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Fantasy-Serie
DIE DUNKLEN WELTEN
Eine Leseprobe aus
Anne Bishop
Sebastian
DIE DUNKLEN WELTEN
Erstes Buch
erscheint im Juni 2007 bei Heyne
DIE DUNKLEN WELTEN
Erstes Buch
erscheint im Juni 2007 bei Heyne
Das Verlorene Archiv
Strömungen der Macht tanzen durch Ephemera,
diese lebende, sich stets wandelnde Welt. Einige dieser Strömungen
sind Licht, und andere sind Dunkel. Zwei Hälften eines Ganzen.
Nichts ist das eine, ohne einen Teil des anderen. So ist der Lauf
der Dinge.
Und es gibt nichts, das in der Lage ist, Licht
und Dunkel so zu fokussieren wie das menschliche Herz.
Wie sollen wir den Menschen erzählen, die noch
immer erschüttert sind ob der Schrecken, die der Weltenfresser in
Ephemera freisetzte, dass dieses Ding, das sie fürchten, nicht
vollkommen vernichtet werden kann, weil es sich aus den dunkelsten
Begierden ihrer eigenen Herzen manifestiert hat? Wie können wir
ihnen sagen, dass sie selbst die Saat dieses Krieges
ausbrachten, der die Welt in Stücke schlug? Wie können wir ihnen
sagen, dass es ihre eigene Verzweiflung während dieser furchtbaren
Zeit war, die fruchtbares Ackerland zu Wüsten werden ließ? Wie
können wir ihnen sagen, dass, selbst mit unserer Führung und
unserem Eingreifen, die Verbindung zwischen Ephemera und dem
menschlichen Herzen nicht zu brechen ist und die Welt um sie herum
nicht mehr und nicht weniger ist als das Spiegelbild ihrer
selbst?
Wir können es ihnen nicht sagen – denn trotz der
Gefahren, die es birgt, ist das menschliche Herz unsere einzige
Hoffnung, Ephemera eines Tages wiederherzustellen. Auch können wir
nicht zulassen, dass die Menschen die Rolle, die sie im
fortwährenden Gestalten und Umgestalten dieser Welt spielen,
vollkommen verleugnen.
Also lehren wir sie diese Warnung: Reise leichten
Herzens. Denn was du mit dir bringst, wird Teil der
Landschaft.
Kapitel Eins
Gegenwart
Sebastian stand an der Anrichte, schloss die
Augen und atmete langsam und tief ein, um den Duft der frisch
gemahlenen Kaffeebohnen auszukosten. Besser als eine Liebschaft.
Zumindest eine sinnlichere Erfahrung als die letzten zwei Frauen,
mit denen er zusammen gewesen war.
Wenn ein Inkubus sich beim Sex langweilte, war es
an der Zeit, eine Pause einzulegen – oder über eine andere Art der
Arbeit nachzudenken.
Er schob den Gedanken in jene Ecke seines
Geistes, in die er schon so viele unangenehme Erinnerungen gestopft
hatte, und konzentrierte sich wieder darauf, den Kaffee
aufzubrühen.
Wie es wohl wäre, im ersten Licht der
Morgendämmerung aufzustehen und in die Küche zu gehen, um Kaffee zu
mahlen, während jemand, der einem wirklich etwas bedeutete, sich in
die Kissen kuschelte und darauf wartete, mit einer Liebkosung und
einem Kuss geweckt zu werden – und mit einer Tasse frisch gebrühtem
Kaffee? Wie es wohl wäre, draußen zu stehen und mit einer Tasse in
der Hand den Tag erwachen zu sehen?
Sebastian schüttelte den Kopf. Warum sich selbst
Salz in die Wunde reiben, indem man über Dinge nachdachte, die
nicht sein konnten? Er lebte im Sündenpfuhl, der aus ein paar
überfüllten Wohnblocks und gepflasterten Straßen bestand – ein Ort,
der höchstwahrscheinlich einst ein zwielichtiger Teil irgendeiner
großen Stadt gewesen war, nichts weiter als ein dunkler Fleck in
einer Landschaft des Tageslichts. Doch dann hatte eine
Landschafferin die Welt verändert, indem sie diesen Straßenzug zu
einer eigenen Landschaft
werden ließ, und dies hatte eine andere Lebensart auf den Straßen
geweckt, hatte die Tavernen, die Spielhöllen und Bordelle in Orte
festlicher Sinnlichkeit verwandelt.
Aber der Pfuhl war mehr als ein Ort, an dem man
alle menschlichen Laster offen genoss, mehr als ein Ort, an dem
Menschen, die nicht ins Tageslicht passten, und Dämonen wie Inkuben
und Sukkuben leben konnten. Er war das Zentrum einer Gruppe dunkler
Landschaften, die einige der Dämonenrassen Ephemeras als ihr Eigen
beanspruchten. Er war ein Ort, an dem Dämonen einkaufen oder in
einer Taverne etwas trinken konnten, ohne angefeindet oder
vertrieben zu werden, weil sie nicht menschlich waren.
Und ebenso war der Pfuhl ein Ort, der in der
dunkleren Seite des menschlichen Herzens wurzelte, ein Ort, an dem
die Sonne niemals aufging.
Als er hierher kam, war er ein verbitterter
Fünfzehnjähriger gewesen. Nachdem er es zwei Jahre zuvor geschafft
hatte, der Kontrolle seines Vaters zu entkommen, war er zunächst
untergetaucht und hatte ums nackte Überleben gekämpft. Die dunklen
menschlichen Landschaften waren sogar für einen Jungen, dessen
Dämonennatur das menschliche Blut, das vielleicht noch in seinen
Adern floss, überschattete, zu hoffnungslos und Furcht einflößend,
aber die Menschen in den Landschaften des Tageslichts wollten
nicht, dass eine Kreatur wie er unter ihnen lebte. Sie hatten ihn
aus einem Dorf nach dem anderen vertrieben, sobald sie
herausfanden, dass er ein Inkubus war – und der Hunger nach den
Gefühlen, die beim Sex entstanden, war etwas, das sich nicht lange
unterdrücken oder verstecken ließ.
Und so hatte er sich den Pfuhl, als er ihn
gefunden und die dunkle, nervöse, sinnliche Stimmung dieses Ortes
gespürt hatte, mit ganzem Herzen zur Heimstatt erkoren. Endlich
hatte er einen Platz gefunden, an dem es ihn nicht zum Außenseiter
machte, ein Inkubus zu sein, an dem die nie endende Nacht zu dem
passte, wer und was er war. Der Pfuhl war der eine Platz, an dem er
dazugehören konnte.
Und er gehörte noch immer hierher. Der Pfuhl war
sein
Zuhause. Aber jetzt, als Mann, der gerade dreißig geworden
war...
Ich bin der Nacht so überdrüssig.
Eine plötzliche Sehnsucht nach irgendetwas
durchfuhr ihn, erfüllte sein Herz mit Schmerzen und sein Innerstes
mit einer Not und einem Verlangen von solcher Stärke, dass es ihn
taumeln ließ. Er stützte sich auf die Anrichte und wartete darauf,
dass das Gefühl vorbeiging. Es ging immer vorbei.
Aber die Sehnsucht war vorher noch nie so stark
gewesen und hatte ihn nie so vollständig erfasst. Egal. Solche
Gefühle kamen und gingen – und veränderten nichts.
Angewidert von sich selbst, weil er nicht mit dem
zufrieden war, was er hatte, nahm er eine Tasse vom Holztisch – und
ließ sie beinahe fallen, als jemand an die Tür seines kleinen
Hauses klopfte. Er brachte nie jemanden mit nach Hause, lud nie
jemanden ein. Die einzigen zwei Personen, die sein Bedürfnis nach
Privatsphäre missachten durften, waren seine menschliche Cousine
und ihr Bruder, Glorianna und Lee, und keiner von beiden würde so
zögerlich irgendwo anklopfen.
Er würde das Klopfen einfach ignorieren, genau
das würde er tun. Er würde es ignorieren, und wer auch immer – was
auch immer – auf der anderen Seite der Tür stand, würde wieder
gehen. Doch die Tür öffnete sich knarrend. Sebastian schlug das
Herz bis zum Hals, als er die Tasse vorsichtig, um kein Geräusch zu
machen, auf die Anrichte stellte. Genauso leise nahm er das größte
Messer aus dem Messerblock, das er besaß. Er würde vielleicht nicht
gewinnen, aber er würde nicht kampflos untergehen.
»Sebastian?«, rief eine Stimme. »Sebastian? Bist
du da?«
Er kannte diese Stimme, zögerte aber immer noch.
Dann fluchte er leise und ließ das Messer zurück in den Schlitz
gleiten. Im Pfuhl gab es nur wenige Dinge, die man nicht kaufen
konnte, aber Vertrauen war eines davon.
Er trat in den Durchgang, der die Küche vom
Wohnzimmer trennte, spähte in den Raum und musterte seinen
Besucher.
Der andere Inkubus stand auf der Schwelle und
platzte beinah vor Nervosität. Und trotzdem leuchteten seine Augen
vor Neugier, als er die einfachen Möbel und die gerahmten
Zeichnungen an der Wand betrachtete.
»Was willst du, Teaser?«, fragte Sebastian.
Falls Teaser den schroffen Ton in Sebastians
Stimme bemerkte, ging er nicht darauf ein, sondern sprang in den
Raum. Dann hielt er inne, drehte sich herum und schloss die
Haustür, bevor er mit großen Schritten – seine stutzerhafte
Gangart, passte nicht recht zu seinem jungenhaft guten Aussehen –
auf Sebastian zuschritt.
Frauen ließen sich oft dahingehend täuschen, dass
sie annahmen, er benehme sich auch so, wie er aussah. Im Falle von
Teaser war das manchmal ein gravierender Fehler.
Als Jugendliche waren sie oft gemeinsam durch die
Stra ßen des Pfuhls gezogen – der blonde, blauäugige Teaser passte
genau in das Bild eines Jungen, der auf ein wenig unanständigen
Spaß aus war, während der gut aussehende Sebastian mit seinen
schwarzen Haaren und klaren grünen Augen den reizvollen Hauch der
Gefahr verströmte. Gemeinsam hatten sie ihre Verführungsspielchen
gespielt, indem sie Frauen Sex anboten, die aus den Landschaften
des Tageslichts in den Pfuhl kamen, oder indem sie die Fähigkeit
der Inkuben nutzten, sich im Zwielicht des Halbschlafs mit einem
anderen Geist zu verbinden, und sich an den Gefühlen labten, die
sie als Fantasie-Liebhaber hervorriefen. Unglückliche Ehefrauen.
Alberne Mädchen, die sich nach der Romantik eines mysteriösen
Verehrers sehnten. Einsame Frauen, die sich nach der Wärme eines
Liebhabers verzehrten, selbst wenn dieser Liebhaber sie nur in
ihren Träumen besuchte. Für die Inkuben waren sie alle Beute.
Fünf Jahre lang hatten er und Teaser benachbarte
Zimmer in einem teuren Bordell gemietet und waren gemeinsam im
Pfuhl umhergestrichen. Aber als Sebastian zwanzig wurde, konnte er
das wachsende Verlangen nach etwas, das über den Pfuhl und die
Sexspielchen hinausging, nicht länger ignorieren und kehrte den
bunten Lichtern und dunklen
Gassen den Rücken. Er stieß auf eine unbefestigte Straße, die
wenige Schritte hinter dem Ende der Hauptstraße des Pfuhls begann.
Eine Straße, die, davon war er überzeugt, dort vorher noch nicht
gewesen war. Er folgte ihr, nicht sicher, ob er lediglich einen
Spaziergang machte oder wirklich den einzigen Ort verließ, an dem
er sich je zu Hause gefühlt hatte.
So fand er das zweistöckige Cottage. Es sah nicht
so aus, als gehörte es in eine Landschaft wie den Pfuhl, aber es
wäre nicht da gewesen, wenn es nicht dorthin gehört hätte. So
liefen die Dinge in Ephemera nun einmal.
Er ging hinein, voller Sorge, auf denjenigen zu
treffen, dem das Haus gehörte. Aber es war unbewohnt. Die Hälfte
der Zimmer stand leer, aber in den anderen Räumen standen wahllos
genügend Möbel herum, um Schlafzimmer, Wohnraum und Küche gemütlich
einzurichten. Er fand sowohl Bettwäsche und Handtücher als auch
alles, was er brauchte, um in der Küche eine einfache Mahlzeit
zuzubereiten. Eine Stunde lang durchstöberte er das Haus. Er
stellte fest, dass sich etwas in ihm entspannt hatte, so als hätte
er seit Monaten zum ersten Mal tief durchgeatmet.
In einem Schrank in der Küche fand er
Reinigungsmittel und wischte Staub, putzte, fegte und scheuerte,
bis das Cottage sauber war und er die Möbel nach seinem Geschmack
arrangiert hatte. Dann kehrte er in den Pfuhl zurück, holte fast
alles, was er besaß, aus dem Zimmer, das er im Bordell angemietet
hatte, und zog in das kleine Häuschen. Eine Woche später, als er
von einem Streifzug durch die Straßen des Pfuhls zurückkehrte,
entdeckte er, dass jemand eine Mondblume neben die Hintertür des
Hauses gepflanzt hatte. Da wurde ihm klar, dass dieser Ort nur
darauf gewartet hatte, dass er ihn fand, dass er ihn suchte.
Sie hätte den Moment erkannt, in dem sich etwas in ihm so
verändert hatte, dass es zu dem Cottage passte, und die Mondblume
war ihre Art, ihn willkommen zu heißen.
In Ephemera gab es nur wenige Geheimnisse des
Herzens. Und nichts entging Glorianna Belladonna.
Seit zehn Jahren lebte er jetzt schon im Cottage,
noch immer ein Teil des Pfuhls und doch von ihm getrennt.
»Ich hab dich gestern nicht gesehen«, sagte
Teaser und holte Sebastian damit zurück in die Gegenwart. »Da
dachte mir, ich komme einfach mal vorbei und … sehe nach.«
Er hatte den gestrigen Tag mit Zeichnen verbracht
– und alle Skizzen verbrannt, als er erkannte, dass er versucht
hatte, Erinnerungen aus dem Tageslicht, an Aurora, das Heimatdorf
seiner Tante Nadia, einzufangen. Dinge, die er als Kind, während
der Zeiten, die er bei ihr verbracht hatte, gesehen hatte. Immer
wieder war sein Vater Koltak aufgetaucht und hatte ihn abgeholt, um
ihn bei irgendeiner Frau im ärmlichen Viertel der Stadt, in der er
lebte, abzuladen. Bei einer Frau, die dafür bezahlt wurde, seine
Gegenwart zu ertragen und ihm Nahrung, Wasser und einen Platz zum
Schlafen zur Verfügung zu stellen. Die Hälfte der Zeit lebte er
zusammen mit anderen verstoßenen Kindern auf der Straße und wurde
wieder und wieder daran erinnert, wie leer und erbärmlich sein
Leben doch war. Und dann kam Nadia und nahm ihn erneut mit zu sich
nach Hause.
Nadias und Koltaks Auseinandersetzungen und der
ständige Wechsel zwischen liebender Akzeptanz und kaltherzigem
Elend fanden schließlich ein Ende, als er seinem Vater zum letzten
Mal entkam, als Koltak bei Nadia auftauchte, um ihn mit zurück in
die verhasste Stadt zu nehmen.
»Ich hatte zu tun«, sagte Sebastian und
verdrängte die Erinnerung. Teaser grinste verschlagen. »Tröstest du
immer noch alternde Jungfern und einsame Witwen? Du solltest dich
nach etwas Lebendigerem umsehen. Jemand mit ein bisschen mehr
Feuer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine von denen viel Spaß
macht, wenn du dazu übergehst, es ihnen im richtigen Leben zu
besorgen anstatt nur in romantischen Träumen.« Er schnupperte.
Seine Augen weiteten sich. »Ist das Kaffee?«
Sebastian seufzte. Er hatte genügend Kaffeebohnen
für zwei Tassen gemahlen. Es sah wohl so aus, als ob er das Getränk
teilen müsste. »Na, dann komm.«
Als er zur Anrichte zurückging, folgte Teaser ihm
auf dem Fuß. Nachdem er die Tüte mit den Kaffeebohnen, die
Kaffeemühle und den Topf zum Aufbrühen begutachtet hatte, pfiff
Teaser anerkennend. »Ganz was Feines. Vielleicht ist es doch
lukrativer, als ich dachte, Jungfern und Witwen süße Träume und
heiße Nächte zu bereiten.« Er hielt inne. »Aber du kaufst doch
sonst nichts auf dem Schwarzmarkt.«
Sebastian nahm noch einen Becher vom Holztisch
und füllte ihn mit Kaffee. »Ich habe die Sachen nicht vom
Schwarzmarkt. Sie sind ein Geschenk von meiner Cousine und ihrem
Bruder.« Als er sich umdrehte, um Teaser den Becher zu geben, sah
er einen Moment lang Angst in den Augen des anderen Inkubus
aufblitzen und bemerkte das leichte Zittern der Hand, die den
Becher entgegennahm.
Die eingebildeten, selbstgerechten Menschen der
anderen Landschaften sahen in den Inkuben und Sukkuben absto ßende
Dämonen, und das, obwohl genügend eben dieser Menschen sich nach
der Art von Sex sehnten, die man nur mit einem solchen Partner
haben konnte, um den Bewohnern des Pfuhls ein komfortables
Einkommen zu sichern. Aber es gab gefährlichere Dämonen, die durch
ihre Welt streiften, und Inkuben und Sukkuben konnten ebenso leicht
als Beute enden wie jeder Mensch. Es hatte ein paar Jahre gedauert,
bis er erkannte, dass andere Dämonen, die in den Pfuhl kamen, ihm
nicht etwa aus dem Weg gingen, weil er ein harter Kerl war,
sondern dass es an seiner menschlichen Verwandtschaft lag. Sie
hatten keine Angst vor Lee, einem Brückenbauer mit der seltenen
Fähigkeit, eine Landschaft über eine andere zu legen, aber
Glorianna …
Kein Dämon wollte sich ihren Zorn zuziehen
– weil Glorianna Belladonna die Landschafferin war, die den
Sündenpfuhl ins Leben gerufen hatte.
Er füllte seinen eigenen Becher, lehnte sich
gegen die Anrichte, nippte an seinem Kaffee und schwieg.
Nach ein paar Minuten sagte Teaser: »Dieses Haus.
Es ist … hübsch.« Er betrachtete den kleinen Tisch an der
Wand, an dem Sebastian seine Mahlzeiten zu sich nahm, dann den
größeren Tisch im Esszimmer. »Es sieht … wirklich nett aus.«
Es sieht menschlich aus, dachte Sebastian
mit dem Gefühl, bei etwas Unzüchtigem ertappt worden zu sein. In
der Öffentlichkeit. In einer menschlichen Landschaft natürlich,
schließlich war Unzucht im Pfuhl an der Tagesordnung. Peinlich
berührt, dass jemand Zeuge seines Bedürfnisses geworden war, die
Verbindung mit dem Rest Menschlichkeit, den er in sich trug, nicht
zu verlieren, fühlte er die alte Bitterkeit in sich
aufsteigen.
Nadia und er waren nicht blutsverwandt. Sie war
mit dem Bruder seines Vaters verheiratet gewesen und hatte keinen
Grund, mit Koltak um das Wohlergehen eines jungen Halb-Dämons zu
streiten. Aber sie hatte für ihn gekämpft, und oft genug gewonnen,
um ihm in seiner Kindheit immer wieder Zeiten zu schenken, in denen
er gewusst hatte, wie es war, geliebt und akzeptiert zu werden.
Alles Gute, das ihm in den Landschaften der Menschen widerfahren
war, hatte er ihr zu verdanken.
Das war der Grund, aus dem das Cottage ihn
angezogen hatte. Das war der Grund, aus dem es eher einem
menschlichen Heim ähnelte als dem Schlupfwinkel eines Inkubus. Für
seine Verführungskünste hatte er das Zimmer im Bordell. Dieser Ort
erinnerte ihn daran, wie er sich gefühlt hatte, als er mit Nadia,
Glorianna und Lee zusammengelebt hatte. Als er noch eine Verbindung
zum Licht besessen hatte.
Aber wenn die anderen Inkuben und Sukkuben
herausfanden, dass er wie ein Mensch lebte, würden die hämischen
Bemerkungen kein Ende nehmen, und er würde wieder als Außenseiter
enden.
Er versuchte, mit dem letzten Schluck Kaffee die
Bitterkeit herunterzuspülen. »Warum bist du hier, Teaser?«, fragte
er barsch. Teaser stürzte den Rest seines Kaffees hinunter, wollte
die Tasse zur Seite stellen, zögerte, ging quer durch die Küche und
stellte sie vorsichtig in die Spüle, so
als ob es von größter Bedeutung wäre, die Ordnung im Haus zu
erhalten. Als er sich wieder zu Sebastian umdrehte, war sein
Gesichtsausdruck düster. »Wir haben noch eine gefunden.«
Wenn Sie wissen wollen, wie es weitergeht,
dann lesen Sie Anne Bishops »Sebastian«, der erste Roman aus
der neuen Fantasy-SerieDIE DUNKLEN WELTEN.