30.
Ed, geschniegelt:
Neue Jeans (Gap)
Neues weißes T-Shirt (dito)
Marineblauer Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt (Annie)
Blau-weiße Joggingschuhe (Puma)
Geschätzte Gesamtkosten: 170 £
»Ich bin ein großzügiger Mensch.«
Komm bitte bald heim! Ich packe. Hab neues Gerät, extra für dich.«
Annie hatte gerade bei Bettina Schluss gemacht und stieg in ihren Jeep, als sie Eds SMS erhielt.
Sie musste lächeln.
Jetzt wollte sie nur noch bei ihm sein. Sie würden das Gepäck ins Auto laden und auf der Suche nach Ruhe und Frieden hinaus aufs Land fahren. Mit Sexspielzeug.
Sie lachte leise. Sexspielzeug … und Empfängnisverhütung? Sie ließ den Gedanken ein paar Mal in ihrem Kopf kreisen. Dann hörte sie wieder Dinahs drängende Worte über ein Kind für Ed und empfand heiße Liebe für ihn. Er war ein wunderbarer Mann. Er hatte die Verantwortung der Liebe und Fürsorge für Owen und Lana so bereitwillig übernommen – und sogar für Elena und den verflixten Dave. Wer sonst hätte den hässlichen, tauben Hund aus dem Tierheim zu sich genommen? Er war ein lieber, vernünftiger Mensch, der eigene Kinder wollte. Hatte Dinah sie nicht gewarnt, dass Beziehungen immer wieder des Kinderwunsches wegen scheitern?
Was würde Annie ohne Ed anfangen?
Nun, sie wusste es. Vor ihm war sie allein gewesen. Das Leben würde schon in Ordnung sein, aber es wäre ruhig, einsamer, mehr auf die Kinder fixiert, nicht annähernd so lustig … und ganz bestimmt nicht so verrückt.
Daraufhin musste sie mit einem Lächeln wieder an die Geräte denken. Offensichtlich sollten sie sie bei Laune halten und beglücken.
Ein Baby. Das war’s, was Ed beglücken würde.
Ein Baby? Wäre sie wirklich imstande, Ed ein Kind zu schenken? Alles um seinetwillen auf sich zu nehmen?
Einen Augenblick lang versuchte sie, sich Eds Kind vorzustellen, und sah ein gurrendes Wesen mit wildem Haar, einer kleinen Brille und einem Tweedjäckchen vor sich. Lächerlich.
Dann stellte sie sich Ed mit einem Baby im Arm vor, und dieses Bild war viel klarer. Sie sah sein Gesicht, so beseelt von inniger Liebe, dass er kaum den Blick von dem kleinen Menschlein in seinem Arm lösen konnte.
Vielleicht sollte sie doch in Erwägung ziehen, es für ihn zu tun.
Vielleicht?
Annie hatte kaum die Türschwelle überschritten, als ein Hagel von Beschwerden auf sie niederprasselte.
Aus dem Wohnzimmer ertönte die Stimme ihrer Mutter: »Bist du das, Annie? Wann fahren wir zu Dinah? Um Himmels willen, könnte mir jemand wenigstens sagen, wann wir fahren, damit ich mich darauf einstellen kann? Ich will doch nur wissen, wann wir fahren!«
Bevor Annie ihre Taschen abstellen und zu ihrer Mutter gehen konnte, stürzte Owen auf sie zu.
»Wieso dürft ihr Dave übers Wochenende haben?«, fragte er wütend. »Das ist so ungerecht! Dinah braucht sich um nichts zu kümmern, das mache ich schon. Ich kümmre mich doch immer um ihn! Ich gehe mit ihm Gassi, ich gebe ihm Futter, und er macht überhaupt keine Probleme. Er gewöhnt sich doch gerade erst bei uns ein, er sollte nicht schon wieder woandershin … Bittebittebitte, Mum!«, begehrte Owen auf und sah ihr mit dem ernstesten, flehendsten, Mutterherz erweichendsten Blick ins Gesicht, den er nur zustande bringen konnte.
»Hallo, Owen, ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwiderte Annie mürrisch. »Hör zu, ich muss Ed fragen.«
Sie persönlich konnte sich ja nichts Besseres vorstellen, als auf Daves Begleitung zu verzichten. Aber sie musste daran denken, was das Beste für Dinah war.
Owen war nicht mit ihrer Antwort zufrieden. »Das ist nicht fair! Also, wenn ihr ihn im Auto in irgendein weit entferntes langweiliges Hotel mitnehmt, dann gehe ich jetzt und kaufe ihm was zum Beißen.«
Mit diesen Worten hakte er die Leine ans Halsband des Hundes, schnappte sich seinen Anorak, stapfte zur Haustür und schlug sie heftig hinter sich zu.
»Das ist ein bisschen übertrieben, Owen!«, rief Annie ihm nach.
»Wir nehmen den Hund mit und damit basta!«, ließ Ed sich aus dem Schlafzimmer im ersten Stock vernehmen. Selbst er hörte sich ungewöhnlich genervt an.
»Wann fahren wir zu Dinah?«, ertönte wieder die Stimme ihrer Mutter.
»Schon gut, reg dich nicht auf!« Annie eilte ins Wohnzimmer, wo ihre Mutter am Fenster stand und besorgt nach draußen spähte.
»Was ist denn los, Mum?«, fragte sie. »Du hast keinen Grund, so ein Theater zu machen. Du fährst nicht zu Dinah. Dinah kommt hierher. Sie lässt Billie in Bryans Obhut, bleibt zwei Mal über Nacht hier und passt auf alle auf. Du kannst auch bleiben, wenn du magst, aber hattest du nicht gesagt, du wolltest morgen zurück nach Hause?«
»Oh ja«, antwortete Fern, als wäre es ihr gerade erst wieder eingefallen.
»Ist unsere ukrainische Freundin zu Hause?«, erkundigte Annie sich.
»Sie ist mit einer großen Tasche unterm Arm gegangen … Deshalb dachte ich ja, wir würden alle zu Dinah fahren«, erklärte Fern. »Und Lana hat auch schon für den Besuch bei Dinah gepackt. Ich habe sie heute Morgen mit prall gefüllter Schultasche losgehen sehen.«
»Nein, nein!«, versicherte Annie. »Lana hat sich nach der Schule zum Lernen verabredet, und Elena … Vielleicht besucht sie Freunde oder so. Ich rufe sie an.«
»Dinah kommt also her?«, fragte Fern noch einmal und sah immer noch aus dem Fenster, als ob sie jemanden erwartete.
»Ja«, erwiderte Annie, bemüht, ihren Ärger zu unterdrücken. »Komm, setz dich bitte, ich bringe dir eine Tasse Tee. Hältst du Ausschau nach Owen?«
»Owen?« Leicht verwirrt wandte ihre Mutter sich zu Annie um.
»Er ist gerade mit Dave aus dem Haus gegangen, um im Laden an der Ecke Hundeleckerli zu besorgen … Ich wusste gar nicht, dass es dort so etwas zu kaufen gibt«, fügte sie hinzu. »Und jetzt setz dich!«, befahl sie ihrer Mutter. »Ich bringe dir Tee.«
»Hundeleckerli«, wiederholte Fern, »dieser Hund hat keine Leckerli verdient. Ich habe ihn erwischt, wie er einen meiner Schuhe fraß. Konnte ihn gerade noch rechtzeitig wegzerren.«
»Nein!« Annie war entsetzt. Sie hatte bereits eine Miu-Miu-Handtasche verloren … Wenn Dave nun beschloss, über ihre Schuhe herzufallen? Sie musste sie in einem sicheren Schrank unterbringen, vielleicht sogar anfangen, sie unter Verschluss zu halten.
»Ich hole den Tee« sagte Annie noch einmal, doch zunächst lief sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, um nachzusehen, wie weit Ed mit dem Packen war.
»Ich will nicht, dass der Hund mitkommt«, jammerte sie, kaum dass sie das Schlafzimmer betreten hatte.
Ed verlagerte seine Aufmerksamkeit von der Reisetasche auf dem Bett auf Annie. »Nicht mal ein Hallo?«
Sie trat zu ihm und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Spürte, wie er sie in seine Arme schloss.
»Nein … will trotzdem nicht, dass der Hund mitkommt«, sagte sie dann, doch jetzt lächelte sie dabei.
»Tut mir leid, er muss mit. Dinah soll nicht zusätzlich zu allem anderen an diesem Wochenende auch noch Hundepipi aufwischen müssen.«
»Warum hast du keinen stubenreinen Hund genommen?«, beschwerte Annie sich.
»Er ist stubenrein! Nur das Terrain ist ihm noch nicht vertraut.«
Annie beschloss, nicht länger zu reden, sondern lieber zu packen. Sie musterte die Sachen, die vor Eds Reisetasche auf dem Bett lagen.
»Ist das ein Geschenk?« Sie hob ein sorgfältig in buntes Papier eingeschlagenes und mit einer Schleife versehenes Päckchen auf.
»Mhm«, antwortete er und bewegte leicht die Augenbrauen.
»Für mich?« Sie lächelte Ed an.
»Hey, könnte doch sein, dass es ein Knochen ist, um den Hund bei Laune zu halten.«
»Ein Knochen? So, so, ein Knochen, wie?« Sie erkannte seinen verschmitzten Gesichtsausdruck. »Ich freu mich schon auf den Knochen.«
»Ich auch.«
»Aber es ist dein Geburtstag«, protestierte Annie, »du bist es, der Geschenke bekommen sollte!«
»Was soll ich sagen?« Er nahm sie noch einmal in die Arme. »Ich bin ein großzügiger Mensch.«
Sie hätte sich umgedreht, um ihn zu küssen, doch da läutete die Türglocke.
»Das wird Dinah sein, ich gehe schon«, erbot sich Annie und ging aus dem Zimmer.
»Wann kommt Lana zurück?«, rief Ed ihr nach.
»Sie geht zu Andrei zum Pauken«, informierte Annie ihn. »Sie hat versprochen, gegen zehn Uhr zu Hause zu sein, und ich habe ihr Geld für ein Taxi gegeben.«
»Zu Andrei?«, wiederholte Ed. Er folgte ihr aus dem Schlafzimmer und blieb mit besorgter Miene im Flur am Kopf der Treppe stehen.
»Ja«, antwortete Annie.
»Andrei ist heute Abend nicht zu Hause«, gab Ed zurück.
Annie erkannte Dinahs Umriss hinter der Glasscheibe der Haustür, doch diese Information ließ sie wie vom Donner gerührt stehen bleiben.
»Was soll das heißen?«, fragte sie und drehte sich zu Ed um.
»Heute Abend um sieben Uhr ist Andrei in der Dulwich High School zur Eröffnung des Debattierclubs von St. Vincent’s.«
Annie und Ed sahen sich einen Moment lang schweigend an.
Dann drang Dinahs zweites Klingeln in ihre sorgenvollen Gedanken. Annie riss die Tür auf.
»Hi! Du bist ein Schatz. Mum ist im Wohnzimmer. Nimm dir Tee, Kekse – was du willst! Kleine Lana-Krise, Schätzchen. Wir müssen sie nach Hause holen, bevor wir losfahren.« Dinah trat über die Türschwelle ins offensichtliche Chaos.
Annie wählte bereits Lanas Handynummer. Doch zu ihrer Enttäuschung ging der Anruf direkt an die Mailbox.
»Lana, hier ist deine Mum. Was auch immer du heute Abend geplant hast, ich muss es wissen. Ruf mich an!«, befahl sie und legte auf.
Annie ging ihre Liste der Nummern von Lanas Freundinnen und deren Müttern durch. Sie würde sie alle anrufen. Sie würde jede Einzelne anrufen, bis sie wusste, wo ihre Tochter steckte. Im Vordergrund ihrer Überlegungen stand der Gedanke, dass Lana in letzter Zeit so unproblematisch gewesen war, so fleißig und ehrlich … doch das hatte sich mit Elenas Auftauchen geändert.
Jetzt hatte Lana sich schaurige Klamotten gekauft, einen Abend in der Schulwoche zu lange in einem Café verbracht, nach Zigarettenrauch gerochen, und augenscheinlich paukte sie auch nicht mehr so eifrig wie früher.
Annie wählte Elenas Nummer.
Mailbox.
»Hier ist Annie, ruf mich an, sobald du diese Nachricht abhörst! Auf der Stelle!«, schnauzte sie.
Als die zwei Freundinnen und drei Mütter, die sie erreicht hatte, ihr keine Informationen geben konnten, beschloss Annie, in Lanas Zimmer nach eventuellen Hinweisen zu suchen.
Ein rascher Rundblick verriet ihr, dass die neuesten Schuhe und das neueste Outfit sowie ihr Make-up-Täschchen fehlten.
»Elena!«, flüsterte Annie sorgenvoll, wütend und gekränkt. »Elena steckt dahinter!«
Am Vortag war Elena nach Mitternacht heimgekommen. Annie hatte ihr Auto kommen gehört und gewartet, bis sie die Haustür aufschloss. Es hatte Annie nicht sonderlich beunruhigt. Elena war zweiundzwanzig. Sie war allein von Kiew nach London gereist, offenbar hatte sie Freunde in der Stadt, und sie konnte auf sich selbst achtgeben. Annie hatte nicht bedacht, dass Elena beim nächsten Mal womöglich Lana mitnehmen würde.
Sie fand Ed mit Dinah und ihrer Mutter im Wohnzimmer; er tippte eine SMS in sein Handy.
»Weißt du jemanden, den du anrufen könntest?«, fragte Annie ihn.
»Ich habe gerade überlegt, ob ich Andrei eine Nachricht schicken soll«, antwortete Ed. »Ich habe die Nummer des Lehrers, der mit ihm zum Debattierclub geht. Vielleicht kann er eine Nachricht weitergeben.«
»Mir fällt niemand mehr ein, den ich anrufen könnte … Vielleicht ruft ja jemand zurück«, sagte Annie. Sie blickte auf ihr Handy und versuchte es noch einmal mit Lanas, dann mit Elenas Nummer. Sie konnte nicht stillsitzen … lief im Zimmer umher, beschäftigte sich hektisch, richtete Zeitschriftenstapel, ordnete die gerahmten Fotos auf dem Kaminsims neu …
»Versuche, ruhig zu bleiben«, beschwichtigte Ed sie, »sie ist ein vernünftiges Mädchen. Vielleicht ist sie ja mit Elena ausgegangen, aber ich möchte wetten, dass sie Punkt zehn Uhr mit dem Taxi nach Hause kommt.«
Eds Handy klingelte, und alle wandten sich hoffnungsvoll ihm zu.
»Hi«, meldete er sich, »hi, Andrei. Danke für den Anruf. Entschuldige, dass ich dich belästige. Wir suchen Lana …«
Ed hörte konzentriert zu.
»So …«, sagte er, »tatsächlich? … Ja … stimmt …« Ed hörte eine Weile zu, bevor er fragte: »Würdest du das tun? Das wäre uns eine große Hilfe. Ausgezeichnet. Okay, dann sprich. … Ciao.«
Er klappte sein Handy zu, stand auf und berichtete Annie: »Sie ist mit Elena im East End. Wo genau, weiß ich nicht, aber Andrei versucht, sie zu finden. Sie hat ihn schon per SMS gebeten zu kommen. Ich fahre hin«, fügte Ed hinzu.
»Was machen sie dort? Wozu braucht Lana Andrei?«, fragte Annie in Panik.
»Augenscheinlich trifft Elena sich mit jemandem wegen eines Jobs, und sie wollte, dass Lana sie begleitet.«
»Was für ein Job?«
»Ich weiß es nicht. Pass auf, ich nehme den Wagen und fahre hin. Andrei berichtet mir Näheres, sobald er etwas weiß. Wir finden sie!«, versicherte er so beruhigend wie möglich.
»Ich komme mit«, entschied Annie.
»Nein, ich schaffe das schon. Du bleibst hier beim Telefon«, wies er sie an. »Ruf alle an, die wissen könnten, wo sie steckt, dann findest du vielleicht noch vor mir etwas heraus. Bitte, Annie, du weißt selbst, dass es so sinnvoller ist!«
»Na gut«, stimmte sie widerstrebend zu.
Ed war zu dem Schluss gekommen, dass es im Moment nicht sehr hilfreich wäre, Annie zu sagen, wie Lanas SMS an Andrei lautete. Sie hatte geschrieben, dass ihr das Lokal nicht geheuer wäre und ob er bitte so schnell wie möglich kommen könnte. Andrei hatte gerade überlegt, wie er zum East End und rechtzeitig wieder zurückkommen sollte, um den Minibus zur Dulwich High School noch zu erwischen, als sein Englischlehrer ihm Eds Bitte um seinen Anruf übermittelte.
Ed nahm Annies Autoschlüssel, ging hinaus und versprach, sich zu melden, sobald er Näheres wusste.
»Wie geht es dir?«, fragte Annie ihre Schwester, nachdem sie eine Tasse frischen Tee angenommen hatte und sich endlich überreden ließ, sich zu setzen. Dinah lehnte sich neben ihrer Mutter ins Sofa zurück und sah blass und erschöpft aus. Es fiel Annie jetzt erst auf, als sie das Telefon aus der Hand gelegt hatte.
»Ach, ganz gut«, erwiderte Dinah. »Die Embryos sind eingepflanzt, aber es wäre Unsinn, das schon als Schwangerschaft zu bezeichnen«, gestand sie freimütig.
»Ach, Dinah!« Fern wandte sich ihr voller Mitgefühl zu und tätschelte ihre Hand. »Es tut mir so leid, dass du so viel durchmachen musst. Mir ist das Schwangerwerden immer so einfach … ein bisschen zu einfach vorgekommen.« Der Gedanke daran musste Fern wohl flüchtig an ihren Exmann erinnert haben, denn ihre Miene verdüsterte sich deutlich. Ihr Mann hatte schon vor Jahren den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen. Er war Frachtschiffskapitän, der sich auf transglobale Beziehungen der falschen Sorte spezialisiert hatte, und Fern war froh gewesen, ihn los zu sein. Und jetzt hatten sie und ihre Mädchen ehrlich gesagt keine Ahnung, ob er noch lebte oder nicht; es war so lange her, dass sie von ihm gehört hatten.
»Dinah, ich glaube, wir sollten dieses Wochenende lieber nicht wegfahren«, verkündete Annie. »Es ist nicht fair dir gegenüber. Du und Bryan, ihr solltet einen Miniurlaub machen, nicht wir.«
»Machen wir auch. Wir haben schon alles geplant«, eröffnete Dinah ihnen. »In ein paar Monaten nehmen wir richtig Urlaub, so oder so: ob ich schwanger bin oder nicht. Was glaubst du, warum ich hier bin?«, fragte sie lächelnd. »Ich sammle Pluspunkte für den Zeitpunkt, wenn ich dich – oder noch besser: Ed – als Babysitter brauche.«
»Na ja, du bist eindeutig nicht zum Spaß hier, oder? Also wirklich, was für eine verflixte Katastrophe! Wie konnte Lana nur? Und ausgerechnet heute!«
»Weil sie ein Teenie ist?!«, mischte Fern sich ein. »Wenn ich daran denke, was ihr drei alles so angestellt habt – und du ganz besonders, Annie!«
Daraufhin musste Annie sich in ihrem Sessel zurücklehnen und kurz überlegen. Rückblickend erschien ihr alles ziemlich harmlos, denn ihr war nie etwas wirklich Schreckliches zugestoßen. Aber wollte sie, dass ihre Tochter all das tat, was sie selbst angestellt hatte? Dass sie sich in so riskante Situationen begab wie sie?
Annie war seit ihrem siebzehnten Lebensjahr fast jedes Wochenende ausgegangen, war mit dem Nachtbus heimgefahren und das letzte Stück zu Fuß gegangen, in High Heels und Minirock, den Hausschlüssel zwischen den Fingern, als hätte sie damit einen Angreifer abwehren können.
»Aber damals war alles anders!«, verteidigte sie sich.
»Aha!« Fern schmunzelte. »Wie viele Mütter hören sich das sagen? Du weißt, dass es nicht stimmt. Es ist Lanas Aufgabe, auszugehen und Abenteuer zu bestehen. Es ist deine Aufgabe, sie im Zaum zu halten und zu beschützen. Genau so muss es sein, Liebes.«
Annie lächelte ihre Mutter an. Was sie sagte, stimmte. Aber in erster Linie lächelte sie, weil dieser ominöse Nebel, der in letzter Zeit Ferns Kopf umwölkt hatte, sich offenbar lichtete.
»Annie?«, setzte Dinah an. »Ich habe euren Hund noch gar nicht gesehen. Hat Owen …«
»OWEN!«, schrie Annie und sprang so wild auf, dass ihre Teetasse zu Boden fiel. Owen war schon viel zu lange fort.