43.

Lanas Büffel-Garderobe:

Große graue Strickjacke (Eds)

T-Shirt (weiß nicht mehr)

Jeans (Gap)

Hausschuhe (Weihnachten)

Bleistift im Haar (Bürobedarf Schule)

 

Geschätzte Gesamtkosten: 70 £

»Sprich nicht mit mir …«

Was ist denn hier los?« Connor deutete auf die offene Wohnzimmertür, als er Annie in die Küche folgte.

An einem großen Tisch in der Mitte des Zimmers hatte er Lana entdeckt. Sie saß dort mit gesenktem Kopf, vor sich einen Stapel Schulbücher, und schrieb so hektisch, dass sie Connor zunächst gar nicht bemerkte. Doch dann flüsterte sie: »Sprich nicht mit mir, sonst wird Mum sauer!«

Annie furchte die Stirn, und nachdem sie die Küchentür geschlossen hatte, flüsterte sie: »Sie sitzt dermaßen in der Patsche! Sie geht erst zu den Prüfungen wieder in die Schule. Ich habe sie krankgemeldet.«

Annie bot Connor einen Platz an.

»Sie büffelt im Wohnzimmer ganz altmodisch mit Büchern, Schreibzeug und Papier. Sie hat absolutes Computerverbot. Ich dachte, sie würde oben in ihrem Zimmer Stunde um Stunde um Stunde für die Schule lernen … ich dachte, sie recherchiert fleißig im Internet. Schreibt einen Aufsatz nach dem anderen. Ha!«

»Und? Was hat sie in Wirklichkeit gemacht?«, wollte Connor gespannt wissen. Er reichte Annie die Flasche Wein, die er mitgebracht hatte. »Mach auf!«, wies er sie an. »Also … hat sie ein Porno-Imperium im Internet aufgebaut? Oder doch wenigstens eine Partnerbörse?«

»Sei still!«, schimpfte Annie. »Sie hat ein eigenes kleines eBay-Unternehmen aufgezogen. Da hat sie für ihre Freundinnen alte Klamotten verkauft, billiges Make-up eingekauft und es in der Schule weiterverkauft, CDs und DVDs getauscht – wer weiß, was sonst noch! Ohne Sinn und Zweck. Diese Zeitverschwendung! Und dann wird ihr klar, wie wenig sie gearbeitet hat, und sie bricht völlig zusammen!«, wetterte Annie.

»Bei eBay … hmm …« Connor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Erinnert dich das an jemanden, den wir kennen? Na? An jemanden, der auch ein Geschäft aufgemacht hatte und chinesische Schuhe, Secondhand-Handtaschen und abgelegte Edelklamotten verkaufte? Sie tritt in die Fußstapfen ihrer gewerbetreibenden Mum!«

»Sei still!«, wiederholte Annie. »Diese Zeiten sind jetzt vorbei.«

»Ja, ja, darauf kommen wir noch«, erwiderte Connor und nahm das Glas Wein entgegen, das Annie ihm eingeschenkt hatte. »Aber wie soll Lana zur Vernunft gebracht werden?«

»Kein Computer«, erklärte Annie. »Kein Internet, kein eBay, kein Taschengeld, und sie muss pauken – auf die altbewährte Art. Neun Stunden täglich mit Essenspausen, vierzehn Tage lang, und ich überwache sie.«

»Essenspausen? Sehr rücksichtsvoll von dir!«, witzelte Connor.

»Tja, ihr Pech! Auf diese Art habe ich meine Prüfungen bestanden.«

»Auf diese Art bin ich durchgefallen. Ich habe das nicht geschafft. Wer will sich das antun und neun Stunden am Tag die Nase in langweilige alte Bücher stecken?«

»Schschsch!«, warnte Annie. »Ich will nicht, dass sie dich hört. Du bist ein durch und durch schlechter Einfluss.«

Sie betrachtete das Glas Wein vor ihr. Es handelte sich um einen von den schweren süßen australischen Roten, die Connor so gern mochte. Beim bloßen Gedanken an einen Schluck davon bekam Annie schon Sodbrennen. Ohne ein Wort zu Connor schenkte sie sich ein Glas Wasser ein.

»Okay, erzähl mir alles über diese phantastische Annie Valentine!«, verlangte Connor. Er lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück. »Du hast Rafie-Boy also einen Korb gegeben …«

»Aber ich habe Jenny Belmont!«, verkündete Annie mit vor Begeisterung großen Augen. »Tamsin hat mir empfohlen, es mit ihr zu versuchen, und sie ist großartig. Ehrlich, sie ist so tough und cool und bewandert, ich finde sie toll. Connor …« Annie senkte die Stimme, so dass sie beinahe flüsterte, »ich glaube, jetzt könnte es klappen. Jenny und Tamsin verhandeln über den ganz großen Wurf. Eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft kennen die Leute Trinny und Susannah, Gok Wan und … mich!«

»Aber sicher, Baby«, antwortete Connor entzückt. »Du hast also den Vertrag unterschrieben?«

»Heute Vormittag. Deswegen feiern wir ja.«

»Das hier soll eine Party sein?« Er blickte sich skeptisch in der Küche um.

»Bald ist es eine«, versicherte Annie. »Ed holt Owen vom Orchester ab, und deshalb sollte ich eigentlich schon mal anfangen zu kochen …«, erinnerte sie sich und ging zum Kühlschrank, um Zwiebeln zu holen. »Dinah und Bryan kommen in ungefähr einer Stunde mit Billie.«

»Wie geht es ihnen?«, fragte Connor.

»Einigermaßen«, antwortete Annie vorsichtig, legte das Schneidebrett bereit und schälte eine Zwiebel. »Sie wollen sich gründlich überlegen, ob sie das alles wirklich noch einmal durchmachen. Sie haben Billie, und vielleicht muss Billie ihnen reichen … Wir werden sehen. Und du?«, erkundigte sie sich als Nächstes. »Hector und du, habt ihr immer noch vor …«

»Vielleicht schaffen wir uns stattdessen einen Hund an«, behauptete Connor mit einem Zwinkern, als Dave in die Küche getappt kam. »Und wie viel kriegst du jetzt eigentlich? Nicht mehr als ich, will ich doch hoffen?«

»Ha, ha!«, erwiderte Annie, hob dann grinsend den Blick von ihren Zwiebeln und jubelte: »Jenny hat das Honorar auf zehntausend pro Folge erhöht!«

Connor pfiff durch die Zähne. »Nicht schlecht!«

»Und für dieses Jahr sind sechs Folgen vorgesehen!«, fügte Annie vergnügt hinzu. »Und wenn dann eine weitere Staffel folgt …«

»Dann bleibt ihr hart, Jenny und du, und feilscht verbissen«, beendete Connor ihren Satz. »Herzlichen Glückwunsch! Ich bin sehr, sehr stolz auf dich. Du wirst deine Sache großartig machen. Ich weiß es.«

»Danke«, sagte sie.

»Aber jetzt muss ich Abendessen machen!«, beharrte sie, nachdem sie und Connor sich einen ausgedehnten, glücklichen Moment lang hingerissen angelächelt hatten. Sie holte die Packungen mit Hähnchenkeulen aus dem Kühlschrank. Sie sollte sie kurz mit den Zwiebeln anbraten und dann mit gewürfelten Tomaten in eine große Kasserolle legen. Bis dahin wollte Ed zu Hause sein und das Kochen übernehmen – das Gericht mit Kräutern und Fond und all dem Kram verfeinern, mit dem sie sich nicht aufhalten wollte.

Als sie die bleichen Hähnchenkeulen aus der Packung nahm und auf dem Schneidebrett stapelte, verspürte sie plötzlich einen Brechreiz, diese unerklärliche schwache Übelkeit, unter der sie schon seit einer Weile litt. Seit dem Vorfall im Ultraschallraum hatte sie sich nicht mehr übergeben müssen, doch jetzt war sie nicht so sicher.

Sie kehrte an den Tisch zurück und tastete nach ihrem Wasserglas.

»Oha, was ist los?«, fragte Connor besorgt.

»Irgendein Virus«, murmelte Annie. Dankbar trank sie das kalte Wasser. Puh, das war besser! Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn … wird schon werden!

Dave trottete zu ihr und legte sich ohne Vorwarnung auf ihre Füße.

»Ach, um Himmels willen!«, rief sie aus und beugte sich hinunter, um ihn aus dem Weg zu räumen, was sich als Fehler erwies: Mit einem heftigen Schluckauf erbrach sie das ganze Glas Wasser sowie die verwässerten Reste ihres Mittagessens auf den Boden und bespritzte dabei auch Dave.

»Annie!« Connor war sogleich an ihrer Seite, packte sie an den Armen und hielt sie fest, als sie schon dachte, sie würde zusammensacken. »Ich weiß, du kannst den Hund nicht leiden, aber …

Bleib sitzen!«, wies er sie an und drückte sie auf einen Stuhl. »Dave!«, fuhr er den Hund scharf an, der durch die Küche in Richtung Wohnzimmer schoss, wo er sich zweifellos auf dem Sofa zu wälzen gedachte, um sich das von Erbrochenem nasse Fell zu trocknen. Erstaunlicherweise fuhr Dave herum und sah Connor an. »Sitz!«, befahl er.

Dave blickte Connor an, drehte sich dann um und sah zur Küchentür, als würde er Pro und Kontra von Bleiben oder Weglaufen erwägen. »Einen Keks?«, lockte Connor. Daraufhin ließ Dave seine rosa Zunge heraushängen und hockte sich auf sein Hinterteil. »Braver Junge!«, lobte Connor ihn und packte ihn am Halsband, um ihn daran zu hindern wegzulaufen.

»Küchenrolle ist da drüben«, sagte Annie mit gedämpfter Stimme, denn sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.

Als der Hund trocken gerieben, zum Lüften nach draußen in den Garten verbannt und der Fußboden aufgewischt worden war, widmete Connor sich Annie.

»Wenn du dich nicht gut fühlst, musst du ins Bett gehen«, wies er sie an. »Ed und ich können das Essen machen, oder vielleicht sollte ich lieber Dinah anrufen und die Feier auf einen anderen Abend verschieben. Hey«, er legte ihr eine Hand auf die Schulter, »alles in Ordnung?«

Annie, das Gesicht immer noch in den Händen vergraben, schüttelte den Kopf.

»Wie lange geht das schon so?«

Ihre Stimme klang tränenerstickt. »Seit etwa zwei Wochen.«

»Zwei Wochen? Das ist doch lächerlich! Du musst zum Arzt!«, drängte Connor. »Ich kann ihn gleich anrufen und einen Termin außer der Reihe machen.«

Annie schüttelte den Kopf, bereute es aber sofort, denn ihr wurde schwindlig.

»Warum nicht?«, fragte Connor.

»Weil …«, setzte sie an, und Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln, »weil ich doch sowieso genau weiß, was der Arzt sagen würde.«

»Was?« Connor hätte liebend gern gewusst, wovon um alles in der Welt sie redete. Dann fiel sein Blick auf das große Weinglas, das vor Annie auf dem Tisch stand. So etwas hatte er noch nie erlebt – dass Annie ein Glas Wein unberührt stehen ließ.

Oh.

Oh!

»Annie, bist du … hm …?« Er unterbrach sich, überlegte, wie er sich ausdrücken sollte.

»Ja«, kam ihre Antwort, wieder gedämpft, denn sie hatte die Arme jetzt verschränkt auf den Tisch gelegt und ihr Gesicht in ihnen verborgen.

»Was ja?« Connor war sich plötzlich nicht mehr sicher, was er gefragt hatte. Oder was Annie glaubte, dass er gefragt hatte.

»Du weißt schon«, antwortete sie stur.

»Annie«, er holte tief Luft, »bist du schwanger?«

Er vermutete, dass das Hüpfen ihres Pferdeschwanzes »ja« bedeutete. Und er besaß genug Verstand, um jetzt erst einmal zu schweigen. In Annies Augen handelte es sich hier eindeutig nicht um gute Nachrichten. Na ja, immerhin hatte sie gerade einen Vertrag über die Moderation von sechs Folgen einer brandneuen Fernsehshow unterzeichnet.

»Was wird Dinah dazu sagen?«, drang die tränenreiche Frage unter ihren Armen hervor. »Die arme, arme Dinah! Und Owen und Lana? Was sollen sie denken? Und was ist mit Tamsin und der Show? Würde es sie wirklich nicht stören, wie sie behauptet hat? Und meine Mum, sie muss vielleicht in Zukunft bei uns wohnen, weißt du?«

»Was sagt Ed dazu?«, erkundigte Connor sich.

»Ed?«, krächzte Annie. »Ed ist schuld daran!«

Was eigentlich auf der Hand lag, dachte Connor, aber vielleicht sollte er im Moment lieber nicht darauf hinweisen.

»Wir hatten nur ein Mal Sex ohne Diaphragma – nein, zwei Mal – nein, vielleicht drei Mal. Aber das ist doch nichts! Drei Mal in einem Monat! Ich bin Ende dreißig, weißt du«, platzte Annie mit empörtem Unterton heraus.

»Nun … was sagt Ed dazu?«, fragte Connor noch einmal sanft.

»Er weiß es nicht«, gestand sie.

»Connor?« Endlich hob Annie ihr gerötetes Gesicht vom Tisch und fixierte ihren Freund mit tränennassen Augen. »Bitte sag ihm nichts! Ich weiß noch gar nicht … Nein«, berichtigte sie sich, »ich weiß genau, dass ich das nicht will.«

Unvermittelt dachte sie an ihren Traum in der vergangenen Nacht, in dem sie unter Wasser gezogen wurde, tief, tief hinunter, wo es kein Zurück mehr gab, denn ein Baby aus Blei war an ihren Knöchel gebunden.

Lastende Stille breitete sich in der Küche aus, bevor Connor antwortete: »Ich werde es ihm nicht sagen, Annie, aber du musst es tun. Du hast keine Wahl. Du musst es ihm sagen!«

 

Es war zehn Uhr am nächsten Morgen, als Annie ins Schlafzimmer hinaufging und die Karte aus dem hinteren Fach ihrer Brieftasche zog. Einen Moment lang betrachtete sie sie, nicht sicher, ob sie es tun sollte oder nicht. Was war, wenn Ed davon erfuhr? Und was würde Tamsin denken? Trotzdem wählte sie die Nummer auf ihrem Handy.

Die flotte, tüchtige Sekretärin meldete sich in munterem Ton: »Hallo, hier ist die Yarwood Klinik, was kann ich für Sie tun?«

»Hallo … ja …«, begann Annie unsicher, »ähm … ich hoffe, Sie können mir einen Rat geben. Ja, weil, na ja … ich bin offenbar schwanger …«