15
Phoenix Warenhaus Halle B
East London, England
IM LICHT DER AUTOSCHEINWERFER öffnete Dugan das Vorhängeschloss, bevor er sich mit aller Kraft gegen das schwere Schiebetor lehnte. Nach einigem Widerstand setzte sich die Tür auf lange ungenutzten Metallrädern langsam und kreischend in Bewegung. Nachdem Dugan die Tür, die nun halb offen stand, freigegeben hatte, rollte sie knarrend noch ein Stück bis zum endgültigen Stillstand weiter. Schnell winkte er ihren Wagen durch die Öffnung hindurch und sah sich draußen noch kurz verstohlen um, bevor er selbst das Warenhaus betrat und die Tür sofort hinter sich schloss.
Die Autoscheinwerfer kreierten einen hellen Tunnel in dem pechschwarzen Inneren der Lagerhalle und beleuchteten einen Teil der Rückwand. Dugan zog eine Taschenlampe aus seiner Tasche.
»Wartet einen Moment«, rief er den Wageninsassen auf dem Weg zum Stromverteilerkasten neben der Tür zu. »Ich schalte das Licht ein.«
Kurz danach war die dunkle Halle in gleißendes Licht getaucht. Borgdanov und Ilya stiegen aus dem Fahrzeug aus und sahen sich um. Dugan folgte dem Blick der Russen. Sie befanden sich in einem beinahe gähnend leeren Warenhaus, dessen kahle Wände das Geräusch sich schließender Autotüren mit einem metallischen Echo wiedergaben. Hier und dort lagerten Rollen alter Schiffstaue und achtlos gestapelte leere Ölfässer – die Hinterlassenschaft eines erfolgreichen Schifffahrtunternehmens, dessen blühendes Geschäft den Umzug in eine größere Lagerhalle erforderlich gemacht hatte. Momentan abgelenkt, dachte Dugan, dass sie hier in jedem Fall ein wenig aufräumen mussten, bevor sie diese Immobilie verkaufen konnten. Er drehte sich zu Borgdanov um, als der Russe kopfschüttelnd auf ihn zukam.
»Ich denke, wir brauchen ruhigeren Ort, Dyed. Hier wird jedes Geräusch – wie ihr sagt – verstärkt. Und wir nicht wollen Aufmerksamkeit erregen.«
Dugan zeigte auf die Tür eines Raumes, der in einer der hinteren Ecken der Lagerhalle errichtet worden war.
»Das ist das Büro. Es ist isoliert und schalldicht. Und dort findet sich sicher auch noch etwas altes Mobiliar. Das sollte ausreichend sein.«
Borgdanov nickte. »Ilya«, rief er Denosovitch zu, der gerade den gefesselten und geknebelten Nazarov aus dem Kofferraum zog, »bring ihn in den Raum durch die Tür dort hinten.«
Unsanft warf sich Ilya Nazarov über die Schulter und setzte sich in Bewegung.
»Ist alles gut gelaufen?«, erkundigte sich Dugan.
»Kein Problem. Problem war, Ilya abzuhalten, ihn zu töten.«
»Ihr habt versprochen …«
»Ich weiß, Dyed. Wir haben Anna versprochen und halten Versprechen. In England wir werden niemanden töten.« Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Aber ich dir versichere, sehr bald wird unser alter Freund Nazarov sich wünschen, tot zu sein. Ich denke, ist besser, wenn du gehst, da? Wir dich anrufen, wenn wir fertig sind.«
Dugan schüttelte den Kopf. »Mehrere der umliegenden Lagerhallen werden von privaten Sicherheitsfirmen kontrolliert. Falls die etwas sehen oder hören sollten, rufen sie womöglich die Polizei. Ich habe einen Dienstausweis und arbeite für Phoenix. Falls jemand kommen sollte, kann ich ihnen versichern, dass alles in Ordnung ist. Außerdem kann ich euch vielleicht helfen. Nazarov hat sicher panische Angst vor euch und ich könnte eine Alternative bieten. Du weißt schon – guter Bulle, böser Bulle.«
Borgdanov war anderer Meinung. »Ich fürchte, ‚guter Bulle, böser Bulle‘ nicht gut funktioniert mit russischer Mafiya. Für sie wir müssen nutzen ‚böser Bulle, ganz böser Bulle‘, da?«
Phoenix Warenhaus Halle B
East London, England
Dugan sah zu, wie Ilya den Stuhl umkippte und ihn mitsamt dem immer noch gefesselten Nazarov mit dem Rücken auf den gekachelten Fußboden aufschlagen ließ. Nazarov schrie ihm etwas auf Russisch entgegen, was Dugan für einen Strom von Verwünschungen hielt - solange, bis Ilya ihm ein dickes Handtuch über das Gesicht legte und begann, es langsam mit dem Wasser aus einem Plastikbehälter zu durchtränken. Nazarov wurde still. Er schien eine Ewigkeit den Atem anzuhalten, bis schließlich das Keuchen seines angestrengten Luftschnappens die Stille unterbrach.
Ilya sah auf die Uhr und maß die Zeit der Qual des Mannes. Dann richtete er den Stuhl wieder auf und das durchnässte Handtuch fiel Nazarov vom Gesicht. Vornübergebeugt schnappte er zwischen feuchtem, abgehacktem Husten nach Luft. Dugan schüttelte den Kopf und bedeutete Borgdanov, ihm durch die Tür nach draußen zu folgen. Im Warenhaus selbst wandte er sich dann an Borgdanov.
»Das führt zu nichts. Ich verstehe zwar kein Wort von dem was er sagt, aber ihr habt ihn nun schon fünf Mal mit Wasser gefoltert und ich habe den Eindruck, dass er von Mal zu Mal widerspenstiger wird.«
Borgdanov zuckte mit den Achseln. »Wir mussten einfachen Weg zuerst versuchen, Dyed. Aber ich Erfolg nicht wirklich erwartet habe. Außerdem er ist Bratstvo und Abschaum denkt, er ist sehr harter Bursche. Er gratuliert sich gerade, dass er Folter überstanden hat und toller Kerl ist. Wenn wir mit aggressiverer Methode starten, er wird große Überraschung erleben. Das ist – wie ihr sagt? - ‚psychologisch‘. Da?« Borgdanov klopfte Dugan auf die Schulter. »Du dir keine Gedanken machen. Wir wissen, was wir tun.« »Das will ich verdammt noch mal hoffen«, brummte Dugan vor sich hin, während er Borgdanov zurück ins Büro folgte.
Dort fanden sie einen schweigenden Nazarov vor, der den passiven Ilya trotzig anstarrte. Dugan hielt sich im Hintergrund, während ein lächelnder Borgdanov auf Nazarov zuging und ihn auf Russisch ansprach.
* * *
»Nun, Nazarov«, erkundigte sich Borgdanov in bester Stimmung. »Wie hat dir dein letztes Schwimmen gefallen?«
Nazarov spuckte aus und drehte den Kopf in Borgdanovs Richtung. »Mehr habt ihr nicht zu bieten, Spetsnaz? Ich bin Bratstvo. Mich werdet ihr niemals zum Sprechen bringen.«
Borgdanov blieb ungerührt. »Keine Sorge, das werden wir. Aber mir wäre es lieber, wenn du ohne zusätzliche Unannehmlichkeiten kooperieren würdest, da? Wir sind keine Unmenschen. Deshalb frage ich noch einmal: sag mir bitte, wo du die Mädchen gefangen hältst und wo Arsov sich versteckt.«
Nazarov lachte verächtlich. »Fick dich, Soldat. Wenn du ein Mädchen willst, komm in den Klub. Dort kann ich dir viele Mädchen besorgen.« Nazarov sah zu Ilya hinüber und grinste. »Leider habt ihr die Beste verpasst. Ihr Name ist Karina und sie war ganz wild darauf, mir den Schwanz zu lutschen. Außerdem nahm sie es mit Vorliebe in den Arsch. Wir haben ein wundervolles Video von ihr, in dem sie fünf große Kerle gleichzeitig glücklich macht. Vielleicht kann ich euch eine Kopie besorgen, damit ihr euch damit einen runterholen könnt.«
Nazarov warf den Kopf zurück und lachte schallend. Borgdanov, der ein Auge auf Ilya hatte, erwartete beinahe, dass er dem Mann auf der Stelle das Genick brechen würde. Der große Russe wirkte nach außen hin jedoch vollkommen gelassen; das einzige Zeichen seines unterdrückten Zorns war die Röte, die ihm über den Nacken bis hoch in sein kurzgeschnittenes blondes Haar stieg. Borgdanov schüttelte den Kopf und sprach Dugan auf Englisch an.
»Ich sehe, wir müssen Methode wechseln, Dyed. Kann ich mich verlassen, dass du Anna sagst, wir versucht haben, freundlich zu fragen?«
Dugan nickte. Borgdanov zog eine Spritze aus seiner Tasche. Geübt bereitete er sie vor, indem er ein wenig der Flüssigkeit austreten ließ, bevor er sie ohne Worte in Nazarovs Nacken vergrub. Der Mann zappelte kurz, bevor er im Stuhl in seinen Fesseln in sich zusammenfiel.
»Komm«, forderte Borgdanov Dugan auf, während er die Spritze wieder sicherte und in die Ecke warf. »Hilf mir, Rest der Utensilien zu tragen. Ilya wird unseren Freund vorbereiten.«
Zehn Minuten später und nach mehreren Exkursionen zum Wagen hin, sahen Borgdanov und Dugan zu, wie Ilya Nazarovs Kleider aufschnitt. Der prüfende Blick des Amerikaners auf die Sammlung, die sie hereingetragen und auf dem Boden abgelegt hatten, amüsierte Borgdanov.
»Himmel noch mal, Andrei! Wo zum Teufel habt ihr all dieses Zeug her?«
Borgdanov lächelte. »Harry und Lou sich weniger Gedanken um Methoden machen als Anna. Sie mir auch haben das Beruhigungsmittel besorgt.«
* * *
Nazarov schwebte am Rande des Bewusstseins. Erfolglos kämpfte er darum, seine Augen zu öffnen. Etwas kitzelte seine Nase. Er versuchte sich zu kratzen, aber seine Extremitäten wollten nicht kooperieren. Dann füllte der ätzende Geruch von Ammoniak seine Nase und verbrannte deren Innenseite, während Nazarov verzweifelt um Atem rang. Schlagartig öffneten sich seine Augen, gerade rechtzeitig, um eine Hand zu sehen, die sich mit den Überresten einer zerdrückten Ammoniakkapsel zurückzog. Sein Blick folgte dieser Hand entlang des mit ihr verbundenen Arms hoch zu Borgdanovs lächelndem Gesicht.
»Sehr schön, Nazarov. Du hast beschlossen, zu uns zurückzukehren. Tut mir leid, dich so abrupt zu wecken, aber wir haben es eilig. Das verstehst du sicher.«
»Fick dich.« Nazarov sah sich um.
Er war nackt und saß halb zurückgelehnt auf dem Fußboden, deren zersprungene Kacheln sich kalt an seinem Hintern anfühlten. Sie hatten ihn gegen eine Art Stütze gelehnt. Seine Arme waren zur Seite hin weit ausgestreckt und - um sie in Position zu halten – mit Klebeband um die Handgelenke an einem Brett befestigt, das quer hinter seinem Rücken verlief. Nazarov versuchte, sich aufzusetzen, was ihm nicht gelang. Das Brett war offensichtlich an etwas befestigt. Seine Beine lagen ebenfalls weit gespreizt vor ihm und waren in ähnlicher Weise um die Fußgelenke herum an einem Brett festgebunden. Am meisten machte er sich jedoch Gedanken um seine Hoden. Seine Genitalien ruhten leicht erhöht auf einem flachen, dreieckigen Betonbrocken, den sie ihm zwischen die Beine geschoben hatten. Nazarov fühlte, wie dessen raue Spitze gegen seinen Anus drückte. Um dem zu entgehen, versuchte er, sein Gewicht zu verlagern. Er war jedoch absolut immobil. Nazarov bekämpfte die aufsteigende Angst und grinste Borgdanov an.
»Denkst du, du kannst mich einschüchtern, Soldat? In England könnt ihr solch einen Mist nicht verzapfen. Ihr blufft doch nur.«
Borgdanov zuckte mit den Achseln. »Vielleicht solltest du diese Lagerhalle eine Weile als Teil von Mütterchen Russland ansehen. Das könnte dir helfen, dich zu konzentrieren, da?«
»Von mir erfahrt ihr nichts.«
»Ganz im Gegenteil. Du hast bereits gestanden, der Lieblingsnichte meines Freundes Ilya schlimme Dinge angetan zu haben. Dafür will er dich umbringen. Zu deinem Glück« - Borgdanov sah ihn zweifelnd an - »oder vielleicht zu deinem Pech hast du Informationen für uns, die wir brauchen. Aber ich spare mir die Mühe, dich noch einmal zu fragen. Ich weiß, du wirst die Auskunft verweigern. Stattdessen werden wir es härter angehen müssen.«
Borgdanov trat zur Seite. Nazarov hob den Kopf und sah den, den sie Ilya nannten, hinter Borgdanov stehen. Zu Füßen des blonden Riesen lagen ein Sortiment an Beißzangen, sowie mehrere scharfe Instrumente und anderen Werkzeuge und ein Propangasbrenner. Ilya lächelte auf ihn herab.
»Fick dich auch«, spuckte Nazarov ihm entgegen, aber die Angst in seiner Stimme war offensichtlich.
»Ich bewundere deinen Mut«, lobte Borgdanov ihn. »Ilya und ich sind der Meinung, dass es einige Zeit dauern wird, bis du bereit bist, zu kooperieren. Deshalb heben wir all diese Spielzeuge für später auf und nutzen sie nur bei Bedarf. Stattdessen haben wir beschlossen, unmittelbar die extremste Methode einzusetzen, damit du verstehst, dass wir es ernst meinen.« Bedauernd schüttelte Borgdanov den Kopf. »Und danach, falls wir dich immer noch nicht überzeugen konnten, können wir immer noch auf das mühselige Amputieren und Verbrennen zurückkommen.«
Nazarov schluckte. Sein Mund war trocken. Er wollte etwas sagen, konnte seiner Stimme aber nicht vertrauen.
»Nach langer Diskussion«, erläuterte Borgdanov im Plauderton, »kamen wir zu der Überzeugung, dass das Schlimmste, was einem großen Hengst wie dir passieren kann, der Verlust seiner Eier ist. Mehrere Methoden kommen dafür in Betracht – vielleicht ein stumpfes Messer oder das Abfackeln mit dem Propangasbrenner. Aber mein Freund Ilya ist ein Mann der Tat. Er sagte: ‚Wir sollten nicht wie ein grausames Kind der Fliege die Flügel ausreißen. Nyet. Wir sind doch keine Barbaren. Wir sollten human handeln und die Fliege mit einem Schlag von ihrem Elend erlösen.«
Nazarovs Augen sprangen auf Ilya zurück, der sich bückte, um nach einem langstieligen Vorschlaghammer zu greifen - ein wahrhaft massives Werkzeug – das auf einer Seite des Hammerkopfes flach war und auf der anderen Seite spitz auf einen abgerundeten Punkt hin zulief. Entsetzt verfolgte Nazarov, wie Ilya den Tisch umrundete und mit dem hoch über seinen Kopf erhobenen Hammer in der offensichtlichen Absicht, seine Genitalien zu zerquetschen, auf ihn zuzustürmen begann. Der große Hammer senkte sich in einem weiten Bogen. Nazarov schrie mit geschlossenen Augen auf, als er den Aufschlag des Hammers spürte.
»Verdammt‚ Ilya. Ich sagte dir doch, du sollst vorsichtig sein. Du hast ihn komplett verfehlt.«
Nazarov öffnete die Augen und stöhnte. Seine Hoden schmerzten vom Aufschlag des Hammers, der nur wenige Millimeter vor ihm den Beton getroffen hatte.
»Nicht meine Schuld«, erwiderte Ilya. »Ich sagte dir doch, wir müssen seine Eier genau in der Mitte des Steins arrangieren. Sieh dir an, was ich angerichtet habe. Leg seine Eier zurück in die Mitte und ich versuche es noch einmal.«
»Die Dinger fasse ich nicht an«, weigerte sich Borgdanov. »Nimm die Beißzange und … Verdammt, Ilya. Du hast den Stein gespalten. Jetzt müssen wir erst einen neuen besorgen.«
»Also gut. Ich rede«, winselte Nazarov.
»Wir brauchen keinen anderen Stein«, protestierte Ilya, der Nazarov ignorierte. »Der da ist absolut in Ordnung. Es ist nur ein kleiner Sprung.«
»ICH WERDE REDEN!«
Borgdanov sah auf Nazarov hinunter und dann zurück auf Ilya. »Er will reden.«
Ilya schüttelte den Kopf. »Mir egal. Er hat Karina wehgetan und du hast mir versprochen, dass ich dafür seine Eier haben kann. Außerdem redet er mit der Zunge und nicht mit den Eiern. Wir haben ausreichend Wege, ihn zum Reden zu bringen.« Ilya trat zurück und hob den Hammer an.
»Nein … nein, ich war es nicht. Ich habe Karina nie angerührt. Arsov hat es nicht erlaubt. Er hat sie für sich selbst behalten.«
Mit dem hoch erhobenen Hammer in der Hand zögerte Ilya.
»Und wo ist Karina jetzt?«, fragte Borgdanov.
»Auf einem Frachtschiff, in einem Container, auf dem Weg in die USA. Sie und die anderen Mädchen … die Drei, die Ärger gemacht haben. Sie haben den Hafen vor drei Tagen verlassen.«
»Wie heißt das Schiff und wo genau wird es anlegen?«
Nazarov sah über Borgdanov hinaus auf den Hammer, der weiterhin bedrohlich über Ilyas Kopf schwebte. »Wenn ich es euch verrate, versprecht ihr, mir nicht die Eier zu zerquetschen?«
Borgdanov lachte. »Nein. Aber ich verspreche dir, dass sie, falls du mir es nicht innerhalb von fünf Sekunden verrätst, schnell ganz anders aussehen werden.«
Nazarov schwieg. Borgdanov nickte einem grinsenden Ilya aufmunternd zu, der den Hammer für einen weiteren Schlag in Position brachte.
»Halt! Es ist die Kapitan Godina auf dem Weg nach Jacksonville, Florida. Das ist alles was ich weiß. Ich schwöre es.«
»Ich glaube, du bist viel zu bescheiden, mein Freund«, konterte Borgdanov. »Ich denke, du weißt auch, wo sich unser Freund Arsov versteckt, da?«
»Ich … das kann ich euch nicht sagen. Er … Er wird mich umbringen.«
»Dann befindest du dich wohl in einer heiklen Lage, Nazarov, da wir dich töten werden, wenn du nicht gleich den Mund aufmachst. Natürlich nachdem … du weißt schon …«
»Ihr müsst mir etwas zugestehen.«
Borgdanov seufzte. »Na schön. Wenn du uns Arsov gibst und dich benimmst, werden wir deine Eier nicht zertrümmern und dich nicht umbringen. Ok?«
Nazarov nickte in Ilyas Richtung, der weiter mit dem Hammer in Bereitschaft dastand. »Und was ist mit ihm?«
Borgdanov sah seinen Untergebenen an. »Ilya?«
Frustriert verzog Ilya das Gesicht und senkte den Hammer. »Da. Aber die Eier von diesem Arsov gehören mir.«
»Wir werden sehen«, erwiderte Borgdanov und wandte sich wieder an Nazarov. »Also, wo steckt Arsov?«
»In unserem geheimen Trainingslager in der Copeland Road in Southwark. Nummer 516.«
»Und wer leistet ihm dort Gesellschaft?«
»Nur zwei Männer, die sich um die unzuverlässigen Hur… - die Mädchen kümmern.«
»Sonst noch jemand?«
»Nur die Kinder«, antwortete Nazarov und zuckte zusammen, als sich Borgdanovs Gesicht verhärtete und Ilyas Griff um den Hammer fester wurde. »Mit den Kindern habe ich nichts zu tun«, platzte er heraus. »Das war ganz allein Arsovs Idee. Die Perversen sind bereit, ein Vermögen für sie zu zahlen.«
»Was ist sonst noch in diesem Lager?«
»Nur die Drogen. Es ist unser Umschlagplatz. Heroin, Kokain, Ecstasy, solche Dinge.«
»Ok.« Borgdanov rümpfte die Nase und drehte sich zu Ilya um. »Sieht aus, als ob sich unser tapferer Held in die nicht existierenden Hosen gemacht hat. Schneide den Schweinehund los und bring ihn zur Toilette, damit er sich waschen kann. Und falls er auch nur eine falsche Bewegung macht, bring ihn um.«
* * *
»Sobald Anna die Adresse des Verstecks an McKinnon weitergegeben hat, können die Cops die Gefangenen befreien und gleichzeitig Arsov und zwei seiner Männer einsammeln.«
Borgdanov zögerte. »Wir diesen Arsov wollen, Dyed. Ich denke, Polizei wird nichts tun.«
»Sie können eine Menge tun, wenn sie ihn beim Menschenhandel und mit Drogen erwischen.«
Borgdanovs Skepsis war augenscheinlich. »Ich denke, das mit klugen Anwälten nie garantiert ist. Arsov sehr gerissen ist.«
»Falls seine Leiche auftaucht, wird die Polizei uns umgehend verdächtigen und nach uns fahnden. Dieses Problem brauchen wir wirklich nicht, solange wir noch nach den Mädchen suchen. Dank eurer ‚Vernehmung‘ wissen wir nun, wo sie sich befinden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Mädchen zu befreien und Arsov stattdessen der Polizei überlassen. Was werden wir mit all den Opfern machen, wenn wir uns Arsov und seine Schlägertypen alleine vornehmen? Sie werden mehr Hilfe und Unterstützung brauchen, als wir ihnen bieten können. Arsov als Einzigen aus dem Verkehr zu ziehen, löst zudem nicht das weitreichendere Problem, da in kürzester Zeit ein anderer in London etablierter Gangster sein Erbe antreten wird. Wenn es der Polizei gelingt, Arsov mit einem Arsenal an Drogen und Augenzeugen zu erwischen, besteht eine gute Chance, dass sie die gesamte Bratstvo-Operation mit einem Schlag vernichten können – zumindest hier in England. Falls ihm, wie ihr befürchtet, die Flucht gelingen sollte oder er einer Anklage entgehen kann, könnt ihr ihm später immer noch nachsetzen.«
Widerwillig musste Borgdanov ihm zustimmen. »Da, was du sagst, macht Sinn. Ich werde nachdenken. Ilya wird nicht glücklich sein, aber ich weiß, dass er Meinung ist, dass nichts uns abhalten soll, Karina und die anderen zu retten.«
Dugan stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Gut. Aber was habt ihr nun mit Nazarov vor?«
»Vielleicht du dich nicht darum kümmern solltest, Dyed. Tatsächlich ist besser, wenn du draußen in Halle auf uns wartest, da?«
»So geht das nicht, Andrei! Du hast Anna versprochen, dass ihr nicht …«
Abwehrend hob Borgdanov die Hände. »Beruhige dich. Wir bringen Abschaum nicht um, obwohl du weißt, er es verdient hat. Aber wir können ihn nicht laufenlassen oder an Polizei übergeben. Wenn Polizei erfährt, dass wir Information erzwungen haben, denke ich, verbieten eure dummen Gesetze, Durchsuchungsaktion in diesem Warenhaus durchzuführen, da? Also wir können ihn nicht an Polizei übergeben und wir ihn nicht können gehen lassen. Wir nicht genug Leute sind, um Gefangenen zu bewachen. Selbst wenn er Gefangener wäre, wir ihn müssen früher oder später entweder Polizei übergeben oder laufenlassen. Und egal wie, am Ende er wird davonkommen, ich denke.« Borgdanovs Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Und dem ich kann nicht zustimmen. Er verdient Strafe. Er lange vor Arsov hier war, deshalb ich ihm nicht glaube, dass er mit Verkauf von Kindern nichts zu tun hat. Oder mit anderen Dingen. Innerhalb Bratstvo du nicht in gewisse Position aufsteigst, ohne auf dem Weg viele Leute umzubringen.«
»Da muss ich dir Recht geben, aber was ist die Lösung?«
»Wie gesagt, wir haben Plan. Wenn du jetzt bitte in Lagerhalle gehst …«
Borgdanov drehte sich um, als sich die Toilettentür öffnete und ein nackter Nazarov wieder das große Büro betrat – gefolgt von Ilya, der immer noch mit dem Vorschlaghammer bewaffnet war.
»Ich bleibe«, bestimmte Dugan.
Borgdanov zuckte mit den Achseln. »Wie du möchten.« Er wandte sich an Nazarov.
»Nazarov! Drei Schritte vortreten und Hab Acht-Stellung einnehmen!«
Überrascht schleppte sich Nazarov drei Schritte auf Borgdanov zu und richtete sich kaum merklich ein wenig gerader auf. Dabei warf er ständig einen nervösen Blick über die Schulter auf Ilya, der hinter ihm stand.
»Augen auf mich«, schrie Borgdanov ihn an. Als Nazarov hastig diesem Befehl nachkam, nickte Borgdanov Ilya zu.
Ohne einen Moment des Zögerns trat Ilya einen Schritt zur Seite und holte mit dem Hammer aus, als ob er einen Baum fällen wollte. Gezielt landete sein vernichtender Schlag mit dem abgerundeten Ende des Hammers auf der Wirbelsäule unterhalb der Schulterblätter des vor ihm stehenden Mannes. Und wie ein gefällter Baum sackte Nazarov auf dem Boden in sich zusammen.
Eine lange Weile wurde die Stille nur von Nazarovs unterdrücktem Schluchzen unterbrochen.
»Oh, mein Gott!« Dugan trat einen Schritt zurück.
»Ich … ich kann meine Beine nicht fühlen«, weinte Nazarov, als Borgdanov sich neben ihn kniete und ihn nun auf English ansprach.
»Und du sie nie wieder fühlen wirst, du wertloses Stück Scheiße. Und in Zukunft, wenn du in eigenem Mist in Drecksloch von Pflegeheim im Rollstuhl sitzt, will ich, dass du an Menschen denkst, denen du wehgetan und deren Leben du zerstört hast, da? Und jetzt wir dich nackt vor dem nächsten Armenkrankenhaus rauswerfen werden. Ich schlage vor, du teilst Behörden mit, du leidest unter Amnesie, und dass du Erinnerung auch nie zurück erlangen wirst. Es wird große Razzia auf euer Warenhaus geben und wir werden Bratstvo wissen lassen, dass du Informant warst. Sie nach dir suchen werden, mein Freund, ohne dass du weglaufen oder untertauchen kannst. Deshalb ist wohl am besten, wenn du anonym bleibst, da? Dann du kannst den Rest deines verfluchten Lebens damit verbringen, Gott um Verzeihung zu bitten. Ich denke, er mehr verzeiht, als Ilya und ich.«
»Ihr hattet es mir versprochen!«
»Ich habe versprochen, nicht zu töten. Du noch lebst. Ich habe versprochen, Eier nicht zu zerquetschen. Sind noch da. Tatsache, dass du sie nie wieder fühlen wirst, ist nicht mein Problem. Ich meine Versprechen halte, Nazarov. Immer. Und ich dir noch eines gebe. Wenn du je Mund aufmachst, kommt Ilya mit Hammer zurück. Ein wenig höher am Rückgrat und du wirst Arme nicht mehr gebrauchen können. Verstanden?«
»Ihr Schweine!«
»Ich denke, das ist ja.« Borgdanov wandte sich an Ilya. »Stopf dem Arschloch den Mund mit Klebeband und hilf mir, ihn im Wagen zu verfrachten.«
Dugan sah zu, wie Ilya seinen Anweisungen nachkam. Danach hakten die beiden Ex-Spetsnaz Nazarov unter den Armen ein und begannen, ihn in Richtung Tür zu ziehen. Dugan war sich nicht sicher, was er erwartet hatte, aber in keinem Fall das, wovon er gerade Zeuge geworden war. Er folgte den Russen und überlegte, wie detailliert er Anna von diesem Vorgang berichten sollte.