… Minus 032
Countdown läuft …
Richards stellte
fest, dass das alte Klischee nicht stimmte. Die Zeit stand
nicht still. In mancherlei Hinsicht
wäre es besser gewesen, wenn es so gewesen wäre. Dann wäre
jedenfalls dieses sinnlose Hoffen vorbei gewesen.
Zweimal informierte
ihn die megafonverstärkte Stimme noch, dass er lüge. Er antwortete,
dass sie lieber das Feuer eröffnen sollten, wenn dem wirklich so
sei. Fünf Minuten später teilte man ihm mit, dass die Flügelklappen
vereist seien und dass sie jetzt Zeit brauchten, um eine andere
Maschine aufzutanken. Richards antwortete ihnen, dass das
vollkommen in Ordnung sei, solange das Flugzeug vor Ablauf des
Ultimatums starten würde.
Die Minuten krochen
dahin. Noch sechsundzwanzig, fünfundzwanzig, zweiundzwanzig,
zwanzig (sie war immer noch nicht
zusammengebrochen. Mein Gott, vielleicht -), achtzehn, fünfzehn (der Flugzeugmotor heulte
wieder auf, während die Crew das Treibstoffsystem überprüfte und
alle Funktionen durchcheckte), noch zehn Minuten, dann
acht.
»RICHARDS?«
»JA?«
»WIR BRAUCHEN
EINFACH NOCH EIN BISSCHEN ZEIT. DIE FLÜGELKLAPPEN SIND VOLLKOMMEN
VEREIST. WIR WERDEN VERSUCHEN, DAS EIS MIT FLÜSSIGEM WASSERSTOFF ZU
SCHMELZEN, ABER DAS WIRD SEINE ZEIT DAUERN.«
»SIE HABEN ZEIT.
NOCH GENAU SIEBEN MINUTEN. DANACH WERDE ICH AUF DAS FLUGFELD
FAHREN. ICH WERDE DIE VERSORGUNGSRAMPE BENUTZEN. MIT EINER HAND
WERDE ICH DAS LENKRAD HALTEN, MIT DER ANDEREN DEN ZÜNDERRING. SIE
WERDEN MIR ALLE TORE ÖFFNEN. UND VERGESSEN SIE NICHT, DASS ICH
DABEI IHREN TREIBSTOFFTANKS IMMER NÄHER KOMME.«
»SIE SCHEINEN NICHT
ZU BEGREIFEN, DASS WIR…«
»ICH HAB GENUG VON
DEM GEREDE, LEUTE. SECHS MINUTEN.«
Der Sekundenzeiger
drehte seine gleichmäßigen Runden. Drei Minuten noch, dann zwei,
dann eine. In dem kleinen Zimmer würden sie jetzt so drohend auf
sie einreden, dass er es sich gar nicht vorstellen mochte. Er
versuchte, sich an ihr Aussehen zu erinnern, aber es gelang ihm
nicht. Vor seinem inneren Auge vermischte es sich sofort mit
anderen Gesichtern. Eine Montage aus den Gesichtern von Stacey,
Bradley, Elton und Virginia Parrakis und dem Jungen mit dem Hund.
Er erinnerte sich nur noch daran, dass ihr Gesicht weich und hübsch
ausgesehen hatte, die fantasielose Schönheit, die sich jede reiche
Frau bei Margaret Astor, Revlon und Schönheitschirurgen, die hier
ein bisschen ziehen, da ein wenig glätten und dort ein bisschen
geradeziehen, kaufen konnte. Weich. Weich. Aber irgendwo tief
drinnen auch hart. Wo bist du hart geworden, du weiße
angelsächsisch-protestantische Frau? Bist du hart genug? Oder lässt
du den Bluff jetzt gerade platzen?
Er fühlte etwas
Warmes an seinem Kinn hinunterlaufen und stellte fest, dass er sich
die Lippe aufgebissen hatte, nicht nur einmal, sondern
mehrmals.
Er wischte sich
zerstreut über den Mund, was einen tränenförmigen Blutfleck auf
seinem Ärmel hinterließ, und startete den Wagen. Der Wagen hob sich
sanft, die Luftdüsen grollten.
»RICHARDS! WENN SIE
DEN WAGEN IN BEWEGUNG SETZEN, SCHIESSEN WIR! DIE FRAU HAT GEREDET!
WIR WISSEN ALLES!«
Aber niemand gab
einen Schuss ab.
Es war fast ein
wenig enttäuschend.