Kapitel 23
Jared goss sich erneut zwei Finger Whiskey in sein
Glas. Dann hob er es in Augenhöhe und betrachtete es
eingehend.
Eine flüssige Hülle, um das Herz zu umgeben und es
vor tödlichen Schmerzen zu bewahren. Eine flüssige Mauer, um die
Trauer in Schach zu halten.
Er verdrängte diese Gedanken. Wenn er sich ganz auf
praktische Dinge konzentrierte, musste er im Grunde gar nicht
nachdenken.
Und im Moment konnte er es sich nicht leisten,
nachzudenken.
»Jared.« Yarek nippte an seinem Whiskey und
zögerte.
Abwartend lehnte sich Jared zurück. Yarek und er
waren die Einzigen, die noch im Esszimmer des Gasthauses verblieben
waren. Lia, Thera und Blaed waren nach dem Mittagessen spazieren
gegangen. Er hatte den Verdacht, dass Lia ein wenig Abstand von den
drängenden Wünschen benötigte, die alle im Dorf so heftig im Zaum
zu halten versuchten. Er hatte den Hunger in den Augen der Männer
gesehen wie auch die Erleichterung in denjenigen der Hexen. Und ihm
war aufgefallen, wie Lia den vollen Teller Eintopf, den man vor sie
hingestellt hatte, ohne Widerrede angenommen und gegessen hatte –
den einzigen vollen Teller, der serviert worden war. Sie
hatte das Dorf nicht beschämt, indem sie das dargebotene Essen
zurückwies, hatte ihnen nicht die Ehre versagt, einer Königin zu
dienen.
Wahrscheinlich hatte sie jeden Bissen mühsam
hinunterwürgen müssen, während sämtliche Augen nervös auf ihr
ruhten, aber sie hatte es sich keine Sekunde lang anmerken
lassen.
Als er so neben ihr gesessen hatte, war sein Herz
voller Stolz gewesen … und nicht nur voller Stolz.
Niemals würde er sie mit seinen Gefühlen belasten.
Dass er ein Lustsklave gewesen war – und sein Selbst dadurch so
zersplittert und erniedrigt worden war -, machte es ihm unmöglich,
das zu erlangen, was er sich am sehnlichsten wünschte.
Doch er würde sie den Rest seines Lebens
lieben.
»Jared«, sagte Yarek ein weiteres Mal.
Jared richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf
seinen Onkel. »Was gibt es?«
Yarek räusperte sich. Trank noch einen Schluck
Whiskey. »Das Hexchen … die Lady. Sie hat ein gutes Herz, aber
…«
»Wenn sie sagt, dass für euch alle Platz in Dena
Nehele ist, dann ist das auch so«, erwiderte Jared.
»Ein Land kann nur eine bestimmte Menge geben, kann
nur eine bestimmte Anzahl Menschen ernähren, bevor es aus dem
Gleichgewicht gerät und wir uns zu viel nehmen.«
»Ich glaube, dass Dena Nehele ohne weiteres hundert
Leute aus Shalador aufnehmen kann.« Hundert Überlebende aus zwei
einstmals blühenden Dörfern. Jared trank einen weiteren Schluck
Whiskey.
»Mehr und mehr Leute überqueren das Gebirge«,
meinte Yarek besorgt. »Viele von ihnen lassen sich in den anderen
Territorien nieder, aber …«
Jared legte eine Hand über Yareks. »Du hast mir
immer gesagt, ich solle keine Probleme sehen, wo gar keine
sind.«
»Das ist auch richtig.«
»Dena Nehele wird also die besten Leute aus
Shalador dazugewinnen und davon profitieren.«
Blanke Trauer trat in Yareks Augen, bevor er den
Blick senkte.
Jared lehnte sich zurück, da er keine Worte des
Trostes spenden konnte, ohne seine eigene zerbrechliche
Selbstbeherrschung zu zerstören.
Die besten Leute aus Shalador würden Shalador
niemals verlassen – es sei denn, sie fänden den Weg ins Dunkle
Reich. Dafür hatte der Krieg bereits gesorgt.
»Die Kutschen sind fahrtüchtig?«, erkundigte sich
Yarek kurz darauf.
Jared nickte. Die beiden Kutschen, die zu der
zerstörten Kutschstation gehört hatten, waren bei dem Angriff nicht
beschädigt worden. Allerdings wusste er noch immer nicht, wie sie
alle Leute, die nicht selbst auf den Winden reisen konnten, in den
beiden Kutschen unterbringen sollten, die insgesamt dreißig
Fahrgäste fassten. Und er hatte keine Ahnung, wer sie fahren
sollte. Die drei Kriegerbrüder, die für die Kutschstation
verantwortlich gewesen waren, hatten den Angriff nicht überlebt,
und ansonsten war niemand zum Kutscher ausgebildet.
Yarek runzelte die Stirn, streifte Jared mit einem
nervösen Blick und zog die Brauen dann noch fester zusammen. »Wir
hatten keine Schwarze Witwe in Wolfsbach.«
»Nicht jedes Dorf hat eine, genauso wenig wie eine
Priesterin oder eine Königin«, sagte Jared vorsichtig, der sich
fragte, worauf sein Onkel hinauswollte.
Yarek rieb sich das Kinn. »Die Hexensabbate des
Stundenglases machen manche Dinge anders. Das ist kaum
verwunderlich, wenn man die Art Kunst bedenkt, derer sie sich
bedienen.«
Jared nickte abwartend.
Mit einem Schulterzucken fragte Yarek: »Haben sie
auch andere Essgewohnheiten?«
Jared verengte die Augen. Dieser Hauch von Angst
war vor ein paar Stunden noch nicht spürbar gewesen, als Yarek ihm
erzählt hatte, wie aufgefühlt Thera gewesen war.
»Die Frauen haben mich danach gefragt, weißt du,
und ich habe gesagt, ich würde mich bei dir erkundigen.«
»In Bezug auf was?«, wollte Jared argwöhnisch
wissen.
»Nun, sie haben die beiden Schweine und die Hühner
geschlachtet, die noch übrig waren.« Yarek hielt eine Hand empor,
als habe Jared Einspruch erhoben. »Kein Platz, um sie mitzunehmen,
und es hat keinen Sinn, sie zurückzulassen, damit sich jemand
anders damit den Magen vollschlagen kann. Aber eine Truhe voll
Pökelfleisch wird in den Kutschen
nicht viel Platz wegnehmen, und es würde alle ein wenig beruhigen,
in den ersten paar Tagen ihr eigenes Essen dabeizuhaben. Also
werden wir heute Abend und morgen früh kräftig zulangen, was das
Essen betrifft.«
»Was hat das mit Thera zu tun?«
»Anscheinend ist sie am Morgen vorbeigekommen und
hat gesehen, was vor sich ging. Ein paar Minuten später ist sie mit
zwei Wascheimern zurückgekommen und hat darauf bestanden, sämtliche
Eingeweide zu erhalten, die dort hineinpassten. Sobald die Eimer
voll waren, hat sie sie verschwinden lassen und ist von dannen
gezogen.«
»Ich weiß nicht …«
»Ich habe dir doch erzählt, dass sie gestern Abend
ganz außer sich war, erinnerst du dich noch?«
Jared nickte.
»Tja, nachdem es mir gelungen war, sie ein wenig zu
beruhigen, ist sie in das Zimmer hinaufgegangen, das sie sich mit
dem jungen Kriegerprinzen teilt. Er ist mit ihr nach oben gegangen,
kam aber ein paar Minuten später übellaunig wieder zurück. Zu dem
Zeitpunkt habe ich mir bloß gedacht, dass sie wohl ein bisschen
allein sein will und ihn aus ihrem Bett geworfen hat. Jetzt glaube
ich allerdings, dass sie ungestört sein wollte, um eines dieser
Verworrenen Netze zu spinnen. Als sie zwei Stunden später wieder
nach unten gekommen ist, war sie verstört, aber viel ruhiger – und
sehr hungrig. Gestern Abend konnten wir ihr nicht allzu viel
anbieten. Deshalb fragen sich die Frauen nun …«
»Lord Yarek! Lord Yarek!« Ein Junge kam in das
Esszimmer gestürzt. »Reiter«, keuchte er. »Dreizehn Stück!«
Jared sprang auf und warf dabei seinen Stuhl
um.
»Mutter der Nacht«, flüsterte Yarek. »Sie sind
zurück.«
Der Abstieg zu Rot geschah rasch, aber
kontrolliert. Als Jared auf die Straße hinaustrat, befand er sich
im Vollbesitz seiner Kräfte und war bereit, ja beinahe begierig
darauf, in den Blutrausch zu verfallen.
Er blickte gen Osten.
Lia und Thera, die von ihrem Spaziergang mit Blaed
zurückkehrten, verlangsamten ihr Tempo, als sie ihn
erblickten.
Blaed warf Jared einen kurzen Blick zu. Dann zerrte
er die beiden Frauen in das nächstgelegene Gebäude.
Jared drehte sich um und ging die Straße
entlang.
Brock und Randolf kamen aus einem Haus, doch keiner
von beiden trat auf die Straße, um sich ihm anzuschließen.
Es waren sein Onkel Yarek und Thayne – und Garth –
sowie die Krieger und Hexen mit Juwelen, die noch in dem Dorf übrig
waren, die eine Mauer in seinem Rücken bildeten.
Die Reiter bogen in die Hauptstraße ein und ritten
langsam näher. Sechs Kriegerpaare hinter einem Kriegerprinzen, der
ein saphirblaues Juwel trug.
Die Krieger hielten an.
Der Kriegerprinz ritt weiter. Ein paar Meter vor
Jared zügelte er sein Pferd, stieg ab und legte den restlichen Weg
zu Fuß zurück, bis er knappe zwei Meter vor ihm stehen blieb.
»Krieger«, sagte er täuschend freundlich.
»Prinz Talon«, erwiderte Jared, dessen Miene und
Stimme ausdruckslos blieben.
»Wir müssen uns unterhalten, Krieger. Unter vier
Augen.«
Jared wies mit dem Kopf in Richtung des Hauses zu
seiner Linken. »Warum nicht dort?«
Kaum hatte er das Haus betreten, da schleuderte
Talon ihn gegen die Wand.
»Was im Namen der Hölle hast du dir dabei gedacht –
wenn du dir überhaupt etwas gedacht hast?«, brüllte Talon, der
Jared weiterhin an seiner Tunika gepackt hielt. »Ihr seid wie
betrunkene Landen durch ein feindseliges Territorium getorkelt!
Wenn wir nicht auf das Gemetzel gestoßen und den Spuren gefolgt
wären, würden wir immer noch nach euch suchen!«
Jared fletschte die Zähne. Seine Hände schlossen
sich um Talons Handgelenke. »Vielleicht sind eure mangelnden
Fähigkeiten bei der Spurensuche daran schuld.«
»Ich bin der beste Fährtenleser weit und
breit!«
»Dann überleg dir doch einmal, wie schwierig es für
den zweitbesten Fährtenleser sein muss, uns zu verfolgen.«
Talons Augen wurden glasig vor Wut.
Als Jared sich entsann, wie leicht ein Kriegerprinz
in den Blutrausch geriet, zähmte er seinen eigenen Zorn. »Talon
…«
Aber der Kriegerprinz schüttelte ihn nur und
brüllte.
»Was kümmert es dich überhaupt?«, fuhr Jared ihn
an. »Du hast deine Nichte zurück. Lia kann dir gleichgültig
sein.«
Talon schleuderte ihn erneut gegen die Wand.
»Ich habe ihr das Reiten beigebracht. Ich habe ihr
beigebracht, mit Pfeil und Bogen zu schießen. Ich habe ihr
beigebracht, mithilfe der Kunst zu kämpfen. Wage es ja nicht, mir
zu erzählen, sie könne mir gleichgültig sein!«
Jared starrte Talon an. Schließlich meinte er:
»Hast du jemals Schach gegen sie gespielt?«
»Was hat …« Langsam wich die glasige Wut aus Talons
Augen. Er ließ Jared los und trat einen Schritt zurück. Nach einer
Minute schüttelte er den Kopf und sagte trocken: »Ich glaube, das
habe ich gerade.«
Da nun Talons Zorn verflogen war, spürte Jared, wie
ihn die Anschuldigungen getroffen hatten. »Wenn du dir solche
Sorgen gemacht hast, warum seid ihr dann nicht geblieben, um sie
über das Tamanaragebirge zu begleiten?«
Der Blick in Talons Augen war unbeschreiblich.
»Krieger«, sagte er leise, »selbst ein Geächteter weiß, wann er
sich einer Königin zu fügen hat.«
Jared wand sich ein wenig, wie ein Junge, der von
einem älteren Mann zurechtgewiesen wurde. »Aber ihr seid
zurückgekommen. Ihr habt nach ihr gesucht.«
»Tja«, erwiderte Talon mit einem aufrichtigen
Lächeln, »letzten Endes bin ich eben doch nur ein Geächteter.« Er
versetzte Jared einen unsanften Schlag auf die Schulter. »Gehen wir
zu ihr. Sie hat eine gesalzene Strafpredigt verdient.«
»Darf ich zusehen?«, fragte Jared, der sich Talon
anschloss.
»Natürlich«, entgegnete Talon lachend. »Wie willst
du denn sonst lernen, wie das geht?«
Jared klopfte an die Schlafzimmertür, wartete Lias
Antwort jedoch nicht ab, bevor er in das Zimmer schlüpfte.
»Du wolltest mich sprechen?«, erkundigte er sich,
wobei er sie besorgt musterte. Sie sah betreten und ein wenig blass
aus. Er konnte gut nachvollziehen, weswegen sie betreten war.
Talons Talent für Strafpredigten überstieg alles, was er bisher bei
anderen Lehrmeistern gesehen hatte. »Geht es dir gut?«
»Alles in Ordnung«, murmelte Lia, die mit dem Saum
ihres Pullovers spielte. Zwar ging sie nicht wirklich im Zimmer auf
und ab, ganz stillstehen schien sie jedoch auch nicht zu können.
»Jared, du musst mir einen Gefallen tun.«
»Na gut.«
Lia presste die Lippen zusammen und starrte zu
Boden. Schließlich stieß sie ein Seufzen aus. »Einer der Gründe –
der Hauptgrund -, warum ich meine Jungfrauennacht noch nicht hinter
mich gebracht habe, ist der, dass ich von keinem der Männer bei
Hofe wollte, dass er aus reinem Pflichtbewusstsein heraus etwas
derart Intimes mit mir tun würde.«
Jared konnte sich gut vorstellen, wie entsetzt die
Männer bei Hofe wären, sie so reden zu hören, doch er konnte
verstehen, weshalb Lia es als eine Art unliebsame »Pflicht«
betrachten mochte.
»Ich …« Lia atmete zweimal tief durch. »Würdest du
es tun?«
Jared konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was für
ein Geschenk. So viel geben zu können. Zu wissen, dass sie ihm so
sehr vertraute.
Lia streifte ihn mit einem nervösen Blick.
Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ja,
natürlich. Sobald wir in Dena Nehele eintreffen …«
»Nein.« Lia fuhr sich mit den Zähnen über die
Unterlippe. »Es muss jetzt sein. Vor Sonnenaufgang.«
Jared wich einen Schritt zurück. Er stieß mit den
Beinen an die Bettkante. Im nächsten Augenblick saß er. »Jetzt?
Sofort?«
Lia nickte. »Thera sagt, wenn ich meine
Jungfrauennacht nicht vor Sonnenaufgang erlebe, werde ich sie
niemals erleben.«
Er öffnete den Mund, überzeugt, etwas Vernünftiges
sagen zu wollen, doch er brachte keinen Ton hervor.
Wenn nur nicht ausgerechnet Thera eine ähnliche
Warnung befolgt und nur deshalb überlebt hätte! Diesen
Umstand konnte er nicht einfach von sich weisen.
»Lia …«
»Wenn es dir unangenehm ist, kann ich Talon bitten
…«
Jared erhob sich ruckartig. »Vorher bringe ich ihn
lieber um.«
Lia blinzelte und zog die Stirn in Falten.
Schließlich sagte sie: »Wenn du ihn vorher umbringst, wird das den
Rest nicht ein wenig … schwierig machen?«
»Es wird ihn unmöglich machen«, erwiderte Jared
entschlossen.
»Oh.«
Jared fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.
Sein Körper erinnerte sich noch zu gut daran, wie es sich anfühlte,
sie zu halten, sie zu küssen und sie zu wollen. Sein Herz
sehnte sich danach, sich mit ihr zu vereinigen. Doch in seinem
Verstand stand das Wort Jungfrauennacht wie eine Katze vor
einer zu Tode verängstigten Maus.
Er ließ die Hände sinken. »Ich bin gleich wieder
zurück. Rühr dich nicht vom Fleck.« Er deutete auf einen Sessel.
»Setz dich. Entspanne dich. Konzentrier dich auf deine Atmung oder
sonst etwas.«
Er stürzte aus dem Zimmer.
Draußen im Gang sank Jared kraftlos gegen die
Wand.
Er musste unbedingt Talon finden und ihn um Rat
fragen. Beim Feuer der Hölle, er musste irgendjemanden um
Rat fragen. Bloß weil er ein Lustsklave gewesen war, hieß das
nicht, dass er eine Hexe durch ihre Jungfrauennacht geleiten
konnte. Er hatte schon etliche Hexen gesehen, die im Verlauf
dieser ersten intimen Begegnung zerbrochen worden waren. Sie alle
hatten einen verlorenen, leicht leeren Blick in den Augen.
Jegliches Feuer, das in ihrem Herzen gebrannt hatte, war unter dem
Körper eines Mannes zum Verlöschen gebracht worden.
Er würde es bestimmt nicht ertragen, jenen
verlorenen, leeren Blick in Lias Augen zu sehen, wenn etwas
schiefginge.
Ach ja, Hexen gewöhnten sich an den Verlust ihrer
Juwelen und ihrer Kunst. Diejenigen aus Adelsfamilien wurden
verheiratet. Er war sich nicht sicher, was für ein Leben die
anderen ertragen mussten. Sie gewöhnten sich daran. Doch sie waren
nie wieder ganz. Viele verblassten immer mehr, bis nur noch
eine leere Hülle übrig blieb, die das normale Leben nachahmte.
Manche verloren den Verstand. Keine von ihnen konnte mehr als ein
Kind empfangen, nachdem sie gebrochen worden war, und mehr als die
Hälfte dieser Schwangerschaften endete mit einer frühen
Fehlgeburt.
In seiner Jugend hatte er es ungerecht gefunden,
dass gebrochene Hexen nicht nur ihre Juwelen verloren, sondern auch
die Fähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen. Doch nachdem er in den
Territorien gelebt hatte, die in Haylls Schatten standen,
bezweifelte er, ob auch nur eine von ihnen diese Unfruchtbarkeit
bereute. Es lag nicht in der Natur einer Hexe, eine Gesellschaft
mit Nachwuchs zu versorgen, die sie letzten Endes als ihr gegenüber
feindlich gesinnt betrachten musste.
Jared stieß sich von der Wand ab. Talon und er
hatten den frühen Nachmittag damit verbracht, die Sitzbänke aus den
beiden kleinen Kutschen zu entfernen, damit mehr Leute
hineinpassten, während Yarek das Beladen mit den Vorräten
beaufsichtigt – und einen sicheren Ort für die sechs
Honigbirnbäumchen gefunden hatte, auf deren Mitnahme Lia bestanden
hatte.
Ein paar von Talons Männern wussten, wie man eine
Kutsche lenkte – der Dunkelheit sei Dank! – sodass sie keine
Zeit mehr dafür aufwenden mussten, weitere Kutscher zu
suchen.
Mit etwas Glück kümmerte Talon sich gerade um etwas
anderes, das für ihre Abreise fertiggestellt werden musste, und es
würde eine Zeit lang dauern, ihn zu finden. Bis dahin hätte Lia
sich die Sache vielleicht schon wieder anders überlegt.
Er schüttelte den Kopf. Nicht mit Theras Warnung im
Ohr.
Bevor er auch nur zwei Schritte tun konnte, bog
Talon um die Ecke.
Mit einem Stöhnen ließ Jared sich wieder gegen die
Wand sinken.
»Immer noch aufgebracht?«, wollte Talon mit einem
Blick auf die Schlafzimmertür wissen.
»Nicht wirklich«, murmelte Jared.
Talons Augen verengten sich. »Geht es ihr
gut?«
»Es geht ihr bestens.« Jared sah Talon in die
Augen. »Sie will ihre Jungfrauennacht erleben.«
Talon starrte ihn mit offenem Mund an.
»Jetzt?«
»Ja, jetzt. Ich war gerade auf dem Weg zu
dir.«
Jared fühlte sich ein wenig besser, als sich nun
auch Talon matt gegen die Wand sinken ließ.
Talon rieb sich mit der Hand über die Brust. »Sie
will, dass ich …«
»Nein«, erwiderte Jared eine Spur zu rasch.
Ein langsames, boshaftes Lächeln umspielte Talons
Mundwinkel. »In dem Fall frage ich mich, Krieger, was du hier
draußen zu suchen hast, wo sich die Frau und das Bett doch da
drinnen befinden?«
Jareds Gesicht überzog sich mit heißer Schamesröte.
Er verlagerte sein Gewicht, sodass er mit dem Rücken ganz an der
Wand lehnte. »Ich bin Lustsklave gewesen, seit ich achtzehn
war.«
Talon nickte verständnisvoll. »Das ist eine lange
Zeit, um alle Spiele kennenzulernen, ohne je Intimität oder Freude
erfahren zu haben. Und in dem Alter … Beim Feuer der Hölle,
wahrscheinlich kannst du die Male, die du wirklich mit
einer Frau zusammen warst, an deinen Fingern abzählen!«
»Alle meine Finger bräuchte ich dazu gar nicht,
eine Hand würde schon genügen.«
Talon massierte sich die Stirn. »Mutter der Nacht,
du bist ja selbst noch eine halbe Jungfrau. Bist du dir sicher,
dass du das hier tun willst?«
Jared starrte die gegenüberliegende Wand an. »Sie
hat mich darum gebeten.« Er hielt inne. »Würdest du es als deine
Pflicht ansehen, eine Hexe durch die Jungfrauennacht zu
geleiten?«
Talon versteifte sich. »Ich würde es als Ehre
betrachten.«
Zufrieden nickte Jared. »Du hast so etwas schon
einmal getan?«
»Ein paarmal. Es ist sicherer, wenn der Mann ein
dunkleres Juwel trägt als die Frau.«
Talon lehnte sich bequemer an die Wand und
verschränkte die Arme. »Im Grunde ist es gar nicht so
schwierig.«
»Es ist gefährlich«, widersprach Jared.
»Das kann es sein, wenn du vergisst, warum du im
Bett bist – oder wenn sie in Panik gerät.«
Tja, das war ihm nun wirklich eine große
Hilfe!
In weniger als fünf Minuten hatte Talon ihm
erklärt, was er in der Jungfrauennacht zu tun hatte.
»Das ist alles?«, fragte Jared.
Talon zuckte mit den Achseln. »Das ist alles. Geh
es einfach langsam an. Lass sie sich an jeden Schritt gewöhnen,
bevor du weitergehst. Dann wird schon nichts schiefgehen.«
Jared blickte den Gang hinab.
»Komm schon«, sagte Talon mit einem Lächeln. »Ich
bleibe hier und sorge dafür, dass sie nicht ausreißen kann.«
Jared atmete tief durch und ging dann auf das
Badezimmer am Ende des Ganges zu.
Nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, hielt er
inne und roch an sich selbst. Kopfschüttelnd zog er sich aus.
Mitten
in dem raschen Bad, das er nahm, ging ihm auf, dass er die
Herausforderung, die ihm unmittelbar bevorstand, längst akzeptiert
hatte. Jetzt fühlte er sich ruhiger.
Mehr als das.
Er trocknete sich ab und ließ die verschwitzten
Kleidungsstücke verschwinden, in denen er zuvor gearbeitet hatte.
Dann rief er die Hose herbei, die Daemon ihm gegeben hatte, und zog
sie an. Es war unsinnig, sich weiter anzukleiden, dachte er, als
sich seine Hand um das rote Juwel schloss, das an seinem Hals hing.
Er ließ seine Hände über die Hose gleiten. Behielten Kleider etwas
von dem Menschen an sich, der sie getragen hatte? Im Augenblick
hätte er nichts dagegen gehabt, ein paar von Daemons Fähigkeiten im
Schlafzimmer in sich aufzunehmen.
Jared schloss die Augen und atmete tief durch. Er
stellte sich vor, wie Daemons Hände lockend und liebkosend über den
Körper einer Frau glitten. Diese Bewegungen wurden zu einem
langsamen, köstlichen Tanz, dem eine Frau hilflos ausgeliefert war.
Der Wechsel von kühlem Wasser zu Feuer verlief so subtil, dass sie
das Flammenmeer erst gewahrte, wenn es sie längst in glühender Lust
verzehrte.
Lächelnd kehrte Jared zu der Schlafzimmertür
zurück.
Talon bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick.
Dann erwiderte er das Lächeln und ging den Flur entlang. An der
Ecke hob er die Hand. Im nächsten Moment blockierte ein
saphirblauer Schild den Gang.
»Auf diese Weise bleibt ihr ungestört«, sagte
Talon. Er salutierte nachlässig zum Abschied und ging.
Jared atmete ein letztes Mal tief durch, dann
öffnete er die Schlafzimmertür.
Lia saß in dem Sessel und spielte nervös an ihrem
Pullover herum.
Jared lehnte sich an die Tür und lächelte, als sie
durch ihre Wimpern hindurch zu ihm hinüberspähte.
»Jetzt tu nicht so, als hättest du mich noch nie
zuvor so gesehen«, sagte Jared, der ihre schüchterne Scham
insgeheim bezaubernd fand.
»Das war etwas anderes«, murmelte Lia und senkte
den Blick auf ihre nackten Füße hinab.
Jared atmete ein weiteres Mal durch …
… und konnte die Trommeln hören.
Er hörte die Stimme der Priesterin, die sich aus
der Dämmerung erhob und die Männer zum Tanz rief.
Seine Nüstern blähten sich. Sein Blut geriet in
Wallung. Die Anspannung fiel von ihm ab, als Verlangen seinen
Körper durchflutete.
Er warf dem Kamin einen Blick zu. Das Holz, das
dort bereitlag, um dem Zimmer die Abendkühle zu nehmen, begann zu
brennen.
Mit einem knappen Wink sorgte er dafür, dass sich
die Vorhänge schlossen. Nun erhellte nur noch das junge Feuer das
Zimmer und verwischte sämtliche scharfen Linien, bis es gar keine
Linien mehr gab, bis die Wände zu verschwinden und sich in die
Unendlichkeit auszudehnen schienen.
Mit einem weiteren Wink ließ er alle Möbelstücke
außer dem Bett und den kleinen Tischchen zu beiden Seiten
verschwinden.
Lia stieß ein Jaulen aus, als sie auf dem Fußboden
landete. »Jared, was …«
»Kannst du die Trommeln hören, Lia?«, wollte er
leise wissen.
»Ich …«
»Kannst du sie hören? Wie der Herzschlag des
Landes. Oder der Herzschlag des shaladorischen Volkes.« Er streckte
ihr die Hände entgegen. »Lass mich dir den Tanz des Feuers
zeigen.«
Er hob sie hoch und zog sie eng an sich. Ihr Herz
schlug im Stakkato. Ihre kalten Hände stemmten sich gegen seine
Taille.
Er hielt sie einfach nur und ließ den Blick über
ihr Gesicht wandern.
Als sie aufhörte, ihn von sich zu stoßen, senkte er
langsam den Kopf, die Lippen zum Kuss geöffnet.
Sie bog sich zurück, um seinen Lippen zu entgehen,
was
ihm ein Lächeln entlockte, weil sie ihre Hüften auf diese Weise
nur fester an die seinen presste.
Da sie ihm nicht den Mund darbot, begnügte er sich
mit ihrem Hals. Sanfte Küsse. Zärtliches Saugen.
Seine Zunge leckte über ihre Lippen.
Ihre Hände klammerten sich an seiner Taille
fest.
»Kannst du sie hören, Lia?«, fragte er, als er
ihren Mundwinkel mit der Zungenspitze liebkoste.
»Ich … ich kann etwas schlagen hören.« Ihre Stimme
klang nun heiser.
»Die Trommeln.« Jared strich mit den Lippen über
die ihren.
Ihre Augen waren dunkler Rauch. »Ist da auch ein
Gesang?«
»Ja«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Hör ihr zu. Folge
ihr. Der Tanz des Feuers kommt, sobald ihre Stimme
verstummt.«
Er bedeckte ihren Mund mit dem seinen und ließ sie
beide inmitten der Trommelschläge und der Stimme und der nach
Moschus riechenden Dämmerung versinken.
Dann trat er zurück und zog sie in die Mitte des
Zimmers.
Lia zupfte an ihrem Pullover. »Es ist warm hier
drinnen.«
»Zieh dich aus«, schlug Jared leise vor und
umkreiste sie, wobei seine Füße automatisch dem vorgegebenen
Schrittmuster folgten.
Lia warf den Pullover beiseite. Sie schnaufte
schwer. »Vielleicht sollten wir ein Fenster öffnen.«
»Vielleicht solltest du auch dein Hemd ausziehen.«
Er streichelte ihr mit den Fingerspitzen den Arm hinab, als er an
ihr vorüberglitt. »Das Feuer muss heiß sein.«
Sie machte sich am ersten Knopf zu schaffen. Da
erstarrte ihre Hand. Ihr Blick fand seine goldene Brust, die nicht
nur aufgrund der Zimmertemperatur glänzte.
»Lass mich dir helfen.« Jared gab ihr einen
federleichten Kuss, während er ihr mithilfe der Kunst sämtliche
Knöpfe öffnete. Er strich das Hemd auseinander, ließ es über ihre
Schultern, über ihren Rücken gleiten.
Sie keuchte leise auf.
»Sieh mir zu.« Er trat in den Kreis zurück. »Schau
dir den Tanz an.«
»Solltest …« Sie stieß stoßweise den Atem aus aus.
»Solltest du nicht nackt sein, wenn du das tust?«
Er ließ die Hose verschwinden.
Sie schluckte und versuchte, auf ihre Füße
hinabzustarren, doch er hatte sie schon zu weit mit sich gezogen.
Also hob sie den Kopf und sah ihm beim Tanzen zu, beobachtete das
Spiel der Muskeln, wie er lächelte, als er die Hüften bewegte. Vor
ihren Augen wurden die Schatten um ihn her zu weiteren
Tänzern.
Jared lauschte auf die Trommelschläge und steigerte
das Tempo, kam ihr so nahe, dass er sie immer wieder leicht
berührte, trat dann wieder zurück, um den Kreis auszudehnen.
Sie drehte sich in der Mitte des Kreises, wobei
ihre Blicke ihm folgten, da sie nun nicht mehr zu schüchtern war,
um einem Mann zuzusehen, der seine Männlichkeit feierte.
Als die Trommelschläge schwächer wurden, schlang
Jared einen Arm um Lias Taille und wirbelte sie durch den Raum, bis
sie das Bett erreichten.
Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste
sie lang und leidenschaftlich.
»Lass mich dir den restlichen Tanzes des Feuers
zeigen«, sagte er mit heiserer Stimme.
Sie erwiderte nichts. Doch der Blick in ihren Augen
war ihm Antwort genug.
Langsam zog er sie aus, lockte sie ins Bett und
legte sich neben sie.
Sie rückte ein wenig zur Seite, um nicht mit der
Hüfte an sein pulsierendes Glied zu stoßen.
Er folgte ihr.
»Es wird alles gut werden«, sagte er. Seine Hand
glitt ihren Arm hinab und wieder zurück. »Es wird alles gut.«
Während er mit den Lippen über die ihren strich,
berührte sein Geist leicht ihre inneren Barrieren.
Sie zog sich mit einem Keuchen zurück.
Jared murmelte süßes Liebesgeflüster, während er
sie küsste und liebkoste.
Zuvor hatte er jedes Mal sexuelles Vergnügen
bereitet, um einer schmerzhaften Strafe zu entgehen. Jetzt tat er
es, weil es ihm selbst Lust bereitete. Er erkundete ihren Körper,
ganz fasziniert von den zitternden Muskeln, die sich allmählich
unter seinen sanften Berührungen entspannten. Er schmeckte sie,
rieb sich an ihr, um ihren Duft an seiner Haut zu riechen.
Insgeheim musste er lachen, als sich ihre Finger in seinem Haar
vergruben, weil sie seinen Mund an ihrer Brust halten wollte. Es
gefiel ihm, wie ihr Körper sich dem Finger entzog, der sie sanft
zwischen den Beinen streichelte, und sich ihm gleichzeitig
entgegenbog.
Und während er mit der Verführung ihres Körpers
beschäftigt war, strich er die ganze Zeit über an ihren inneren
Barrieren vorüber, bis sie sich so sehr an seine Gegenwart gewöhnt
hatte, dass sie gar nicht mehr darauf reagierte.
Dann begann er den Abstieg in den Abgrund. Tiefer,
tiefer, immer tiefer, während sein Mund und seine Finger ihr leise
den Verstand raubten und ihre Hände ein loderndes Feuer in ihm
entfachten.
Tiefer, tiefer, immer tiefer, bis er unter ihre
inneren Barrieren geschlüpft war und das leuchtende grüne Netz
ihres Selbst sehen konnte.
Jared schwebte aufwärts. Vorsichtig, behutsam
strich er an einem Strang ihres inneren Netzes vorbei und berührte
ihn leicht.
Ihr Körper verspannte sich. Schlug um sich.
Er rollte sich seitwärts und legte sich halb auf
sie, damit sie stillhielt.
*Es ist alles in Ordnung, Lia.* Er berührte den
Strang erneut.
*Ja*, antwortete sie, doch ihr Körper erschauderte,
und sie klang alles andere als überzeugt.
Jared befolgte Talons Anweisungen und ließ seine
rote Kraft vorsichtig zwischen den Strängen ihres Netzes
hindurchströmen und bildete darüber einen Schild. Deshalb,
hatte Talon erklärt, war es besser, wenn der Mann ein dunkleres
Juwel als die Frau trug. Wenn die Hexe in Panik geraten und
versuchen sollte, in den Abgrund hinabzusteigen, wäre sie auf diese
Weise nicht in der Lage, an dem Schutzschild vorbeizukommen und ihr
eigenes inneres Netz zu zerreißen, ohne es selbst zu wollen.
Als er fertig war, küsste er sie – und zuckte
überrascht zurück.
»Was …«, setzte Lia an, die Augen vor Schreck
geweitet.
Jared streichelte ihre Brust und konnte die
Liebkosung selbst spüren.
Sie zog seinen Kopf zu sich herab und küsste ihn
mit einer Leidenschaft, die ihn, zusammen mit dem Verlangen, das er
bereits empfand, schier um den Verstand brachte.
Dies war die verführerische Gefahr, dachte Jared,
als er sie erneut küsste. Wenn sich ein Mann innerhalb der inneren
Barrieren einer Frau befand, konnten ihn die Sinneseindrücke, die
ihn überfluteten, weil er gleichzeitig Gebender und Nehmender war,
derart mit sich reißen, dass er nicht mehr zwischen ihrem Körper
und dem seinen unterscheiden konnte.
Er rollte sich ganz auf sie. Fühlte, wie sein
Körper sie niederdrückte. Konnte das Bett unter ihrem Rücken
spüren. Konnte spüren, wie er in sie eindrang, bis er an das
körperliche Hindernis gelangte.
Jared vergrub sein Gesicht an ihrem Hals.
Schwer atmend packte Lia ihn an den Schultern. »Tu
es.«
»Lia …«
»Tu es.«
Er stieß zu.
Und spürte den Schmerz ebenso wie das körperliche
Vergnügen.
Einen Augenblick lang schien die Welt um sie her
einzustürzen und sie unter einem Schauer aus Sinneseindrücken zu
begraben.
Er wollte erneut zustoßen und das Vergnügen
spüren.
Gleichzeitig hatte er entsetzliche Angst vor dem
Blut, das ihn bedeckte.
Lia vergrub die Nägel so tief in seinen Schultern,
dass die Haut aufriss. Sie schrie vor Schmerz.
Tief in ihr, gleichzeitig nehmend und genommen,
zwang Jared sich, reglos zu verharren, während sie warteten, bis
das Gefühlschaos um sie her abklang und die Welt sich wieder normal
weiterdrehte.
Da erkannte er, dass er jederzeit beiseite treten
konnte. Dass er in der Lage war, so viel Abstand zu bewahren, dass
er von dem Gefühlssturm nicht hinweggefegt werden würde.
Auf diese Weise konnte ein Mann, der Juwelen
trug, eine Hexe zerbrechen. Er ließ sie in den dunklen Tiefen der
dualen Sinneseindrücke versinken, während er selbst im ruhigen
Sturmzentrum verharrte. Und dann verursachte er ihr kein Vergnügen,
sondern Schmerz. Die Hexe wurde zu ihrer eigenen Feindin und hatte
das Gefühl, sich selbst Schmerz zuzufügen. Dieser Konflikt brachte
sie derart aus dem Gleichgewicht, dass sie zu fliehen versuchte,
doch die Schmerzen folgten ihr und trieben sie in die eigene
Zerstörung.
Diese Erkenntnis ließ ihn erzittern.
»Jared.« Lia schlang die Arme um ihn. »Jared?« Sie
bewegte sich unter ihm.
Verzweifelt versuchte er, die Selbstbeherrschung zu
finden, die es ihm erlauben würde, sich so weit zurückzuziehen,
dass die Sinneseindrücke ihn nicht vollständig mit sich reißen
würden, dass er nicht ganz die Kontrolle verlöre.
»Jared«, murmelte Lia und streichelte ihm sanft
über den Rücken. »Bitte.«
Selbst wenn er sich von ihrem Körper hätte
entfernen können, so war er doch nicht in der Lage, sich Lia
zu entziehen.
Also umgab er sie schützend mit seiner Kraft –
Körper, Geist und Herz – und unterwarf sie beide dem Vergnügen des
Feuers.