112 BASIL WENZESLAS
Der Vorsitzende war mit Peter nicht zufrieden. Ganz und gar nicht.
Die dreiste und dumme Aktion des Königs hatte Basil gezwungen, seine Gespräche in der TVF-Mondbasis vorzeitig zu beenden und zur Erde zurückzukehren, in der Hoffnung, den angerichteten Schaden in Grenzen zu halten.
Peter hatte ein heilloses Durcheinander angerichtet, und nicht zum ersten Mal.
»Wir müssen etwas unternehmen, Pellidor.« Der Vorsitzende kochte, als er in seinem Hanse-Büro hin und her ging, dabei die jüngsten Berichte las. »Vielleicht sind drastische Maßnahmen erforderlich.«
Basil hatte immer gewusst, dass der intelligente junge König Peter kein so leicht zu manipulierender Narr war wie Frederick, und unglücklicherweise führte das jetzt zu Problemen. Peters Handeln lag bewusste Absicht zugrunde und die Konsequenzen mussten ihm klar gewesen sein.
Die Frage lautete: Würde Peter die notwendige Lektion aus seinen Fehlern lernen oder mussten Schritte gegen ihn eingeleitet werden?
»Ich habe ihn ausdrücklich angewiesen, sich von den Kompi-Fabriken fern zu halten. Meine Warnung war unmissverständlich! Der vom König angeordnete Produktionsstopp hat uns weiter zurückgeworfen, als er ahnt.« Basil nippte an seinem Kardamomkaffee, der diesmal bitterer als sonst zu schmecken schien.
»Inzwischen laufen die Fließbänder wieder, Vorsitzender.« Pellidor stand in der Tür, wirkte nervös und betroffen. »Die Arbeiter machen Überstunden, um den Produktionsausfall wettzumachen.«
»Es ist gar nicht möglich, ihn auszugleichen«, sagte Basil. »Wir haben nicht nur Bewegungsmoment verloren, sondern auch Vertrauen. Peter hat die Saat des Zweifels ausgebracht. Nach der Niederlage bei Osquivel und dem Verlust der Erkundungsschiffe bei Golgen brauchen wir dringend neue Hoffnung. Und was stellt Peter an? Er verbreitet die Furcht, dass sich die neuen Soldaten-Kompis gegen uns wenden könnten.«
»Eine völlig absurde Vorstellung«, erwiderte Pellidor voller Mitgefühl.
Basil sah ihn an und runzelte die Stirn. »Nein, sie ist nicht absurd und das sollten Sie eigentlich wissen. Wenn Peter keine berechtigten Zweifel zum Ausdruck gebracht hätte, wäre die Wirkung seiner Worte wohl kaum so groß gewesen.« Er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch mit den integrierten Displays, die ihm alles andere als erfreuliche Daten zeigten. »Wir wissen tatsächlich nicht, wie die Klikiss-Subsysteme bis ins letzte Detail funktionieren. Und wir wissen auch nicht, was damals mit den Klikiss geschah. Peter ist nicht der Einzige, der sich in dieser Hinsicht Gedanken macht.«
»Aber wenn Sie ähnliche Zweifel hegen, Vorsitzender…«, sagte Pellidor verwirrt. »Warum haben Sie dann darauf bestanden, die Produktion wieder aufzunehmen?«
Basil ging zum Spülbecken, leerte seine Tasse darin und füllte sie dann wieder mit dunkelbrauner Flüssigkeit. Schon den Duft empfand er als erfrischend. »Weil die Benutzung der Klikiss-Technik das kleinere Übel ist. Wir müssen dem Volk Zuversicht geben – das ist wichtiger als die Sorge um eventuellen Verrat.«
Pellidor nahm die Worte des Vorsitzenden hin; das gehörte zu seinen Aufgaben. »Und was sollen wir in Hinsicht auf König Peter unternehmen, Sir?«
»Ich schätze, wir könnten ihn für eine Weile mit Drogen gefügig machen. Bestimmt gibt es in der Hanse pharmazeutische Experten, die fähig wären, ihm jeden Widerstandswillen zu nehmen. Aber ich brauche einen Peter, der reagiert und kooperiert, der überzeugend ist. Ein König ohne Charisma wäre nicht mehr annähernd so beliebt.« Basil seufzte und sah erneut auf die Displays. »Ich habe viel in den Jungen investiert, aber manchmal muss man Schadensbegrenzung betreiben.«
Nach der Rückkehr vom Mond war er zu verärgert gewesen, um mit Peter zu sprechen. Er hatte die königlichen Wächter darauf hingewiesen, dass der König seine Gemächer nicht verlassen durfte. Alle öffentlichen Auftritte waren abgesagt. »Wenn er sich wie ein Kind verhält, bestrafe ich ihn wie ein Kind, mit Stubenarrest.«
Die Hochzeit bot eine gute Erklärung: Peter und seine schöne Frau Estarra verbrachten einige Tage allein im königlichen Flügel des Flüsterpalastes. Aufgrund verschiedener Notfälle hatten sie ihre »Flitterwochen« immer wieder verschieben müssen, aber jetzt fanden sie endlich Gelegenheit, allein und ungestört zu sein. Die Bürger fanden sicher großen Gefallen daran, sich vorzustellen, auf welche Weise das junge Paar seine Zeit im Schlafzimmer verbrachte, und für eine Weile würde niemand Fragen stellen.
Noch immer zutiefst beunruhigt schüttelte Basil den Kopf. »Die Hanse hat dem jungen Mann alles auf einem silbernen Tablett serviert. Ohne uns wäre er noch immer ein Gassenjunge, die ganze Zeit über hungrig, würde mit einer großen Familie in einer kleinen Wohnung wohnen. Warum besteht er darauf, die Hand zu beißen, die ihn füttert?«
Basil trank einen Schluck Kaffee und dachte an Peters zunehmenden Trotz, insbesondere nach der Verkündung des Geburtenstopps. Er war sogar so weit gegangen, den Vorsitzenden bei der Hochzeitsfeier in aller Öffentlichkeit zu demütigen. Und jemand, der stille Macht ausübte, konnte solche Demütigungen nicht einfach hinnehmen. Ja, der König hatte genug Chancen bekommen.
Peters eigenmächtiges Handeln bei der Kompi-Fabrik ging weit über das hinaus, was Basil leicht reparieren konnte. Die Hanse hatte in offiziellen Verlautbarungen unterstrichen, dass die Soldaten-Kompis sicher waren, und darauf hingewiesen, dass die vom König angesprochenen Probleme gelöst waren, weshalb die Produktion fortgesetzt werden konnte. Trotzdem: Ein Rest von Zweifel blieb.
Pellidor schwieg, als Basil auf die Datenschirme sah und an tausend Dinge dachte. Im Spiralarm herrschte Krieg und der Feind schien unbesiegbar zu sein. Unter solchen Umständen konnte er sich keinen aufsässigen König leisten. »Geben Sie den wichtigsten planetaren Repräsentanten und Funktionären der Hanse Bescheid. Es wird Zeit für eine weitere Besprechung, eine geheime. Achten Sie darauf, dass Peter nichts von ihr erfährt.«
Pellidor nickte. »Soll ich die Dateien von anderen Kandidaten vorbereiten? Es stehen viele junge Männer zur Auswahl. Einige von ihnen scheinen gut geeignet zu sein.«
»König Peter ist zweifellos sehr populär, was wir mehrmals ausnutzen konnten. Wenn das Volk seinen König jetzt verlöre, wäre das ein harter Schlag für die Moral im Krieg.« Basil kniff die Augen zusammen. »Trotzdem: Es kann nicht schaden, einen Trumpf in petto zu haben.«
Drei Tage später lasen die Bürger der Hanse eine überraschende Bekanntgabe des Flüsterpalastes. König Peter war noch überraschter als seine Untertanen – und nicht annähernd so erfreut.
Im »Geiste einer neuen Offenheit« war die Hanse stolz, der Öffentlichkeit König Peters geliebten und kompetenten jüngeren Bruder vorzustellen, Prinz Daniel, den zweiten Sohn des Alten Königs Frederick, wie Peter in der ruhigen Anonymität des Palastes aufgewachsen. Da die Bürger Peters Heirat mit Estarra gesehen hatten, war es nur recht und billig, dass sie auch Prinz Daniel kennen lernten. Immerhin herrschte Krieg und man konnte nie wissen.
Basil beobachtete die Reaktion der Öffentlichkeit. Der Daniel-Rekrut stand erst am Beginn seiner Ausbildung, war aber viel versprechend. Er sah gut aus und bestimmt konnte das Volk dazu gebracht werden, ihn zu mögen.
Peter musste seinen wahren Platz in der Regierung begreifen. Der König und die Königin würden zu ihren öffentlichen Pflichten zurückkehren, aber unter strenger Aufsicht. Peter war sicher klug genug, um einzusehen, dass er es zu weit getrieben hatte. Zweifellos verstand er die Warnung: Wenn du nicht spurst, wirst du ersetzt. Basil war sicher, dass Peter seinen Fehler erkannte und sich in Zukunft so verhielt, wie man es von ihm erwartete.
Wenn nicht… In dem Fall würde die Hanse auf Daniel zurückgreifen.