Kapitel 4
Sie hat den Köder geschluckt«, berichtete der
Wächter aus dem Fünften Kreis, wobei es ihm kaum gelang, seine
Aufregung im Zaum zu halten.
Krelis lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ
die Hände unter die Schreibtischoberfläche sinken, um ihr Zittern
zu verbergen, das er einfach nicht unterdrücken konnte. Dorotheas
Zwangszauber musste gewirkt haben, was sein Vertrauen in die
anderen Zauber stärkte, die sie für ihn gewoben hatte – nicht, dass
er an den Fähigkeiten der Hohepriesterin gezweifelt hätte.
»Hat das Miststück jemanden gekauft, der uns von
Nutzen sein könnte, während sie auf Raej war?«, fragte Krelis und
beobachtete den jungen Mann, der vor ihm stand. Er erinnerte ihn
daran, wie er selbst vor nicht allzu vielen Jahrhunderten gewesen
war.
Die Miene des Wächters blieb nur einen kurzen
Moment verständnislos. Dann versteifte er sich und hielt den Blick
auf die Rückwand des Raumes gerichtet. »Ich bitte um Verzeihung,
Lord Krelis. Ich habe nicht daran gedacht, mir eine Liste der
Sklaven zu besorgen, die sie gekauft hat.«
»Noch hat Lord Maryk daran gedacht, es dir
aufzutragen«, entgegnete Krelis ruhig.
Der Wächter wand sich ein wenig, da ihm klar war,
dass diese Frage eine Falle beinhaltete.
Krelis wusste, was es bedeutete, zwischen Treue und
dem eigenen Überlebenswillen hin- und hergerissen zu sein. Als
Junge hatte er Olvan geliebt, der nicht nur ein milder, jedoch
bestimmter Vater, sondern auch ein respektierter Lehrer und
Gelehrter gewesen war. Als Jüngling hatte er verzweifelt den
Makel abschütteln wollen, den der verängstigte, verwelkte Mann
ausströmte, zu dem sein Vater nach jenem Tag am Baum geworden war.
Krelis hatte sich nicht erst sagen lassen müssen, dass die
einflussreichen Königinnen umso misstrauischer sein würden, wenn
seine Zeit erst einmal gekommen war, an ihren Höfen zu dienen, je
länger zwischen Vater und Sohn eine Verbindung bestand.
Gezwungen, sich zwischen Treue und dem Willen zu
überleben zu entscheiden, hatte er es vorgezogen zu überleben.
Treue ließ sich, wie er im Laufe der Zeit herausfand, ohne weiteres
kaufen.
Mit dieser Erinnerung wartete er, für was sich der
Wächter entscheiden würde – Treue gegenüber Maryk, der nicht nur
ein Adeliger, sondern auch ein erfahrener stellvertretender
Kommandeur war, oder Überleben, indem er sich ganz dem neuen
Hauptmann der Wache verschrieb.
Schließlich sagte der Wächter leise: »Nein, Sir,
Lord Maryk hat mir nicht aufgetragen, die Liste zu
beschaffen.«
»Egal«, erwiderte Krelis mit einer wegwerfenden
Handbewegung. »Lord Maryk hatte wichtigere Pflichten, an die er
denken musste.«
»Sehr wohl, Sir. Soll ich nach Raej zurückkehren
und die Liste beschaffen?«
»Ja. Wenn du wieder zurück bist, wird Lord Maryk
mit den Sklaven hier sein. Wir werden alle von ihnen behalten, die
für die Hohepriesterin von Interesse sein könnten, und die Übrigen
zurück nach Raej schicken, um sie am letzten Tag des Sklavenmarktes
zu verkaufen.«
Der Wächter salutierte erleichtert und verließ das
Zimmer.
Krelis rieb sich mit den Händen über das Gesicht.
Maryk sollte bei Einbruch der Nacht zurück sein. Dann würde er
selbst vielleicht ein wenig Schlaf finden können.