Epilog
Auf der Yacht Sea Tiger
Atlantischer Ozean
Östlich von Jacksonville, Florida
Sechs Wochen später
DUGAN HOB DEN KOPF, nachdem der orthodoxe Priester das russische Gebet beendet hatte und alle in das kollektive Amen einstimmten. Eine sanfte Brise wehte über den Pool am Heck der großen Yacht. Mit traurigem Lächeln sah er über den blauen Himmel und über das noch blauere Meer hinaus. Ein wundervoller Tag, um sich von einer wundervollen Person zu verabschieden
Der Priester sprach leise mit Tanyas Eltern, die zusammen mit Tanyas Verlobten, Ivan, achtern an die Reling traten. Tanyas Vater warf einen riesigen Blumenkranz auf die Meeresoberfläche hinaus. Der Rest der kleinen Gruppe stand lange Zeit bewegungslos da, bevor sich alle zurückzogen, um Tanyas Eltern und Ivan Raum für ihre Trauer zu geben. Der Charterkapitän und seine fünfköpfige Besatzung standen stramm in ihren blütenweißen Uniformen in der Nähe der Reling. Der Kapitän verließ seine Position und stellte sich neben Dugan. Seine hochgezogenen Augenbrauen drückten eine unausgesprochene Frage aus.
»Lassen Sie das Boot treiben, solange sie möchten«, wies Dugan ihn flüsternd an. »Wenn Sie den Eindruck bekommen, dass sie zur Abfahrt bereit sind, lassen Sie es mich wissen. Ich werde es mir von ihnen bestätigen lassen.«
Der Kapitän nickte und entließ seine Mannschaft, die sich unauffällig wieder ihren Aufgaben zuwandte. Der Kapitän hielt sich weiter in der Nähe auf, sah auf das Meer hinaus und hatte gleichzeitig ein diskretes Auge auf die trauernde Familie. Dugan folgte dem Rest der wenigen Trauergäste in den großzügigen Salon der Yacht.
Dort hatte die Mannschaft ein umfangreiches Mittagessenbuffet vorbereitet, um das sich die Trauernden nun versammelten, während der Steward Getränkewünsche entgegennahm. Nigel und Cassie standen in einer Ecke und unterhielten sich leise mit Ilya, Karina und dem Priester. Dugan stand mit Alex und Gillian im Gespräch mit Borgdanov zusammen. Mrs Hogan hatte die Einladung mit der Begründung abgelehnt, dass sie bereits am Kai seekrank wurde und eine noch so kurze Seereise nicht überstehen würde.
»Alex«, sagte Borgdanov, »es sehr großzügig von Ihnen war, dieses wunderbare Boot zu chartern und Tanyas Familie ganzen Weg aus Russland einzufliegen. Ich weiß, sie Ihnen sehr dankbar sind. Eine wundervolle Geste. Dafür ich möchte mich bedanken.«
Alex schüttelte den Kopf. »Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Ich hoffe, es wird ihnen etwas Trost geben.«
Gillian neben ihm nickte und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schüttelte dann aber den Kopf und lächelte, so als ob sie ihrer eigenen Stimme nicht traute.
»Ich weiß, dass es Familie und jungem Ivan sehr viel bedeutet«, betonte Borgdanov. »Offenbar er hat verzweifelt nach Tanya gesucht. Er scheint guter Junge zu sein.«
Die anderen nickten zustimmend. Die Unterhaltung schlief ein und wurde dann sporadisch fortgesetzt, bis der Kapitän in der Tür des Salons erschien und Dugans Aufmerksamkeit auf sich zog.
»Ich denke, sie sind soweit, Mr Dugan«, informierte ihn der Kapitän.
Dugan winkte Karina zu, die jetzt neben Borgdanov stand und bat sie, als seine Dolmetscherin zu fungieren.
Sie fanden Ivan und Tanyas Eltern neben dem Pool, unsicher, was sie jetzt tun sollten. Karina eilte zu ihnen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich die Familie hinreichend von Tanya verabschiedet hatte, überredete sie das Trio behutsam, nach drinnen zu kommen und etwas zu sich zu nehmen. Dugan wandte sich an den Kapitän.
»Wie lange wird es dauern, bis wir wieder in Jacksonville sind?«
Der Kapitän sah auf das Meer hinaus. »Die See ist glatt wie ein Mühlenteich. Vier Stunden vielleicht, höchstens viereinhalb Stunden.«
»Ok. Machen wir uns auf den Weg.«
Der Kapitän nickte und ging. Zwei Minuten später richtete sich der Bug des Fahrzeugs nach Westen aus und ihre Geschwindigkeit nahm langsam zu. Dugan stand neben Borgdanov an der Reling des Hecks und genoss die frische Brise.
»Und wie läuft es in Texas?«, erkundigte er sich.
Borgdanov kicherte. »Odessa, Texas, sich sehr unterscheidet von Odessa in der Ukraine. Wer diesen Namen gewählt, hatte lebhafte Fantasie oder seltsamen Sinn für Humor.«
Dugan lachte. »Ich dachte mir schon, dass es einiger Eingewöhnung bedarf. Aber im Ernst, sind all deine Leute in Ordnung? Behandelt Handley euch gut?«
»Da. Besser als gut. Ray Handleys Ranch ist weit weg von Stadt, total abgeschieden. Wir können jeden von weit weg kommen sehen.« Er breitete die Arme aus. »Ist wie hier, mitten auf Ozean. Sicherheit ist sehr einfach.«
Borgdanov nickte. »Nein, wir nicht könnten mehr verlangen, Dyed. Er brachte viele Häuser auf Rädern – wie ihr sagt, Mobilheime? Sind sehr groß! Woody mir sagt, sie heißen ‚Doppelzeit‘, ich glaube.«
Dugan grinste. »Du meinst sicher ‚Doppelbreit‘.«
»Da. Doppelbreit. Sind jedenfalls viel größer als unsere alten Wohnungen in Russland. Sie sind entlang Straßen arrangiert. Handley hat sogar russischen Lehrer gefunden, um Schule für Kinder zu haben. Wir haben richtiges russisches Dorf«, erklärte Borgdanov. »Ist natürlich nur vorläufig, aber alle lernen Englisch und besonders Kinder lernen sehr schnell. Wir irgendwann umziehen werden, aber ist keine Eile, ich denke.«
»Und ihr bereut es nicht?«
Traurig lächelte Borgdanov ihn an. »Unsere Herzen russisch sind, Dyed, deshalb wird immer Bedauern geben. Aber wir sind dankbar für Gelegenheit, die ihr uns gebt, unsere Familien zu schützen. Wir versuchen werden, gute Amerikaner zu sein. Kinder sind sehr glücklich, besonders die jüngeren.«
»Und«, fuhr Borgdanov fort, »dank Arkady, wir können dir, Alex und Mr Ray Handley Geld, das ihr ausgegeben habt, zurückzahlen.«
»Da wir schon von deinem Freund Arkady reden – du weißt, dass Ward ganz wild auf diese Informationen ist, nicht wahr?«
Borgdanov nickte. »Ich verstehe und wir alles tun werden, was Ward verlangt. Wie vereinbart. Ich ihm auch alles geben werde, was er braucht, um Operation zu rechtfertigen. Oder falls er spezielle Information über jemanden in Russland oder sonst wo will. Ich ihm helfen werde, wo ich kann. Aber ich nicht alles, was ich von Arkady habe, weitergeben werde. Denn wenn wir nicht für Ward arbeiten, wir arbeiten selbständig.« Er lächelte. »Wir nun Amerikaner sind und glauben an freie Marktwirtschaft, da? Und ich mich erinnere, was Archimedes über Hebel sagte.«
Dugan überlegte einen Moment. »Gebt mir einen Hebel, der lang genug, und einen Angelpunkt, der stark genug ist, dann kann ich die Welt mit einer Hand bewegen?«
»Da«, bestätigte Borgdanov. »Arkady gab mir sehr großen Hebel und du und andere haben uns sicheren Standort gegeben. Und ich will nicht Welt bewegen, nur Russland.«
»Zwischen euch und der Bratstvo ist es also noch nicht vorbei?«
Borgdanovs Gesichtsausdruck verhärtete sich, als er sich dem Osten zuwandte.
»Oh nein, Dyed. Es gerade erst hat angefangen.«