42.

Billie in Schuluniform:

Blaues Sweatshirt (Schuluniform)

Grauer Rock (Schuluniform)

Schwarze Lackschuhe (Start-rite)

Pinkfarbenes Schülersprecherin-Abzeichen (Geschenkeladen)

Haarspangen (Hello Kitty)

 

Geschätzte Gesamtkosten: 45 £

»Nein, ich komme zurecht.«

Und du wartest hier auf uns, du Nudel!«, wies Dinah ihre sechsjährige Tochter an. »Diese nette Dame passt auf dich auf«, sie deutete auf die Rezeptionistin im Wartebereich, »und hier gibt es jede Menge Spielzeug, und es dauert nicht lange. Okay?«

Billie löste ihren Blick von der schmuddeligen Barbie, die sie in den gestapelten Spielzeugkisten gefunden hatte, und nickte ernst.

»Du brauchst nicht aufs Klo oder so? Falls du musst, komme ich mit.«

»Nein«, versicherte Billie ihrer besorgten Mum, »ich komme zurecht.«

Von der Tankstelle aus waren sie, während Dinah dringende Anrufe auf ihrem Handy tätigte, direkt zu Billies Schule gefahren. Dinahs Tochter musste abgeholt werden, bevor sie sich auf den Weg zur Klinik machten, denn Bryan war auf einem Arbeitseinsatz in Irland, und die beiden Mütter von Freundinnen, die sonst einsprangen, wenn Billie abgeholt werden musste, arbeiteten an diesem Tag.

Dann mussten noch weitere Diskussionen abgehalten werden, da Annie sich strikt weigerte, draußen zu bleiben, und in erbittertem Flüsterton darauf bestand, dass Billie natürlich problemlos im Wartezimmer bleiben konnte und Dinah natürlich jemanden brauchte, der ihr das Händchen hielt.

Abgesehen von ihrer Sorge wegen all der organisatorischen Fragen, war Dinah, was die Blutung anging, ruhig geblieben. Sie hatten an der Tankstelle Binden gekauft, und Dinah hatte das Hinterteil ihres Rocks nach vorn gedreht, damit sie den Fleck mit ihrer Handtasche verbergen konnte.

Sie äußerte sich nicht mehr zu der Situation, außer dass sie sich einmal Annie zuwandte und ausrief: »Gott, es ist schwer, wie? Kinder zu bekommen … na ja, zumindest für mich.« Sie war unglaublich tapfer, dachte Annie, als sie der Krankenschwester zum Ultraschall folgten.

So ging es bei privater Gesundheitspflege zu. Kein Warten auf Termine, kein Vertrösten auf den nächsten Vormittag … Dinah hatte mit ihrem Arzt persönlich gesprochen und war aufgefordert worden, so bald wie möglich zu kommen.

Doch Annie wusste, was die private IVF Dinah und Bryan kostete. In diesem Jahr gab es keinen Sommerurlaub, ein bescheidenes Weihnachtsfest und alle möglichen weiteren Einsparungen, um die neuerliche Runde Baby-Roulette bezahlen zu können.

Die Schwestern wurden in einen kleinen Raum mit einer Untersuchungsliege, einem Ultraschallgerät und einem angrenzenden Bad geführt.

»Okay, legen Sie sich hin, möglichst bequem«, forderte die Schwester Dinah mit einem ermutigenden Lächeln auf.

Als das Licht gedämpft wurde, damit das Bild auf dem Monitor besser zu sehen war, streckte Dinah ihre Hand nach Annies aus.

Annie umschloss sie mit beiden Händen und spürte die Kälte von Dinahs Haut. Instinktiv begann sie, die Hand leicht zu reiben, um ihr ein bisschen Wärme zu vermitteln. »Tut mir leid, dass ich nicht Bryan bin«, sagte sie zu ihrer Schwester.

»Ach, schon gut«, flüsterte Dinah, »du bist die Nächstbeste.«

Annie schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an.

Das Gel wurde auf Dinahs Leib aufgetragen, und die Schwester begann, den Scanner hin und her zu bewegen, so dass körnige Schwarzweißbilder auf dem Monitor erschienen. Beide Schwestern hatten in der Vergangenheit genug Ultraschalluntersuchungen erlebt, um die Bilder fast auf Anhieb interpretieren zu können. Auf dem Monitor vor ihnen erkannten sie einen kleinen weißen Embryosack, und Dinah und Annie war sofort klar, dass er reglos war. Er hing vor ihnen und pulsierte nicht mit dem mysteriösen, magischen Herzschlag des Lebens.

Im Raum herrschte nichts als angespannte Stille, bis die Krankenschwester leise sagte: »Das hier ist der Embryo, und es tut mir leid, aber mit acht Wochen wäre zu erwarten, dass wir den Herzschlag sehen.«

Dinah nickte nur.

Annie konnte auch nichts sagen und drückte lediglich Dinahs Hand.

»Gut, ich lasse Sie jetzt allein, und Sie ziehen sich an«, erklärte die Schwester. »Danach gehen wir ins Sprechzimmer und reden darüber, was als Nächstes geschieht.«

Als die Schwester zur Tür hinausging, schaltete sie das Licht wieder ein. Jetzt konnte Annie Dinahs Gesicht deutlich sehen. Sie wirkte unglaublich ruhig.

»Es tut mir so leid«, brachte Annie hervor und ließ ihre Hand nicht los.

»Ich habe mir keine allzu großen Hoffnungen gemacht«, erwiderte Dinah. »Wir haben das vier Mal durchgemacht, bevor wir Billie bekamen.«

»Ich weiß … Aber wäre es nicht wunderbar gewesen, wenn es dieses Mal gleich beim ersten Versuch geklappt hätte?«, konnte Annie sich nicht verkneifen zu fragen. »Du hast einfach mal einen Glückstreffer verdient.«

»Billie war unser Glückstreffer«, erinnerte Dinah sie sanft.

Annie erschien das Zimmer plötzlich sehr klein und viel zu warm. Sie stand auf und spürte Schweißtropfen auf der Oberlippe.

»Ich glaube, ich brauche kaltes Wasser«, sagte sie zu Dinah. »Ich gehe kurz ins Bad.«

Sie eilte in den angrenzenden Raum, schloss die Tür, ließ sich kaltes Wasser über die Hände laufen und befeuchtete dann ihr Gesicht. Aber es nützte nichts, in ihrem Magen wütete Übelkeit. Sie drehte sich zur Toilette um und übergab sich zu ihrer eigenen Verblüffung heftig in die Kloschüssel.

»Was zum Teufel ist los mit mir?«, flüsterte sie hinterher schwach. Mit einem feuchten Papiertuch wischte sie sich Hände und Gesicht ab und versuchte, sich wieder zusammenzureißen, um zu Dinah hinausgehen zu können.

Nachdem sie erbrochen hatte, fühlte sie sich besser, und im Geiste ging sie alles durch, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden gegessen hatte und als Ursache des Problems ansehen könnte. Ihr fiel nichts ein, aber sie würde Ed nach seiner Meinung fragen. Vielleicht lag es nur an ihren Sorgen … wegen ihrer Mutter und wegen Dinah.

Egal. Egal, dass ihr schlecht geworden war, wichtig war jetzt, dass sie Dinah zur Seite stand. Langsam öffnete sie die Badtür, und in der Hoffnung, dass Dinah nicht gehört hatte, was hier gerade vorgefallen war, trat Annie wieder in den Untersuchungsraum.

Dinah hatte die Liege verlassen und saß mit tief gesenktem Kopf auf einem Stuhl. Trotz ihrer vorherigen Ruhe brach ihr jetzt ein leiser verzweifelter Klageton aus dem tiefsten Herzen.

»Ach, Dinah!«, rief Annie und lief zu ihr. »Dinah!«, tröstete sie und nahm ihre Schwester fest in den Arm. »Alles wird gut. Ich schwöre dir, es wird wieder gut! Du bist schwanger geworden, das ist die Hauptsache. Es bedeutet, dass es klappen kann.«

Das Weinen hörte nur für ein, zwei Sekunden auf, die Dinah benötigte, um Luft zu holen, dann ging es weiter. So leise und weh, dass Annie beinahe auch losgeheult hätte.

Vier Mal!, dachten sie. Dinah hatte vier Fehlgeburten durchlitten, bevor Billie geboren wurde. Annie erschauderte bei dem Gedanken, dass ihre Schwester die gleiche Qual noch einmal ertragen sollte.

»Komm mit und bleib über Nacht bei uns!«, schlug sie vor und streichelte Dinahs Rücken. »Wir können Billie ablenken, und ich will nicht, dass du allein bist.«

»Bekomm ein Kind, Annie!«, platzte Dinah heraus. »Bitte krieg ein Baby für uns alle!«

 

Im Haus war es ungewöhnlich still, als Annie, Dinah und Billie zurückkehrten. Kein bellender Dave, kein Ed, kein Owen. Nur eine von Eds Katzen hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt.

»Vielleicht gehen sie Gassi«, vermutete Annie. »Lana!«, rief sie die Treppe hinauf. »Vielleicht weiß Lana, wo die anderen sind. Kommt«, drängte sie ihre Gäste, »zieht die Jacken aus, stellt eure Taschen ab, geht in die Küche! Wir machen Abendbrot, aber vielleicht essen wir vorher ein paar Kekse, Billie. Ich gehe nur rasch und sage Lana, dass wir hier sind.«

Annie lief die Treppe hinauf und rief den Namen ihrer Tochter. Als sie schließlich im Dachgeschoss ankam, sah sie Licht unter Lanas Zimmertür. Vielleicht hatte Lana ihren iPod im Ohr und hörte Annie nicht. Sie klopfte an die Tür, und als auch dann keine Reaktion erfolgte, öffnete sie sie behutsam. »Lana? Ich bin’s, Mum. Ist alles in Ordnung?«

Dort auf dem Bett lag Lana, zusammengerollt, den iPod in den Ohren, das Gesicht nass von Tränen, und schluchzte, als hätte sie eben die schrecklichste aller Nachrichten empfangen.

»Lana?«

Annie stürzte zu ihr.