehen, bevor sie ihren Bruder nicht wieder auf dem Weg der Besserung sieht.»
Das stimmte, und da das Benehmen Seiner Lordschaft bei weitem mehr das eines höflichen, aber leicht gelangweilten Gastgebers denn das eines Schänders unschuldiger Frauenzimmer war, erhob Nurse keine weiteren Einwände gegen seinen Plan.
«Wie in aller Welt gelang es Ihnen», fragte Venetia, als sie neben Damerel die Treppe hinunterging, «Nurse so freundlich zu stimmen?»
Er schaute neckend auf sie herunter: «Haben Sie gedacht, ich könnte das nicht?»
«Nun, ich weiß, Sie können junge Frauen beschwatzen – zumindest glaubt man das allgemein von Ihnen! –, aber ich bin überzeugt, ein Versuch, mit Nurse zu flirten, würde nie gelingen.»
«Also trauen Sie mir ausschließlich Flirten zu! Sie unterschätzen meine Talente, Miss Lanyon! Da ich eine Bresche in die Verteidigungswerke Nurses damit schlug, daß ich Besorgtheit um Aubrey zeigte und einen entsprechenden Respekt vor ihrem Urteil in allem, was ihn betrifft, brach ich durch teuflische Strategie zumin dest in den Ring ihrer Vorwerke ein. Ja, ich opferte Ihren würdigen Freier und stürmte die Befestigungen über seinen gefallenen Leichnam. Sie war so erfreut über mich, daß ich Aubrey von ihm befreit habe, daß sie sich nicht nur beschwatzen ließ, ihre Zustimmung zu dieser sehr gefährlichen Expedition zu geben, sondern sogar zustimmte, keinen Staub mehr mit einer Bemerkung über Aubreys zermürbtes Aussehen aufzuwirbeln.»
«Nurse war über Sie erfreut, weil Sie Edward losgeworden sind?» rief Venetia ungläubig aus. «Aber er ist doch ihr größter Favorit!»
«Wirklich noch? Nun, wenn er genug gewandt ist – was ich bezweifle –, kann es ihm vielleicht gelingen, diese Position zurückzuerobern, aber nicht, falls man ihr glauben darf, bis sie ihm nicht ein wahres Donnerwetter verpaßt hat! Und bestimmt nicht so lange, bis Aubrey den Schutz meines Daches verlassen hat – darauf werde ich schon schauen! Ein wirklich schätzenswerter junger Mann – aber einer, mit dem ich auch schon gar nichts gemein habe. Ich erlaubte ihm zu kommen und zu gehen, wie er will – habe aber vor, daß es mir durch kluges Anfachen der Wut eurer bewundernswerten Nurse gelingt, sicherzustellen, daß er sich meiner carte blanche nicht bedient. Ich bedaure unendlich, Miss Lanyon, aber ich finde, daß schon ein bloßes Verkosten Ihres würdigen Bewerbers Überdruß erzeugt!»
«Nun, Sie brauchen das nicht so zu sagen, als nähmen Sie an, ich wünschte vielleicht, daß er herkommt!» sagte Venetia empört. «Ich war dem Zufall noch nie so dankbar, der Sie gerade im richtigen Augenblick ins Zimmer brachte!»
«Zufall, ha! Ich bin nur zu dem Zweck gekommen, ihn zu entfernen, bevor er Aubrey in hohes Fieber gestürzt hat!»
«Sie hätten ihm überhaupt nicht erlauben sollen, heraufzukommen», sagte Venetia streng.
«Ich weiß, das hätte ich nicht sollen. Unglücklicherweise erlaubte ich es ihm, bevor ich ihn richtig taxiert hatte. Aber als Imber kam, um ihn hinaufzuführen, wußte ich Bescheid!»
Sie lachte, sagte aber ziemlich unbekümmert: «Ich fürchte, Aubrey hat sich bei dem Sturz doch mehr verletzt, als ich gedacht habe. Er mag Edward nicht, aber ich habe noch nie erlebt, daß er auf ihn losging.»
«Vielleicht hat er ihn noch nie nach einer schlimmen Erschütterung und einer schlaflosen Nacht getroffen», meinte Damerel und hielt die Tür in den Garten auf. «Nach dem sehr erbaulichen Diskurs, mit dem er mich beehrte, sagte er genau das, was ein Mensch mit auch nur einem Körnchen Takt ungesagt gelassen hätte.»
«Ja, das hat er. Als wäre er Aubreys Vater!»
«Oder sein älterer Bruder. Er scheint sich bereits dafür zu halten, denn er dankte mir für das, was er <meine Freundlichkeit Aubrey gegenüber> nannte.»
«Er dankte Ihnen ...? Nein, also das ist denn doch zu stark!» sagte Venetia, und ihre Augen wurden wütend. «Ja, es ist sogar eine große Frechheit, denn der einzige Mensch, der je sagte, ich solle Edward heiraten, war mein Vater, und er kann unmöglich annehmen, daß ich mich von Papas Wünschen leiten lassen würde! Nun, es ist meine eigene Schuld, weil ich ihm erlaubt habe, anzunehmen, daß ich seinen Antrag annehmen würde, wenn mein Bruder Conway zurückkommt. Ich habe ihm zwar gesagt, daß davon keine Rede ist, aber er glaubt mir nicht, und jetzt sieht man, was dabei herauskommt!»
«Soviel ich von dem jungen Mann gesehen habe, glaube ich, daß es eine Herkulesarbeit ist, will man ihn überreden, etwas zu glauben, was ihm nicht zu glauben beliebt», bemerkte er.
«Ja, aber in Wirklichkeit habe ich es nicht sehr ernst versucht, ihn zu überzeugen», sagte sie freimütig.
«Wollen Sie mir sagen, daß Sie auch nur je fünf Minuten lang daran gedacht haben, einen derartigen Tölpel zu akzeptieren?» fragte er. «Guter Gott, der Kerl ist doch todlangweilig!»
«Natürlich ist er das, aber das heißt noch nicht, daß er nicht ein guter Gatte sein kann, denn er ist sehr gutmütig und anständig und – und ehrbar, was, glaube ich, vorzügliche Qualitäten für einen Gatten sind.»
«Zweifellos! Aber nicht für Ihren Gatten!»
«Nein, ich glaube, wir würden einander zu Tode quälen. Die Sache war so, müssen Sie wissen: Weil er Papas Patenkind war, erlaubte ihm Papa, uns zu besuchen, und daher lernten wir ihn sehr gut kennen, und als er mich heiraten wollte, fragte ich mich – obwohl es durchaus nicht das war, was ich wollte –, ob es vielleicht nicht besser für mich wäre, es zu tun, als eine alte Jungfer zu werden, die Conway am Hals hängt. Aber wenn Aubrey eine derartige Abneigung gegen ihn hat, dann geht's nicht. O Gott, haben Sie Ihren Garten verwildern lassen! Schauen Sie sich diese Rosenbäumchen an! Die sind doch sicher seit Jahren nicht mehr beschnitten worden!»
«Sehr wahrscheinlich nicht. Soll ich einen Mann damit beauftragen, sich um sie zu kümmern? Ich tue es, falls es Ihnen Freude macht.»
Sie lachte. «Nicht um diese Jahreszeit! Aber später möchte ich schon, daß Sie es tun – es könnte ein so entzückender Garten sein! Wohin führen Sie mich?»
«Zum Fluß hinunter. Dort ist eine Bank im Schatten, und wir können die Forellen springen sehen.»
«O ja, tun wir das! Haben Sie heuer schon in Ihrem Fluß gefischt? Aubrey hat darin einmal einen Dreipfünder gefangen.»
«Oh, hat er, ja?»
«Ja, aber es war nicht Wilddieberei, versichere ich Ihnen! Croyde hat es ihm erlaubt – das tut er jedes Jahr. Sie fischen ja doch nicht!»
«Jetzt also weiß ich, warum ich jedesmal so wenig Glück hatte, wenn ich angeln ging! Ihr seid mir ein Pärchen! Zuerst meine Brombeeren und jetzt meine Forellen!» sagte er.
Der lachende Teufel saß ihm wieder in den Augen, aber sie schaute ihn nicht an und antwortete ohne eine Spur von Verlegenheit: «Wie lange das her zu sein scheint!»
«Und wie böse Sie waren!»
«Und ob ich das war! Es war aber auch abscheulich von Ihnen!»
«Ich habe das nicht gefunden!»
Daraufhin wandte sie den Kopf und schaute ihn nachdenklich an, als versuchte sie, die Antwort auf ein Problem in seinem Gesicht zu lesen. «Nein, ich glaube nicht. Wie sehr seltsam, wirklich!»
«Was ist seltsam?»
Sie ging weiter, die Stirn leicht gekräuselt. «Daß man wünscht, jemanden zu küssen, den man vorher noch nie im Leben gesehen hat. Mir erscheint das ziemlich verrückt, abgesehen davon, daß es einen traurigen Mangel an Wählerischsein verrät.» Sie fügte nachsichtig hinzu: «Aber wahrscheinlich ist das eine dieser sonderbaren Eigenschaften von selbst höchst ehrbaren Herren, die man unmöglich verstehen kann, daher grüble ich nicht zuviel darüber nach.»
Er brach in sein plötzliches Gelächter aus. «Oh, nicht von höchst ehrbaren Herren!»
Sie waren inzwischen durch einen Bogen in der Hecke aus dem Rosengarten zu den welligen Wiesen gekommen, die sich zum Fluß hinunterzogen. Venetia blieb stehen und rief aus: «Ach, ist das ein entzückender Blick! Wenn man von der anderen Seite des Flusses auf die Priory schaut, ahnt man diesen Fernblick nicht. Hier bin ich noch nie gewesen.»
«Ich bin selbst selten hergekommen. Aber ich ziehe den näherliegenden Anblick vor.»
«Wirklich? Nur grüne Bäume?»
«Nein, ein grünes Mädchen. Das ist der Grund, warum ich hiergeblieben bin. Haben Sie vergessen?»
«Ich glaube nicht, daß ich noch grün bin. Es stimmt, daß ich nur weiß, was ich in Büchern gelesen habe, aber ich habe sehr viele Bücher gelesen – und ich glaube, daß Sie jetzt mit mir flirten.»
«Ach nein! Ich versuche nur, mit Ihnen zu flirten!»
«Nun, ich wollte, Sie ließen das. Ich vermute, daß Sie ins Yorkshire kamen, um sich zu sanieren. Nennt man das nicht so, wenn man vor dem Bankrott steht?»
«Doch nicht so grün!» sagte er lachend. «Das stimmt, schönes Verhängnis!»
«Wenn nur die Hälfte der Geschichten wahr ist, die man sich von Ihnen erzählt, dann müssen Sie sehr verschwenderisch sein», bemerkte sie nachdenklich. «Halten Sie sich wirklich an allen wichtigen Poststraßen eigene Pferde?»
«Da müßte ich ein Krösus sein, um das zu tun! Nur an den Straßen nach Brighton und Newmarket, fürchte ich. Was erzählt man sich sonst noch für Geschichten von mir? Oder kann man sie nicht wiederholen?»
Sie ließ sich von ihm zu einer Steinbank unter einer Ulme führen, setzte sich nieder und faltete die Hände lose im Schoß. «O doch! Das heißt, die mir erzählt wurden, natürlich.» Sie wandte ihm das Gesicht zu, die Augen überströmend vor Spitzbüberei. «Es war immer das gewisse <wir könnten, wenn wir wollten>, wann immer wir – Conway und ich – versuchten, herauszufinden, warum Sie der Verruchte Baron waren. So nannten wir Sie! Aber niemand wollte es uns sagen, daher mußten wir zu unserer Phantasie Zuflucht nehmen. Sie würden die Verbrechen nicht glauben, die wir Ihnen zuschrieben! Nichts, einschließlich Piratentum, war uns gut genug, bis Conway, der immer noch weniger romantisch als ich war, entschied, daß das unmöglich sein mußte. Darin wollte ich Sie in einen berittenen Straßenräuber verwandeln, aber selbst das genügte ihm nicht. Er sagte, daß Sie wahrscheinlich jemanden in einem Duell getötet haben und gezwungen worden seien, aus dem Land zu fliehen.»
Er hatte ihr amüsiert zugehört, aber daraufhin änderte sich sein Ausdruck. Er lächelte zwar noch immer, aber nicht vergnügt, und obwohl er leichthin sprach, klang eine gewisse Härte in seiner Stimme mit. «Aber wie scharfsinnig von Conway! Ich habe wirklich jemanden getötet, obwohl nicht in einem Duell. Meinen Vater.»
Sie war tief entsetzt und fragte: «Wer hat Ihnen das gesagt?» Dann, als er bloß die Achsel zuckte, sagte sie: «Das war infam, so etwas zu sagen! Und außerdem idiotisch!»
«Weit entfernt davon. Auf die Nachricht von meinem Durchbrennen hin erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr erholte. Wußten Sie das nicht?»
«Das weiß doch jeder! Und auch, daß er fast drei Jahre später an einem zweiten Schlaganfall starb. Waren Sie vielleicht auch an dem schuld? Unglückseligerweise wußten Sie nämlich nicht, daß er schlagflüssig war, und waren daher unwissentlich die Ursache. Aber wenn Sie glauben, daß er den Schlaganfall nicht früher oder später doch erlitten hätte, dann wissen Sie sehr wenig über die Sache! Mein Vater hatte auch einen Schlaganfall – der seine war tödlich. Und er wurde nicht durch irgendeinen Schock herbeigeführt, und es konnte nicht abgewendet werden.» Impulsiv legte sie die Hand auf seine und sagte ernst: «Das versichere ich Ihnen!»
Er schaute sie an, seltsam lächelnd, aber sie hätte nicht sagen können, ob er sich mokierte. «Es raubt mir nicht den Schlaf meiner Nächte, meine Liebe. Selbst in den besten Zeiten wurde zwischen uns beiden nicht viel Liebe verloren.»
«Ich habe den meinen auch nicht geliebt. Ja, ich mochte ihn sogar nicht. Sie ahnen nicht, wie angenehm es ist, das sagen zu können und nicht fürchten zu müssen, daß einem gesagt wird, das könne ich doch nicht meinen, oder daß es meine Pflicht sei, ihn zu lieben! So ein Unsinn, wo er doch niemals auch nur so tat, als läge ihm auch nur ein Deut an einem von uns!»
«Der Ihre scheint Ihnen bestimmt wenig Grund gegeben zu haben, ihn zu lieben», bemerkte er. «Die Ehrlichkeit zwingt mich jedoch zu sagen, daß der meine mit seinem einzigen Sohn ein schlechtes Geschäft gemacht hatte.»
«Nun, wenn ich einen einzigen Sohn hätte – oder auch ein Dutzend Söhne! –, so wüßte ich etwas Besseres zu tun, wenn er in einer Klemme ist, als ihn zu verstoßen!» erklärte Venetia. «Sie nicht?»
«Gott ja! Aber wer bin ich schon, daß ich einen Stein auf ihn werfen könnte? Ich würde mich vielleicht sogar aufraffen und ihn davon abhalten, in die Klemme zu geraten – obwohl ich, wenn er nur halb so verliebt wäre, wie ich es damals war, wahrscheinlich keinen Erfolg damit hätte», sagte er nachdenklich.
Nach einer kurzen Pause, während der er, schien ihr, über die Jahre zurückblickte, und das mit keiner großen Freude, wagte sie zu fragen: «Ist sie gestorben?»
Seine Augen kamen zu ihrem Gesicht zurück, etwas erschreckt. «Wer? Sophia? Nicht, daß ich wüßte. Wer hat Ihnen das in den Kopf gesetzt?»
«Nur, weil niemand zu wissen scheint – und Sie sie nicht geheiratet haben – nicht?»
«O nein!» Er sah ihren bekümmerten Blick und zog eine Grimasse. «Sie wollen wissen, warum, nicht? Nun, wenn Sie eine solche uralte Geschichte interessiert: sie lebte zur Zeit von Vobsters Tod nicht mehr unter meinem Schutz. Oh, schauen Sie nicht so bestürzt drein!»
«Nicht bestürzt – das nicht!» stammelte sie.
«Ach, Sie fühlen Mitleid? Verschwendet, meine Liebe! Unsere gegenseitige Leidenschaft war heftig, solange sie dauerte, aber nützte sich bald ab. Glücklicherweise blieb es uns erspart, in einen Zustand gegenseitiger Langeweile einzuschrumpfen – durch das zeitgerechte Auftauchen eines vollendeten Venezianers.»
«Eines vollendeten Venezianers?»
«Oh, erster Güte! Auch schön, und alles wie gedruckt. Sein Gehaben und seine Gewandtheit gingen weit über meine Möglichkeiten hinaus!»
«Und vermögend?» schob sie ein.
«Auch das. Es setzte ihn instand, sich die ausgefallensten Launen zu leisten! Er fuhr und ritt nur graue Pferde, trug nie andere als schwarze Röcke, und sommers und winters immer eine weiße Kamelie im Knopfloch.»
«Guter Gott, was für ein Geck! Wie konnte er ihr – Lady Sophia – nur gefallen?»
«Oh, täuschen Sie sich nicht! Er war ein charmanter Bursche! Außerdem, armes Mädel, war ihr so verteufelt langweilig geworden! Wer konnte es ihr verdenken, daß sie einen erfahrenen Weltmann dem unreifen Tropf vorzog, der ich damals war? Für mein Leben kann ich nicht begreifen, wie es ihr gelang, meine Glut und meine Eifersüchteleien so lange zu ertragen, wie sie es tat. Meine Torheit kannte keine Grenzen – wenn Sie sich Aubrey Hals über Kopf verliebt vorstellen, so war ich ziemlich der gleiche Stil, stell ich mir vor. Bis an den Rand voll Gelehrsamkeit und so unvernünftig, daß ich sie bis zum Schreien mit klassischen Zitaten langweilte! Ich versuchte sogar, ihr ein bißchen Latein beizubringen, aber das einzige, was sie von mir lernte, war die Kunst des Durchbrennens. Sie setzte sie in die Praxis um, bevor wir knapp das Stadium erreichten, einander zu ermorden – für welche Vorsicht ich ihr mein ganzes Leben lang danke. Sie erhielt ebenfalls ihren Lohn, denn Vobster war so nett, sich das Genick zu brechen, bevor die Gewohnheit die Abwechslung schal gemacht hatte, und sie brachte ihren Venezianer dazu, sie zu heiraten. Vermutlich hat sie gedroht, ihn zu verlassen, und er kann durchaus daran verzweifelt sein, eine andere zu finden, die so gut zu seinem Geschmack für Schwarz und Weiß paßte. Sie hatte einen milchweißen Teint und schwarze Haare – kohlrabenschwarz – und Augen, so dunkel, daß sie zumindest schwarz aussahen. Eine kleine mollige Schönheit! Man hat mir erzählt, daß man sie später nie anders als in weißen Kleidern und schwarzen Mänteln sah, und ich könnte schwören, daß die Wirkung erstaunlich war!»
... das ist die häufig gestellte (oder nur gedachte) Frage; denn Frauen mögen Männer mit Vermögen, weil – wie sie glauben – vermögliche Männer vermöge ihres Vermögens mehr vermöchten als unvermögliche.
Doch: Wie gelangt ein Mann zu Vermögen? Es gibt zwei Möglichkeiten: Man erbt es, oder man spart es.
Ersteres ist ohne Zweifel bequemer. Aber es bietet sich selten und zufällig. Es setzt einen Vorfahren voraus, der gespart hat. Wo er fehlt, bleibt nur die zweite Möglichkeit: selbst zu sparen.
Der spöttische Ton war betont, aber sie ließ sich nicht von ihm täuschen. Da sie unmöglich ihrer Stimme trauen konnte, sagte sie nichts, und weil sie Angst hatte, daß ihr Gesicht die Empörung verraten konnte, die in ihr aufstieg, hielt sie die Augen gesenkt. Sie machte die ziemlich erschreckende Entdeckung, daß sich die schlanken Finger einer Dame zu Klauen krümmen konnten, und streckte sie schnell. Aber vielleicht hatte sie das nicht schnell genug getan, oder vielleicht verriet ihr Schweigen sie; denn nach einer Weile sagte Damerel noch spöttischer: «Haben Sie sich eingebildet, eine Tragödie liege hinter mir? Ich fürchte, nichts dergleichen Romantisches – es war eine Farce –, bei der nicht eine der Zutaten fehlte, bis hinunter zu dem heroischen Treffen in der Morgendämmerung, aus dem beide Duellanten ohne Schramme hervorgingen – wofür ich meinem Rivalen herzlich dankbar bin! Zu seinen sonstigen Vollkommenheiten war er außerdem noch ein superber Schütze und hätte mir auch auf die doppelte Entfernung eine Kugel hineinjagen können. Aber er wich aus – er feuerte in die Luft!»
Er hatte ihr nun so viel erzählt, wie sie nur wünschen konnte. Er mochte vielleicht über die Erinnerung an sein jüngeres Ich höhnen, aber sie fühlte die Wunde, die eine leichtfertige Frau und ein routinierter Weltmann seinem Stolz versetzt hatten, so heftig, als hätte sie sie selbst erlitten. Sie besaß Brüder und wußte, daß ein Junge am leichtesten in seinem Stolz zu verwunden ist. Sie konnte ihn ganz klar vor sich sehen, wie er gewesen sein mußte – sicherlich ein schöner junger Mann, groß, hoch aufgerichtet und breitschultrig, wie er jetzt war, aber mit einem glatten Gesicht und Augen voll Eifer, nicht Langeweile. Er mußte waghalsig und feurig gewesen sein, und vielleicht war es ihm mit der Liebe verzweifelt ernst gewesen. Erst die Erfahrung hatte ihn zu einem Zyniker gemacht, aber in seiner glühenden Jugend war er nicht zynisch gewesen. Sie wußte, er war damals nicht einmal imstande gewesen, über seine eigene Torheit zu lächeln.
Alles, was er getan hatte, seit er sich lächerlich vorgekommen war – und sie wußte weder, noch wollte sie es wissen, in welche Tiefen er gesunken war –, gehörte, so erkannte sie, zu einem Schema, das durch den Betrug einer Buhlerin unvermeidlich geworden war. Hatten seine selbstgerechten Eltern angenommen, er würde zurückkehren, um die Rolle des Verlorenen Sohnes zu spielen? Das hätten sie besser wissen müssen! Er hätte vielleicht mit seiner Buhlerin verheiratet zurückkehren und sich den Kritikern stellen können, nicht aber, obwohl er sich damit unheilbar ruinierte, als betrogener Liebhaber. Seine Familie hatte ihn zum Ismael erklärt, und Ismael blieb er aus eigener Wahl, wobei er ein perverses Vergnügen daran gefunden hatte, wie sie ahnte, die daran Interessierten mit reichen Zeugnissen für seine Verworfenheit zu versorgen. Und alles das wegen einer kleinen molligen, schwarzäugigen Schlampe, die älter als er war und deren Ehering und vornehmer Rang die Seele einer Dirne verbargen!
«Zu schlimm, nicht?» sagte Damerel. «Statt heroisch für die Liebe zu sterben, wurde ich untröstlich zurückgelassen – obwohl nicht lange, muß ich zugeben!»
Daraufhin hob sie die Augen und sagte warm: «Ich bin äußerst froh, das zu hören, und ich hoffe aufrichtig, daß Ihre nächste Mätresse ebenso unterhaltsam wie hübsch war.»
Der Hohn schwand aus seinem Gesicht; das Lächeln, das seine Augen erleuchtete, war das reiner Erheiterung. «Ein bezauberndes Meines Vögelchen!» versicherte er ihr.
«Gut! Wie sind Sie doch glücklich davongekommen! Vielleicht haben Sie noch nicht daran gedacht, aber ich zweifle kaum, daß Lady Sophia jetzt traurig dick geworden ist. Wissen Sie, das werden sie, die kleinen molligen Frauen! Ich glaube, die Italiener benützen außerdem viel Öl in ihrer Küche, was einfach fatal wirkt! Ich wünschte nur, daß sie nicht direkt fett ist!» Sie fügte hinzu, als seine Schultern sich zu schütteln begannen: «Sie können vielleicht lachen, aber ich versichere Ihnen, es ist mehr als wahrscheinlich. Und es hätte mehr Zweck gehabt, wenn Ihr Vater Sie davor gewarnt hätte, statt sich in einer sehr törichten und extravaganten Art zu betragen, genau wie ein Shakespearischer Vater! Bitte sehr, wozu war es gut, daß der alte Capulet in eine so lächerliche Wut geriet? Oder Lear, oder der alberne Vater der Hermia? Aber vielleicht hat Lord Damerel nichts für Shakespeare übrig gehabt?»
Sein Kopf lag in seinen Händen; er brachte vor Lachen keuchend heraus: «Anscheinend wirklich nicht.»
Sie besann sich und sagte entschuldigend: «Das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist so ziemlich meine schlimmste Gewohnheit – auch die Aubreys! Wir sagen sofort das, was wir uns zufällig denken, ohne vorher zu überlegen. Verzeihen Sie mir, bitte!»
Er hob den Kopf, immer noch halb erstickt vor Lachen, und sagte: «O nein, nein! <Du süßer Geist, sprich dich nur aus ...!>»
Sie runzelte die Brauen und schaute ihn dann fragend an.
«Wie, ratlos, wohlbelesene Miss Lanyon?» sagte er stichelnd. «Es wurde von Ben Jonson über eine andere Venetia geschrieben. Ich habe es gestern abend ausgegraben, nachdem Sie mich verlassen haben.»
«Nein, wirklich?» rief sie aus, überrascht und erfreut. «Ich habe es noch nie gehört! Ja, ich habe sogar nicht gewußt, daß es Gedichte gibt, die an eine Venetia geschrieben wurden. Wie war sie?»
«Genau wie Sie, wenn man John Zukery glauben darf: <ein wunderschönes, begehrenswertes Geschöpf>!»
Völlig ungerührt von dieser Huldigung, antwortete sie ernsthaft: «Ich wünschte, Sie verfielen nicht in blumige Banalitäten! Sie sprechen da wie ein Möchte-gern-Beau bei den Unterhaltungen in York!»
«Sie Meines boshaftes Ding!» rief er aus.
«Das klingt schon viel besser – unter Freunden!» sagte sie beifällig und lachte ihn an.
«Sie meinen also, daß ich Süßholz rasple, ja? Ich kann mir nicht vorstellen, warum eigentlich, denn Sie wissen, wie wunderschön Sie sind! Sie haben es mir selbst gesagt!»
«Ich?» sagte sie verblüfft. «So etwas habe ich nie gesagt!»
«Aber doch! Sie haben dazumal Brombeeren gepflückt – meine Brombeeren!»
«O ja! Nun, das war nur, um Ihnen eine Abfuhr zu erteilen!» sagte sie und wurde ein bißchen rot.
«Guter Gott, Mädchen, und Sie sagten, Sie hätten einen Spiegel!»
«Habe ich auch, und der sagt mir, daß ich ganz nett bin. Ich glaube, daß ich bis zu einem gewissen Grad meiner Mutter ähnlich bin – zumindest hat mir Nurse einmal gesagt, als ich mir einen Anfall von Eitelkeit zuschulden kommen ließ, daß ich ihr nie gleichkommen werde.»
«Sie irrte sich.»
«Oh, kannten Sie sie?» fragte sie schnell. «Sie starb, als ich erst zehn Jahre alt war, wissen Sie, und ich kann mich kaum an sie erinnern. Wir sahen so wenig von ihr – sie und Papa waren immer weg, und sie wurde nie gemalt. Oder wenn doch, so zerstörte Papa die Bilder nach ihrem Tod. Er konnte es nicht einmal ertragen, ihren Namen zu hören, verbot es, ihn auch nur im leisesten zu erwähnen! Und niemand hat sie je in Undershaw erwähnt, außer eben Nurse, bei jener Gelegenheit. Ich halte das für eine seltsame Art, seine Liebe zu zeigen, aber schließlich war er wirklich wunderlich. Schau ich ihr überhaupt ähnlich?»
«Ich meine, manche könnten das annehmen. Ihre Züge – soviel ich mich erinnere – waren vollkommener als die Ihren, aber Ihr Haar ist goldener, Ihre Augen sind tiefer blau und Ihr Lächeln ist bei weitem süßer.»
«Oh, Lieber, nun sind Sie wieder bei Ihrem Unsinn! Sie können sich unmöglich nach so langer Zeit erinnern, wie blau ihre Augen waren oder wie golden ihre Haare, daher hören Sie auf, mich anzuschwindeln!»
«Ja, Ma'am», sagte er nachgiebig. «Ich sollte wirklich bei weitem eher von Ihren Augen oder sogar von Ihren hübschen Lippen reden, die Sie ganz falsch als ein blasses Rot beschrieben haben.»
«Ich begreife nicht», unterbrach sie ihn etwas streng, «warum Sie so hartnäckig immer wieder eine Episode in Erinnerung rufen, die Sie lieber vergessen sollten!»
«Sie begreifen das nicht?» Er streckte die Hand aus, nahm ihr Kinn in seine langen Finger und hob es. «Vielleicht um Sie daran zu erinnern, meine Liebe, daß dies, obwohl ich derzeit gezwungen bin, mich mit allem Anstand eines Gastgebers zu benehmen, nur Tünche ist – und Gott allein weiß, warum ich Ihnen das eigentlich sage!»
Sie schob seine Hand weg, sagte aber mit einem Kichern: «Ich glaube nicht, daß Ihre Vorstellung von Schicklichkeit in den ersten Kreisen wirklich ankommen würde! Und weiter, mein teurer Freund, ist es höchste Zeit, daß Sie damit aufhören, jeden glauben zu lassen, daß Sie viel schwärzer sind, als Sie gemalt werden. Das ist eine Gewohnheit, in die Sie verfallen sind, als Sie noch jung und dumm waren, und unter den damaligen Umständen auch wirklich vollkommen verständlich. Auch sehr ähnlich Conway, wenn er mir vorprahlte, was für entsetzliche Streiche er in Eton spielte. Münchhausengeschichten, das meiste.»
«Danke! Aber das habe ich nie getan – es bedurfte keiner Münchhausengeschichten. Mit was für unwahrscheinlichen Tugenden versuchen Sie mich eigentlich auszustatten? Exquisite Empfindsamkeit? Gefühlvolle Prinzipien?»
«O nein, nichts dergleichen!» antwortete sie und stand auf. «Ich erlaube Ihnen alle Laster, die Sie sich zulegen wollen – ja, ich weiß, daß Sie ein Spieler sind und ein entsetzlicher Wüstling und ein Mann von traurig unbeständigem Charakter! Aber so grün bin ich nicht, daß ich an Ihnen nicht wenigstens eine Tugend erkenne, und eine gute Eigenschaft.»
«Was, ist das alles? Wie enttäuschend! Und was sind die?»
«Ein gebildeter Verstand und sehr viel Güte», sagte sie, legte ihre Hand auf seinen Arm und schlenderte mit ihm zum Haus zurück.