85
Thandie brachte Lily zu einem Sitzplatz und
reichte ihr einen Porzellanbecher mit Kaffee.
Von Großbritannien waren nur noch ein paar
vereinzelte Inseln über dem früheren Schottland übriggeblieben, die
Gipfel der überfluteten Highland-Berge.
»Vom Ben Nevis ist noch ein Stück zu sehen. Aber
England ist längst verschwunden und ganz Wales ebenfalls - selbst
der Snowdon liegt mittlerweile ein paar Hundert Meter tief unter
Wasser.«
»Großbritannien … Aber ihr habt mich doch im
Pazifik aufgelesen. Wie schnell fährt dieses Boot?«
»Die Reisegeschwindigkeit beträgt ungefähr zwanzig
Knoten.«
»Wie lange bin ich also wie ein Zombie
herumgeschlurft?«
»Länger als du denkst, schätze ich. Frag den Sani
…«
Über die Schultern der Operatoren hinweg blickten
sie auf Bildschirme, die Außenaufnahmen zeigten, eingefangen von am
Rumpf montierten Kameras. Das Wasser war trübe, voller schwebender
Fragmente, die manchmal in hellen, unnatürlichen Farben
schimmerten, unzerstörbarer Plastikmüll, der das Meer sprenkelte.
Doch es war Vormittag, die Sonne stand hoch am Himmel, und die
Partikel im Wasser fingen das Licht ein und erzeugten lange
Strahlen, wie die
Pfeiler einer riesigen Kathedrale. Es war sehr schön, und die
Bildschirme des Bootes zeigten es in Echtfarben, einem tiefer
werdenden ozeanischen Blau. Und weiter entfernt, nur undeutlich
sichtbar, erkannte Lily einen Berghang mit klotzigen, dachlosen
Gebäuden und einem filigranen Rechteckmuster, bei dem es sich um
Feldbegrenzungen handeln mochte.
»Wir nennen das hier die ›euphotische Region‹«,
sagte Thandie. »Das obere Ende der Wassersäule. Wasser ist ziemlich
undurchsichtig, in hundertfünfzig Meter Tiefe hat es neunundneunzig
Prozent des Sonnenlichts geschluckt. Darunter herrscht ewige
Dunkelheit.«
»Aber die Flut ist ungefähr einen Kilometer tief,
oder?«
»Ein bisschen mehr.«
»Also liegt der größte Teil von Großbritannien
nicht nur unter Wasser, sondern auch im Dunkeln.«
»Macht das einen Unterschied?«
Auf einem der Bildschirme schoss eine blitzschnelle
Gestalt durchs Blickfeld, der Operator zuckte zurück.
»Was war das, ein Seehund?«, fragte Lily.
»Nein … Bill, kannst du uns das noch mal in
Zeitlupe reinspielen?«
Wie sich herausstellte, war es ein Kind, ein Junge,
nackt bis auf ein Paar Schuhe, dessen geschmeidiger Körper am Rumpf
des Bootes entlangglitt. Nicht älter als acht oder neun, drehte er
sich sogar um und winkte in die Kamera.
»So ein kleiner Frechdachs. Ein Besucher von einem
Floß über uns. Fischersleute wahrscheinlich.«
»Wow! Wie tief sind wir?«
»Hundertfünfzig Fuß«, sagte ein Operator.
Thandie grinste. »Das ist noch gar nichts. Die Kids
folgen einem bis zu dreihundert Fuß weit runter, und ich habe
Berichte über noch tiefere Tauchgänge gehört. Das passiert überall
auf der Welt. Die Kinder knobeln selbstständig Atemtechniken aus
und geben sie über Funknetze weiter, und sie gehen immer tiefer
runter. Das ist aber ganz harmlos. Wir kriegen auch weniger
willkommenen Besuch, Leute, die die Sensorpakete zu beschädigen
versuchen oder sogar Haftminen am Rumpf anbringen.«
Das Kind auf dem Standbild erinnerte Lily ein wenig
an Manco, einen weiteren eifrigen Meeresschwimmer. »Die Welt war
schon überflutet, bevor diese Kinder geboren worden sind. Der Ozean
ist das Einzige, was sie erforschen können.«
»Solange sie die Flossen von meinen Sensoren
lassen, können sie Aquaman spielen, soviel sie wollen«, sagte
Thandie streng.
Lily betrachtete die Karten, als das Boot sich
nach Süden wandte und der Länge nach über Großbritannien
hinwegfuhr.
»Wir umrunden die Highlands im Osten, überqueren
den Firth of Forth über Edinburgh und fahren dann die Ostseite des
Landes hinunter, über die Lammermuir Hills hinweg«, erklärte
Thandie. »Selbst die Lammermuirs werden etliche Hundert Meter tief
unter dem Bug liegen. Es besteht nirgends Kollisionsgefahr. Über
den Cheviot Hills überqueren wir dann die Grenze zu England. Diese
Reise hat einen bestimmten Zweck, Lily. Wir überprüfen die
Topografiedes Landes und studieren, wie sie sich angesichts der auf
ihr liegenden Wassermasse wandelt. Und wir verzeichnen die Erdbeben
und Erdrutsche infolge der veränderten isostatischen Belastung.
Das ist ein Bestandteil eines globalen Porträts, das uns
hoffentlich helfen wird, künftige Beben und damit Tsunamis
vorherzusagen.«
Das Boot sank tiefer, und das schimmernde Licht von
oben schwand, die Kathedralenpfeiler trübten sich. Irgendwo in
einer Tiefe von über zweihundert Metern flammten schließlich am
Rumpf des Bootes angebrachte Außenlampen auf und fingen eine
spärliche Ansammlung von Lebewesen ein; Lily sah Fische, Quallen
und Aale. Sie konnte nicht glauben, dass sie praktisch im Himmel
über Südschottland hing, in einem U-Boot flog, umgeben von diesen
sich windenden Kreaturen.
»Das ist das Mittelwasser«, sagte Thandie leise.
»Hier unten gibt’s kein Sonnenlicht. Fotosynthese ist unmöglich.
Deshalb gibt es hier auch keine Pflanzen, sondern nur Tiere und
Bakterien. Und ohne Primärproduktion haben diese Geschöpfe nichts
zu fressen als einander. Sie haben alle möglichen Strategien
entwickelt, um Räubern zu entkommen - Unsichtbarkeit zum Beispiel.
Das Wasser ist voller gelatinöser Geschöpfe, es gibt sogar einen
unsichtbaren Oktopus … Hey, schau dir das an.« Sie zeigte auf einen
unansehnlichen Fisch. »Das ist ein Borstenmäuler. Er gilt als der
verbreitetste Vertebrat der Welt - das am häufigsten vorkommende
Tier mit einer Wirbelsäule.«
»Wirklich?«
»Und du hast noch nie von ihm gehört, stimmt’s? Im
Meer war schon immer ordentlich was los, Lily. Wahrscheinlich
gibt’s da draußen ganze Arten von unentdecktem Leben. Erst in den
1970er-Jahren haben wir sogenannte ›black
smoker‹ - Schwarze Raucher - gefunden, vom Sonnenlicht komplett
unabhängige Biosphären, und erst in den Achtzigern haben wir
Methan-Sickerstellen und weitere chemosynthetische Gemeinschaften
entdeckt. Wer weiß, was es da noch so alles geben mag. Wir werden
es jedenfalls nie erfahren, so viel steht fest. Meine Generation
ist wahrscheinlich die letzte, die das Privileg genießt, auf diese
Weise wissenschaftliche Forschung betreiben zu können. Unsere
Kinder und Enkelkinder werden wieder Quallenarten zählen.« Thandie
lachte, ein leerer Laut. »Hey, Bill, machst du mal die Lichter aus?
Dann können wir die Biolumineszenz sehen.«
»Klar.«
Der Operator tippte auf der Tastatur herum, und die
Bilder auf den Schirmen wurden erst schwarz und hellten sich dann
zu Grau auf. Das rötliche Licht im Beobachtungsraum wurde ebenfalls
schwächer.
»Ist schwierig zu erkennen, bis man’s gezeigt
bekommt«, sagte Thandie. »Und hier unten gibt es nur wenig Leben …
Da. Siehst du?«
Lily sah verstreute Lichter, die einem treibenden
Spielzeug-U-Boot ähnelten; sie waren zu matt, als dass sie ihre
Farben hätte ausmachen können. Dann bot sich ein spektakulärerer
Anblick - eine blaue, gelb funkelnde Spirale.
»Das ist eine Staatsqualle«, erklärte Thandie.
»Eine Art Kolonie, Hunderte von Quallen an einem langen zentralen
Strang. Mit diesen leuchtenden Tentakeln lockt sie ihre Beute an.
Man glaubt, dass achtzig Prozent der Arten hier unten im
Mittelwasser biolumineszent sind. Das Licht zieht Nahrung an
…«
»Und sicher auch Räuber?«
»Na ja, so manche Art lockt mit ihrem Licht
größere Räuber an, damit die ihre eigenen Jäger vertreiben.
Jede Menge komplizierter Strategien.«
Lily sah ein quallenähnliches Wesen, das von seinem
eigenen Spektrallicht erleuchtet wurde; es schwoll an und wieder ab
wie eine Rauchwolke. Es war außergewöhnlich schön.
»Tatsächlich findet da draußen gerade ein großes
Artensterben statt«, sagte Thandie. »Da die Welt wärmer wird,
schrumpft das Volumen der großen Kaltströmungen von den Polen, die
unter das leichtere, wärmere Wasser aus den niedrigeren Breiten
absinken. Diese Verschiebung hat Sauerstoff in die Tiefen getragen
und Leben genährt. Jetzt schaltet sich dieses gewaltige Förderband
gerade ab. Hier unten erstickt und verhungert alles. Aber das
passiert nicht zum ersten Mal. Das Fossilienarchiv zeigt, dass es
vor neunzig und vor sechzig Millionen Jahren ähnliche ausgeprägte
Warmzeitschübe gab. Ein solches Artensterben ist allerdings auch
eine Chance …«
Während sie stetig nach Süden fuhren, überquerten
sie einen Berg namens Cheviot in Northumberland, eine alte
vulkanische Erhebung, deren Gipfel einst mehr als achthundert Meter
über dem Meeresspiegel gelegen hatte. Jetzt befanden sich die
Steinpyramiden, die Bergsteiger auf seinem Gipfel errichtet hatten,
in einer Wassertiefe von dreihundertfünfundsechzig Metern. Und über
den vom Eis geformten Hängen des Berges sammelte sich Leben, ein
loser Schwarm von Fischen und gelatinösen Räubern, die über dem
Gipfel schwammen. Lily glaubte, einen Hai zu sehen.
»Ein Ozeanograf würde den Cheviot als Tiefseeberg
bezeichnen«, erklärte Thandie. »Meeresströmungen werden
nach oben gedrückt und müssen über den Berg hinwegfließen. Dadurch
entsteht eine kreisförmige Bewegung des Wassers über dem Gipfel,
eine Taylor-Zelle, wie man das nennt, und es kommt zu einem
Austausch von Nährstoffen und Lebensformen. Stimuliert Fauna und
Flora. Und sorgt für reiche Fischgründe.« Einer der Operatoren
bestätigte, dass an der Wasseroberfläche über ihnen eine
menschliche Floßgemeinschaft trieb. »Aus der Luft kann man die
Topografie der versunkenen Länder noch immer anhand der
Fischereiflotten erkennen, die sich über den Berggipfeln
sammeln.«
»Ein Hai über Northumberland«, staunte Lily.
»Tja, früher mal hätte man das ungewöhnlich
gefunden.«
Die New Jersey glitt in tieferes Wasser.
Vierzig oder fünfzig Kilometer südlich des Cheviot, ungefähr auf
der Höhe von Newcastle, fing eine ferngesteuerte Kamera, die neben
dem Boot herschwamm, einen Höhenrücken in der Landschaft ein,
dessen Kamm von einer Traube bunter Schwämme gekennzeichnet
war.
Thandie stieß eine Faust in die Luft. »Ha! Ich
hab’s doch gewusst. Weißt du, was das ist?«
»Überrasch mich.«
»Der Hadrianswall. Wir sind hier in der Nähe eines
alten Römerkastells namens Housesteads. Die Landschaft ist
größtenteils von kalkhaltigem Schlamm bedeckt, einem weichen,
schmodderigen Sediment. Aber ein paar Arten ziehen nacktes Gestein
vor. Sie suchen sich Bergrücken und Hänge, an denen der Schlamm
sich nicht festsetzt. Korallen, Seelilien, spezialisierte
Seesterne, Seescheiden, Haarsterne. Es
gibt ein ganzes Sammelsurium von Meeresgetier, das den Höhenzug
mit dem Wall darauf kolonisiert ebenso wie die Steine der römischen
Mauer selbst.« Thandies Grinsen wurde breiter. »Selbst unter diesen
Umständen ist das ein erstaunlicher Anblick, nicht wahr?«
»Angeberin.«
Lily und Thandie legten ab und zu eine Pause ein,
um etwas zu essen und zu schlafen. Aber es zog Lily immer wieder in
den Beobachtungsraum, diesem rot erleuchteten, von Geheimnissen
erfüllten Bienenkorb lautloser Überwachung, dessen Bildschirme wie
Fenster in eine veränderte Welt waren. Sie merkte, wie rasch sie
vorankamen, als sie landeinwärts in Richtung der Pennines fuhren,
einer Bergkette, die sich am Rückgrat des versunkenen Landes
entlangzog. Sie machten einen Umweg, um über die Kadaver von Leeds,
Bradford und Manchester hinwegzugleiten, einst von der Glut der
Hochöfen der industriellen Revolution erhellte Städte, die nun im
abyssischen Dunkel verloren waren. Und die New Jersey fuhr
immer weiter, dem südenglischen Tiefland entgegen.
Über Nottingham zeigte Thandie ihr eine
Aufzeichnung von einem Geschöpf, das sie gerade beobachtet hatten,
aus der Dunkelheit gerissen von den Lichtern des Bootes. Es ähnelte
vielleicht einer Vase oder einem Blumentopf mit stachelbewehrten
Nähten. »Schade, dass du das verpasst hast … Das ist ein
Tiefseevampir.«
»Ein was?«
»Ein echtes Relikt - wie der Quastenflosser, der
fossile Fisch, der, wie sich herausgestellt hat, gar kein Fossil
ist. Man findet diese Wesen in zweihundert Millionen Jahre alten
geologischen Ablagerungen. Wir befinden uns in der Nähe einer
Sauerstoff-Minimum-Zone, ungefähr fünfhundert Meter tief. Hier kann
nicht viel überleben.«
»Außer dem Tiefseevampir.«
»Ja. Eine eigentümliche Nische. Es ist eine
Strategie, um Räubern zu entgehen - du versteckst dich einfach
dort, wo niemand außer dir atmen kann. Und wenn das
Massenaussterben beginnt, können sich deine Nachfahren in all
diesen leeren Nischen ausbreiten.« Thandie schüttelte staunend den
Kopf. »Wenn man solche Wesen sieht, ist es, als fände man einen
lebenden Dinosaurier. Ich wünschte, du hättest es live gesehen.
Meinst du, das würde Manco interessieren?«
»Du kannst es ja mal versuchen.«
Aber es interessierte ihn nicht.
Über den Midlands, über Leicester und Northampton,
lag das versunkene Land in einer Tiefe von sechshundert bis
siebenhundertfünfzig Metern. Thandie geriet in Erregung, als sie
diverse exotische Lebensformen erblickte, die sich in dem
kalkhaltigen Schlamm wanden, der jetzt die Straßen und Felder
Mittelenglands überzog. Eine davon war eine Seespinne mit
gelblichen Beinen, die Thandie zufolge eine Spanne von zwanzig
Zentimetern hatten. »Antarktische Fauna in Leicestershire!
Erstaunlich, dass sie in so wenigen Jahren so weit nach Norden
vorgedrungen sind …«
Bemerkenswerterweise, erfuhr Lily, lag das
südenglische Tiefland jetzt niedriger als das küstennahe
Kontinentalschelf vor der Flut; die Lebensformen, die diese
Unterwasserebenen um Großbritannien herum bewohnt hatten, konnten
hier nicht überleben. Doch das Schelf um die Antarktis hatte schon
immer tiefer gelegen; der ganze Kontinent war durch
das schiere Gewicht der kilometerdicken Eisdecke, die er trug,
tief in den Leib der Erde gedrückt worden, und die Lebensformen auf
dem Schelf hatten sich an die größere Tiefe angepasst. Jetzt
besiedelten diese Polargeschöpfe neue Regionen wie Leicestershire
und Northamptonshire.
Das Endziel der Reise war London. Aber mit über
tausend Metern lag die Stadt in zu großer Tiefe für die New
Jersey, die eine maximale Tauchtiefe von fünfhundertfünfzig
Metern hatte. Darum beabsichtigten die Wissenschaftler, ROVs
hinunterzuschicken - ferngesteuerte, mit Kameras, Lampen und
Sensoren zur Messung von Temperatur, Druck, Salzgehalt und anderen
Indikatoren beladene Plattformen mit Eigenantrieb -, während die
New Jersey über den Straßen der Stadt hing wie ein
Sperrballon in Kriegszeiten.
An dem Tag, als die ROV-Flottille gestartet werden
sollte, kündigte der Wachführer das Ereignis über Lautsprecher an.
Es gab eine Menge Aufregung unter der Besatzung, die sich für
gewöhnlich benahm, als gäbe es die Welt außerhalb der gekrümmten
Wände ihres Bootes gar nicht. Doch das Schicksal einer Großstadt
wie London regte die Fantasie an. Der Kapitän sorgte dafür, dass
die von den ROVs nach oben geschickten Bilder ins ganze Schiff
übertragen wurden, auf die Flachbildschirme in der Kombüse und
anderswo. Selbst Manco zeigte sich interessiert, obwohl er kaum
verstand, was geschah. Er kam mit Lily in den
Beobachtungsraum.
Thandie fing Lily ab, bevor sie hineingingen. »Hör
mal, Lily. Ich hatte ein bisschen Glück.«
»Womit?«
»Ich habe was über die Arche Eins
rausgefunden.«
»Erzähl.«
»Es hat etwas mit Pikes Peak zu tun - mit der
dortigen Basis der US Air Force. Und es gibt eine Art
Operationszentrum in der Stadt Alma, Colorado, zufällig die am
höchsten gelegene Stadt in den kontinentalen Vereinigten Staaten.
Ich habe ein paar Hinweise bekommen, weil einige meiner Freunde bei
der NOAA daran beteiligt sind. Es ist offensichtlich eine groß
angelegte Operation.«
»Und was ist es, ein anderes Schiff, ein U-Boot,
eine Zuflucht?«
»Ich weiß es nicht. Niemand redet. Aber es wird
undichte Stellen geben, weil sie eine Besatzung rekrutieren. Harte
Selektion nach Fähigkeiten. Klingt, als müsste man zwei Doktortitel
haben, nur um in die engere Auswahl zu kommen. Und nur Singles,
keine Familien, keine Kinder. Aber sie nehmen schwangere Frauen,
jedenfalls wenn die Schwangerschaft noch nicht zu weit
fortgeschritten ist.«
»Warum?«
»Genetische Diversität, nehme ich an. Eine
möglichst große Variationsbreite, in Anbetracht des Umfangs der
Crew. Wenn ich schwanger bin, nehme ich die Gene des Vaters
mit.«
»Und wie kriege ich Grace in dieses Projekt
hinein?«
»Keine Ahnung. Aber ich kann dir sagen, wen ich
fragen würde.«
»Wen?«
»Nathan Lammockson. Wenn jemand seine Beziehungen
spielen lassen kann, um irgendwas zu schaukeln, dann Nathan,
stimmt’s?«
Vielleicht, dachte Lily. Ein Faktor in der
Gleichung war jedoch auch Hammond, Nathans Sohn. Würde Lammockson
ihm nicht einen Platz vor Grace in der Schlange für diesen
wundersamen Zufluchtsort geben? Sie überlegte rasch, dann sagte
sie: »Kannst du mich mit der Arche Drei verbinden? Ich will
versuchen, direkt mit Grace zu sprechen. Und ich muss auf das
Schiff zurück.«
Thandie schürzte die Lippen. »Das hängt vom Kapitän
und den Schiffsbefehlen ab. Könnte noch Monate dauern.«
»Ich weiß. Sobald es eben geht.«
Da tönte Bills Stimme aus dem Beobachtungsraum:
»Die Show fängt an, Leute.«