86 TASIA TAMBLYN

Die Manta-Kreuzer glitten dem Planeten entgegen und Commander Fitzpatricks schnodderige Stimme drang aus den Kom-Lautsprechern. »Die verdammten Droger haben unseren Freund Robb Brindle auf dem Gewissen. Zahlen wir es ihnen heim!«

Kummer und Schock lähmten Tasia fast und sie hätte Fitzpatrick am liebsten erwürgt – er war nie Robbs Freund gewesen. Doch zuerst wollte sie sich um den wahren Feind kümmern. Zur Hölle mit den Hydrogern!

Ein weiterer Kompi-Remora wurde zerstört und Kugelschiffe stiegen aus den Tiefen des Wolkenmeers auf. Die TVF war bereit – das glaubte sie zumindest.

Tasia weigerte sich, die Hoffnung ganz aufzugeben. Vielleicht befand sich Robb noch immer dort unten und konnte nur nicht senden. Andererseits: An der Aggressivität der Hydroger bestand kein Zweifel. Mehrere von Kompis bemannte Remoras waren von ihnen zerstört worden – und vermutlich auch die Kontaktkapsel.

Tasia hatte dies von Anfang an befürchtet…

Sie atmete tief durch und zählte langsam bis zehn, um das emotionale Chaos in ihrem Innern wieder unter Kontrolle zu bringen. Dann sagte sie mit erzwungener Ruhe: »Bereitschaft für alle Stationen. Eröffnen Sie nicht zu früh das Feuer – wir wollen keine Energie verschwenden.«

Tief in ihrem Innern trauerte sie um Robb. Wenn die TVF mit dem Bombardement begann, schwand jede Hoffnung für ihn. Aber Tasia konnte es nicht verhindern – und sie wusste auch gar nicht, ob sie das wollte. »Zeigen wir es den verdammten Fremden.«

Von der Brücke der Goliath aus überprüfte General Lanyan die Mantas, die von Menschen bemannten Remoras und die Überwachungssatelliten. »Drei Roboter-Kreuzer sollen die Spitze übernehmen. Jetzt können die neuen Kompis zeigen, was in ihnen steckt.«

Ein Computertechniker übermittelte den Soldaten-Kompis an Bord der Schlachtschiffe spezielle Befehle. Vor Beginn der Mission hatten alle Kommandanten detaillierte Einsatzanweisungen erhalten – sie kannten die ersten Phasen des Angriffsplans. Tasia spürte eine sonderbare Leere im Bauch, so als fiele sie in eine bodenlose Tiefe.

»Die Thunderheads nach unten«, ordnete Lanyan an. »Gehen Sie in Position und halten Sie sich für den Einsatz der schwersten Bomben bereit. Die Bruchimpulsdrohnen bleiben in Reserve, bis wir sehen, worauf wir zielen.« Die Waffenplattformen schwärmten am Rand von Osquivels Atmosphäre aus. »An die Plattformen: Beginnen Sie mir dem Bombardement.«

Bomben regneten aus den Thunderheads und explodierten, als sie eine bestimmte Tiefe erreichten. In Osquivels Wolkenmeer blitzte es immer wieder auf – die Explosionen sollten die Hydroger aufscheuchen. Aber nach den letzten Meldungen der zerstörten Remoras war das gar nicht nötig, denn es stiegen bereits Kugelschiffe auf.

Tasia ballte so fest die Fäuste, dass sich ihre Fingernägel in die Handballen bohrten. Jetzt dauerte es nicht mehr lange, bis es für ihren Kreuzer Zeit wurde, in das Geschehen einzugreifen.

»Zweite Phase«, sagte Lanyan. Es klang so, als hätte er eine Tabelle vor sich liegen und behielte ein Chronometer im Auge. »Primärer Kompi-Flügel: die Remoras ausschleusen und den Feind angreifen, falls er lokalisiert werden kann. Kompi-Mantas, Distanz verkürzen.«

Die neuen Soldaten-Kompis konnten die Angriffsjäger mit höherer Beschleunigung fliegen und hielten bei den Flugmanövern mehr Andruckkräfte aus als menschliche Piloten. Sie brauchten kein Lebenserhaltungssystem und deshalb stand den Jazer-Bänken mehr Energie zur Verfügung.

Hundert der schnellsten Jäger stießen tief in die Atmosphäre des Gasriesen hinab, während sich die vom Bombardement ausgelösten Druckwellen noch immer im Wolkenmeer ausbreiteten. Wie tödliche silberne Projektile rasten die Remoras dahin und suchten nach Zielen. Telemetrische Daten wurden übermittelt, als die gewissenhaften Roboter ihre Position meldeten.

Als die Soldaten-Kompis jene Tiefe erreichten, in der Robb verschwunden war, berichteten sie von aufsteigenden Kugelschiffen. Dann brach der Kom-Kontakt ab. Genau wie bei Robb.

Lanyan biss die Zähne zusammen. »Wo sind sie?« Er blickte auf die Wolken hinab, die nach dem Bombardement noch immer wogten.

Rossia saß an seiner Station und beschrieb die Ereignisse durch den Telkontakt. »Ich sehe ein Glühen, wie Blitze… etwas, das viel größer ist als die Goliath. Blitzende Lichter, energetische Entladungen. Ah, jetzt kommen sie aus den Wolken. Sehen erschreckend aus…« Er schauderte mit dem instinktiven Abscheu des Weltwaldes, übermittelt vom Schössling.

Kugelschiff-Schwärme stiegen auf, riesige Schiffe, von kleineren begleitet. Rufe von TVF-Soldaten drangen aus den Kom-Lautsprechern, erfüllt nicht nur von Tapferkeit, sondern auch von Furcht. Noch nie zuvor hatten sie eine so große Streitmacht der Hydroger gesehen.

Die ersten drei Kompi-Mantas flogen dem Feind ohne zu zögern entgegen und eröffneten das Feuer, bevor die Hydroger zuschlagen konnten.

»Zahlreiche Jazer-Treffer, aber keine bedeutenden Schäden.« Rossias Blick huschte hin und her. »Die Blitze schmerzen mich in den Augen.«

»Die Kohlenstoffknaller einsetzen!«

Die Kreuzer ließen ganze Haufen der neu entwickelten Waffe fallen. Wie Wasserbomben sanken sie den Hydrogern entgegen und explodierten in unmittelbarer Nähe der Kugelschiffe. Ihre Druckwellen waren fokussiert und dazu bestimmt, Kohlenstoffverbindungen aufzureißen. Einige Schiffe des Feindes drehten sich, wie desorientiert von der unerwarteten Wucht des Angriffs.

Bevor sich die Soldaten freuen konnten, zuckten blaue Blitze von den unbeschädigten Kugelschiffen, trafen den nächsten Roboter-Manta und rissen seinen Rumpf auf.

»Direkter Treffer von den Hydrogern! Einer unserer Kompi-Kreuzer ist beschädigt.« Rossia klang wie ein Sportreporter, der versuchte, seinen Zuhörern die Aufregung des Spiels zu vermitteln, das er beobachtete. »Es ist ebenso schrecklich wie die Erinnerungen des Weltwaldes an den alten Krieg.«

Der beschädigte Manta-Kreuzer setzte den Flug fort und feuerte mit allen noch funktionstüchtigen Waffen. »Seht euch das an!«, rief Lanyan stolz. »Die Soldaten-Kompis bleiben im Einsatz, trotz des großen Lochs in der Außenhülle!«

Die mit Robotern bemannten Mantas und Remoras feuerten die ganze Zeit über, bis ihnen Energie und Munition ausgingen. Daraufhin stellte Lanyan eine Kom-Verbindung her und sprach zu den programmierten Soldaten-Kompis. »Endsequenz einleiten.« Er lehnte sich zurück und lächelte grimmig, als er sich an die Kommandanten wandte. »Passen Sie gut auf. Dies ist etwas, das wir den Ildiranern abgeschaut haben.«

Die Kompi-Remoras machten von ihrer letzten Triebwerksenergie Gebrauch, beschleunigten und jagten den feindlichen Schiffen wie Geschosse entgegen. Auf den Monitoren verschwand ein Telemetriebild nach dem anderen und wich Statik.

Immer wieder gleißte destruktive Energie, in einem so verwirrenden Feuerwerk, dass Tasia nicht die Details der Schlacht beobachten konnte. Sie saß noch immer im Kommandosessel, dazu bereit, ihren Beitrag zu leisten, Robb Brindle und ihren Bruder Ross zu rächen.

Doch die menschlichen Streitkräfte hatten noch nicht den Einsatzbefehl erhalten.

Als General Lanyan den Endsequenz-Befehl übermittelt hatte, feuerten die drei arg mitgenommenen Kompi-Mantas alle ihre Waffen gleichzeitig ab und verbrauchten dabei die letzten Energiereserven, während sie gleichzeitig mit voller Kraft beschleunigten – die Hydroger konnten unmöglich rechtzeitig ausweichen. Die überlasteten Reaktoren der Roboter-Mantas glühten, als jeder der drei Kreuzer mit einem Kugelschiff kollidierte. Die Triebwerkskammern des Sternenantriebs platzten auf und Explosionen loderten wie kleine Sonnen.

Die drei getroffenen Kugelschiffe brachen auf, brannten und stürzten zerstört in Osquivels Tiefe.

»Thunderhead-Waffenplattformen! Zweite und letzte Verteidigungslinie.« Die Stimme des Generals klang noch schärfer, als wollte er den Feind beeindrucken, der vielleicht mithörte. »Setzen Sie Ihre Atombomben ein und ziehen Sie sich dann so schnell wie möglich zurück.«

Die Kommandanten der Plattformen gaben ihre Befehle und Atomsprengköpfe regneten auf die emporsteigenden Kugelschiffe hinab. Als die Bomben abgeworfen waren, wurden die Triebwerke der Thunderheads aktiv und die schwerfälligen Plattformen entfernten sich vom Planeten, um nicht den Druckwellen und elektromagnetischen Impulsen zum Opfer zu fallen.

Atomares Feuer brannte in der Atmosphäre von Osquivel. Lichtblitze, hell wie neugeborene Sonnen, und intensive Strahlung jagten durch gewaltige Sturmsysteme. Die wartenden, mit Menschen bemannten Mantas und Moloche schwebten über den Polen des Planeten und beobachteten das unglaubliche Vernichtungschaos.

Die TVF-Soldaten jubelten, als sie die Blitze der atomaren Explosionen sahen. »Jetzt werden die Droger gebraten!«

»Das kocht sie in ihren Kugeln!«

»Sie hätten zu Hause bleiben und uns in Ruhe lassen sollen.«

Tasia saß wie eine Statue in ihrem Kommandosessel. Sie beobachtete die Blitze ebenfalls, sah in ihnen aber keinen Grund zum Feiern. Es war noch nicht vorbei. Und ihr letzter Rest von Hoffnung löste sich auf. Selbst wenn die Hydroger Robb nicht erwischt hatten – diese vielen Atomexplosionen konnte er unmöglich überleben. Sie fühlte die Kraft ihres Manta-Kreuzers, die Energie in den Akkumulatoren der Waffensysteme, die startbereiten Remoras in den Hangars. Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen.

Tasia rutschte in ihrem Sessel unruhig hin und her. »Na los, General, geben Sie uns den Einsatzbefehl«, murmelte sie. »Ich möchte jemandem weh tun.«

»Verdammt!«, fluchte ein Plattform-Kommandant. »Sie steigen weiterhin auf, selbst nach all den Atombomben!«

Lanyan verbarg seine Überraschung nicht. »Zum Teufel auch, wie werden wir sie los?«

Lanyan beorderte die letzten Kompi-Mantas nach vorn, damit sie das erste Feuer des Feindes auf sich zogen. »Es geht los! Setzen Sie alles gegen die Droger ein, was Sie haben. Und denken Sie daran: Dies ist der gleiche Feind, der Boone’s Crossing zerstört hat.«

»Als ob wir einen zusätzlichen Grund brauchen, die Droger zu hassen«, brummte Tasia laut genug, damit die Brückencrew sie hörte. Sie beugte sich im Kommandosessel vor, als der Manta-Kreuzer in Angriffsposition ging. Unten stiegen weitere Kugelschiffe aus den Tiefen des Gasriesen empor, hunderte. »Da kommen sie.«