Catweazle, Spitzname Weasley
Eine junge Dame schlief allerdings in dieser Nacht besonders gut. Vergessen waren die Messer, das Internet, die Chaträume, ja der gesamte Computer, denn Helma hatte Wichtigeres zu tun.
Ihre Mutter war mit ihr am Nachmittag ins Tierheim gefahren, ohne ihr vorher etwas davon zu sagen. Dashatte einiger Überredungskunst bedurft, denn Helma kam normalerweise nicht mit, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.
Zuerst hatte sie sich nichts dabei gedacht, aber als ihre Mutter eine vollkommen ungewöhnliche Fahrstrecke einschlug, wunderte sie sich. Da ging es doch zum Bückeburger Tierheim.
„Äh, ich glaube, du hast dich verfahren“, sagte Helma vom Beifahrersitz.
„Das glaube ich eigentlich nicht“, gab ihre Mutter mit einem Schmunzeln zurück. „Hier wartet nämlich ein kleiner Kerl auf uns, der unsere oder vielmehr deine Hilfe braucht.“
Helma war wie vom Donner gerührt. „Echt? Das ist ja krass. Was ist es denn? Ein Hund oder eine Katze?“ Sie frohlockte innerlich.
„Ein kleiner Rüde, der seinen Besitzern zu viel geworden ist. Du müsstest dich also intensiv um ihn kümmern und auch zur Hundeschule mit ihm gehen. Meinst du, dass du das neben deinen Hausarbeiten für die Schule schaffen kannst?“
„Locker“, sagte Helma. Sie hätte jetzt alles versprochen. „Ich streng‘ mich auch echt richtig an. Wie heißt er denn? Was ist es denn für ein Hund?“
„Hab‘ ich vergessen und über den Namen haben wir noch nicht gesprochen“, erklärte ihre Mutter und parkte vor dem Heim.
„Ist ja auch wurscht“, antwortete Helma. „Hauptsache, Fell und feuchte Hundeschnauze.“
Brigitte, die ehrenamtlich im Tierheim tätig war, begrüßte die Schraders. Sie hatte vorhin mit Jutta telefoniert.
„So, dann wollen wir den kleinen Kerl mal besuchen“, schlug sie vor. „ Er ist noch ein bisschen stürmisch und freut sich immer, neue Leute kennenzulernen. Du hattest bis vor Kurzem noch einen Hund?“
„Ja“, antwortete Helma, „unser Merlin ist leider vergiftet worden.“
„Wisst ihr, von wem?“, fragte Brigitte alarmiert. „Nicht, dass Weasley auch so etwas passiert.“
„Das muss im Urlaub geschehen sein. Dort hatten sie in der Gemeinde Rattenköder ausgelegt. Das war wohl den Einheimischen auch bekannt. Wir hatten leider keine Ahnung“, erklärte Jutta Schrader und Helma fing bei der Erinnerung wieder an zu weinen.
„Na, dann kommt mal“, sagte Brigitte mitfühlend. „Vielleicht wird ja nicht nur Weasley, sondern gleich mehreren geholfen.“
„Und er heißt Weasley? Wie der Ron aus Harry Potter?“, wollte Helma wissen.
„Eigentlich heißt er nach einem anderen Zauberer, aber den wirst du nicht mehr kennen. Catweazle. Wir fanden aber, dass ein Hund nicht wie eine Katze heißen sollte und haben ihm den Spitznamen Weasley verpasst. Du hast recht, genau wie der rothaarige Zaubererfreund.“
„Weasley ist ein klasse Name für einen Hund“, sagte Helma voller Vorfreude.
Sie waren endlich im Büro des Tierheims angelangt, wo Weasley tagsüber sein durfte, weil er mit seinen sieben Monaten noch viel Zuspruch brauchte. Jetzt hob er neugierig den Kopf und sprintete dann aus seinem Korb direkt auf Helma zu. Sie war unterdessen in die Hocke gegangen und genoss die stürmische Begrüßung aus Pfoten und Hundezunge. Ihre Mutter schüttelte sich innerlich. Dieses Geschlecke fand sie immer schon entbehrlich, aber es war ja gesund, nicht zu steril zu leben. Helma war völlig verzückt. Sie lag inzwischen mit Weasley auf dem Boden, der ihr seinen Bauch entgegenstreckte, um sich kraulen zu lassen.
„Da haben sich wohl zwei gesucht und gefunden“, freute sich Brigitte mit Blick auf das schwarzlockige Wollknäuel.
„Das denke ich auch“, sagte Jutta erleichtert und setzte sich mit Brigitte an den Schreibtisch, um denÜbernahmevertrag zu unterzeichnen.
Mittlerweile waren einige Stunden vergangen. Helma und Weasley hatten einen Abendspaziergang hinter sich. Beider Mägen waren gefüllt. Sie waren hundemüde. Scheinbar unbeobachtet lag der kleine Goldendoodle ganz dicht an Helmas Füßen mit im Bett. Er guckte nur halb unter der Decke hervor. Als Jutta vorsichtig durch die Zimmertür sah, schliefen beide tief und selig. Nur Weasley hob kurz den Kopf. Sie war beruhigt und atmete tief durch. Ihr heimlicher Rettungsplan schien aufzugehen.