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Woher hatte seine Tochter nur das Geld für ihre neue Zimmereinrichtung? Diese Frage ließ Kükenhöner seit Samstagabend nicht mehr los.

Als er die ausrangierten Möbel gesehen hatte, die am Morgen noch in Marens Zimmer gestanden hatten, war er wutentbrannt ins Haus gestürzt. Er hatte seine Tochter angeschrien und sie ihn.

Nachdem sich beide ein wenig beruhigt hatten, bekam er von seiner Tochter erklärt, dass ihr die Mädchenmöbel in ihrem Zimmer schon lange auf die Nerven gingen. Sie habe sich daher eine neue Zimmereinrichtung gekauft, die heute geliefert werden sollte.

Als Kükenhöner anmerkte, dass die Möbel, die sie vor die Tür gestellt hatte, noch fast neu seien und er keine Lizenz zum Gelddrucken habe, hatte er nur ein: »Ist mir doch egal«, zu hören bekommen. Und auf die Frage, wo sie denn das Geld für die Neuanschaffung hernehmen wolle, denn von ihm bekomme sie keinen müden Euro, kam nur ein gelangweiltes: »Hab selber Geld.«

Danach war Funkstille. Kükenhöner hatte gedroht, gebettelt, geschrien und getobt, doch ohne Erfolg. Seine Tochter redete seitdem nicht mehr mit ihm. Langsam, aber sicher machte er sich ernsthaft Sorgen um seine Tochter. Da ist doch was faul, dachte er.

In diesem Moment hastete Linda Klocke in sein Büro und störte ihn bei seinen Grübeleien.

»Bingo! Langsam kommt Licht ins Dunkel!«, berichtete sie aufgeregt. »Wir haben die Ergebnisse der DNA-Analysen. In zehn Minuten treffen wir uns im Besprechungsraum.«

Kükenhöner sah Linda Klocke stumpf an. Was für DNA-Analysen? Doch die Kollegin war so aufgekratzt, wie er sie noch nie erlebt hatte. Schließlich stemmte er sich aus seinem Schreibtischstuhl hoch und folgte ihr gemächlich. Mit jedem Meter, dem er sich dem Besprechungsraum näherte, stieg seine Neugierde.

Irgendwie ahnten anscheinend alle beteiligten Polizisten, dass sie vor einem Durchbruch standen. Kükenhöner betrat den Raum als Letzter. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, da legte Linda Klocke auch schon los.

Sie berichtete, dass sie von Schwiete den Auftrag bekommen habe, Irina Koslow einen weiteren Besuch abzustatten und in dem Zusammenhang eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Da sie nicht auf einen richterlichen Beschluss habe warten wollen, sei sie gleich am Samstag noch einmal zu Frau Koslows Wohnung gefahren. Zwar habe sie die Bewohnerin nicht angetroffen, sich aber Zutritt zur Wohnung verschafft.

Schwiete sah sie mit gerunzelter Stirn an. Er war kein Freund von nicht-autorisierten Aktionen. Schon gar nicht, wenn der Staatsanwalt besonders genau hinsah, dass alles mit Recht und Ordnung zuging.

Doch Linda Klocke winkte ab. Sie habe sich einfach Sorgen gemacht. Schließlich sei Irina Koslow angeblich schon seit Mittwoch wieder in Deutschland und sei seitdem von niemandem gesehen worden. Linda Klocke wollte einfach ausschließen, dass Frau Koslow womöglich tagelang tot in ihrer Wohnung lag, während die Polizei vergeblich versuchte, sie zu erreichen und immer wieder unverrichteter Dinge abzog.

»Na, jedenfalls war die Wohnung leer. Ich meine, es war niemand anwesend«, gab sie lapidar zum Besten.

Rein zufällig habe sie ein paar Haare gefunden und untersuchen lassen, berichtete sie weiter, um anschließend eine rhetorische Pause zu machen.

Die Anwesenden begannen mit den Füßen zu scharren.

»Die DNA der Haare, die ich in Frau Koslows Wohnung gefunden habe, ist identisch mit der DNA der toten Frau, die in dem explodierten Haus umgekommen ist.«

Einige Sekunden war es totenstill im Raum, dann redeten alle durcheinander. Das Tohuwabohu steigerte sich noch, als ein Handy jämmerlich wimmerte. Schwiete hatte vergessen, seines abzustellen. Er nahm das Telefongespräch widerwillig an, um den Anrufer auf später zu vertrösten. Doch der ließ sich anscheinend nicht abwimmeln.

»Nein, Herr Künnemeier, es geht jetzt wirklich nicht«, sagte Schwiete eindringlich, hörte dann aber doch zu.

»Was sagen Sie?«, fragte er dann, immer aufgeregter werdend, nach. »Sie behaupten, Johannes Winter habe die Frau, die bei dem Rentnerehepaar ihre Katze abgegeben hatte, kurz nach der Explosion zum Flughafen gefahren? Und sie sagen, Herr Winter habe ein Bild von der Frau? Ich fasse es nicht!«