20
Mack sollte auf der hinteren Seite von St. Margaret’s im blauen Truck auf mich warten, ohne Licht und mit ausgeschaltetem Motor. Wir haben das mehrmals besprochen. Wie damals, in den Sommern am aufgelösten Yachthafen, ist es gut, Mack wieder als Komplizen zu haben. Wir haben ein Geheimnis, mit geflüsterten Hinweisen und versteckten Vorräten – selbst wenn das Ende nicht so unvorhersehbar ist wie in unseren Abenteuern früher. Alle außer Mack sind zu Nannys geworden. Ich bin so müde und so bereit, dass endlich alles vorbei ist, auf welchem Weg auch immer.
Die kleine Anhöhe zwischen dem Creek und dem Jeanette Drive wirft mich im Zeitplan zurück. Die Stiefel waren ein Fehler, sie hängen wie Blei an meinen Streichholzbeinen. Wo, ja wo sind meine Schwimmmuskeln hin? Ich presse die Finger auf mein Brustbein, das laut Biobuch Sternum heißt. Einer dieser blöden Lungenflecken muss da hängen geblieben sein und diesen Schmerz auslösen, so tief drin, dass meine Finger ihn nicht erreichen. Ich keuche und ringe nach Luft und muss mich setzen, noch ehe ich am Schulgebäude angekommen bin, da, wo Meredith mir eröffnet hat, dass sie jetzt die Pille nimmt. Ich denke daran, dass ich nie wieder mit ihr schlafen werde, nie wieder die flache Stelle neben ihrer Hüfte berühren werde, auf der das Mondlicht lag, das durch das Kabinenfenster schien ... oder ihre warmen Mundwinkel, wo ich die Reste ihres Lippenbalsams geschmeckt habe ... oder die perfekten Zwischenräume zwischen ihren Fingern, wenn sie ihre Hand beim Spazierengehen mit meiner verschränkt.
Hinter der offenen Wiese neben dem Verwaltungsgebäude, durch die Kräuselmyrtensträucher hindurch, blitzen Macks Scheinwerfer einmal kurz auf. Ein Zeichen. Es wird Zeit. Mein erster Freund, mein letzter Freund erinnert mich daran, den Plan einzuhalten.
Ich stehe wieder auf und winke im Nachhall seines Lichts. Schwer und nutzlos fällt mein Arm wieder runter. Dass ich Meredith den Hoskins Creek stromaufwärts gerudert habe, erscheint mir wie ein Märchen. Der kleine Koffer rumpelt über den Bürgersteig, eine holprige Hymne, die die Nacht verschluckt. Ich zwinge mich, ohne weiteren Stopp zum Truck zu gehen. Mack steigt schon vorher aus, nimmt mir den Koffer ab und hebt ihn auf die kleine Ladefläche, als wäre er aus Glas. Er hievt mich an meinen Ellbogen hoch in die Fahrerkabine und schlägt die Tür zu, als wär ich seine Großmutter. Dann läuft er zur Fahrerseite. Als er die Water Lane entlangfährt und langsam und vorsichtig auf die Route 360 abbiegt, als hätte er gerade erst Fahren gelernt, werfe ich einen Blick zurück. Die Brücke erhebt sich undeutlich aus dem frühen Morgennebel. Dann, an der Ecke, wo die 360 auf die Route 17 mündet, holen mich die grellen Lichter der durchgehend geöffneten Texaco-Tankstelle in die Realität zurück.
»Wie lief es mit Meredith?«, will er wissen.
»Sie musste Hausaufgaben machen.«
»Du gehst, ohne dich verabschiedet zu haben?«
»Sie würde es sowieso nicht verstehen«, sage ich. »Sie würde denken, es hätte was mit ihr zu tun.«
»Scheiße, bist du ein kalter Hund!«
»Tja, so ist das eben, wenn man stirbt.« Daraufhin hält er die Klappe.
Er schaltete das Radio ein und konzentriert sich auf die Straße. Gemächlich fahren wir an den Kirchen vorbei, an der Goldküste, dem Golfplatz in Woodside, dem Schnellrestaurant in Port Royal mit der im Fünfzigerjahrestil gestreiften Markise, dann durch Spotsylvania County.
»Bist du müde?«, frage ich ihn, aber die Worte bleiben in meinem Mund hängen und ich muss schwer atmen, um sie rauszukriegen.
»Mir geht’s gut«, antwortet Mack. »Ich will nur nicht, dass die Polizei uns anhält. Ich meine, wo Holden doch in New York auf dich wartet und alles.«
Ich muss ihn zweimal ansehen, um sicherzugehen, dass das kein Scherz sein soll. »Äh, Mack ... meinst du nicht, dass die Polizei es weniger verdächtig findet, wenn du genauso schnell fährst wie die anderen auch?«
»Tut mir leid.« Er tritt aufs Gas, und der kleine Truck beschleunigt auf der unbeleuchteten Straße so sehr, dass mir die Hüftknochen in die Eingeweide drücken.
»Mist, ey! Wollte dich doch nicht anpissen.«
»Nicht angepisst, nicht angepisst.«
Er verlangsamt auf die Höchstgeschwindigkeit, sucht einen Rap-Sender, grinst zu mir rüber und fängt an, mit einer Hand aufs Lenkrad zu trommeln. »Sie ist großartig, oder?«
»Wer?«
»Die Karre«, antwortet Mack. »Wer sonst?« Seine Augen glänzen, und er lässt die Hände mit jedem Basswummern vom Lenkrad abfedern. Es macht mich nervös, auch wenn er das letzte Mal am Telefon beteuert hat, dass er keine Drogen mehr nimmt.
»Vielleicht Juliann?«, frage ich. »Deine Freundin Juliann? Erinnerst du dich an sie?«
»Das ist vorbei«, sagt Mack. »Schon lange.« Für diesen Text klingt seine Stimme viel zu angespannt und viel zu hoch, so als hätte er gerade zugegeben, bei einer Prüfung gemogelt zu haben.
»Was ist passiert?«
»Es klappt eben nicht bei jedem so gut«, sagt Mack, »wie bei dir und Meredith. Und sie war sowieso zu groß für mich.«
»Seit wann ist die Größe ein Grund, die perfekte Frau ziehen zu lassen?«
»Ich würde nicht sagen«, meint Mack, »dass sie die perfekte Frau war. Sie war mir ein bisschen zu prüde.«
Ich denke eine Weile darüber nach. Hier ist Mack, der Mack, den ich kenne: fast so was wie ein Musterschüler, bei den Lehrern beliebt, geht mit der Familie noch zum Gottesdienst und hat einen festen Nebenjob, um seine Autoversicherung zu zahlen. Ein netter, beständiger Typ – und dann macht er mit einem Mädchen Schluss, weil sie zu groß für ihn ist? Irgendetwas passt da nicht. Außerdem hat Meredith nichts davon gesagt, dass Mack mit Juliann Schluss gemacht hätte. Warum denkt er das dann? Warum sagt er so was?
Er ist ein guter Fahrer, auch wenn er sich über Juliann ärgert, auch wenn er die Kurven und Schatten der Route 17 in sternenloser Nacht mit fast hundert Stundenkilometern durchfährt. Weil die 17 extrem viele Kurven hat, bin ich lieber still, damit er sich konzentrieren kann. Der Wagen bleibt in der Spur, es gibt keine ruckartigen Lenkbewegungen oder unerwartetes Bremsen. Das beruhigt mich ein bisschen. Wenn er so gut fährt, kann er nicht high sein. Ich habe ihm meine Meinung zu Drogen gesagt, und heute Nacht ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Diskussion wieder aufzunehmen.
Was, wenn Mom aufwacht und entdeckt, dass ich nicht im Bett liege? Sie wird lauschen, ob ich die Toilettenspülung betätige. Sie wird sich draußen vor die Tür stellen und anklopfen, vielleicht zwei Mal, bevor sie aufmacht, wenn ich nicht antworte. Wenn sie sieht, dass ich nicht da bin, wird sie einmal ums Deck rennen und dann aufs Dach. Sie wird meinen Namen rufen, erst leise, um Nick nicht zu wecken, bis ihr einfällt, dass er bei einem Freund übernachtet. Wenn sie mich nicht findet, wird sie anfangen zu schreien. Dad, mit leicht verschleimtem Hals, weil er aus dem Schlaf gerissen wurde, wird barfuß nach draußen gehen, während Mom feststellt, dass das Ruderboot weg ist. Sie wird mit dem Motorboot schon halb am Anleger sein, bevor Dad begreift, was sie da die ganze Zeit brüllt. Er wird sofort wissen, dass ich für immer weggegangen bin, aber er wird sie weiterfahren und suchen lassen, weil es für sie die einzige Möglichkeit ist, damit klarzukommen. Sie braucht Aktionen und Argumente, um vor allem sich selbst zu beweisen, dass sie immer noch versucht, ihren Sohn vor etwas zu retten, das stärker ist als sie.
»Danke, dass du mich fährst«, sage ich zu Mack. Auf keinen Fall will ich die Zwillinge noch mal erwähnen.
»Kein Problem«, erwidert er. »Ich hoffe, der Zug hat keine Verspätung. Wenn deine Mom die Polizei ruft, könnte ihnen einfallen, die Bahnhöfe zu kontrollieren.«
»Sie wird nicht die Polizei rufen«, sage ich. »Seit der Verhandlung sind das die Bösen.«
»Hättest du letztes Jahr noch gedacht«, fragt Mack, »dass du mal allein nach New York fahren würdest?«
»Nie im Leben«, antworte ich. »Hättest du je gedacht, dass du mal einen blauen Nissan fährst, der dir gehört?«
Wir spielen dieses Spiel seit Jahren. Hollywoodfantasien auf Essex-County-Niveau. Es hat immer Spaß gemacht, weil unsere Fantasie uns überall hinbringen kann, auch wenn wir in einer Kleinstadt in Virginia feststecken.
Er dreht das Radio leiser, um das Spiel ernsthaft weiterzuspielen. Ich nehme an, es lenkt ihn vom Ende unserer Reise ab, dem Bahnhof und einem Abschied, den keiner von uns will. Ein Abschied, zu dem ich allerdings mehr bereit bin als er.
Er macht weiter: »Wie wäre es mit ... Hättest du je gedacht, dass du der erste Schüler der Essex-County-Highschool bist, der von der Brücke in den Rappahannock springt?«
»Hättest du je gedacht, dass du der Klassenbeste in Algebra sein wirst?«
»Hättest du dir je träumen lassen, dass ein schönes Mädchen wie Meredith sich in dich verlieben wird?«
»Ich kann es immer noch nicht fassen. Aber Meredith ist besser als ein Traum. Sie ist wie ein Felsen.« Ich lehne mich gegen die Kopfstütze und denke daran, wie sie in der halb erleuchteten Kabine ausgesehen hat, ihre Augen, ihr Lächeln. »Wie kommt es, dass manche Menschen so sind und andere ...«
Mack schnaubt. »Und andere nur heiße Luft und Dreck wie Yowell?«
»Was ist da eigentlich mit dir und Yowell?«
»Nichts. Du bist es doch, der ihn für einen Verräter hält.«
»Ich habe ihm verziehen.«
»Wegen des Senators?«
»Wahrscheinlich«, antworte ich. »Der hat seinen Ruf riskiert, um das Gesetz geändert zu kriegen. Damit sie meine Eltern vom Haken lassen. Aber Leonard, der alte Schleimer? In erster Linie hab ich ihm wohl vergeben, weil er immer nett zu meiner Mom ist.« Das ist jetzt im Moment wahrscheinlich das falsche Thema.
Mack sieht kurz zu mir, dann wieder auf die Straße. Denkt er etwa, ich weiß nicht, dass er sich Sorgen um mich macht? Du kannst unmöglich deinen besten Freund zum Bahnhof fahren, wo er in den Sonnenuntergang davonreitet und nie mehr wiederkommt, ohne dir Sorgen zu machen. Vor allem, wenn du ahnst, dass er wahrscheinlich in irgendeiner verlassenen Gasse an seiner eigenen Kotze ersticken wird.
Irgendwo zwischen Port Royal und dem Golfplatz von Fredericksburg verlieren wir den Richmonder Radiosender. Ich drehe am Regler und suche was Lautes. Wenn Holden das kann, kann ich es auch. Jedenfalls mag ich nicht mehr reden. Nicht mehr denken.
Eben noch war alles dunkel, und wir schossen wie eine Pistolenkugel durch den leeren Raum, aber plötzlich blitzen rote Lichter auf. Sirenen. Polizei.
»Ich war nicht zu schnell.« Mack brüllt geradezu.
»Okay, okay. Fahr ran«, will ich ihn beruhigen. »Vielleicht wollen die nur vorbei.«
»O ja, es kommen uns ja auch so viele Autos entgegen, dass sie nicht überholen können!«
»Mack«, ermahne ich ihn. »Reiß dich zusammen. Sag nichts. Lass sie erst was sagen.«
»Du hast gut Reden«, regt er sich auf. »Du bist ja nicht derjenige, dessen Führerschein auf dem Spiel steht.«
Er ist so nervös, dass ich allmählich denke, er ist wegen ganz anderer Dinge gestresst, und nicht wegen eines Strafzettels. Im Spiegel sehe ich jetzt, dass es nur ein einziger Polizeiwagen ist. Landespolizei.
»Mack, du hast keine Drogen im Auto, oder?«
Er antwortet nicht.
»Mack?«
»Bist du verrückt?«
»Du hast gesagt, dass du aufhörst«, schreie ich ihn an. »Aber du drehst ja völlig durch. Ich dachte ...«
»Es wäre Selbstmord«, sagt Mack, »Koks im Wagen zu haben. Jeder Idiot weiß das. Sobald irgendein Teenager in eine Routinekontrolle kommt, wird alles durchsucht.«
Es herrscht angespannte Stille, als die Polizeisirene erstirbt. Das Blinklicht schwirrt über das leere Feld neben uns, wo die abgeernteten Maisstümpfe aufblitzen und verschwinden und wieder auftauchen. Minuten vergehen. Schließlich sind im Seitenspiegel die schwarzen Umrisse des stämmigen Polizisten zu sehen, der aus seinem Wagen steigt.
Mein Kopf hämmert. Meine Finger sind klamm. »Du hast mich angelogen. Du hast gesagt, du rauchst nur Gras. Und dass du mit dem anderen aufgehört hast.«
»Ich meinte Gras.«
»Du hast Koks gesagt.«
»Ich meinte Gras.«
»Verdammt noch mal, Mack! Ich werde nicht mehr da sein, und du ...«
»Sei still, sei bloß still, hier ist der Bulle.«
Genau wie in jedem verdammten Film, den ich gesehen habe, klopft der Polizist ans Fenster. Mack lässt es runterfahren.
»Seid nur ihr zwei Jungs unterwegs?«, fragt der Polizist. An seinem Gürtel glänzt Metall im Holster. Er leuchtet mit der Taschenlampe durch das Wageninnere.
Mack nickt. Ich nicke.
»Und? Wo wollt ihr hin, um vier Uhr morgens?« Er spricht kurz und knapp, offiziell, aber er lächelt dabei. Als würde er denken, dass uns das entspannt.
Was hab ich mir nur dabei gedacht, mitten in der Nacht abzuhauen? Wenn ich mir eine Geschichte zurechtgelegt hätte, dass Mack und ich nach Fredericksburg ins Einkaufszentrum wollen, hätte niemand weiter nachgefragt. All die Planerei umsonst. Wir sind minderjährig. In Fredericksburg gibt es wahrscheinlich Ausgangssperre für Teenager ab 22 Uhr oder was weiß ich. Der Polizist wird unsere Eltern anrufen. Wir werden zurückfahren müssen. Meine Mutter wird mich nie wieder allein lassen. Ich werde nie nach New York kommen. Und niemandem kann ich den wahren Grund nennen. Nicht einmal Mack weiß, wie dringend ich aus Virginia rauswill und einen Arzt finden, der mich anhört.
»Eine Freundin von uns auf der Mary Walsh hat angerufen, sie war auf einer Party.« Guter Mack. Er ist der typische waghalsige Teenager, der einfach drauflosreden kann.
»Eine Party am College?«, fragt er. »Seid ihr zwei dafür denn alt genug?«
»Oh, nein«, antwortet Mack. »So ist das nicht, Officer. Wir wollen nicht zu der Party.« Er schindet Zeit, um sich schnell was überlegen zu können.
Ich bin froh, dass er derjenige hinterm Steuer ist. Mein Kopf ist vollkommen leer. Holden, Holden, ich stürze ab. Das hier ist eigentlich meine Sache, nicht Macks. Nun muss er uns retten, wo ich doch alle Möglichkeiten vorher hätte überdenken und auf so was hätte vorbereitet sein müssen.
Mack stellt den Motor ab, als würde er sich ums Benzin sorgen. Schlau. »Carrie ist ganz durcheinander. Unsere Freundin. Ein Typ hat versucht, sie zu ... Sie wissen schon ... gegen ihren Willen ... Sie ist ziemlich ... äh, fertig.«
»Sie sollte die Campus-Polizei verständigen.«
»Ich weiß«, erwidert Mack. »Das haben wir ihr auch gesagt, aber sie schämt sich so. Aber danke für den Rat, Officer. Das werden wir tun, wenn wir dort sind. Sobald sie sich beruhigt hat.«
Der Polizist leuchtet noch einmal durch den Wagen, über den Boden und das Armaturenbrett. »In der Stadt«, sagt er uns, »gibt es eine Ausgangssperre für Minderjährige, wusstet ihr das?«
»Ausgangssperre?« Mack übertrifft sich selbst. »Nein, Himmel, nein! Hast du das gewusst, Dan?«
Ich schüttle den Kopf. In meinem Hals steckt ein Stein.
»Ihr habt Glück, dass ihr nicht zu schnell wart«, sagt der Polizist. »Ich überprüfe jetzt mal deine Papiere, wo ich schon dabei bin.«
Mack müht sich ab, seine Brieftasche hinten aus der Hose zu ziehen. Er verheddert sich im Sicherheitsgurt und drückt hektisch auf den Knopf, um ihn loszumachen, und ich denke nur: Bleib cool, Kumpel, bleib cool.
Der Polizist richtet sich auf und legt die Hand auf den Rücken, als würde es wehtun. Er muss älter sein, als er aussieht. Leute im Alter meiner Eltern haben Rückenprobleme. In seinem Job muss er sich oft zu Fenstern runterbeugen.
»Und wenn ich ihr wäre, würde ich bis sieben warten, bevor ich wieder nach ...« – er nimmt den Führerschein, den Mack ihm durch das Fenster reicht, und hält ihn unter die Taschenlampe – »... Tappahannock zurückfahre. Um sieben endet die Ausgangssperre.«
»Danke, Officer. Das werden wir. Danke.«
»Danke«, wiederhole ich. Was für Idioten!
In Fredericksburg sind alle freien Parkplätze unterhalb der Bahnsteige FÜR BEHINDERTE reserviert. Mack kurvt zweimal um den ganzen Bereich. Als er zum dritten Mal ansetzt, lege ich eine Hand auf seinen Arm.
»Lass mich einfach aussteigen.«
»Ich werde dich nicht einfach aussteigen und allein da stehen lassen wie einen Obdachlosen ohne einen einzigen gottverdammten Freund.«
»Wie rührend«, sage ich. »Na, dann park doch. Dann können wir uns auf dem Bürgersteig in die Arme fallen und diesen dreifachen Pfadfinderhandschlag machen, und du kannst mir auf den Rücken klopfen und über alte Zeiten reden.«
»Siehst du nicht die Schilder?«, regt Mack sich auf. »Alle verdammten Plätze sind nur für Behinderte.«
»Ich bin verdammt behindert.«
Er lacht.
Als wir die Rampe hochgelaufen sind und ich keuchend auf dem Bahnsteig stehe, holt er sein Portemonnaie raus.
»Dan«, sagt Mack. »Jetzt stell dich nicht an. Ich hatte noch Geld übrig, nachdem ich die Versicherung bezahlt habe.« Er schiebt ein Bündel Geldscheine in meine Tasche. »Nimm das. Du weißt ja gar nicht, was diese Nutten am Broadway heutzutage kosten.« Er hält den Kopf gesenkt, so dass ich sein Gesicht nicht sehen kann.
»Du hast es gelesen«, kapiere ich gerade. »Du hast Der Fänger im Roggen gelesen, du Hund. Warum hast du nichts gesagt?«
Er macht mich verlegen, auch wenn ich weiß, dass er das nicht will. Meine Augen werden feucht. Verdammt. Ich dachte, nach dem Testament wäre es mit der Heulerei vorbei. Nicht, sage ich mir selbst. Nicht hier, nicht vor Mack. Er hat den Fänger gelesen, weil ich es ihm gesagt hab. Weil sein bester Freund stirbt und es das Einzige ist, was er noch für ihn tun kann.
Er zuckt die Schultern. »Gern gescheh’n.«
»Hast du wirklich mit dem Gras aufgehört?«
Ich kann mich nicht überwinden, Koks zu sagen. Auch jetzt noch will ich glauben, dass es nur ein paar Mal geschehen ist. Aber als er nicht antwortet, sehen wir beide zur Seite.
»Du bist ein Vollidiot«, sage ich.
»Und du ein verdammter Klugscheißer.«
»Ich darf das.«
»Nur weil du krank bist?«, regt er sich wieder auf. »Musst du da jedem sagen, wie er sein Leben leben soll?«
»Weil ich sterbe«, sage ich. »Du weißt, dass ich recht hab. Es ist eine schlechte Angewohnheit. Gefährlich. Drogen machen dich kleiner, nicht größer. Wenn du erwischt wirst, geht alles, was du je tun wolltest, den Bach runter. Sieh doch mal, was heute passiert ist. Warum willst du’s dir versauen?«
»Du bist doch derjenige, der immer freien Willen predigt.«
»Ja, aber für gute Entscheidungen, nicht für lausige.«
»Und nach New York zu verschwinden«, sagt Mack »und deine Familie hängen zu lassen – ist das eine gute Entscheidung?«
»Mir bleiben nicht viele Möglichkeiten.«
»Du drückst dich wie’n Schisser«, sagt Mack. »Du hast Angst, und du willst nicht, dass jemand anderes das mitkriegt, also rennst du weg.«
»Ach, verpiss dich.« Ich gehe den Bahnsteig runter. Minuten später, als ich den Zug höre, mache ich kehrt, um meinen Koffer zu holen, und da steht er allein auf dem Bahnsteig. Mack ist weg.