2 ADMIRAL LEVSTROMO

Der Manta raste durchs All, um überlebende »Dunsel«-Kommandanten der Rammschiff-Flotte zu retten. Inzwischen mussten die sechzig Kamikazeschiffe den Drogern bei Qronha 3 einen schweren Schlag versetzt haben.

Der Sternenantrieb des Kreuzers arbeitete mit maximalem Schub. Schwitzende Techniker und Soldaten-Kompis überwachten die Systeme und hielten nach Überladungen Ausschau. Admiral Stromo lag siebzehn Stunden hinter seinem Zeitplan - vor dem Start hatte er darauf bestanden, alle Checklisten durchzugehen, als handelte es sich um einen Ausbildungseinsatz und keine eilige Rettungsmission. Aber die Fluchtkapseln sollten über genug Luft, Nahrung und Wasser verfügen, um das Überleben der sechs menschlichen Kommandanten für mindestens einen weiteren Tag zu gewährleisten, vielleicht auch für zwei. Es blieb Stromo also Zeit genug.

General Lanyan wünschte sich eine Gelegenheit, die neuen Rammschiffe der Terranischen Verteidigungsflotte einzusetzen, und deshalb hatte er die Chance sofort genutzt, als die Hydroger die Wolkenmine der Hanse über Qronha 3 angriffen. Die stark gepanzerten Schiffe, deren Besatzungen fast ganz aus Soldaten-Kompis bestanden, waren für Kollisionen mit den Kugelschiffen des Feinds bestimmt. Für die menschlichen Kommandanten gab es eine Möglichkeit, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, mit Rettungskapseln, die der Manta-Kreuzer später aufnehmen sollte. Ein perfekter Plan, rein theoretisch.

Der Admiral schlief tief und fest in seiner privaten Kabine und überließ die administrativen Details dem diensthabenden Offizier. Als das Wecksignal erklang, dachte Lanyan, dass einem Gitter-Admiral einige zusätzliche Stunden Schlaf gestattet sein sollten. Er verließ die gepolsterte Koje, rieb sich die Augen und bereitete sich auf den Dienst vor. Man erwartete von ihm, der Truppe ein gutes Beispiel zu geben, aber er wäre viel lieber zu Hause geblieben. Stromo eignete sich mehr für Verwaltung, Politik und Büroarbeit. Zweifellos gab es andere TVF-Offiziere, die sich unbedingt einen Namen machen wollten, um schneller befördert zu werden. Wäre einer von ihnen für diese Mission nicht besser geeignet gewesen?

Aber jetzt war er hier. Er hatte seine Befehle und musste die Sache hinter sich bringen, bevor er heimkehren konnte.

Stromo wusch sich das Gesicht mit Wasser aus dem kleinen Becken. Als er sich die Wangen rieb, fühlte er Bartstoppeln, beschloss aber, noch einen Tag zu warten, bevor er eine neue Dosis des Anti-Bart-Hormons nahm. Die Tabletten bereiteten ihm Magenbeschwerden, doch noch ärgerlicher war es, sich rasieren zu müssen.

Er zog eine saubere Uniform an, beugte sich dann zum Spiegel vor und erhöhte die Vergrößerungsstufe. Unter dem fleischigen Kiefer zeigte sich ein zusätzliches Kinn, das gut zu seinem wachsenden Bauch passte. Die Augen wirkten verschwollen, aber nicht aus Schlafmangel. Vielleicht sollte er sich mehr Bewegung beschaffen, sobald er Zeit dafür fand.

Stromo hatte nie beabsichtigt, noch einmal in den Kampf zu ziehen, hatte nicht mit der Notwendigkeit gerechnet. Aber seit dem Beginn des Hydroger-Kriegs entwickelten sich die Dinge in seinem Leben kaum mehr so, wie er es sich wünschte. Er wusste, dass man hinter seinem Rücken über ihn lachte und ihn »Bleib-zu-Hause-Stromo« nannte, weil ihm der Schreibtisch lieber war als das Schlachtfeld. Aber irgendwann wurden einem Komfort und Verlässlichkeit wichtiger als Stolz und Ehrgeiz.

Die glühenden Ziffern am Schott erinnerten ihn daran, dass ihm nur noch einige Minuten blieben, um die Brücke zu erreichen, wenn er von dort aus die Ankunft bei Qronha 3 beobachten wollte. Beim wichtigen Teil dieser lästigen Mission sollte er im Kommandosessel sitzen. Stromo kämmte sein kurzes, eisengraues Haar, atmete tief durch und rückte die Medaillen zurecht - die meisten von ihnen hatte er wegen seines Dienstalters bekommen, oder dafür, weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war. Bereit für den Dienst.

Mit langen Schritten ging er durch den Korridor, der Rücken gerade und die Schultern straff, das Kinn nach vorn geschoben, wie bei einem als sportliche Übung dienenden Powerwalk. Er kam an mehreren Soldaten-Kompis vorbei, nickte ihnen aus reiner Angewohnheit zu und war keineswegs überrascht, als sie den Gruß nicht erwiderten. Dinge wie Höflichkeit und dergleichen waren in der militärischen Programmierung der Soldaten-Kompis nicht vorgesehen.

Sie ersetzten menschliche Besatzungsmitglieder und erreichten fast die Größe eines durchschnittlichen Mannes. Arme und Beine waren besonders dick, der Rumpf gepanzert. Eine verstärkte Muskulatur und die synthetische Haut machten die Roboter ausdauernder und kräftiger als menschliche Soldaten, weniger anfällig für Verletzungen. Es kam einer Erleichterung gleich zu wissen, dass sich so viele von ihnen an Bord befanden.

Stromo betrat die Brücke und ließ seinen Blick über die dortige Crew streichen. Die seltsame junge grüne Priesterin Clydia saß an ihrer Station, berührte den Schössling und schien wie üblich mit offenen Augen zu träumen. Die haarlose Frau trug nur Shorts und ein weites Hemd, weder Schuhe noch Insignien - wenn man von den zahlreichen Tätowierungen auf ihrer smaragdgrünen Haut absah. Stromo hielt grüne Priester für kaum mehr als primitive Wilde, aber er war dankbar dafür, dass ihnen Clydia verzögerungsfreie Kommunikation ermöglichte. Bei anderen Kriegsschiffen nahm die Übermittlung von Nachrichten enorm viel Zeit in Anspruch. Außer der grünen Priesterin befanden sich ein hochgewachsener ägyptischer Waffenoffizier namens Anwar Zizu, der mit Erscheinungsbild und Verhalten den Eindruck erweckte, aus Eichenholz geschnitzt zu sein, und ein Kommunikationsoffizier auf der Brücke, an den sich Stromo nicht erinnerte, daneben zwei Techniker, die die Kontrollen der Sensoren und Scanner bedienten, und einige Soldaten-Kompis an den übrigen Stationen. Als niemand auf seine Ankunft reagierte, räusperte sich Stromo demonstrativ. Eine junge Ensign, die die Navigationsstation übernommen hatte - Terene Mae, wenn er sich richtig an den Namen erinnerte - nahm Haltung an. »Admiral auf der Brücke!«

Commander Elly Ramirez drehte sich in ihrem Sessel. »Wir nähern uns dem Qronha-System, Sir.«

»Dies ist nichts weiter als Routine.« Stromo übernahm den Kommandosessel von Ramirez. »Wir sammeln die Fluchtkapseln ein und fliegen zurück zur Erde. Unterwegs können uns die Dunsel-Kommandanten einen detaillierten Bericht geben.«

Ramirez lächelte. »Ich freue mich schon darauf, Commander Tamblyn wieder an Bord zu haben, Sir. Es hat sich nie richtig angefühlt, ihren Manta-Kreuzer zu übernehmen.«

»Sie haben nur Ihre Befehle befolgt, Commander Ramirez. Als Roamerin eignete sich Tamblyn nicht für unsere jüngsten Missionen.« Stromo wollte nicht noch mehr darüber hören, sah auf den Bildschirm und bemerkte die Scheibe eines Gasriesen. Auf der rechten Seite leuchtete das Zentralgestirn des Sonnensystems. »Ist das Qronha 3?«

Einer der Sensortechniker aktivierte einen Filter, der das solare Gleißen dämpfte. »Ja, Sir. In einer knappen Stunde sollten wir in Reichweite sein.«

»Irgendwelche Notrufe? Peilsignale von den Fluchtkapseln?«

»Wir sind noch zu weit entfernt, Sir«, sagte Ramírez. »Die Leistung des Kapselsenders ist begrenzt.«

Stromo lehnte sich zurück. »Weitermachen.« Für eine Weile war das Summen des Schiffes friedlich und entspannend, und einmal nickte er kurz ein. Er rieb sich die Augen, kämpfte gegen die Müdigkeit an und hoffte, dass er nicht geschnarcht hatte.

»Noch immer nichts«, sagte der Kommunikationsoffizier.

»Wir sondieren mit den Fernsensoren und suchen mit ihnen nach Trümmern oder Triebwerksspuren«, meldete der Sensortechniker.

Stromo runzelte die Stirn. »Wenn sechzig Rammschiffe mit Droger-Kugeln kollidiert sind, sollte es zu einem ziemlichen Feuerwerk gekommen sein. Haben Sie noch keine Residualenergie oder Radioaktivität entdeckt?«

»Nein, Sir. In den oberen Atmosphäreschichten des Gasriesen gibt es schwache Spuren, aber sie scheinen von Komponenten der Wolkenmine zu stammen. Es lassen sich weder Rammschiffe noch ildiranische Einheiten orten.«

Die Falten fraßen sich tiefer in Stromos Stirn. »Es muss doch etwas da sein. Wir sind nur einen Flugtag hinter den Rammschiffen.«

Als sie kurze Zeit später den Gasriesen erreichten, fanden sie dort nichts:

keine Fluchtkapseln, keine Hinweise auf Explosionen, keine Wracks.

»Suchen Sie weiter«, brummte Stromo. »Sechzig Rammschiffe können doch nicht einfach spurlos verschwinden.«