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Die Kaffeemaschine sorgte für brodelnde und zischende Geräusche. Das Ergebnis war eine braune Brühe, die Tropfen für Tropfen in einer Tasse landete. Gleichzeitig breitete sich dieser wunderbare Duft in der Küche aus, der, so empfand es jedenfalls Kükenhöner, die angenehme Seite des Lebens repräsentierte.
Es war eine Scheißnacht gewesen. Er hatte nur eine Stunde geschlafen, und jetzt saß er schon wieder in seiner Küche und musste sich um die eigene Brut kümmern. Und das Ganze nur, weil seine Frau sich auf einem Egotrip befand. Es war einfach zum Davonlaufen.
Doch der Kaffee versöhnte ihn ein bisschen. Wie schrecklich wäre es, sinnierte er, wenn er den Geruchsinn verlöre und ihm der Duft von frischem Kaffee verwehrt bliebe?
»Papa, auch wenn die Dortmunder nicht mehr Deutscher Meister werden, gewinnen die bestimmt die Champions League, da wette ich drauf.« Sein zehnjähriger Sohn stand in der Tür. Kükenhöner war stolz auf ihn. Der Junge war einer der Besten in der E-Jugendmannschaft des FC Dahl/Dörenhagen.
Seine Frau ging seit August wieder arbeiten und versuchte ihn seitdem dazu zu bewegen, die Hälfte der Verantwortung für die Familie und die Hälfte der Hausarbeit zu übernehmen. Das führte im Moment zu ständigen Streitereien. Wenn er es sich recht überlegte, musste er sich eigentlich immer dem Diktat der weiblichen Familienmitglieder unterwerfen. Kükenhöners Argument, er besorge schließlich das Geld, von dem die ganze Familie gut leben könne, entlockte seiner Frau und seinen Töchtern lediglich ein verächtliches Lächeln.
Christine, seine Älteste, wurde nächsten Monat achtzehn und ging meist ihre eigenen Wege. Kükenhöner hatte es aufgegeben, ihr erzieherisch zur Seite zu stehen. Seitdem kam er einigermaßen mit ihr aus.
Die fünfzehnjährige Christine hingegen steckte mitten in der Pubertät. Bemalt wie ein Sioux-Indianer und ausgestattet mit einem Parfümgeruch, der die Blumen auf der Fensterbank erblassen ließ, betrat sie die Küche.
»Oh Mann, ey, schon wieder kein Müsli da?«, moserte sie. »So ein Fuck, ey.«
Kükenhöner musste sich zusammenreißen. »Dann iss ein Butterbrot!«, versuchte er seine aufsteigende Wut zu unterdrücken.
»Nee, das macht dick!«, entgegnete sie patzig.
»Dann eben nicht.«
»Haste mal einen Zehner?«
»Nee!«
»Oh, fuck, ey, Papa! Ich brauch Geld für Passbilder!«
»Wozu brauchst du Passbilder?«, fragte Kükenhöner trotzig. Er wollte dieser verzogenen Göre nicht schon wieder Geld in den Rachen schmeißen. Vielleicht hatte es doch sein Gutes, überlegte er, dass er bei seinen Kindern mal die Möbel geraderückte. Seine Frau ließ ihnen einfach zu viel durchgehen.
»Für einen Schülerjob!«
Hatte Kükenhöner richtig gehört? Wollte seine etwa Tochter arbeiten? Begann heute der erste Schritt in Richtung Erwachsenwerden?
»Schülerjob? Was für ein Schülerjob?«
»Beim ASP«, kam es genervt über Marens Lippen.
»ASP?«, hakte Kükenhöner nach und kramte nach seinem Portemonnaie.
»Abfall- und Stadtreinigungsbetrieb Paderborn, Grüne Tonnen kontrollieren«, antwortete seine Tochter in einem Tonfall, der Kükenhöner vermuten ließ, dass sich Eisblumen auf dem Küchenfenster bilden würden, sollte er weiter insistieren.
Kopfschüttelnd legte er einen Zehner auf den Tisch. Eigentlich wollte er noch sagen: »Ziehe ich dir vom nächsten Taschengeld ab«, doch als er aufsah, um Blickkontakt aufzunehmen, waren Geldschein und Tochter schon im Hausflur verschwunden.