An der Rezeption des Madre Tierra nehme ich eine Nachricht in Empfang, die mich das Schlimmste befürchten lässt.
»Bitte dringend bei Ihren Eltern anrufen.«
Mir jagt ein Schauer über den Rücken, ähnlich fühle ich mich, wenn sehr spät abends noch das Telefon klingelt. Zum Glück habe ich gleich eine sehr patent wirkende Krankenschwester an der Strippe. Die Pflegerin meiner Eltern hat das Handtuch geworfen. Von jetzt auf gleich, die Schwester war gerade da, um die Werte zu kontrollieren.
»Was ist denn vorgefallen?«
»Ihre Mutter hat die Medikamenteneinnahme verweigert, woraufhin die Dame meinte, dass sie dann wohl überflüssig sei.«
»Und was hat meine Mutter geantwortet?«
»Sie könne jederzeit gehen.«
»Und?«
»Sie hat ihre Sachen genommen und ist gegangen.«
|128|Ich seufze, und noch bevor mir etwas Schlaues zur aktuellen Lage einfällt, teilt die Krankenschwester mir mit, sie könne gern eine Weile bei meinen Eltern bleiben. Sie habe bereits zu Hause Bescheid gesagt, ihre Kinder seien fürs Erste versorgt. Ich solle unbesorgt sein, sie wisse ja, dass ich in weiter Ferne unterwegs sei, und die alten Herrschaften könne man nicht allein lassen.
Ich bin perplex und weiß vor lauter Dankbarkeit nicht, wie ich angemessen reagieren soll.
»Danke, danke … Mir fällt ein Stein vom Herzen.«
Krankenschwestern und Pflegerinnen haben eine besondere Fähigkeit, die mir abgeht: Sie verstehen sich auf die beneidenswerte Kunst, Verzweiflung zu lindern. Wenn Kinder noch sehr klein sind, nehmen wir uns mit Begeisterung der winzigen Körper an, waschen und wickeln sie, sind immer zur Stelle. Die Pflegerinnen bewahren sich diese Fähigkeit, ohne zwischen Alt und Jung zu unterscheiden. Es tut gut zu wissen, dass die Welt auch dieses menschliche Gesicht hat.