Kapitel 8
Krelis starrte auf den verzauberten Messingknopf
in seiner Hand und richtete den Blick anschließend auf den
beklommenen Wächter. »Bist du dir sicher?«
Die Miene des Wächters verfinsterte sich. »Ich habe
keinen Fehler begangen, Lord Krelis.«
Krelis winkte mit der Hand, eine indirekte
Entschuldigung, weil er die Fähigkeiten des Mannes in Zweifel
gezogen hatte. In seiner Stimme klang Verdrossenheit mit. »Was im
Namen der Hölle tut sie bloß?«
Der Wächter zuckte die Achseln. »Weniger als eine
Meile von dem Gasthaus befindet sich eine Kutschstation – aber
genau neben der Kutschstation gibt es ein viel besseres Gasthaus,
wenn sie vorgehabt hätte, Fahrkarten zu kaufen und zum
Tamanaragebirge zu fahren.«
Doch genau das hätte das Miststück tun
sollen!
»Der Besitzer des Gasthofes war sich sicher, dass
es sich um die Graue Lady handelte?«
»Eine alte Königin, ganz in Grau gekleidet, mit
zwölf Sklaven. Den Knopf habe ich im Trakt für die Dienstboten der
Gäste gefunden, weil die Sklavenquartiere angeblich nicht bequem
genug für ihre neuen Spielzeuge gewesen sind. Vielleicht versucht
sie, den Königinnenmörder mit Zuckerbrot anstatt der Peitsche zu
zähmen.«
Das Blut gefror Krelis in den Adern. »Welcher
Königinnenmörder?«
»Der shaladorische Lustsklave, der vor ein paar
Wochen völlig außer Kontrolle geraten ist. Eigentlich wäre er in
den Salzminen von Pruul gelandet, aber sie hat ein Auge auf ihn
geworfen.«
Langsam atmete Krelis aus. Narr! Er hatte die Liste
der Sklaven bereits zu Gesicht bekommen, und der Sadist stand nicht
darauf. Außerdem verkaufte die Hohepriesterin lediglich Sadis
Dienste. Ihn selbst würde sie niemals veräußern – und sie würde
niemals einer gefährlichen Feindin Macht über einen Mann gestatten,
der derart tödlich war.
Der Name auf der Liste war ihm unbekannt gewesen,
doch er hatte von dem Gemetzel gehört, das der shaladorische
Krieger angerichtet hatte. Würde sich das als Vorteil
herausstellen? Ein Mann mit dunklen Juwelen, der einmal wild
geworden war, ließ sich nicht so leicht wieder zähmen. Vielleicht
hasste er die nächste Hexe, die ihn an der Leine hielt, sogar
genug, um sie auch ohne Provokation brutal anzugreifen. Es war
äußerst zweifelhaft, ob er überleben würde, wenn er sich mit grauen
Juwelen anlegte – wobei es keinen Verlust bedeutete, wenn er starb
-, doch wenn es ihm gelang, sie zu schwächen, wäre es zumindest ein
Stück einfacher, das Töten zu Ende zu bringen, wenn sie die Graue
Lady erst einmal gefunden hatten.
»Ganz in ihrer Reichweite befindet sich eine
Kutschstation, von der aus sie das Territorium verlassen könnte,
das in Haylls Schatten steht. Stattdessen kauft sie einen alten
Hausiererwagen, ein paar Zugpferde, zwei Reitpferde und Vorräte.«
Krelis Stimme wurde lauter. »Wozu? Was hat das Luder vor?«
Der Wächter zuckte erneut mit den Achseln. »Sie hat
die Straße in Richtung Nordosten eingeschlagen. Zumindest hat das
der Gastwirt gesagt. Von dort zweigen viele Nebenstraßen nach
Westen und Nordwesten ab. Sie könnte die Richtung geändert haben.
Es hat dort viel geregnet. Schnell kann sie nicht vorankommen, und
sie hat viel Gepäck dabei. Der Wagen ist voller Vorräte.«
Krelis’ Hand schloss sich um den Knopf. »Das alles
erklärt noch immer nicht, was sie vorhat!«
Der Wächter trat von einem Bein auf das andere.
»Vielleicht ist der Angriff im Frühjahr erfolgreicher gewesen als
ursprünglich angenommen. Sie ist eine alte Frau.«
Krelis ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen.
»Es war ein heftiger Angriff.« Im vergangenen Frühling war
die Graue Lady zwar entkommen, doch die Kräfte, die gewaltsam
entfesselt worden waren, hatten sie vielleicht geschwächt. Wanderte
sie am Ende gar ziellos durch die Gegend, in dem irrigen Glauben,
auf das Tamanaragebirge und damit eine sichere Zuflucht
zuzusteuern?
Krelis ließ den Messingknopf in seiner Tasche
verschwinden. Zumindest hatte er nun etwas, um Bericht erstatten zu
können. »Gib den Räuberbanden Bescheid, wo sie zuletzt gesehen
wurde. Sie kennen die Gegend dort bestimmt besser als wir.«
Nachdem Krelis den Wächter fortgeschickt hatte,
ließ er sich in seinen Sessel fallen. Bisher ging sein Plan auf.
Wenn sein Schoßhund jedoch nicht den verzauberten Knopf
zurückgelassen hätte, wäre es jetzt völlig ahnungslos, wo er mit
der Suche nach ihr beginnen sollte.
Dieser shaladorische Krieger bereitete ihm ein
wenig Kopfzerbrechen. Sie hatte keinen Grund gehabt, die
Sklavenpferche aufzusuchen, und erst recht nicht, ihn zu kaufen.
Schließlich hatte sie bereits zuvor einen Lustsklaven erstanden.
Einen weiteren hätte sie nicht gebraucht, besonders keinen, der
schon einmal außer Kontrolle geraten war.
Oder hatte sie ihn in der Absicht ersteigert, ihn
einer shaladorischen Königin zu geben, damit diese ihr dabei helfen
würde, das Tamanaragebirge zu erreichen?
Krelis lächelte boshaft.
Sollte ihr Plan darin bestehen, Hilfe von Shalador
zu erhalten, würde diese zu spät kommen.
Viel zu spät.