Kapitel 2
Der Landrover mit dem leeren Pferdeanhänger ratterte an dem Schild mit der Aufschrift Berryhill Stables, Livery and Equestrian Centre. Inh. P. Gower vorbei. Gleich hinter dem Wegweiser zum Reitstall bog das Gespann von der Straße ab und setzte seine Fahrt über einen unbefestigten Schotterweg fort, bis es mitten auf dem Hof zum Halten kam.
Die Stallboxen standen sich in zwei parallelen Reihen gegenüber. Der Wassertrog war eine alte Emaillebadewanne. Penny (alias P. Gower) und ihre verfügbaren Helfer gaben sich alle erdenkliche Mühe, das Gehöft sauber zu halten, doch es hätte nicht schaden können, dachte sie melancholisch, wenn alles ein wenig schicker gewesen wäre. Die Leute waren durchaus bereit, mehr Geld zu bezahlen, wenn ihre Tiere in einem »richtigen« Stall standen, in einer gemauerten Box, und wenn man einen überdachten Reitplatz anzubieten hatte und … na ja.
Penny seufzte. Träume waren schön und gut, aber sie kosteten Geld. Man musste investieren, um Profit zu machen, sagten die Leute jedenfalls immer wieder. Doch man kann nicht investieren, was man nicht hat. Abgesehen davon war sie zufrieden mit dem, was sie erreicht hatte. Der Hof mochte nicht der schickste sein, doch als sie ihn gekauft hatte, war er eine verfallene Ruine gewesen. Sie hatte hier wahre Wunder vollbracht. Leider war das nur wenigen Besuchern bewusst.
Beim Geräusch von Pennys Ankunft erschienen ein oder zwei neugierige Köpfe mit gespitzten Ohren über den Halbtüren, doch Solo, einst der Erste, der das vertraute Geräusch des Motors identifiziert und ihr einen gewieherten Gruß zugeworfen hätte, tauchte nicht auf.
Der Reitstall hatte Besucher. Es waren zwei Fahrzeuge. Eins parkte neben dem »Büro«, das andere unten beim Tor zur Koppel. Der Wagen neben dem Büro, ein dunkelblauer Passat, gehörte Andrew Ferris. Hoffentlich hat Andy noch nicht zu lange gewartet. Der matschbespritzte ältere Jaguar bei der Koppel war ihr ebenfalls bekannt; er gehörte Selina Foscott. Das hatte Penny gerade noch gefehlt.
Ma Foscott mit Kind.
Sie stieg aus. Unten am Koppelzaun sah sie Andrew lehnen. Auf der Koppel war (mithilfe von Andrew) eine Reihe niedriger Sprünge aufgebaut worden. Andrew beobachtete gebannt eine kleine Gestalt auf einem kastanienfarbenen Pony mit weißen Fesseln und angelegten Ohren. Das ungleiche Paar näherte sich mit dem Elan eines Kavallerieangriffs einer Barriere aus roten und weißen Stangen. Dann, im allerletzten Augenblick, brach das Pony nach der Seite aus, und die kleine Gestalt segelte geradeaus weiter, um mit einem dumpfen Schlag vor dem Sprunghindernis im Dreck zu landen. Der Aufprall war so heftig, dass Penny ihn selbst auf diese Entfernung hin zu hören meinte. Der Reiter rollte herum und setzte sich auf. Das Pony galoppierte ein kurzes Stück weiter, bevor es wie ein Drache schnaubend stehen blieb. Eine drahtige Gestalt in einer Barbour-Jacke kam herbeigerannt und packte die Zügel auf eine Weise, die keinen Widerspruch duldete. Das Pony scheute und stampfte mit den Hufen, doch weiter reichte sein Aufbegehren nicht.
»Charlie!«, brüllte die drahtige Gestalt mit hoher Stimme. »Sitz nicht einfach da herum! Los, steig wieder auf!«
»Tut mir leid, Andrew«, sagte Penny, als sie bei ihm am Zaun angekommen war. »Ich musste den Anhänger bei Eli Smith abholen. Er hatte mir versprochen, den Schaden zu reparieren, den Solo bei seinem Ausbruchsversuch angerichtet hat.«
»Und – hat er?«
»Oh ja. Eli kann beinahe alles reparieren, wenn er nur will. Es ist ein Glück, dass er mir seine Hilfe angeboten hat, sonst hätte es mich ein Vermögen gekostet. Eli wollte nicht einen einzigen Penny. Ich hoffe, Charlie ist nichts passiert.«
»Ich denke nicht«, sagte Andrew mit leidenschaftslosem Blick hin zu dem abgeworfenen Reiter. »Sie sind unglaublich elastisch, diese Kinder.«
»Mit Glück und Übung. Charlie hat jede Menge Übung im Herunterfallen.«
»Los, Charlie, keine Müdigkeit vorschützen!«
Die kleine Gestalt am Fuß des Sprunghindernisses rappelte sich auf die Beine und trottete mutlos in Richtung des Ponys.
»Ein Mädchen!«, rief Andrew überrascht. »Ist es denn die Möglichkeit?«
»Ja. Das merkst du erst jetzt?«
»Sie sehen doch alle gleich aus in diesen Sachen, oder etwa nicht? Jetzt kann ich erkennen, dass sie lange Haare hat. Sie muss sie unter den Reithelm geschoben haben, und beim Sturz haben sie sich gelöst. Warum wird sie Charlie gerufen?«
»Ihr richtiger Name lautet Charlotte. Ich glaube, ihre Mutter wollte eigentlich einen Jungen. Das ist übrigens die Mutter. Selina Foscott beim Herumkommandieren ihrer Tochter.«
»Dachte ich mir schon, dass sie aussieht wie Selina. Sie ist eine richtige Xanthippe. Sie macht mir keinen mütterlichen Eindruck, eher den eines Ausbilders beim Militär. Charlotte, wie? Charlotte Foscott. Keine glückliche Kombination von Namen und Vornamen.«
»Eine erstklassige Nervensäge, die gute Selina. Komm, gehen wir ins Büro.«
Auf dem Weg zu den Containern sagte Andrew: »Lindsey ist vor zwanzig Minuten mit einem Schüler ausgeritten. Ein dürrer Kerl mit spitzen Knien.«
»Mr. Pritchard. Er nimmt Reitstunden, um seinen persönlichen Horizont zu erweitern. Das sind seine eigenen Worte. Wenn du mich fragst, er sollte besser Stunden im Aquarellmalen nehmen. Aber er ist ein eifriger Schüler, und er bezahlt seine Stunden pünktlich.«
Sie hatten ihr »Büro« erreicht, das in Wirklichkeit nur eine weitere Box am Ende der Reihe war. Ein Blick verriet, dass sie zugleich als Sattelkammer diente. Eine Reihe von Sätteln auf einer langen Stange. Darunter das Zaumzeug. Um zu zeigen, dass hier auch das Büro war, gab es einen kleinen Tisch (großspurig als »Schreibtisch« bezeichnet) sowie zwei alte Holzstühle. An der den Sätteln gegenüberliegenden Wand standen Regale, in denen neben verschiedenen Pappschachteln und einigen verbeulten Dosen auch zwei Reithelme lagen. Weil die Stallbox keine Fenster besaß, musste zumindest die obere Türhälfte, ob Regen oder Sonne, weit offen stehen, um Licht hereinzulassen, wenn das Büro benutzt wurde. Der Ausblick in den Hof vermittelte die Illusion von Platz, doch in Wirklichkeit war es schrecklich beengt. Nebenan war Solo in seiner Box zu hören. Er schnaufte und stampfte und stieß gelegentlich gegen die Wand.
Andrew warf einen Blick auf das Ganze und seufzte.
»Keine Sorge, Andy. Ich bewahre hier keine wichtigen oder vertraulichen Unterlagen auf. Keine Rechnungen, keine Belege für die Steuer. Das ist alles daheim. Hier sind nur der Terminkalender für die Reitstunden und irgendwelche Kinkerlitzchen.«
Während sie sprach, nahm sie ihr Mobiltelefon hervor und legte es ordentlich neben den eselsohrigen Terminkalender auf den Schreibtisch. Auf einem Notizzettel stand flüchtig gekritzelt zu lesen: »Mick Mackenzie war da und hat etwas abgegeben«.
»Etwas« war ein weißer Umschlag.
»Seine Rechnung«, sagte Penny. »Ich muss den Umschlag nicht aufreißen, um zu wissen, was es ist. Schon wieder eine Rechnung. Mick ist sehr gut, aber er kann sich keine Kundschaft leisten, die ihre Tierarztrechnungen nicht bezahlt.«
»Ist es denn eine große Rechnung?«, fragte Andy mit besorgtem Blick.
»Für mich ist jede Rechnung eine große Rechnung! Selbstverständlich bezahlen die Pferdehalter ihre Tierarztrechnungen selbst, aber meine eigenen beiden Tiere hatten in letzter Zeit ein paar Probleme.« Sie sah Andrew von der Seite an. »Das ist der eigentliche Grund, warum du hergekommen bist, richtig? Meine heikle finanzielle Situation. Macht es dir etwas aus, Teewasser aufzusetzen? Du bist näher dran.«
»Teewasser aufsetzen« beinhaltete das Anzünden eines Propangasbrenners.
»Das ist nicht sicher hier drin, das weißt du – all das Holz und die Tiere gleich nebenan.« Er deutete auf die Gasflasche. »Sie ist für draußen gedacht.«
»Lindsey oder ich machen sie ja nur an, wenn wir einen Tee trinken oder Besuch haben wie dich. Sie fliegt bestimmt nicht von alleine in die Luft«, verteidigte sich Penny zaghaft.
»Aber sie würde in die Luft fliegen, wenn es ein Feuer gäbe und dieses Büro in Flammen aufginge. Nimm die Flasche wenigstens abends mit nach Hause.«
»Ich wünschte, du würdest nicht dauernd den Teufel an die Wand malen, Andy. Ich habe genug Probleme mit dem drohenden Bankrott. Und ich kann unmöglich überallhin eine Gasflasche mitschleppen.«
»So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte er. »Wenigstens noch nicht. Aber du musst deine Einnahmen erhöhen, Penny. Ganz im Ernst, es ist höchste Zeit.«
»Ich habe keine freien Stellplätze mehr! Ich kann keine Pferde mehr aufnehmen. Ich könnte dieses Büro aufgeben, es in einen Stall zurückverwandeln, aber dann hätte ich keinen Platz mehr, um mit den Kunden zu reden, wenn sie kommen und Dinge besprechen wollen, und Lindsey und ich hätten keinen Platz mehr, um all den Kram aufzubewahren. Wie die Dinge stehen, muss ich vielleicht bald ein neues Reitpony kaufen, für die Anfänger – wenn ich ein geeignetes finde, das ich auch bezahlen kann. Solo wird immer launischer, je älter er wird. Er hat noch nie gegen den Anhänger getreten, aber beim letzten Mal ist er völlig durchgedreht. Der Tierarzt meint, er wäre auf einem Auge stark sehbehindert, und falls er Recht hat, ist das das Ende von Solos nützlicher Karriere für die Anfänger-Reitstunden. Er wäre eine Gefahr für jeden Anfänger. Nein, für jeden. Der Gedanke macht mir Angst. Ich könnte ihn nicht weggeben, aber selbst hier, in seinem eigenen Stall, könnte er jederzeit scheuen und unerwartet auskeilen. Er wäre kaum noch zu führen, und meine Versicherung würde den Schaden nicht decken, wenn es einen Unfall gäbe. Wahrscheinlich tut sie es jetzt schon nicht mehr, nachdem Mick Mackenzie mich auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht hat.«
Penny machte eine resignierende Geste. »Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Das arme Tier ist nutzlos. Ein Klotz am Bein.« Sie streckte die Hand nach dem ungeöffneten weißen Umschlag aus. »Wahrscheinlich steht es hier drin, schwarz auf weiß, neben der Rechnung. Eine abschließende Diagnose für Solo.«
»Dann heißt es also eine Kugel in den Kopf?«
»Ich hasse den Gedanken. Er könnte für eine Weile sein Gnadenbrot auf der Koppel haben, aber letzten Endes … ein blindes Pferd ist ein blindes Pferd. Und bis es so weit ist, kostet er mich Geld und bringt mir keines ein.« Penny wickelte eine braune Locke um ihren Zeigefinger und blickte ganz elend drein.
»Die Reitstunden werfen doch einen Gewinn ab, oder nicht? Kannst du diesen Geschäftszweig nicht ausbauen? Auch ohne Solo?«
»Ohne den armen Solo – nein. Abgesehen davon bin ich mit Lindsey ganz allein. Wir müssen den Laden schmeißen. Wenn eine von uns mit einem Schüler ausreitet, bleibt die andere allein mit dem ganzen Rest. Keine von uns kann Urlaub machen, keinen richtigen jedenfalls. Lindsey hatte an Ostern vierzehn Tage, weil ihr Mann darauf bestanden hatte, und ich bin beinahe zusammengebrochen allein auf dem Hof, das kannst du mir glauben.«
»Ich bin vorbeigekommen und habe dir geholfen«, sagte er beleidigt.
»Oh, bitte entschuldige. So hatte ich das nicht gemeint. Ich weiß, dass du geholfen hast, und ich bin dir auch sehr dankbar dafür. Ich bin dir wirklich sehr dankbar für alles, Andrew, auch dafür, dass du die Buchführung für ein so geringes Entgelt machst und dass du immer wieder freiwillig herkommst, um Pferdemist zu schaufeln und Zäune zu reparieren und all den anderen Kram. Du bist der beste Freund, den man sich denken kann.«
Er bedachte sie mit einem vielsagenden Blick.
»Nicht, Andy. Du bist verheiratet, schon vergessen?«
»Nicht, dass ich etwas davon bemerken würde. Karen ist seit einer Woche in Portugal und fährt den Douro runter. Sie kommt erst übernächste Woche wieder, und dann bleibt sie nur ein paar Tage, bevor sie erneut fährt. Diesmal nach Mitteleuropa, glaube ich.«
»Sie arbeitet hart, Andrew. Es macht bestimmt keinen Spaß, Reisegruppen zusammenzuhalten und durch die Weltgeschichte zu führen.«
»Ich weiß, dass sie hart arbeitet. Verdammt hart. Aber ich weiß auch, dass ihr die Arbeit Freude macht. Ich würde nicht von ihr verlangen, sie aufzugeben. Das wäre selbstsüchtig und außerdem sinnlos. Trotzdem, sie weiß genauso gut wie ich, dass unsere Ehe mehr oder weniger gescheitert ist. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von uns genug hat und geht. Ich warte darauf, dass sie es tut. Sie wartet darauf, dass ich es tue.«
»Ich bin keine Briefkastentante, Andrew«, sagte Penny entschieden. »Abgesehen davon, selbst wenn du frei wärst, würden wir beide kein erfolgreiches Paar abgeben. Ich mag vielleicht nicht das Kindermädchen für ältere, wohlsituierte Kreuzfahrer auf den europäischen Flüssen sein, aber ich verbringe mehr oder weniger meine gesamte Zeit hier.«
»Meine liebe alte Mama hat früher Taschenbuchromane gelesen, in denen die Leute aus Liebe geheiratet haben«, erwiderte Andrew wehmütig.
»Ich glaube nicht an Taschenbuchromanzen – genauso wenig wie du.«
Er schnitt eine Grimasse und verdrehte die Augen. »Was für eine grausame Welt …«
»Jepp. Ganz genau.«
Ein Schatten fiel von der Tür her in den Raum, und beide blickten auf.
»Es regnet schon wieder«, wurden sie von Selina Foscott informiert. »Wir haben Sultan untergestellt, und Charlie nimmt den Sattel ab. Oh, da kommt sie schon.« Charlie erschien mit dem schweren Sattel auf dem Rücken in der Tür. Die Zügel schleiften hinter ihr im Schlamm. »Genau, wirf ihn hier rein«, wurde sie von ihrer Mutter instruiert. »Okay?«
Die letzte Frage war an Penny gerichtet, doch bevor sie antworten konnte, dass es ganz und gar nicht okay war, hatte Selina sich bereits aus dem Staub gemacht. »Tut mir leid, wir müssen uns beeilen. Los, nicht so langsam, Charlie. Spring in den Wagen. Vielleicht bis morgen, es sei denn, es regnet Bindfäden. Falls ja, bis irgendwann am nächsten Wochenende.«
Weg war sie. »Siehst du, was ich meine?«, zischte Penny. »Schieb Sultan unters Dach, sattle ihn ab und schmeiß alles in die Sattelkammer … kein Wort davon, dass das Tier abgerieben oder der Dreck von seinen Beinen abgewaschen oder die Hufe ausgekratzt werden müssen. Nichts dergleichen. Und auch kein ordentliches Wegräumen von diesem Ding da.« Sie deutete auf den in der Ecke liegenden Ledersattel. »Das müssen wieder Lindsey oder ich machen.«
»Wahrscheinlich denkt sie, dass sie dafür ihre Reitstallgebühren bezahlt, unter anderem.«
»Dann denkt sie falsch. Dafür sind die Reitstallgebühren nämlich nicht! Sie bezahlt dafür, dass das Tier hier einen Stall hat, dass es gefüttert und der Stall regelmäßig ausgemistet und dass es meinetwegen auch noch gestriegelt wird, einverstanden. Wir bewegen Sultan, wenn Charlie es während des Schuljahrs nicht schafft, vorbeizukommen, weil sie zu viel lernen muss. All das ist normale Pflege und arbeitsintensiv, ganz zu schweigen von der Zeit, die es kostet. Aber wenn die beiden an einem verregneten, trüben Tag wie heute zum Stall kommen und das Tier durch das Feld reiten, bis es völlig verdreckt und verschwitzt ist, und mir dann alles vor die Füße werfen und nach Hause fahren – das ist ganz bestimmt nicht enthalten! Was ist der Unterschied zwischen dem hier …«, sie zeigte wütend auf den Sattel zu ihren Füßen, »… und schmutziger Wäsche, die man im Badezimmer einfach auf den Boden wirft, während man darauf wartet, dass jemand anders sie aufhebt und wäscht? Abgesehen davon, wenn man ein Tier hat, dann gehört es einfach mit dazu, sich auch darum zu kümmern. Ich bin nicht ihre verdammte Angestellte!«
»Sag es ihr.«
»Man kann Selena nichts sagen.«
»Du könntest ihr sagen, dass sie ihr Pony und ihre bemitleidenswerte Tochter nehmen und woanders hingehen soll.«
Penny seufzte. »Sie ist fest entschlossen, eine Springreiterin aus Charlie zu machen. Nicht, dass Charlie oder Sultan auch nur das geringste Talent hätten. Und das bedeutet eine Abfolge von Tieren für Charlie, die alle hier im Stall stehen, und das auf Jahre hinaus.«
»Dann erhöhe die Gebühren.«
»Das wage ich nicht. Ich nehme schon so viel wie nur irgend möglich. Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber das hier ist nicht gerade ein Luxus-Etablissement.«
»Ich liebe dich.«
»Siehst du, was ich meine? Ich kann nicht noch mehr Komplikationen gebrauchen, Andy! Nein, du liebst mich nicht. Du bewunderst mich vielleicht, weil ich hier trotz aller Schwierigkeiten ausharre, aber im Grunde genommen sollte ich zum Arzt gehen und mich untersuchen lassen, ob ich noch ganz richtig im Kopf bin. Der einzige andere Grund, aus dem ich weitermache – abgesehen von deiner Unterstützung und Lindseys aufopferungsvoller Hilfe –, ist, dass Eli Smith nicht viel Pacht verlangt für die Koppel und nichts dagegen hat, wenn ich gelegentlich meine Pferde auf dem benachbarten Stück Weide grasen lasse, obwohl ich dafür rein technisch betrachtet keine Pacht entrichte. Nicht, dass er es für irgendetwas anderes nutzen würde.«
Andrew runzelte die Stirn. »Ein eigenartiger alter Knochen, dieser Eli. Und verdammt empfindlich obendrein.«
»Ja, das ist er, und verlässlich obendrein. Auch wenn er vielleicht eines Tages ein Angebot für sein Land erhält, das er nicht ablehnen kann. Und dann war es das. Ich könnte mir nicht leisten mitzubieten.«
Das Wasser im Kessel kochte, und der kleine Raum füllte sich mit Dampf. Andrew goss den Tee auf und reichte Penny einen angeschlagenen Becher.
»Da hast du es«, sagte sie, als sie den Becher entgegennahm. »Wo wir gerade von Eli reden … mir ist da was Merkwürdiges passiert.« Sie verstummte.
»Etwas Merkwürdiges? Was ist denn merkwürdig außer Eli selbst?«
Penny nippte an ihrem Tee, murmelte ein leises »Autsch!« und stellte den Becher auf der Tierarztrechnung von Mackenzie ab. »Ich bin auf dem Weg hierher an seinem Hof vorbeigekommen. Du weißt schon, das verlassene Gehöft den Hügel hinauf. Eli lagert all seine Waren dort oben.«
»So nennt er diesen … diesen Schrott? Waren?«
»So nennt er ihn.«
»Ich nenne es Müll. Warum wohnt er nicht selbst dort oben? In seinem Haus?«
»Weil es in diesem Haus spukt. Frag hier aus der Gegend, wen du willst. Die Alten, meine ich. Das Haus war der Schauplatz eines grauenvollen Verbrechens.« Sie zögerte.
»Oh, richtig, stimmt. Ich habe davon gehört. Eli nutzt es zu seinem Vorteil aus, der verschlagene alte Mistkerl. Ein Gerücht von einem spukenden Gespenst ist eine ziemlich sichere Methode, lästige Schnüffler fernzuhalten.«
»Ich weiß nicht, ob Eli die Geschichte erfunden hat – oder warum er sie hätte erfinden sollen, falls sie von ihm stammt –, aber er weigert sich beharrlich, da draußen zu wohnen. Deswegen denken die Leute, irgendetwas muss doch nicht stimmen. Ich sage nicht, dass Eli an spektrale Erscheinungen glaubt, die mitten in der Nacht durch die Zimmer schweben. Trotzdem. Es ist wohl eine Erinnerung an einen Punkt in seinem Leben, den er lieber vergessen will. Vielleicht ist der Spuk in seinem Kopf und nicht im Haus, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Und vielleicht ist das der Grund, aus dem manche Leute Gespenster sehen und andere nicht«, sinnierte Andrew. »Die Geister kommen aus unserem Innern, nicht von draußen.«
Eine verlegene Pause entstand. »Hör mal«, sagte Penny schließlich. »Möchtest du nun wissen, was das Merkwürdige war, oder nicht? Ich bin also an Elis Hof vorbeigefahren, und ein kleines Stück weiter gibt es eine Einfahrt zu einem Feld. Und was steht dort? Ein todschicker silbergrauer Mercedes. Er gehört niemandem hier aus der Gegend, absolut sicher.«
»Der Fahrer ist wohl in die Büsche gesprungen, um einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen.«
»Oh nein, ganz und gar nicht. Das ist ja das wirklich Merkwürdige. Er war im Wagen. Er hat versucht sich zu verstecken, quer über den Vordersitzen. Aber ich habe ihn deutlich gesehen.«
»Aha. Ein Geheimnis. Ich komme auf dem Rückweg an der Stelle vorbei und kann ja nachsehen, ob der Wagen noch da steht.«
»Das bezweifle ich.«
»Wenn er hier lang gekommen wäre, hätten wir ihn bemerkt.«
»Nein, hätten wir nicht. Wir haben beide über dem Zaun gehangen und Sultan und Charlie zugesehen. Wo wir gerade davon reden – ich gehe besser und kümmere mich um den armen Sultan.«
»Hast du eine Telefonnummer von Eli?«, fragte Andrew nachdenklich.
»Ich hab seine Handynummer, ja. Warum?«
»Ich rufe ihn an und schlage vor, dass er seinen Hof kontrolliert. Ich meine, soweit wir wissen, lagert er dort nur Müll und Plunder. Aber er ist ein verschrobener alter Kauz. Vielleicht hat er ja etwas Wertvolles dort versteckt, und die Spukgeschichte soll Neugierige vom Nachsehen abhalten. Und wenn sich ein Fremder in der Gegend herumgetrieben hat, noch dazu ein Fremder, der versucht hat, sich vor dir zu verstecken, dann sollte Eli das vielleicht erfahren.«
Penny griff ins Regal und nahm eine schmuddelige Kladde heraus. »Hier hast du meine Liste mit Telefonnummern. Elis Nummer steht auch da drin. Danke noch mal fürs Vorbeikommen, Andy, und fürs Teekochen. Aber ich muss mich jetzt wirklich um Sultan kümmern.«
Er blätterte in ihrem Adressbuch, als sie ging.