… Minus 061
Countdown läuft …
Bradley hatte es
nicht gewagt, Luftlöcher in den Boden des Kofferraums zu bohren.
Richards hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und versuchte,
Nase und Mund an das kleine Loch zu pressen, durch das ein wenig
Licht und Luft hereinkam – das Schlüsselloch des Kofferraums.
Bradley hatte zusätzlich ein bisschen von der Dichtung des
Kofferraumdeckels abgezogen, sodass wenigstens ein bisschen Luftzug
hereinkam.
Der Wagen fuhr mit
einem Ruck an, und er knallte mit dem Hinterkopf gegen den
Kofferraumdeckel. Bradley hatte ihm gesagt, dass die Fahrt
mindestens anderthalb Stunden dauern würde, zwei Stopps an den
Straßensperren mitgerechnet, Vielleicht auch mehr. Bevor Bradley
den Deckel zugeschlagen hatte, hatte er ihm noch einen großen
Revolver hineingereicht.
»Sie halten jedes
zehnte oder zwölfte Auto an, um es genauer zu untersuchen«, hatte
er erklärt. »Dann öffnen sie den Kofferraum und stochern darin
herum. Das sind ganz gute Chancen, elf zu eins. Wenn es nicht
klappt, schnapp dir wenigstens ein Stück
Bullenfleisch.«
Der Wagen rumpelte
über die löchrigen, buckligen Straßen der Innenstadt. Einmal hörte
er das höhnische Lachen eines Kindes und einen Asphaltbrocken, der
gegen das Autoblech knallte. Dann wurde der Verkehr um sie herum
stärker, und der Wagen musste häufiger vor einer Ampel halten.
Richards lag reglos im Dunkeln, hielt den Revolver locker in der
rechten Hand und dachte daran, wie sehr sich Bradley durch den
Bandenanzug verändert hatte. Es war ein gedeckter
Dillon-Street-Zweireiher, so grau wie die Wände eines Bankgebäudes.
Der Eindruck wurde durch einen kastanienbraunen Schlips und eine
kleine goldende NAACP-Nadel abgerundet. Bradley hatte sich aus
einem schmuddeligen Bandenmitglied (schwangere Damen, aufgepasst;
unsereins frisst Fetusse) in einen korrekten schwarzen
Geschäftsmann verwandelt, der seine Onkel-Tom-Rolle perfekt
beherrschte.
»Du siehst gut aus«,
hatte Richards bewundernd festgestellt. »Donnerwetter, das macht
unglaublich viel aus.«
»Gelobt sei Gott«,
hatte Ma gesagt.
»Ich hatte mir schon
gedacht, dass meine Verwandlung Ihnen gefallen würde, mein Lieber«,
hatte Bradley mit gelassener Würde erwidert. »Gestatten Sie? Ich
bin der Bezirksmanager von Raygon Chemicals, wissen Sie. Wir
betreiben ein aufblühendes Geschäft in dieser Gegend. Boston ist
eine schöne Stadt. Ausgesprochen gastlich.«
Stacey hatte
losgekichert.
»Du hörst besser auf
zu lachen, Nigger«, hatte Bradley gesagt. »Sonst lasse ich dich in
deinen Stiefel scheißen und die Scheiße fressen.«
»Du bist so verdammt
gut als Onkel Tom, Bradley«, hatte Stacey unbeeindruckt gekichert.
»Die Nummer is echt scharf.«
Der Wagen bog jetzt
nach rechts auf eine asphaltierte Straße ein, die sich in einem
großen Bogen nach unten wand. Sie befanden sich auf einer
Auffahrtsrampe. Entweder zur 495 oder zu einer der
Zubringerstraßen. Richards spürte die Spannung wie Kupferdrähte in
seinen Beinen.
Eins zu elf. Das sind keine schlechten
Chancen.
Der Wagen gewann an
Geschwindigkeit und Höhe, beschleunigte, wurde plötzlich langsamer
und ging in den Leerlauf. Eine Stimme, die erschreckend nahe klang,
rief mit monotoner Regelmäßigkeit: »Bitte auf die Seite fahren …
legen Sie Ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere zurecht …
bitte auf die Seite fahren … legen Sie …«
Jetzt schon. Es ging
also jetzt schon los.
Du bist ein heißes Eisen, Mann.
Heiß genug, um jeden
achten Wagen zu untersuchen? Oder jeden sechsten? Vielleicht sogar
jeden?
Der Wagen hielt.
Richards’ Augenlider flatterten wie bei einem Kaninchen in der
Falle. Er umklammerte den Revolvergriff fester.