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Mochte sein, dass Mord mit dem Tod bestraft wurde. Nur musste Thomas jetzt feststellen, dass es Grenzüberschreitungen gab, die ebenfalls zu solcher Strafe berechtigten. Andererseits wollte er verdammt sein, wenn er es erlaubte, sich von dieser unmöglichen Göre zu unbesonnenen Reaktionen hinreißen zu lassen.

Er eilte durch die Menge, den Blick fest auf die Quelle seines Zornes gerichtet. Auf Amelia, die in einem pfirsichfarbenen Ballkleid, die Masse dunkler, seidiger Locken kunstvoll arrangiert, bezaubernd aussah. Nur an ihren schamroten Wangen und den fast furchtsamen Augen erkannte man, dass sie sich ihres Fauxpas sehr wohl bewusst war. Sie wirkte auf ihn wie ein Reh, das im Begriff stand, die Flucht zu ergreifen. Was für ein Jammer, dachte er, dass sich hinter der blendend schönen Fassade ein Herz aus Stein und eine giftige Zunge verbargen.

Die anderen Gäste beobachteten die beiden wie gebannt. Randolph, Smith und Granville gaben sich keine Mühe, ihre Belustigung zu verbergen. Ein paar Damen kicherten. Essex und Cartwright täuschten einen Hustenanfall vor, um ihr Lachen zu verbergen.

Lady Camden, Lady Dalton und die Witwe Ramsey blickten sich stumm und entsetzt um. Alle drei wären vermutlich in der Lage, einen Kommentar dazu abzugeben, gehörten sie doch zu jenen Damen der Gesellschaft, die angeblich in den Genuss seiner Liebeskünste gekommen waren.

Thomas konnte sich vorstellen, dass mindestens die Hälfte der Ballgäste mit wollüstiger Freude darauf wartete, eine pikante Szene zu erleben, die einer melodramatischen Theaterinszenierung alle Ehre machen würde. Den Gefallen wollte er den Klatschmäulern unter keinen Umständen tun.

»Lady Amelia.« Er begrüßte sie betont freundlich, wenngleich nicht gerade herzlich, und verbeugte sich höflich. Sein Mund verzog sich zur Andeutung eines Lächelns.

Irritierend blaue Augen starrten ihn mit solchem Entsetzen an, dass er beinahe lachen musste. Beinahe, nicht ganz. Amelia schluckte. Und dann war es, als ob vor ihrem Gesicht plötzlich ein Vorhang zugezogen würde: Ihre Miene wirkte völlig verschlossen.

»Guten Abend, Lord Armstrong«, erwiderte sie kühl und schob ihr Kinn vor, als sie andeutungsweise knickste. Nur das Zittern in der Stimme verriet ihre Nervosität … Oder war es womöglich Angst?

Sie hätte allen Grund dazu, einen Eklat zu fürchten. Thomas genoss diesen Eindruck und hoffte, dass sie in ihrem Mieder aus französischer Spitze zitterte wie Espenlaub.

»Beehren Sie mich mit diesem Tanz?«, fragte er liebenswürdig und streckte ihr die Hand entgegen. Er wusste sehr wohl, dass niemand das von ihm erwartete. Ein Mann, der dermaßen beleidigt worden war, musste doch eher Lust verspüren, es ihr irgendwie heimzuzahlen.

Es machte ihm Spaß, die Leute zu verblüffen. Er wusste genau, sie lechzten nach einem Skandal, einem peinlichen Auftritt. Benahmen sich wie die Zuschauer bei einem Boxkampf, wollten Blut sehen, obwohl es natürlich niemand zugeben würde. Doch in Wahrheit wollten sie eine Abwechslung von ihrem feinen, langweiligen Lebensallerlei.

Die Atmosphäre war aufs Äußerste gespannt. Die versammelten Ballgäste hielten den Atem an, während er auf Antwort wartete. Niemand gab sich die Mühe, auch nur so zu tun, als habe er kein Interesse an der Begegnung, die sich vor aller Augen gerade abspielte. Thomas war überzeugt, dass diese Szene noch wochenlang die Liste der beliebtesten Klatschgespräche der Londoner Salons anführen würde.

Amelia glaubte den Verstand zu verlieren oder zumindest unter Bewusstseinsstörungen zu leiden. Nein, es war ausgeschlossen, dass er sie gerade eben um einen Tanz gebeten hatte.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich erneut, denn dieser verdammte Kerl stand zu allem Überfluss viel zu nahe bei ihr. Sie nahm den für ihn so typischen Duft jetzt ganz intensiv wahr. Diesen Duft, den sie zu verabscheuen behauptete. Warum nur war sie zu diesem verdammten Ball gegangen? In diesem Moment sehnte sie sich in ihre eigenen vier Wände zurück! Sogar Sokrates, Platon und Aristoteles wären ihr jetzt lieber als das. Bereitwillig würde sie sich in deren Schriften vertiefen, wenn sie nur diesen Lord Armstrong nicht sehen müsste.

Aber da stand er vor ihr, die Kiefer fest zusammengepresst, und tat so, als verkörpere er den Gipfel der Wohlanständigkeit. Ja, es entsprach durchaus seinem Stil, sie mit purer Freundlichkeit zu beschämen. Zu beobachten, wie sie sich qualvoll wand, dabei gleichzeitig falsches Mitgefühl zur Schau stellend. Und dann kam der Augenblick, in dem sie aufs Parkett schritten … Amelia zitterte, konnte sich gut vorstellen, welche Wiedergutmachung er einfordern würde.

Aber falls er darauf spekulierte, dass sie angesichts ihres blamablen Benehmens stotterte oder eine geheuchelte Entschuldigung über die Lippen brachte, dann sah er sich gewaltig getäuscht. Klar, dass er als Gentleman versuchte, die Peinlichkeit zu überspielen und durch Wahrung der Form vergessen zu machen. Nun, das beherrschte sie ebenfalls. Obwohl ihr Vater heftig widersprechen würde, konnte sie sich durchaus wie eine echte Lady benehmen, wenn die Situation es verlangte. Und im Moment schrie sie geradezu danach.

»Guten Abend, Lord Armstrong. So gerne ich auch …«

Irgendjemand zupfte am Tüll ihres Kleides und ließ sie innehalten, bevor sie Armstrongs Aufforderung ablehnen konnte. Mit einem erschrockenen Blick nach links bemerkte sie ihre Anstandsdame, diese dürre Gestalt im hochgeschlossenen braunen Popelinekleid, die noch entsetzter schien, als ihr Gesichtsausdruck es ohnehin schon nahelegte.

Wirklich großartig. Ausgerechnet jetzt musste Miss Crawford zurückkehren. Wäre die verdammte Frau doch nur ein paar Minuten früher zur Stelle gewesen, dann hätte Amelia zweifellos an irgendeinem süßen Getränk genippt, anstatt sich über die Liebeskünste dieses verfluchten Gigolo auszulassen. Und das in einem Ballsaal, in dem sich die Creme de la Creme der englischen Society tummelte.

Miss Crawford warf ihr einen mahnenden Blick zu, der sich nur folgendermaßen interpretieren ließ: Wenn du dich weigerst, werde ich dafür sorgen, dass du den Tag verfluchst, an dem deine Mutter dich geboren hat. Dann lachte sie schrill, um das allgemeine Schweigen zu durchbrechen. »Amelia wäre entzückt, Mylord.«

Sie beobachtete Armstrong. So musste Luzifer gelächelt haben, als er die Sünden beging, um derentwegen er schließlich aus dem Himmel verstoßen wurde.

Gemurmel war aus der Menge zu vernehmen.

»Was hat sie gesagt?«, fragte eine Frau.

»Hat sie der Bertram-Tochter befohlen, mit ihm zu tanzen?«, raunte ein älterer Gentleman einem Glatzkopf zu.

»Geh dichter ran, Henry, ich kann nichts hören«, wies die Gastgeberin, Lady Stanton, ihren Ehemann an.

Amelias Blick glitt über die Menge. Sie schaute in Hunderte Augenpaare, in denen sie nichts als Schadenfreude und Sensationsgier entdeckte. Die Meute witterte den Skandal bereits, und das steigerte ihren Appetit nur noch mehr.

Welche Wahl blieb ihr also, außer das Angebot anzunehmen? Im Moment musste sie alles tun, um diesen beschämenden Eklat vergessen zu machen, bevor irgendjemand – namentlich Miss Crawford oder vielleicht sogar Lord Armstrong – auf die Idee kam, ihren Vater über ihre Ungehörigkeit zu unterrichten. Du lieber Himmel, der Mann würde sie mit dem nächsten Zug in irgendein gottverdammtes Kloster schicken, wo sie ein Jahr lang auf den Knien hocken und mit den Händen ein Kreuz umklammern musste, während sie Heil dir Maria und das Vaterunser aufsagte.

»Ich wäre entzückt«, ahmte sie ihre Anstandsdame nach und flehte innerlich, dass ihr der Abscheu nicht auf der Stirn geschrieben stand. Sie legte die behandschuhte Hand auf den Arm, den er ihr bot, und registrierte widerwillig, dass die harmlose Berührung einen Schauder verursachte, der von den Fingerspitzen den Arm hinauflief. Dann ergab sie sich in ihr Schicksal.

Es schien, als müssten sie endlos laufen, bevor sie die Tanzfläche erreichten, während die Gäste eine Gasse bildeten, um sie durchzulassen. Amelia war sich nicht ganz sicher, was am schlimmsten war: die aufdringlichen Blicke oder das Gewisper oder seine Hände auf ihrem Körper, als er sie in die Arme zog. Sie verspürte den überwältigenden Impuls, sich loszureißen, und war gleichzeitig höchst alarmiert, denn jede einzelne Nervenfaser vibrierte.

Ihr Instinkt riet ihr, die Flucht zu ergreifen, loszurennen. Nein, das ließ ihr Stolz nicht zu. Sie straffte den Rücken, reckte den Kopf und schob das Kinn vor. Amelia machte es nichts aus, dass die Leute sie für kalt und gefühllos hielten; aber niemals würde sie ihnen die Gelegenheit bieten, sie einen Feigling zu nennen. Anstatt fortzurennen, legte sie also die Hände auf seine Schultern und ignorierte die Tatsache, dass ihre Haut überall dort prickelte, wo sie sich berührten: an den Händen, an ihrer Taille, am Rücken.

Wegen seiner athletischen Gestalt hatte sie Lord Armstrong eher als Sportsmann gesehen, der sich die Zeit mit Rugby oder Rudern vertrieb. Deshalb erstaunte es sie, ihn als talentierten, eleganten und einfühlsamen Tänzer zu erleben, der sie gekonnt über das Parkett wirbelte. Er redete kein einziges Wort mit ihr, schaute sie nur unverwandt unter halb gesenkten Lidern mit seinen grünen Augen an. Sein verschleierter Blick konnte jedoch nicht das Funkeln in den kohlschwarzen Pupillen verdecken. Offenbar arbeitete sein Verstand auf Hochtouren: überlegte und kalkulierte, plante ihren Untergang.

Nun, ihr würde er keine Angst einjagen.

Trotzdem durchrann sie ein merkwürdiges, warmes Schaudern, als sie versuchte, seinem glühenden Blick zu entkommen. Lag es an ihr, oder war die Temperatur im Ballsaal tatsächlich um ein paar Grad gestiegen, seit der Walzer begonnen hatte?

Einige Minuten und mehrere hundert Herzschläge später, als die letzten Klänge des Walzers noch im Raum schwebten, konnte Amelia es kaum fassen, dass ihre Strafe vorüber war. Ein einziger Tanz als Revanche für ihre Beleidigung – sollte das wirklich alles gewesen sein? Keine Vorwürfe, keine Herabwürdigungen, weil sie sich unmöglich benommen hatte? Völlig undiskutabel für eine Lady?

Einigermaßen verwirrt gestattete sie ihm, sie vom Parkett zu führen. Wagte es nicht, ihm einen Blick zuzuwerfen, weil sie befürchtete, dass er ihre Erleichterung erkennen könnte. Es wäre der Gipfel der Dummheit, einen schlafenden Hund zu wecken, wo doch der Zeitpunkt des Entrinnens zum Greifen nahe schien.

»Kommen Sie mit, schließen Sie sich mir an. Es wäre eine Schande, die Gelegenheit nicht zu nutzen, um sich ein wenig besser kennenzulernen.« Lord Armstrong umfasste ihren Ellbogen und geleitete sie keineswegs zu Miss Crawford, die einsam neben einem üppigen Farn stand, sondern in genau die entgegengesetzte Richtung.

Amelia wollte antworten und versuchte seine Hand auf ihrem Arm abzuschütteln. »Nein, danke …«

»Nun, vielleicht glauben Sie, dass ich eine Einladung ausspreche.« Er schüttelte den Kopf und befleißigte sich plötzlich eines elterlich strengen Tonfalls, der ihren Protest von vornherein unterband. »Das war keine Einladung. Sondern ein Befehl.« Er umfasste ihren Arm mit festem Griff, behielt den Plauderton bei und lächelte mit unnachgiebig funkelnden Augen auf sie herab. »Haben Sie tatsächlich geglaubt, dass Sie so leicht davonkommen? Nein, Sie werden meine Gegenwart noch etwas länger ertragen müssen.«

Sosehr es Amelia auch verhasst war, sich anderen zu fügen, sie gab den Kampf auf. Nicht nur weil er sie nicht freigeben würde, sondern auch weil sie keinen weiteren Zwischenfall provozieren wollte. Trotzdem hielt sie nicht den Mund.

»Wozu? Ich bin mir sicher, dass Sie eigentlich gar keinen Wert auf meine Gesellschaft legen«, erwiderte sie und bemühte sich um einen sachlichen Tonfall.

Lord Armstrong lachte amüsiert. »Das sind die ersten wahren Worte, die ich heute Abend aus Ihrem Mund gehört habe«, sagte er auf dem Weg zum Buffet mit den Erfrischungen, das in einem anderen Zimmer aufgebaut war. »Ich versuche nur, Ihrem Vater eine Peinlichkeit zu ersparen. Finden Sie nicht auch, dass er für diese Woche genug durchgemacht hat?« Thomas zog eine Braue hoch und warf ihr einen strafenden Blick zu, der ihre Empörung rasch schrumpfen ließ.

Amelia spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Bestimmt sah er, wie sie errötete. Offenbar hatte ihr Vater ihm sein Leid geklagt. Wem sonst sollte er sich anvertrauen? Wem konnte er schon ihre Eskapaden erzählen, wenn nicht dem Mann, dem seine Zuneigung gehörte? Mehr als ihr, dachte sie bitter. Er war der Sohn, den das Schicksal ihm verweigert hatte. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was ihr Vater unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles preisgegeben haben mochte. Wieder flutete eine Hitzewelle durch ihren Körper. Verdammt sei ihr Vater, zweimal verdammt dieser Kerl.

Thomas gab ihren Arm nicht einmal frei, als er dem livrierten Lakaien zwei Gläser Punsch abnahm und ihr eins in die Hand drückte. »Hier, scheint so, als könnten Sie eine Erfrischung gebrauchen. Sie sehen ziemlich echauffiert aus. Vielleicht kann der Punsch die flammende Hitze auf Ihren Wangen besänftigen … und an anderen Stellen.« Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf ihr Dekolleté, was ihren Zorn und die Röte zu ihrer Bestürzung nur noch mehr anfachte.

Es kostete sie die größte Selbstbeherrschung, ihm das Glas samt Inhalt nicht an den Kopf zu schleudern. Doch ihre Selbstbeherrschung hing an einem seidenen Faden. Sie trank einen Schluck des lauwarmen Punsches, um sich abzulenken und nicht irgendetwas zu sagen, was sie für den Rest des Abends bedauern würde.

Lord Armstrong schien wenig an seinem Drink, dafür umso mehr an ihrem Ausschnitt interessiert. Und was sie betraf, so sorgten seine Arroganz, seine Nähe und seine Aufdringlichkeit dafür, dass auch ihr der Durst verging. Am liebsten hätte sie ihm das klebrige Getränk ins Gesicht geschüttet.

»Es kommt nicht jeden Tag vor, dass eine Frau sich abfällige Bemerkungen über meine Schlafzimmerqualitäten erlaubt, noch dazu in aller Öffentlichkeit.« Sein Tonfall war so lässig, als spräche er über das Wetter.

Obwohl Amelia nur selten auf Widerworte verzichtete, jetzt tat sie es. Umso mehr erschrak sie, als er noch eins draufsetzte, um sie in Verlegenheit zu bringen.

»Aber wie wollen Sie eigentlich beweisen, dass Sie mit Ihrer Behauptung im Recht sind? Und wie Ihre Wette einlösen?«

Entsetzt schaute sie zu ihm hoch. Vergaß sogar ihren Wunsch, den süßen Punsch von seinen Haaren, seinem Gesicht, seinem Anzug tropfen zu sehen. »Welche Wette? Was um alles in der Welt soll das heißen?«

Er senkte die Lider und betrachtete sie mit arglosem Blick. »Haben Sie nicht vor Ihren Freundinnen gesagt, sie würden Ihre Mitgift verwetten, dass ich im Bett längst nicht so gut bin, wie man mir nachsagt? Übrigens, was genau wird diesbezüglich eigentlich behauptet?« Er hielt die Lider weiter gesenkt, als er den Blick lässig über sie schweifen ließ. »Offen gesagt, ich vermute, dass Sie selbst meine Liebeskünste prüfen wollen.« Er sprach langsam und schnurrend und schaute sie jetzt direkt an. »Ich möchte doch nicht, dass Sie sich aufs Hörensagen verlassen müssen.«

Hustend atmete Amelia aus. Der verfluchte Kerl genoss es in vollen Zügen, sich an ihr zu rächen. Hatte sichtlich seine helle Freude daran.

»Nicht einmal dann, wenn Sie der …«

»Nein, bitte sagen Sie es nicht. Der letzte Mann auf Erden, das klingt so abgedroschen. Ich denke, eine Frau von Ihrem Verstand und Ihrem Zorn sollte mit originelleren Worten aufwarten. Vor allem mit ätzenderen.«

Amelia stammelte. Ihre Hand fing an zu zittern, und beinahe hätte sie den Punsch verschüttet.

Thomas trat einen Schritt nach vorne und stand jetzt so dicht vor ihr, dass er beinahe den Rock ihres Kleides streifte. Sanft nahm er ihr das Glas aus der Hand.

»Es scheint, als seien Ihre Nerven sehr strapaziert.« Er hielt inne, sagte dann leise und mit heiserem Raunen: »Ich sollte Sie küssen, bis Sie den Verstand verlieren … gleich hier und jetzt.« Er senkte den Blick auf ihre Lippen, schaute ihr wieder in die Augen. »Andererseits ist es vielleicht genau das, was Sie wollen.«

Bevor Amelia antworten konnte, neigte er den Kopf, sodass der warme, saubere Duft seines Atems federleicht an ihrem Ohr entlangstrich. Für einen kurzen Moment befürchtete sie, dass er seine Drohung wahrmachte.

»Aber anders, als Sie vielleicht glauben, bin ich tatsächlich ein Gentleman. Heute Abend will ich Sie nicht in weitere Verlegenheiten bringen, indem ich Sie zwinge, Ihre Worte zurückzunehmen.«

Und dann setzte er mit sehr, sehr leise geflüsterten Worten zum Gnadenstoß an. »Das müssen wir uns für ein andermal aufsparen. Denn was ich mit Ihnen vorhabe, ist für die Augen und Ohren der Öffentlichkeit nicht geeignet.«

Amelias Mund wurde trocken. Sie zitterte trotz der sengenden Hitze, die sie durchflutete und sich schließlich in ihrem Unterleib sammelte.

Als ob er nicht gerade mit unaussprechlichen Ausschweifungen gedroht hatte – oder sollte es ein Versprechen sein? –, richtete Lord Armstrong sich zu voller Größe auf und deutete eine Verbeugung an. »Guten Abend, Lady Amelia.«

Dann eilte er davon.