Kapitel 10

Die Leuchtstoffröhre über ihrem Kopf summte leise. Von Zeit zu Zeit flackerte sie leicht, und Jess hoffte, dass sie nicht in nächster Zeit implodierte. Draußen brüllte jemand, der Feierabend hatte, einem Kollegen etwas zu, der zur Schicht kam. Der Ruf hallte durch den Gang, begleitet von lauten Schritten. Sie saß wieder einmal allein in ihrem Büro und war dankbar für die kleine private Zelle. Sie breitete die Unterlagen aus der Mordakte vor sich aus und begann zu lesen.

Protokoll einer Befragung von Nathan Smith durch Inspector Harris. Ebenfalls anwesend Sergeant Welland und Mr. P. Samson in seiner Eigenschaft als Anwalt von Mr. Smith.

Insp. H.:

Sie sind Nathan Smith und wohnen auf der Cricket Farm, ist das richtig?

Smith:

Ja.

Insp. H.:

Können Sie uns sagen, was sich gestern, am Donnerstagnachmittag, dort ereignet hat?

Smith:

Ich habe Dad und Mum erschossen.

Insp. H.:

War es ein Unfall?

Smith:

Nein, ich habe es absichtlich getan.

Pause für eine kurze Konsultation zwischen Beschuldigtem und Anwalt des Beschuldigten.

Mr. Samson:

Mr. Smith ist nicht des vorsätzlichen Mordes geständig.

Insp. H.:

Geschah es im Affekt?

Mr. Samson (zu seinem Mandanten): Sie müssen diese Frage zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten.

Insp. H.:

Warum haben Sie es getan? Hatten Sie einen Grund, Ihre Eltern zu töten?

Smith:

Es war Zeit.

Insp. H.:

Was meinen Sie damit, es war Zeit?

Smith:

Die Dinge hatten sich immer weiter aufgestaut, und schließlich wurde es Zeit.

Insp. H.:

Wen haben Sie zuerst erschossen?

Smith:

Meinen Vater. Ich hörte ihn kommen. Ich war in der Küche. Ich nahm die Schrotflinte herunter und lud sie. Er kam rein, und ich schoss auf ihn.

Insp. H.:

Hatte Ihr Vater noch Zeit, etwas zu sagen?

Smith:

Er sagte: »Was zum Teufel hast du vor mit diesem Ding?«

Insp. H.:

Was war mit Ihrer Mutter?

Smith:

Sie war in der Waschküche nebenan. Sie kam herbeigerannt, als sie den Schuss hörte. Ich richtete das Gewehr auf sie, und sie wich rückwärts in die Waschküche zurück. Ich folgte ihr und erschoss sie ebenfalls.

Insp. H.:

Warum? Warum haben Sie Ihre Mutter erschossen?

Smith:

Ich musste. Sie hätte sonst niemals mit dem Thema aufgehört.

Insp. H.:

Was machten Sie als Nächstes, Mr. Smith?

Smith:

Ich ging in die Küche und wartete darauf, dass Eli vom Viehmarkt zurückkam.

Insp. H.:

Hatten Sie die Absicht, Ihren Bruder ebenfalls zu töten?

Smith:

Nein. Warum hätte ich das tun sollen? Die Kühe mussten zum Melken reingeholt werden. Abgesehen davon hatte ich diesen Donnerstag ausgesucht, weil Eli außer Haus war. Ich hatte keinen Ärger mit Eli.

Mr. Samson:

Inspector, es ist offensichtlich, dass sich mein Mandant in einem Zustand der Verwirrung befindet. Ich habe versucht, ihm zu erklären, was man unter vorsätzlichem Mord versteht, doch ich bin nicht sicher, ob er es vollständig verstanden hat.

Smith:

Ich bin kein Trottel. Ich weiß, was das ist. Wenn Sie sagen, dass es das ist, was ich getan habe, dann ist es das.

Insp. H.:

Was geschah, als Eli nach Hause kam?

Smith:

Er kam in die Küche. Er fragte, was ich getan hätte. Ich sagte ihm, ich hätte Mum und Dad erschossen. Er konnte Dad am Boden liegen sehen, und er rannte an mir vorbei in die Waschküche, um nach Mum zu sehen, schätze ich. Um zu sehen, ob ich es wirklich getan hatte, wie ich es gesagt hatte. Dann kam er zurück und ging ohne ein Wort zu sagen an mir vorbei nach draußen in den Hof. Ich schätze, er muss einen ziemlichen Schock gehabt haben, aber daran ließ sich nichts ändern.

Insp. H.:

Was taten Sie als Nächstes, Mr. Smith?

Smith:

Ich ging nach oben, um mich zu waschen. Das Blut von den Händen und aus dem Gesicht abzuwaschen. Es war Dads Blut. Es war überall. So ist das bei Schrot nun mal.

Insp. H.:

Warum haben Sie sich gewaschen? Warum wollten Sie das Blut abwaschen?

Smith:

Ich wollte ordentlich aussehen, wenn Sie kommen. Die Polizei, meine ich.

Insp. H.:

Und dann haben Sie einfach dort im Haus gewartet, bis die Polizei kam?

Smith:

Ja. Ich hatte überlegt, ob ich nach draußen gehen und Eli helfen sollte, die Kühe reinzuholen, aber dann hörte ich eine Frauenstimme. Sie redete draußen auf dem Hof mit Eli. Ich glaube, es war Doreen Warble. Sie ist eine Freundin von Mum und kommt regelmäßig vorbei, um Eier bei uns zu kaufen. Ich bin nicht rausgegangen, weil ich sie nicht sehen wollte. Sie ist ein furchtbares altes Waschweib.

Die Tür zu ihrem Büro öffnete sich mit einem leisen Wischen, und Jess blickte verblüfft auf. Sie war so vertieft gewesen in die Akte, dass sie halb damit rechnete, einen der Protagonisten aus dem Drama von damals vor sich zu sehen. Doch es war Ian Carter, der neue Superintendent.

Er stand in der Tür, die Hand auf dem Türgriff, und sah sie fragend an.

»Machen Sie Überstunden, Jess?«

Sie konnte sich nicht erinnern, dass er sie vorher schon einmal beim Vornamen genannt hatte. Sie war ziemlich sicher, dass es das erste Mal war.

»Ja, Sir, sozusagen. Ich habe die Akte über den Doppelmord auf der Cricket Farm studiert.«

»Oh.« Er verharrte in der Tür. »Aber das ist kein Grund, um bis spät in die Nacht zu arbeiten. Der Tag ist lang genug.«

»Ich wollte gerade zusammenpacken«, antwortete Jess.

Er verharrte immer noch in der Tür, ein Bild der Verlegenheit. Sie konnte sich beinahe denken, was in seinem Verstand vorging. Wäre ich ein Mann, dachte sie, würde er mich jetzt fragen, ob ich noch mit ihm irgendwo ein Pint trinken möchte, bevor wir nach Hause gehen. Aber weil ich eine Frau bin und weil er mich nicht so gut kennt, denkt er, das geht nicht. Oder vielleicht denkt er, ich renne nach Hause zu einem Freund. Leider falsch gedacht.

»Richtig. Dann gute Nacht.«

»Gute Nacht, Sir, bis morgen.«

Sie war wieder allein. Sie packte die Akte über den alten Doppelmord auf der Cricket Farm weg und nahm ihre Jacke vom Haken. Zeit, nach Hause zu gehen. Die Arbeit kann einen auffressen, dachte sie. Vielleicht war Carters unbeteiligte Art etwas, das er absichtlich kultiviert hatte, um dies zu verhindern. Er war jedenfalls entschlossen, sich nicht auffressen zu lassen.

Ihr Mobiltelefon summte wie eine Biene hinter einer Glasscheibe. Sie hatte vergessen, dass sie den Rufton abgeschaltet hatte. Hastig nahm sie es hervor. »Ja?«

Es war Tom Palmer, und er tat, was Carter versäumt hatte: Er fragte sie, ob sie Lust hatte, mit ihm noch etwas trinken zu gehen. »Und für den Fall, dass Sie noch nichts gegessen haben – ich bin auch noch hungrig.«

Es war nicht das erste Mal, dass sie einen ruhigen, entspannten Abend mit Tom verbrachte. Tom hatte ein Problem, und sie verstand es nur zu gut: Er hatte die Sorte von Arbeit, die andere Menschen abschreckte. Er konnte nicht reden über das, was er machte. Derart grausige Details waren wohl kaum Tischkonversation, und wenn er jemanden kennen lernte, der sich ernsthaft für Autopsien interessierte, dann musste man dieser Person mit gebotener Vorsicht begegnen.

All das schränkte seinen Bekanntenkreis stark ein. Wenn er jemandem die Hand schüttelte, fragte sich dieser Jemand unweigerlich, wen oder was Tom an diesem Tag bereits seziert hatte. Und wenn er mit Bekannten zusammen essen ging, beobachteten sie ihn fasziniert dabei, wie er sein Steak zerteilte.

»Einmal war ich auf einer Dinnerparty und saß einer Frau gegenüber, die von mir wissen wollte, was ich beruflich mache«, hatte Tom ihr einmal erzählt. »Also sagte ich es ihr. Sie wollte wissen, warum ich ausgerechnet dieses Gebiet gewählt hatte. Ich antwortete, weil es mir Spaß macht. Weil es mich interessiert. Sie redete den ganzen Abend kein einziges Wort mehr mit mir. Sie sah mich nicht einmal mehr an. Nach dem Essen setzte sie sich auf die andere Seite des Saals. Ich muss in ihren Augen wohl so etwas wie Dr. Frankenstein gewesen sein.«

Und so kam es, dass Tom hin und wieder mit jemandem ausging, der ihn kannte und wusste, was er tat, und der keinen zweiten Gedanken daran verschwendete. Jess hatte oft feststellen müssen, dass ihr Beruf als Ermittlerin einen ähnlich dämpfenden Effekt auf sich anbahnende Unterhaltungen hatte. Manchmal dachte sie, wenn sie mit Tom zusammen bei einem Pint saß, dass sie wie zwei Exilanten in einem fremden Land waren.

Immer noch besser, als allein daheim vor dem Fernseher mit einem Teller Pasta oder einem Hühnchen mit gebratenem Reis aus dem Schnellimbiss.

»Prima!«, sagte sie. »Wo? Falls Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne einen Laden ausprobieren, der sich Hart nennt. Er ist ganz in der Nähe der Cricket Farm.«

»Ist das Arbeit?«, fragte Tom misstrauisch.

»Nein, nur Neugier.«

Das Hart hatte nicht den gleichen Weg nach oben eingeschlagen wie das Foot to the Ground, doch es befand sich in einem ähnlich alten Gemäuer. Es ruhte auf seinen mittelalterlichen Fundamenten und stand heute wie damals jedem offen, der hungrig oder durstig war. Wie das Foot to the Ground war es ein beliebtes Speiselokal, doch die Karte war weniger ehrgeizig und stützte sich sehr stark auf Pommes frites. Im Verlauf der Jahrhunderte waren hier Reisende und Einheimische eingekehrt, Farmer und Knechte, müde Passagiere von Postkutschen und ganz allgemein jeder, der sich ausruhen, erfrischen und Kraft sammeln wollte. Heutzutage kamen die Gäste nicht mehr zu Fuß oder zu Pferde – sie trafen wie Tom und Jess mit ihren Wagen ein.

Das Innere des Lokals war ein wenig heruntergekommen, und über allem schwebte ein anhaftender Geruch von frittiertem Essen und verschüttetem Bier. Eine Ecke wurde beherrscht von der blitzenden und blinkenden Front eines Geldspielautomaten, in einer anderen saß ein alter Mann mit seinem altersschwachen, rotäugigen Spaniel. Die Stimmung war gut, und das Gleiche schien für die Geschäfte zu gelten.

»Sieht ganz okay aus«, meinte Tom. Angesichts seiner nüchternen Arbeitsumgebung war die alltägliche Normalität eine willkommene Abwechslung. Er studierte die Speisekarte, die er auf dem Weg von der Tür zum Tisch eingesammelt hatte. »Bratfisch und Pommes frites, Steak und Pommes, Baconburger und Pommes, Hühnchen und Pommes … Oh, und Lasagne … mit Pommes.«

»Offen gestanden«, flüsterte Jess, »offen gestanden fürchte ich, wir werden nur einen Drink nehmen und dann woanders essen gehen. Sehen Sie das Paar dort?«

Sie deutete zu einem Tisch auf der anderen Seite des Lokals, wo Penny Gower und Andrew Ferris am Fenster saßen.

»Jepp. Wer sind sie?«

»Die Frau führt einen Reitstall, und der Typ hilft ihr aus. Ich habe beide im Zuge unserer gegenwärtigen Ermittlungen befragt.« Jess schnitt eine Grimasse, während sie berichtete. »Die Frau hat ein verdächtiges Fahrzeug bemerkt, hat es ihrem Freund erzählt, und der hat den Besitzer der Farm angerufen, welcher seinerseits hingefahren ist, um nachzusehen, die Leiche gefunden und uns angerufen hat.«

»Klingt fast wie in diesem Kinderreim, wenn Sie mich fragen, das Haus, das Jack gebaut hat«, bemerkte Tom.

»Wie dem auch sei, ich nehme nicht an, dass die beiden sich freuen werden, wenn sie mich sehen. Sie denken vielleicht, dass ich sie verfolge. Sie verstehen das doch, Tom, oder? Sie haben nichts dagegen, wenn wir woanders hingehen?«

»Sicher, ich verstehe Sie nur zu gut. Sie wollen Abstand von der Arbeit und nicht hier sitzen und Pommes essen und auf die Arbeit starren.«

Sie tranken aus und erhoben sich zum Gehen, doch als sie sich durch das inzwischen volle Lokal schoben, wurden sie von Penny entdeckt. Sie flüsterte Andrew etwas zu, der sich umdrehte und überrascht dreinsah.

»Ich schätze, ich muss wenigstens Hallo sagen«, murmelte Jess und ging zum Tisch der beiden.

»Na, wenn das keine Überraschung ist! Guten Abend, Inspector!«, begrüßte Ferris sie. »Was bringt Sie denn hier heraus? Oder ist es etwa wieder etwas Offizielles?«

»Nein. Ich bin rein zufällig reingeschneit, mit einem Freund. Wir haben etwas getrunken, und jetzt wollen wir weiter.«

»Was denn, hat Sie die Speisekarte etwa abgeschreckt?«, fragte Ferris grinsend.

»Sie ist ein wenig kalorienreich«, räumte Jess ein. »Aber wir wollten sowieso nicht zum Essen bleiben.«

»Wir haben Sie nicht vertrieben, oder?«, fragte Penny, die eine aufmerksamere Beobachterin war als ihr Begleiter.

»Um Himmels willen, nein!«, log Jess ungeniert.

»Okay«, sagte sie zu Tom, als sie draußen waren. »Sie suchen das nächste Lokal aus. Ich hätte mir eigentlich denken müssen, dass Penny hier verkehrt, so nah, wie das Lokal bei ihrem Reitstall liegt.«

Bei sich dachte sie, dass sie, hätte Penny Gower ihr nicht gesagt, dass es keinerlei romantische Verbindung zwischen ihr und Ferris gab, jetzt genau das Gegenteil vermutet hätte. Warum ist es wichtig für sie?, frage ich mich.

Sie fuhren zehn Kilometer weiter und fanden sich vor einem nahezu identischen Pub wieder, dem Black Dog.

»Einverstanden?«, fragte Tom. »Nicht abgeschreckt vom Namen?«

»Warum sollte ich?«

»Schwarze Hunde werden in manchen Legenden mit Hexerei und dem Teufel in Verbindung gebracht.«

»Verschonen Sie mich, Tom. Ich brauche das Paranormale nicht. Das sogenannte ›Normale‹ ist mir unheimlich genug.« Sie blickte sich um, als sie das Lokal betraten. »Alles klar bis jetzt. Solange nicht Eli Smith hereinspaziert für seinen Nachttrunk.«

Was zum Glück nicht geschah.

»Warum waren Sie so neugierig auf das Hart? Dieses Pub hier hat fast die gleiche Speisekarte.« Tom hatte die Karte bereits überflogen. »Nur, dass es hier außerdem Chili und Pommes gibt.«

»Ich denke, ich bleibe bei den vegetarischen Angeboten. Cannelloni mit Spinat und Ricotta. Warum ich das Hart sehen wollte?« Jess hatte den Anstand, verlegen dreinzublicken. »Es ist das Pub, zu dem Doreen Warble vor siebenundzwanzig Jahren mit dem Fahrrad gefahren ist, um den vorhergehenden Doppelmord auf der Cricket Farm zu melden. Es war das nächstgelegene Telefon. Sie konnte das Telefon auf der Farm nicht benutzen.«

»Welchen vorhergehenden Doppelmord, und wer ist oder war Doreen Warble?«, fragte Tom verblüfft.

Jess berichtete ihm in knappen Worten von der Tragödie der Smiths. »Ich habe heute Abend in den Protokollen der Vernehmungen von damals gelesen. Der Name des Pubs ist mir irgendwie im Kopf haften geblieben.«

»Also ein mörderischer Fleck, diese Cricket Farm, oder? Wollen Sie wirklich das vegetarische Gericht? Ich kämpfe mich zur Theke durch und gebe die Bestellung auf.«

»Ich weiß nicht, was die vorhergehenden Morde mit dem gegenwärtigen Fall zu tun haben, wenn überhaupt«, sagte sie zu ihm, als er zurück war.

»Was denkt denn der neue Boss darüber?«, fragte Tom unerwartet.

»Ich weiß es nicht«, gestand Jess. »Ich habe keine Ahnung. Er gehört nicht zu der Sorte, die einem sagt, was sie denkt.«

»Und glauben Sie, dass Sie mit ihm auskommen?«

»Ich hoffe es wirklich sehr, aber es ist noch zu früh, um mehr zu sagen. Bis jetzt wüsste ich keinen Grund, warum wir nicht wunderbar zusammenarbeiten sollten.« Sie zögerte. »Sie kommen doch regelmäßig raus aus unserem Bezirk, Tom. Sind Sie schon jemals einem Superintendent Markby begegnet?«

Tom runzelte die Stirn. »Ja, einmal. Er ist drüben in Cheriton, stimmt’s? Ich hatte mit ihm zu tun, als ich für James Fuller eingesprungen bin.«

»Markby war ein genialer Chef«, entgegnete Jess. »Das Merkwürdige ist, Carter wollte von mir wissen, warum ich mich hierher beworben habe. Er erwähnte Markby, aber er hat alles in allem in Rätseln gesprochen.«

»Vielleicht haben sie eine gemeinsame Vergangenheit«, sagte Tom. »Passen Sie besser auf, was Sie sagen, Jess. Oh, meine Güte, sind das die Cannelloni? Das sind ja halbe Abflussrohre!«

Penny Gower und Andrew Ferris blieben an dem wackligen runden Eichentisch im Hart sitzen, wo Jess sie erspäht hatte. Sie holten ihre Getränke am Tresen ab, gaben ihre Bestellungen auf und warteten auf ihr Essen: Hühnchen mit Pommes frites und Salat für Penny und Steak, Pommes frites und Salat für Andrew. Um sich die Wartezeit bis zum Servieren der Hauptgerichte zu vertreiben, teilten sie sich einen Teller Nachos – eine Delikatesse, die Tom Palmer beim Überfliegen der Speisekarte übersehen hatte.

Inzwischen war das Lokal voll, und das Geschnatter der Unterhaltungen war lauter geworden. Gelegentlich sogar laut genug, um die Musikberieselung zu übertönen – ein weiterer markanter Unterschied zwischen dem Hart und dem Foot to the Ground. Die Klientel des Letztgenannten mochte es nicht, wenn ihre Unterhaltungen durch Hintergrundmusik gestört wurden. Die Klientel des Hart hingegen war im Durchschnitt jünger und akzeptierte die blechernen Töne als normal. Den meisten von ihnen hätte ohne das konstante Hämmern der leisen Popmusik sicherlich etwas gefehlt.

»Was hatte diese Campbell hier zu suchen, was denkst du?«, fragte Ferris, indem er das Glas an die Lippen hob.

»Ich schätze, sie kann genauso gut wie du und ich mit einem Freund ausgehen. Ich weiß nicht, wer ihr Begleiter war. Er sah nicht nach einem Polizisten aus.«

»Ich weiß trotzdem nicht, warum sie ausgerechnet den ganzen Weg hier heraus gekommen ist.«

»Sie war schon bei mir«, sagte Penny zu ihm. »Sie war noch einmal bei mir im Reitstall, meine ich.«

Andrew nahm einen großen Schluck von seinem Bier. »Ach? Es gefällt ihr wohl hier in der Gegend? Sie hat das Hart gesehen und dachte, das ist das richtige Pub für mich. Da muss ich unbedingt hin. Was wollte sie im Reitstall?«

»Sie hat uns eine Photographie gezeigt. Eli war bei mir. Er war ziemlich aufgeregt, und ich hoffe, dass Miss Campbell seinen Standpunkt versteht.«

Ferris stellte das Glas auf den Tisch, auf dem im Lauf der Jahre bereits zahllose andere feuchte Gläser ihre Ringe hinterlassen hatten. »Was für eine Photographie war das denn?«

»Ein Gruppenbild der Belegschaft von einem der anderen Pubs in der Gegend, dem Foot to the Ground. Kennst du es zufällig?«

»Ich hab davon gehört«, antwortete er. »Der teuerste Laden im Umkreis von vielen Kilometern, wie es heißt. Die Preise sind so hoch, um den Pöbel fernzuhalten.«

»Nun ja, wie es scheint, wurde die Tote identifiziert. Sie hat dort gearbeitet. Ihr Name war Eva Zelená.«

»Die Polizei ist offensichtlich auf Zack.« Andrew klang überrascht. »Was hat sich diese Ermittlerin wohl davon erhofft, dass sie dir und Eli das Photo gezeigt hat?«

»Wahrscheinlich, um herauszufinden, ob wir jemanden darauf erkennen. Ich habe niemanden erkannt, wie auch. Aber Eli erkannte das tote Mädchen und reagierte sehr empfindlich, als die Beamtin wissen wollte, ob er denn sicher wäre. Ich nehme an, sie müssen das fragen. Sie wollen wissen, ob jemand auf dem Photo je in der Nähe der Cricket Farm gesehen wurde. Das schließt den Reitstall mit ein, weil wir relativ nah liegen. Sie fragen Lindsey und Selina wahrscheinlich auch noch, und dich. Selina wird nichts dagegen haben – ich denke, sie hat sich schon beim ersten Mal beim Stall ziemlich offen mit dieser Ermittlerin unterhalten, als du da warst. Ich hab sie von der Tür aus beobachtet.«

»Offen unterhalten worüber?«, wollte Ferris wissen. Er runzelte die Stirn. »Was weiß die alte Foscott schon über irgendwas außer Gäulen?«

»Keine Ahnung. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass sie der Polizei alles über Elis Familie erzählt hat. Selina ist eine Einheimische, weißt du? Ihre Familie lebt seit Urzeiten in der Gegend. Ich hoffe nur, die Polizei setzt dem armen Eli nicht zu sehr zu. Es ist schließlich nicht seine Schuld, wenn jemand eine Leiche in einem seiner Ställe liegen lässt. Leider hat die Farm eine unglückselige Vergangenheit, um es gelinde auszudrücken. Meinst du, die Polizei verdächtigt Eli? Das wäre furchtbar, Andrew. Eli kann keiner Fliege etwas zu Leide tun, und außerdem würde er es sicher nicht der Polizei melden, wenn er selbst eine Tote in seinen Stall gelegt hätte, oder?«

Er beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. »Keine Sorge wegen Eli. Er ist mehr als imstande, sich um sich selbst zu kümmern. Ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass die Polizei ihn im Verdacht hat. Oder ist das Lagern von ausgemusterten Kühlschränken auf eigenem Grund und Boden neuerdings in diesem Land illegal?«

Penny runzelte die Stirn. »Man muss sie zu speziellen Entsorgungsbetrieben bringen, oder nicht? Wegen des Kühlmittels und dem ganzen Kram.«

»Wenn die Cops in einem Mordfall ermitteln, dann interessieren sie sich wohl kaum für das, was Eli mit seinen alten Kühlschränken macht. Abgesehen davon weiß ich überhaupt nicht, wieso du dich so für das alte Monster einsetzt. Er macht wahrscheinlich ein Vermögen mit seinem Schrott. Es ist definitiv kein wertloser Plunder – wir haben gegenwärtig weltweit einen Mangel an Metallen, und Diebe stehlen das Zeug, wo sie gehen und stehen. Kirchendächer, Kriegerdenkmäler – sie klauen, was nicht niet- und nagelfest ist.«

»Eli ist aber kein Dieb!«, begehrte Penny schockiert auf. »Ich glaube nicht, dass er Blei von einem Dach oder Bronzefiguren oben auf seiner Farm lagert. Zumindest hab ich nie etwas in der Richtung gesehen – nichts, außer stapelweise ausgemusterten Kühlschränken und Küchenherden. Er scheint nichts damit anzufangen – sie stehen nur herum und rosten. Außerdem glaube ich nicht, dass Eli sich etwas aus Geld macht.«

Sie beugte sich über den Tisch, dass die Haare nach vorn fielen und ihre ernste Miene einrahmten. »Sie haben das alte Farmhaus geöffnet, stell dir das vor. Sie haben die Bretter abgerissen und sind einfach reingegangen und überall herumgetrampelt! Eli hat sich furchtbar aufgeregt. Das Haus war seit der schrecklichen Geschichte damals zugenagelt und verbarrikadiert.«

Andrew hob die Augenbrauen und schnitt eine Grimasse. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Ich hätte zu gerne einen Blick in diesen verwunschenen alten Bau geworfen. Ist das Haus noch offen? Wir könnten uns heimlich auf die Farm schleichen und es uns ansehen.«

»Du vielleicht. Ich bestimmt nicht, nicht einmal dann, wenn ich Geld dafür bekäme.« Penny erschauerte. »Außerdem ist es wahrscheinlich nicht mehr offen. Eli war heute Nachmittag mit einer Ladung Bretter auf der Farm, um alles wieder zu vernageln. Ich habe das Hämmern vom Reitstall aus hören können.«

»Ich wette, die Cops wissen nichts davon. Möglicherweise betrachten sie es als unbefugte Manipulation eines Tatortes. Aber was soll’s, ich denke nicht, dass sie etwas im Haus gefunden haben.« Andrew legte die Unterarme auf den Tisch und lehnte sich darauf, um sich nach vorn zu beugen und sein Gesicht näher an das ihre zu bringen. »Ich bin nicht mit dir hergekommen, um den ganzen Abend über Eli zu reden oder über die Leiche, die in seinem Kuhstall gefunden wurde, weißt du?«

»Entschuldige. Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Aber es fällt schwer, über etwas anderes als den Mord zu reden, findest du nicht? So etwas kann man nicht ignorieren, nicht, wenn es praktisch vor der Haustür passiert ist. Ich wäre nicht überrascht, wenn die meisten Gäste in diesem Pub darüber reden.«

»Dann herrscht wahrscheinlich deswegen so viel Betrieb, und wir warten so lange auf unser Essen. Dem Wirt mag es egal sein, aber mir nicht. Ich möchte über etwas anderes reden. Über uns.« Er bemerkte das aufkommende Erschrecken auf dem Gesicht seiner Begleiterin und fuhr hastig fort: »Bitte, Penny, hör mich zuerst an! Ich habe einen Brief von Karen erhalten. Sie kommt nicht zurück.«

»Sie kommt nicht zurück?« Sie starrte ihn verständnislos an. »Was denn, von der Kreuzfahrt?«

»Doch, doch, das schon, sie kommt zurück nach England, jedenfalls für den Moment. Aber sie kommt nicht mehr zu mir zurück.« Er zuckte die Schultern.

»Oh, Andrew …« Impulsiv legte sie ihre Hand auf seine. »Das tut mir so leid.«

Er ergriff die Hand. »Es muss dir nicht leidtun! Mir tut es nicht leid. Wie ich bereits sagte, diese Ehe liegt seit Jahren auf Eis, sie ist erledigt, aus und vorbei. Es fehlte nur einer, der es ausgesprochen hat, und jetzt hat Karen es getan, Gott sei Dank. Um die volle Wahrheit zu sagen, ich schätze, sie hat während dieser Kreuzfahrt einen älteren amerikanischen Witwer kennen gelernt. Jetzt ist sie entschlossen, ihre Verbindung zu mir zu beenden und mit diesem Kerl in den Staaten neu anzufangen. Ich wünsche ihr viel Glück dabei, allen beiden. Wir sind übrigens heute Abend ausgegangen, um das zu feiern, Penny.«

Sie riss ihre Hand weg. »So etwas darfst du nicht sagen! Es ist eine traurige Sache. Jede gescheiterte Ehe ist etwas Trauriges. Du kannst das doch nicht einfach so hinnehmen! Was ist mit Eheberatung?«

»Nun mach aber halblang, Penny. Über dieses Stadium sind wir längst hinaus. Abgesehen davon hat sie längst jemand anderen, verstehst du nicht?«

»Aber euer Haus, die Möbel, die ihr zusammen gekauft habt …«

»Karen schlägt vor, dass wir in Zukunft über unsere jeweiligen Anwälte miteinander kommunizieren. Sie hat sich irgendeinen Typen in einer Londoner Kanzlei genommen, wahrscheinlich einen Spezialisten für Scheidungsrecht. Ich muss mich mit unserem einheimischen Anwalt begnügen, bei dem ich auch sonst immer war. Aber was bedeutet das schon? Meinetwegen können wir das Haus und die Möbel verkaufen und das Geld teilen. Sie hat gesagt, das ist alles, was sie will. Es war ihre Idee, genau wie die Scheidung. Sie ist finanziell unabhängig und hat ihren eigenen Beruf, und jetzt hat sie obendrein einen alten Knacker mit Kohle, der sie aushält. Wir hatten immer getrennte Konten, und sie hegt nicht die Absicht, wie sie sagt, mich auszuplündern.«

»Ihr müsst euch trotzdem zusammensetzen. Was ist mit ihren persönlichen Sachen?«

»Sie schlägt vor, dass wir einen Termin ausmachen, an dem ich nicht da bin, damit sie ins Haus und ihre Sachen abholen kann.«

»Und die Hälfte von deinen gleich mit, oder wie?«, widersprach Penny. »Du kannst nicht einfach dabeistehen und zusehen, wie sie sich selbst bedient, Andy!«

»Ich glaube nicht, dass sie mit meinen Golfschlägern oder meiner Sammlung von Figurenkrügen verschwindet. Sie hat sie immer gehasst. Und ich sehe auch nicht, dass sie sich mit einer Schere an meinen Anzügen vergreift – dazu bedeute ich ihr viel zu wenig! Wenn es das ist, was dir Sorgen macht, dann schaffe ich alles, was mir etwas bedeutet, aus dem Haus, bevor ich sie reinlasse. Und wenn es zu lange dauert, bis sie ihre Sachen holen kommt, lasse ich sie vielleicht einlagern. Dann muss sie nicht mehr ins Haus. Aber ich schätze, sie wird darauf bestehen, um sicher zu sein, dass ich nichts zurückgehalten habe. Ach zum Teufel, sollen die Anwälte das untereinander ausmachen. Siehst du denn nicht, was das für uns bedeutet, Penny? Ich bin frei – oder werde es zumindest sehr bald sein! Wir können heiraten!«

»Nein!«, platzte Penny so laut hervor, dass die Gäste am nächsten Tisch erschrocken die Köpfe hoben. »Nein!«, wiederholte sie flüsternd.

Er starrte sie verwundert an. »Nun, ich war nicht sicher, wie du auf die Neuigkeit reagieren würdest, aber ich hätte nicht gedacht, dass du so entsetzt bist.«

»Das bin ich auch nicht. Ich meine, natürlich bin ich es, nach allem, was ich heute Nachmittag gesagt habe, dass wir nur Freunde sind und …« Sie brach ab, schlug sich verlegen die Hand vor den Mund und lief rot an. Doch es war zu spät.

»Wem gesagt, Penny? Eli? Oder der elenden Polizeibeamtin, dieser Campbell?« Ferris errötete ebenfalls und sah entschieden verärgert aus. »Was hat das zu bedeuten, Penny? Ich dachte, du hättest mit den Cops über dieses Photo geredet, nicht über uns? Ich nehme an, das ist es, was du meinst? Du hast über uns geredet. Warum? Was geht es sie an? Sie soll wegen der Leiche in Elis Kuhstall ermitteln, weiter nichts. Ich habe keine Ahnung, warum sie heute Abend hier herumgeschnüffelt hat oder warum sie mit ihrem Photoalbum von verstorbenen Kellnerinnen beim Reitstall war, und ich weiß erst recht nicht, was dich geritten hat, dich ihr anzuvertrauen, ganz besonders über etwas so Privates wie unsere Beziehung!«

»Sei nicht böse auf mich, Andy, bitte!« Sie beugte sich besorgt zu ihm vor.

»Ich bin nicht böse auf dich!« Er atmete tief durch und unternahm einen sichtlichen Versuch, sich zu beruhigen. »Aber ich würde wirklich gerne wissen, was zum Teufel diese Inspector Campbell für ein Spiel spielt. Dich über uns auszufragen! Es geht sie einen feuchten Kehricht an, und wenn sie mir noch einmal über den Weg läuft, dann werde ich ihr gehörig die Meinung sagen!«

»Nein, das darfst du nicht! Es war nicht so, wie du glaubst. Sie hat mich nicht nach dir ausgefragt, wirklich nicht. Ich war es. Es war meine Idee. Ich wollte ihr erklären, wie es zwischen uns aussieht. Ich wollte nicht, dass sie auf falsche Gedanken kommt. Zuerst wollte sie nicht zuhören, aber ich blieb hartnäckig. Ich habe betont, dass wir nur gute Freunde sind …« Pennys Miene spiegelte Bestürzung. »Und jetzt sieht es so aus, als hätte ich die Situation falsch eingeschätzt. Ich fühle mich wie eine Närrin! Oh, Andy, ich bin froh, dass die Situation zwischen dir und Karen geklärt ist, aber ich habe immer versucht dir klarzumachen, dass du und ich … dass wir beide nicht mehr sein können als gute Freunde. Karen hat ihre Arbeit als Reiseführerin, und es ist deiner Ehe nicht bekommen. Ich habe den Reitstall. Ich verbringe jeden Tag hier, von früh bis in die Nacht. Was für eine Ehe wäre das? Du kämst vom Regen in die Traufe, wenn du mich heiraten würdest. Lindseys Mann macht gemeine Bemerkungen, weil sie so viel Zeit bei den Pferden verbringt, obwohl er selbst ständig auf Geschäftsreise ist oder zumindest sagt, dass es geschäftlich wäre. Ich denke, Lindsey hat den Verdacht, dass er eine Freundin in London hat. Sie hat versucht festzustellen, wo alles Geld ist, für den Notfall. Es klingt herzlos und berechnend, aber so ist sie eigentlich nicht, nicht unter normalen Umständen. Aber Mark hat alles Bargeld, sie hat nicht einen Cent, und sie vertraut ihm nicht. Wenn es zur Scheidung kommt zwischen den beiden, dann lässt sie ihn sicher nicht so einfach davonkommen. Das ist der Grund, warum du deine Trennung von Karen ernster nehmen solltest. Die Menschen werden furchtbar gierig, wenn es um Scheidung geht.«

»Ich habe kein verstecktes Vermögen«, erwiderte Ferris prompt. »Das ist der Grund, warum ich einen Dreck darauf gebe. Harper auf der anderen Seite würde ich durchaus zutrauen, dass er Geld beiseitegeschafft hat und auf irgendwelchen ausländischen Konten lagert. Wenn Lindsey sich von ihm scheiden lässt, dann wird sie versuchen ihn auszunehmen bis aufs Hemd. Ich bin nicht sein Buchhalter, und es ist mir egal. Du tust es schon wieder, Penny. Du zerbrichst dir schon wieder den Kopf um andere Leute!«

»Nein, tue ich nicht! Ich rede über uns. Du arbeitest von zu Hause aus. Ich hingegen verschwinde jeden Morgen und komme erst abends wieder, auch an den Wochenenden. Es wäre genau die gleiche Situation, wie du sie mit Karen gehabt hast.«

»Nein, wäre es nicht!«, widersprach er. »Karen und ich hatten andere Differenzen. Ehrlich, Penny. Wir hatten absolut nichts gemeinsam. Du und ich hingegen schon. Ich würde weiter zum Stall kommen und dir helfen. Ich weiß, dass du die meiste Zeit über dort verbringen musst, auch wenn wir uns zusammen sicherlich einen Vollzeit-Pferdepfleger leisten könnten …«

»Siehst du? Du suchst schon nach einem Ausweg für das Problem. Eine Möglichkeit, wie du mehr Zeit mit mir verbringen kannst, irgendwo anders, und etwas anderes tun, als dich um Pferde zu kümmern.«

Allmählich sah er wieder verärgert aus. »Hör zu, was willst du mit dem Rest deines Lebens anfangen, außer dich um Gäule zu kümmern? Was für ein Leben möchtest du führen? Hast du allen Ernstes vor, für immer in diesem baufälligen Cottage wohnen zu bleiben, das du von Eli gemietet hast?«

Penny errötete. »Ich bin sehr froh darüber, dass ich dieses Cottage habe. Es bedeutet, dass ich nah beim Stall wohnen kann. Sich um Tiere zu kümmern ist nicht wie irgendeine andere Arbeit! Ich muss schnell bei ihnen sein, wenn es darauf ankommt. Daran gibt es nichts herabzuwürdigen! Es ist das, was ich tun möchte, und ich bin glücklich dabei. Das habe ich auch Inspector Campbell gesagt.«

»Du kannst ihnen doch nicht dein ganzes Leben opfern!«, explodierte er. »Und wenn du schon so eifrig dabei bist, Inspector Campbell dein Seelenleben zu enthüllen, kommt dir da nicht der Gedanke, dass du vielleicht auch mit mir ein wenig offener hättest sein dürfen? Sag jetzt bloß nicht, du hattest keine Ahnung, was ich für dich empfinde. Das kann dir unmöglich verborgen geblieben sein.«

Verlegenes Schweigen senkte sich herab. Andrew starrte auf seine Hände.

»Ich kann es nicht erklären, Andy. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte es. Ich wollte dir nie falsche Hoffnungen machen. Ich … ich schätze das, was wir haben. Unsere Freundschaft bedeutet mir eine Menge. Sie funktioniert – oder zumindest dachte ich, dass sie es tut, und ich will das Risiko nicht eingehen, sie gegen etwas zu tauschen, das möglicherweise nicht funktioniert. Ich hatte schon einmal eine feste Beziehung, in London. Sie ist zerbrochen, genau wie deine und Karens Ehe. Es wäre falsch, wenn du dich gleich wieder in eine neue Beziehung stürzen würdest. Ich weiß, dass es nicht richtig ist für mich. Und darum bin ich im Augenblick und auch für die vorhersehbare Zukunft durchaus entschlossen, mein Leben dem Stall und den Pferden zu widmen. Ich bin glücklich, Andy, und ich habe Angst, dieses Glück zu verlieren.«

»Und du hast keine Angst, mich zu verlieren?« Er hob den Blick und sah ihr in die Augen.

»Ich will dich nicht verlieren, Andy«, antwortete sie elend. »Vielleicht bin ich unfair. Aber ich kann dich nicht heiraten.«

»Dann werde ich dieses Thema von jetzt an nicht wieder erwähnen«, sagte er steif. »Möchtest du noch etwas zu trinken?«

Ein Schatten fiel über den Tisch, und beide sahen auf. Vor ihnen stand eine unbekannte Frau, stark geschminkt und in hautenge Jeans und ein Lurex-Top gekleidet. Ihre schwarz umrahmten Augen fixierten Penny.

»Hey!«, sagte sie anstelle einer Begrüßung. »Ich kenne Sie! Sie führen doch den Reitstall, gleich neben der Farm, wo dieses tote Mädchen gefunden wurde? Haben Sie was gesehen? Sicher war die Polizei bei Ihnen, oder? Haben Sie Schreie gehört?«

Ferris stieß ein bellendes Lachen aus.

»Wusstest du, dass du eine Berühmtheit bist, Penny? Bald kannst du deine Geschichte an die Boulevardblätter verkaufen! Aber beim nächsten Mal lässt du mich bitte raus aus der Sache, ja?«