22 BENETO
Corvus Landing war weit vom Chaos des Hydroger-Krieges entfernt und das fand Beneto auch ganz gut so. Er leistete wichtige Arbeit und jeden Tag zeigten ihm die Siedler, wie sehr sie ihn schätzten.
Die kleine Kolonie exportierte keine wichtigen Güter, und nach vierzehn Jahren war sie auch nicht mehr auf ständigen Import angewiesen. Die Farmer produzierten genug Lebensmittel für die kleine Bevölkerung.
Der Bürgermeister Sam Hendy hatte eine Versammlung anberaumt. Sie sollte bei Einbruch der Dunkelheit stattfinden, wenn die meisten Arbeiten erledigt waren – obwohl es dringende Dinge gab, die einige Kolonisten bis in die Nacht auf den Beinen halten würden. Bürgermeister Hendy – ein Mann in mittleren Jahren, mit einem dicken Bauch, obwohl es ihm nicht an Bewegung mangelte – hielt nichts von Förmlichkeiten.
Beneto betrat den Gemeindesaal, der sich in einem Gebäude befand, das nicht weit aufragte – es sollte dem starken Wind, der über die Grasebenen von Corvus Landing, wehte, keine große Angriffsfläche bieten. Einige dicke Fenster gewährten Ausblick auf die flache Landschaft. Die Kolonisten fanden sich im Saal ein, um über das Unwetter am vergangenen Tag zu sprechen.
Ein Sturm war über die Siedlung hinweggefegt, mit heulenden Böen und Hagel, hatte Zäune, Bewässerungsanlagen, Außengebäude und Generatoren beschädigt. Das genaue Ausmaß der Schäden und der drohende Ernteausfall mussten noch abgeschätzt werden. Manche Dinge konnten schnell repariert werden; bei anderen würde die Instandsetzung länger dauern.
Sam Hendy saß an einem Schreibtisch und neben ihm stand ein Sekretär, der sich Notizen machte, während jede Familie von ihren Sturmschäden berichtete. Acht Wohnhäuser und elf Außengebäude waren von Wind und Hagel in Mitleidenschaft gezogen worden.
Die Inspektoren des Bürgermeisters waren tagsüber auf den Feldern unterwegs gewesen, hatten sich das geknickte und zu Boden gedrückte Getreide angesehen. »Ein Teil der Ernte kann gerettet werden«, sagte Hendy und zeigte sich wie immer optimistisch. »Wir haben widerstandsfähiges Korn gepflanzt und viele der Felder werden sich erholen.«
Zwei Ziegenherden hatten ihre Pferche verlassen und auf den Kornfeldern fast ebenso großen Schaden angerichtet wie das Unwetter. Nur Ziegen konnten einheimische Pflanzen verdauen. Symbiotische Bakterien in ihrem Verdauungssystem halfen dabei, das Moos und die haarartige Bodenvegetation in eine Nährstoffmasse zu verwandeln. Die Tiere lieferten Milch und Fleisch, dessen Import selbst in normalen Zeiten zu teuer gewesen wäre.
»In dieser Jahreszeit kommt es immer wieder zu solchen Stürmen«, sagte jemand. »Ich schlage den Einsatz von Polymerplanen vor, von transparenten Filmen, die das Sonnenlicht durchlassen, die Pflanzen aber vor den schlimmsten Auswirkungen der Unwetter schützen.«
Der Bürgermeister hob und senkte die Schultern. »Es ist einen Versuch wert.«
Andere Siedler brummten zustimmend, doch Beneto fragte sich, wo sie Polymerfilm auftreiben sollten. Im Norden gab es Minen und erzverarbeitende Anlagen, aber andere Industrien fehlten auf Corvus Landing.
Eine Stunde lang gingen die Diskussionen weiter, dann bat der Bürgermeister Beneto um eine Zusammenfassung der Nachrichten. Der grüne Priester war für die Kolonie eine Brücke zum Rest des Spiralarms, denn er berichtete von den neuesten Ereignissen auf anderen Welten. Indem sich Hendy an Beneto wandte, versuchte er nach dem verheerenden Sturm zur Normalität zurückzukehren. Die Siedler interessierten sich für das, was im Spiralarm geschah, insbesondere natürlich für den Hydroger-Krieg.
»Die Hydroger haben gerade eine nach Dasra entsandte militärische Erkundungsflotte vernichtet«, begann Beneto. »Es gibt keine Überlebenden.« Die Siedler murmelten und waren sich der Gefahr bewusst. Viele von ihnen hatten Familienangehörige auf der Erde oder bei der TVF. »Die Blockade der Kolonie Yreka dauert an, bis die dortigen Siedler ihr gehortetes Ekti übergeben. Allerdings hat General Lanyan bisher nur von sehr wenigen Opfern berichtet und die TVF-Schiffe beschränken sich weiterhin darauf zu warten.« Beneto seufzte. »Die Klikiss-Roboter haben der Hanse Hilfe angeboten. Einer von ihnen erklärte sich zur Demontage bereit, damit menschliche Kybernetiker herausfinden können, wie sie funktionieren…«
»Ich würde gern wissen, ob mir die Klikiss-Roboter dabei helfen, meine entlaufenen Ziegen einzufangen«, warf ein großer, alter Farmer ein. »Wenn nicht, sollte ich mich besser selbst darum kümmern.« Er sah die anderen Kolonisten an und war mehr an seinen Problemen interessiert als an ferner Politik. »Wenn jemand von euch bereit ist, mir zu helfen… Ich wüsste es sehr zu schätzen.«
Die Siedler bildeten Freiwilligengruppen und machten sich an die Arbeit. Sie reparierten ihre Häuser, trieben Ziegen zusammen und ließen die Kriegsnachrichten weit hinter sich zurück.