26.
Karin Demus war nicht nach einem erfundenen Anfall umgekippt, sondern nach einem Messer- oder Dolchstich in die Brust, schätzungsweise vor einer Stunde. Sie lag im Wohnzimmer vor der Couch auf dem Boden und eine umgestürzte Vase hatte zuerst das Wasser und dann die Blumen dekorativ über sie verteilt.
"Viel später hätten Sie nicht kommen dürfen", meinte der Notarzt, als die Patientin abtransportiert wurde. Der Rest des Tages war gelaufen. Die Polizei nahm ihn mit ins Präsidium, und dort erzählte er, wann und wie er Karin Demus an einem spanischen Mittelmeerstrand kennengelernt hatte. Die ganze Geschichte von Ohana und Debby MacGregor, Achim van Borgh, von dem in Madrid verstorbenen Deutschen Uwe Zindler verschwieg er. Gut möglich, dass die junge Kommissarin, die das Protokoll aufnahm, argwöhnte, er verschweige etwas oder auch viel. Er hatte auf die Frage, ob er vorher schon einmal in der Wohnung gewesen sei, prompt mit "Ja" geantwortet, aber auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, wer und warum Karin Demus niedergestochen habe, genau so prompt "Nein" erwidert. Er wollte raus hier, und die Rettung kam überraschend in Form eines gleichaltrigen Mannes, der den Raum betrat und staunte: "Ich glaube es nicht, Peter Marholt. Was machst du denn hier?"
"Helmut Thielen, das gibt es doch nicht, was hast du hier zu suchen?"
Die junge Kommissarin mischte sich voller Missbilligung ein: "Herr Thielen ist der zuständige Staatsanwalt."
Das unerwartete Auftauchen des früheren Schulkameraden rettete wenigstens den Abend. Sie tauschten Adressen und Telefon-Nummer, Marholt schwor bei allen Schulgeistern, dass er das Ruhrgebiet nicht verlassen werde, ohne vorher Bescheid zu geben.
Ohne Auto zum Anlieger nach Mülheim zu kommen, wo er seinen Wagen abgestellt hatte, war eine regelrechte Expedition. Ziemlich erschlagen kam er in seine Wohnung und gönnte seiner Wäsche noch eine Nacht in schmutzigem Zustand.