13

Cadeon Woede vom Stamm der Wutdämonen hätte sich lieber mit glühenden Kneifzangen die schwarzen Krallen von den Fingern reißen oder die Hörner abfeilen lassen, als diese Bar zu betreten – eine schäbige Bikerkneipe, die fast ausschließlich von männlichen Dämonen frequentiert wurde.

Aber wenn Cade seinen Bruder und dessen Begleitung nicht hierherbegleitet hätte, wäre er losgezogen, um ihr nachzustellen, und Rydstrom verfolgte seine spätabendlichen Aktivitäten bereits jetzt schon mit Misstrauen. Außerdem hatten sie an diesem Abend ein geschäftliches Treffen mit einer Wahrsagerin.

„Und hier kommt das Täubchen der Stunde“, murmelte Cade, als Nïx in Begleitung einer weiteren Walküre die Bar betrat. Sie waren schon seit Tagen auf der Suche nach Nïx, und schließlich hatte ein gemeinsamer Freund dieses Treffen arrangiert.

Rydstrom wandte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie die beiden zierlichen Frauen von einem Pathosdämonen behelligt wurden. Der Pathosdämon war ein muskelbepackter Biker, sah aber noch jung aus, zu jung, um sich mit den sehr viel älteren Walküren anzulegen.

„Geh zur Seite“, sagte Nïx, die ihn schon gar nicht mehr richtig wahrnahm und an ihm vorbeischaute.

Als er der Aufforderung nicht Folge leistete, spannte sich ihre Begleiterin an. „Los, beweg dich.“ Die Frau trug einen tief ins Gesicht gezogenen Cowboyhut. Jede Wette, dass sich darunter das strahlende Gesicht von Regin der Ränkevollen verbarg, einer Walküre, die keinem Kampf aus dem Weg ging. „Oder spüre den Schmerz.“

„Meine Freundin sehnt sich nun schon seit Wochen nach einer ordentlichen Schlägerei“, sagte Nïx. „Sie ist mittlerweile so weit, dass sie sogar ein unschuldiges Kindergartenkind wegen eines Spielzeugs niederschlagen würde. Also schlage ich vor, du gibst den Weg frei.“

„Aber ganz sicher nich, meine Schönen“, sagte der Dämon im Cockney-Akzent des neunzehnten Jahrhunderts. „Wenn sich so hübsche Dinger wie ihr an ’nen Ort wie den hier verirren, dann schätz ich, habt ihr Sehnsucht nach ’nem Dämon zwischen euern Schenkeln.“

Nïx verdrehte die Augen. „Na, aber immer doch“, sagte sie in gereiztem Tonfall. „Solange er dir nicht ähnlich sieht.“

Der Dämon versperrte Nïx den Weg, indem er seinen Arm direkt vor ihr ausstreckte. „Das is aber wirklich nich nett.“

Cade schüttelte den Kopf. Dieser Idiot hat keine Ahnung, was er da anrichtet.

„Nein“, mischte sich Regin jetzt ein. „Es wäre nicht nett, wenn dir deine knubbeligen Hörner auf einmal aus dem Arsch wüchsen.“

„Sollten wir den Typen nicht warnen?“, fragte Rydstrom.

„Ach, sollen sie den Wichser doch ruhig auseinandernehmen“, erwiderte Cade. „Nach so einer kleinen Keilerei hat die Walküre dann besonders gute Laune.“ Außerdem würde das Spektakel Cade von seiner Obsession ablenken.

Mit einer blitzartigen Bewegung ergriff Nïx die Hand des Pathosdämons und lächelte, wobei sie ihre winzigen Fänge entblößte. Seine Augen weiteten sich, als er endlich – zu spät – erkannte, wen er da vor sich hatte, genau in dem Moment, als sie zudrückte und seine Handknochen zu Staub zermahlte. Er stieß einen gellenden Schrei aus, der einen Verwandten alarmierte, der wiederum so dumm war, sich in den Streit einzumischen.

Rydstroms mit Narben übersätes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. „Es ist nie langweilig, wenn Walküren in der Nähe sind.“

„He, Nïx“, sagte Regin Minuten später, „mein Dämon kreischt wie eine jaulende Hündin, wie schreit deiner?“

„Ebenfalls wie eine jaulende Hündin“, erwiderte Nïx beiläufig. „Nur ohne Eier.“

Während Nïx sein linkes Horn in eine Steckdose rammte, vergnügte sich Regin mit einer ganzen Serie jener heimtückischen Schläge, für die sie bekannt war, bis ihr in dem Durcheinander der Hut herunterfiel. Ihr strahlendes Gesicht ließ alle Umstehenden auf der Stelle zurückweichen. Obwohl Nïx die Ältere und darum Stärkere war, war Regin für ihre boshafte Ader berühmt und berüchtigt.

Die Zuschauermenge verstummte, aber nicht ohne dass der eine oder andere leise vor sich hingeflucht hätte: „Nicht Regin!“

Ein Betrunkener, der in sich zusammengesackt an der Bar saß, murmelte: „Diese leuchtende Tussi hat mich mal gezwungen, ein Transistorradio zu verschlucken.“

Die beiden übel zugerichteten Gegner der Walküren nutzten die Ruhepause, um zu fliehen.

Mit einem Achselzucken hob Regin ihren Hut auf und klopfte den Schmutz ab, um Nïx dann ein strahlendes Lächeln zu schenken. „Nïxie, du warst echt heiß!“

Nïx strich sich ihr schwarzes Haar hinter ihre spitzen Walkürenohren. „Und dein waif fu ist so teuflisch wie immer!“

Wie erwartet, sind die Mädels jetzt bester Laune.

Als er sah, dass die Show vorbei war, erhob sich Rydstrom und ging den beiden entgegen, woraufhin auch Cade aufstand.

„Nïx!“ Während Rydstrom auf sie zuging, beeilten sich selbst hartgesottene Stammgäste der Bar, ihm aus dem Weg zu gehen. Nïx und Regin mussten die Köpfe in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen.

„König Rydstrom“, sagte sie lächelnd, „und hinter dir wie gewöhnlich deine Leibwache, Cadeon der Königsmacher.“

„Kommt doch und setzt euch zu uns.“ Rydstrom führte Nïx zu ihrem Tisch im hinteren Teil, während Regin und Cade ihnen folgten.

„Bitte entschuldigt Cades Söldner.“ Rydstrom deutete auf Cades Begleiter, ohne einen Hehl aus seiner Missbilligung zu machen. „Einige von ihnen halten sich in der Stadt auf. Auf unbestimmte Zeit.“ Rydstrom konnte genauso skrupellos wie Cade und dessen Männer sein, aber er vernachlässigte niemals seine guten Umgangsformen.

Cade fragte sich, wo er die wohl herhatte, denn er besaß so etwas jedenfalls nicht.

Nïx winkte ihnen auf übertrieben fröhliche Weise zu, erhielt als Antwort aber nichts als finstere Blicke. Sie schien zwei von den fünfen zu erkennen: den Rauchdämon Rök, einen Flüchtling, der in zwei Dimensionen mit der Vorgabe gesucht wurde, ihn auf der Stelle zu exekutieren, und Grimslade, der auf dem Stuhl in der finstersten Ecke saß.

Grim, der einer Kriegerrasse von Dämonen angehörte, die unterirdisch unter absolut höllischen Bedingungen aufgezogen wurden, schien fast einen Herzanfall zu bekommen, als Regin sich neben ihn setzte. Sie war sich nicht bewusst, dass es nur zwei Dinge gab, die Grim verabscheute: Helligkeit und Schönheit. Regin verkörperte beides.

Noch während Nïx sich setzte, sagte sie zu Rydstrom: „Mariketa die Auserwählte sagte mir, du willst mich sprechen.“

„Aye, ich brauche deinen Rat.“

Meinen Rat.“ Sie presste ihre Hand auf die Brust. „Aber hast du nicht erst kürzlich gesagt, ich sei eine ‚verrückte Kreatur‘ und ‚etwas weich in der Birne‘? Schluchz, schluchz, Rydstrom. Schluchz, schluchz. Ich war so niedergeschmettert, dass ich auf der Stelle fünf Kilo Eis von Ben & Jerry’s hätte verdrücken müssen, aber das hab ich dann doch nicht getan, weil Walküren nicht essen.“

Rydstrom kniff die Augen zusammen. „Bowen hat dir erzählt, dass ich das gesagt habe?“

„Hallo, ich weiß alles!“

„Dann weißt du auch, dass ich gesagt habe, du wärst eine Schönheit“, sagte Rydstrom mit für ihn untypischer Ruhe.

Sie sah nicht übel aus, aber gab es denn überhaupt eine Walküre, die keine Augenweide gewesen wäre? Cade hatte die erste gesehen, als er gerade neun Jahre alt geworden war. Seitdem faszinierten sie ihn.

Nïx machte sich an ihrem langen Haar zu schaffen. „Auch wenn du mit deiner aggressiven Flirterei nur das Offensichtliche feststellst, sei dir doch vergeben.“ Sie atmete tief aus, wie zum Zeichen der Resignation. „Ich nehme an, jetzt willst du mit mir schlafen.“ Ohne auf Rydstroms wirren Protest zu achten, fuhr sie fort: „Doch leider, mein Großer – ich bin schon vergeben.“

„Nein, bist du nicht“, sagte Regin.

„Bin ich wohl“, sagte Nïx. „Mike Rowe, der Star von Dirty Jobs – Die Arbeit, die keiner machen will, wird sehr bald erkennen, dass ich seine Geliebte bin.“ Sie seufzte verträumt. „Er hat sogar schon seine Anwälte beauftragt, mich zu kontaktieren, natürlich unter dem Vorwand einer“ – sie zeichnete Anführungszeichen in die Luft – „einstweiligen Verfügung.“

Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem inzwischen ziemlich verwirrten Rydstrom zu. „Also, was diesen Rat angeht … Möchtest du deine dir vom Schicksal bestimmte Frau finden oder diesen Thronräuber besiegen, Omort den Unsterblichen? Was würdest du vorziehen? Deine Königin oder die Krone, die dein Bruder an deiner Stelle verloren hat?“

Cade stellte seinen Drink mit einem lauten Knall auf den klebrigen Tisch. Er hatte es vermasselt. Er wusste es, wurde stündlich daran erinnert. Er tat, was er nur konnte, um die Sache wieder ins Lot zu bringen, und versagte jedes Mal.

„Wird man mir das denn nie vergessen?“, stieß er hervor. Sein Unterklassedämon-Akzent war jetzt deutlich zu hören. Für gewöhnlich verbarg er ihn besser.

Er wollte wie sein älterer Bruder sein. Wirklich, nichts lieber als das. Oft stellte er sich vor, wie es wäre, respektiert zu werden, begehrt wegen seiner Weisheit und Objektivität. Doch stattdessen war er laut Rydstrom „brutal, impulsiv und töricht“.

Cades Leute verdient Geld damit, dass sie die Dinge taten, vor denen normale Bösewichte zurückschrecken würden. Seine Persönlichkeit verfügte einfach nicht über diese moralischen Skrupel.

Aber es ist auch nicht so, als ob Rydstrom keine Geheimnisse hätte. Und Cade war ungewollt in einige davon eingeweiht. Es gab bestimmte Dinge, die König Rydstrom dazu brachten, auf geradezu katastrophale Art und Weise die Fassung zu verlieren.

„Nein, ich hab’s überprüft. Das wird dir wohl ewig anhängen“, sagte Nïx mit der ganzen Autorität einer Hellseherin, die sich noch nie geirrt hatte – nicht ein Mal in wenigstens dreitausend Jahren.

Die anderen Dämonen grinsten, abgesehen von Grim, der Regin nervöse Blicke zuwarf und geistesabwesend mit seinen Klauen Löcher in den Tisch bohrte.

Rydstrom machte Cade offen dafür verantwortlich, dass er seine Krone verloren hatte, und Cade hatte sich nie dafür entschuldigt. Cade vermutete, dass die meisten Brüder ein Gespräch der Art „Tut mir leid“, gefolgt von „Ach, das kriegen wir schon wieder hin“ geführt hätten. Aber nicht sein Bruder und er. Wenn sie nur nebeneinander hergingen, konnte das schon in einen Faustkampf ausarten. Trotzdem waren sie seit Jahrhunderten kaum je getrennt gewesen.

„Warum soll ich wählen?“, fragte Rydstrom. „Du könntest mir sagen, wie ich beides erhalte.“

Sie zwinkerte ihm zu. „Weil das nicht so viel … Spaß machen würde?“ Nachdem sie Cade einen fragenden Blick zugeworfen hatte, konzentrierte sie sich wieder auf Rydstrom, schien ihn zu einer Entscheidung zwingen zu wollen.

„Ich will … meine Krone.“

Nïx starrte ihn wütend an. „So, die Entscheidung wurde getroffen. Bloß vier Wörter, und euer beider Schicksal verläuft mit einem Mal in eine vollkommen andere Richtung.“ Sie wandte sich an Cade. „Was ist mit dir? Was würdest du tun, um deinem Bruder sein Königreich wiederzubeschaffen?“

„Verdammt! So ziemlich alles“, stieß er hervor.

Sie seufzte, als ob sie seine Antwort missbilligte, davon aber nicht überrascht wäre. „Würdest du dafür dein Leben geben?“

„Das würde ich“, sagte Cade, ohne zu zögern. Das Leben ist sowieso viel zu lang. Das seine währte schon über tausend Jahre, und abgesehen von Rydstrom und ihren Schwestern hatte er keine Familie. Zumindest könnte er durch seinen Tod Buße tun. Wenn schon jemand sterben musste, um ihr Königreich zu retten, dann doch wohl am besten er.

„Würdest du die Frau aufgeben, die das Schicksal für dich auserwählt hat?“, fragte sie.

Die Dämonen an ihrem Tisch wurden still.

Dieser Verzicht fiel ihm nicht so leicht. Beantworte die verdammte Frage. Cade konnte sie sowieso nicht haben. Sie war für ihn in Ewigkeit verboten. Rydstrom mustert mich. Wusste er es? Antworte. „Ja, das würde ich.“

„Nun gut.“ Sie wandte sich Rydstrom zu. „Deine Krone … Cade und du, ihr sucht schon seit Monaten nach einem besonders widerwärtigen Kriegsherrn, der als Einziger das Wissen besitzt, wie Omort der Unsterbliche bezwungen werden kann.“

Rydstrom sah sie mit schmalen Augen an. „Wir haben niemandem davon erzählt.“

Sie winkte ab. „Mach dir bloß keine Sorgen, ich habe es allen erzählt.“ Er sah sie finster an. „Da gibt es nur ein Problem.“

„Und das wäre?“

„Dieser Krieger wurde … ermordet.“ Sie hielt sich die Hand ans Ohr. „Oje, ich kann hören, wie deine Hoffnungen in den Keller plumpsen.“

Cade fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Wie?“

„Er wurde von einem rotäugigen Vampir ausgesaugt.“

Sowohl Cade als auch Rydstrom erstarrten.

„Dieser Blutsauger … ist er noch am Leben?“ Cade rutschte einige Zentimeter auf seinem Stuhl nach vorne. Er sah sich schon den Vampir foltern, um an die gestohlenen Erinnerungen des Kriegsherrn zu kommen. Die Woede-Brüder hatten für Vampire nichts übrig.

„Das ist er!“, sagte Nïx. „Und ich weiß sogar, wo er ist.“

Mit einer königlichen Geste bedeutete Rydstrom ihr fortzufahren. Nïx wurde still.

Cade nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas. Rydstrom, jetzt hast du’s vermasselt.

„Du wagst es, mich herumzukommandieren?“ Nïx’ Augen blitzten vor Wut silbern auf. „Als ob ich deine Hofwahrsagerin wäre oder die Assistentin der Wahrsagerin, die immer den Kaffee holt?“ Sie senkte die Stimme. „Ich bin mehr als doppelt so alt wie du und zwei meiner drei Eltern sind Götter.“

Rydstrom musste wissen, dass er Mist gebaut hatte, aber er machte einfach weiter. „Nïx …“, sagte er langsam, warnend.

„Oh, Rydstrom“, sie kraulte ihn unter dem Kinn und schenkte ihm ein verlegenes Lächeln, „dieses verrückte Geschöpf hat so eine weiche Birne, dass sie glatt vergessen hat, wo der Blutsauger ist.“ Sie erhob sich und machte Anstalten zu gehen. „Tschüssi! Die Nacht ist kurz, und Regin und ich müssen noch einiges Chaos anrichten.“

„Bleib, Nïx. Ich werde gehen. Du kannst mit Cade weiterreden.“ Offensichtlich dachte Rydstrom, dieser werde mehr Glück bei Nïx haben.

Im Allgemeinen kam Cade erheblich besser mit Frauen zurecht als sein Bruder. Obwohl Rydstrom Cade nur zu gerne daran erinnerte, wie dämlich er sich angestellt hatte – „dummer Schwätzer“ waren seine genauen Worte gewesen –, als er zum ersten und letzten Mal mit seiner Schicksalsbraut gesprochen hatte.

Zugegeben, er war nicht gerade in Topform gewesen, aber „dummer Schwätzer“? Nicht in einer Million Jahren.

Rydstrom forderte den Rest der Mannschaft auf, sich an die Bar zurückzuziehen. Bis auf Rök, der einen wilden Fluch ausstieß.

„Ich werd schon wieder beschworen“, brachte er noch schnell heraus, bevor er sich zu translozieren begann.

Mist, und weg ist meine Mitfahrgelegenheit. Weder Cade noch Rydstrom konnten sich translozieren. Diese Fähigkeit war ihnen genommen worden – als Strafe für einen missglückten Coup.

Ich werde Rydstrom seine verfluchte Krone zurückholen, und wenn es mein Ende ist …

Als nur noch Cade und die Walküren übrig waren, sagte Nïx: „Du wirst doch auch dieses Wochenende zur Versammlung kommen, nicht wahr?“

Er nickte. „Und, was macht die Allianz?“ Er hatte gehört, dass Nïx diese Akzession aktiv lenkte. Dass sie so regen Anteil daran nahm, konnte nur eines bedeuten: Diese Akzession würde apokalyptische Ausmaße annehmen. Sonst würde Nïx die Allwissende sicher eher shoppen gehen – eine Lieblingsbeschäftigung der Walküren.

„Bis jetzt gehören die Lykae, die Devianten, die Furien, die Geister, das edle Feenvolk, eine Myriade Dämonarchien, das Haus der Hexen, möglicherweise die CIA und höchstwahrscheinlich ein kolumbianischer Drogenbaron zu unserem Team. Die Nymphen schwanken noch.“

Regin öffnete den Mund, aber Nïx schnitt ihr das Wort ab. „Das wäre wirklich billig, Reege.“

Die Walküre zuckte mit den Achseln und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder einem Wettkampf im Armdrücken zu.

„Möchtest du mir vielleicht etwas über diesen Blutsauger sagen?“, fragte er beiläufig.

„Ich weiß nicht, ob ihr ihn besiegen könnt“, sagte Nïx. „Er ist unglaublich mächtig.“

Cade knirschte mit den Zähnen. „Dann wünschte ich nur, du hättest gesehen, was ich mit meinem letzten Feind gemacht habe. Und das war für mich so einfach wie pissen.“

Nïx sah zur Decke empor und dann mit überraschter Miene wieder nach unten. „Wirklich reizend. Aber ich kann nicht sehen, was du mit seinem Rückgrat angestellt hast.“

Sie konnte auch in die Vergangenheit sehen? Es hatte Gerüchte gegeben … „Ich hab ihn dazu gebracht, darauf zuzukriechen, bevor ich ihm den Kopf abgeschlagen habe.“ Gleich darauf legte er die Stirn in Falten. „Was machst du denn, wenn du jemandem das Rückgrat rausreißt?“

„Dasselbe. Einen Klassiker kann man nicht verbessern. Oh, und wo wir gerade von Rückgrat reden – wie läuft’s denn mit deiner Geliebten, Cade?“

Er trank, wobei er sie über den Rand seines Bechers hinweg musterte. Nïx sieht, was ich fühle. Sie weiß es. Cade war für seine Brutalität berüchtigt, ein gefürchteter Söldner. Doch manchmal überkam ihn vor Sehnsucht nach seiner Frau, einer Frau, die zu jung und zu menschlich war – die einzige Spezies, die ihm verboten war –, ein tiefer Schmerz.

Eine Menschenfrau würde es nicht überleben, wenn er in Dämonengestalt zum ersten Mal Anspruch auf sie erhob. Cade versuchte nicht länger zu leugnen, dass sie die Seine war, auch gab er sich nicht mehr mit halbherzigen Versuchen ab, andere Frauen zu erobern. Jedes Mal, wenn er sie aus den Schatten erblickte, wuchs seine Gewissheit.

Er fragte sich, ob Nïx von dem Bild wusste, dass er neben seinem Bett aufbewahrte.

Nïx lächelte in ebendiesem Augenblick. Cade fluchte.

„Allwissend, Cade“, sagte sie leise.

Cade zuckte mit den Schultern und tat so, als ob es ihm nichts ausmachte. „Erzähl mir von dem Vampir oder lass es sein, Täubchen. Keiner von uns möchte wirklich gerne hier sein.“

„Ich werde es dir sagen“, antwortete Nïx, deren Blick von seinen Hörnern gefesselt zu sein schien. „Aber nur, wenn du mich deine knüppelharten Hörner lecken lässt …“

„Nïx!“ Sofort war Regin ganz Ohr.

Mit weit aufgerissenen Augen rief Nïx: „Wer hat das gesagt? Ich jedenfalls nicht! Oh, na gut, der Vampir heißt Conrad Wroth. Seid besser vorsichtig. Er hat ganz allein Bothrops, den wandelnden Leichnam, besiegt.“

„Das war Wroth?“ Er hatte schon von diesem Assassinen gehört. Widerwillig gab Cade zu, dass der Blutsauger gar nicht mal schlechte Arbeit leistete. Seine Morde trugen eine einzigartige, grausame Unterschrift. Was in ihrem Berufszweig von entscheidender Bedeutung war. „Wo ist er?“

„Um ihn zu finden, müsst ihr dem folgen, der ihn im Schlaf aufsucht.“

„Wahrsagerisch spreche ich nicht“, sagte er, doch sie ging nicht näher darauf ein. „Ist das alles, was du zu sagen hast?“

„Willst du noch mehr hören?“ Nïx hob die Brauen. „Dann lass mich deine Hörner lecken.“