Kapitel 27
 
 
 
Daemon vertrieb sich die Zeit mit Schreibarbeit, während er auf Jaenelles Rückkehr wartete.
Er hatte sich gefragt, ob sein Vater von den Halbbluten gewusst hatte, die in dhemlanischen Waisenhäusern großgezogen wurden. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Seine einzige Entschuldigung, weshalb ihm die Hinweise entgangen waren, war sein eigenes Gefühlschaos im vergangenen Jahr.
Eines der gewaltigen Anwesen der Familie SaDiablo beherbergte eine autarke Gemeinde samt einer Schule. Als er die Verwaltung der Besitzungen und des Vermögens der Familie übernommen hatte, hatte Saetan ihm gesagt, jene Gemeinde müsse für sich selbst aufkommen, er solle jedoch keinerlei Abgaben von dort erwarten. Damals hatte er keine Fragen gestellt, hatte sich den Ort auch nicht genauer angesehen; er hatte lediglich die Berichte durchgesehen um sicherzustellen, dass die Gemeinde auch weiterhin für sich selbst aufkam.
Als Jaenelle und er sich also zusammensetzten, um ein mögliches neues Zuhause für Yuli zu finden, hatte er peinlich berührt entdeckt, dass die Schule der Gemeinde für Halbblutkinder war, die über das Potenzial verfügten, Angehörige des Blutes zu werden, sobald sie herangewachsen waren. Manche Kinder waren dort, weil ihre Eltern wollten, dass sie die zweifache Landen-Blut-Ausbildung erhielten, die ihrem Potenzial gerecht wurde. Andere galten als Waisenkinder – Kinder, die ihre Eltern verloren hatten, oder Kinder, deren Eltern nichts weiter als Namen waren, die die Familienblutlinien anerkannten. Die Kinder wurden unterrichtet, man kümmerte sich um sie, brachte ihnen das Protokoll bei und unterwies sie in den Grundlagen der Kunst, falls sie die nötige Macht entwickelten, um einfache Zauber zu bewirken. Sie erhielten außerdem die Möglichkeit, sich ein Taschengeld zu verdienen, indem sie in der Gemeinde oder auf einem anderen Teil des Anwesens arbeiteten.
Zweihundert Kinder nannten diese Schule ihr Zuhause – und nun war Yuli eines davon.
Jaenelle kam in das Arbeitszimmer, bedachte Daemon mit einem unergründlichen Blick und ließ sich dann in einen Sessel vor dem Schreibtisch plumpsen.
»Mir ist die Ehre zuteil geworden, als offizielle Verbindungsfrau zwischen der Schule und dem Kriegerprinzen von Dhemlan zu fungieren«, sagte sie. »Man hat mir sogar ein offiziell aussehendes Stück Pergament gegeben, fertig mit Unterschrift und Siegel, um meine neue Stelle zu bestätigen.«
»Aha.« Es kostete Daemon Mühe, keine Miene zu verziehen. »Man wollte nicht direkt mit mir verhandeln?«
»Nicht in den nächsten zehn Jahren. Also: Möchtest du einen zusätzlichen Bericht der Schule vorgelegt bekommen? Benötigst du Abschriften der Berichte, die dem Höllenfürsten in den letzten Jahren geschickt – und von ihm genehmigt – worden sind?«
Daemon setzte sich zurück, legte die Finger aneinander und stützte das Kinn auf die Zeigefinger auf. »Ist das auf mein Schreiben an die Provinzkönigin zurückzuführen?«
»Anscheinend. Und obwohl die Verantwortlichen der Schule es vorzögen, nicht direkt mit dir sprechen zu müssen, schienen sie ob dieses plötzlichen Interesses an der Schule eher verwirrt als besorgt zu sein.«
Ein gutes Zeichen, dass er nichts Schlechtes an der Schule entdecken würde, wenn er ihr einen unangekündigten Besuch abstattete. Und er würde die offizielle Verbindungsfrau mitnehmen, um nicht alle in Angst und Schrecken zu versetzen.
»Wir haben darüber gesprochen, dass Yuli zusätzlich Einzelunterricht benötigen dürfte, weil er meiner Ansicht nach nicht viel Dhemlanisches in seiner Blutlinie hat und deshalb schneller heranreifen wird als die übrigen Kinder«, sagte Jaenelle. »Vielleicht würde er sich in einem Territorium wie Scelt besser machen, aber im Moment ziehe ich es vor, ihn in der Nähe zu wissen.«
»Hat es Yuli etwas ausgemacht, in der Schule zu bleiben?«, fragte Daemon.
»Er war ein wenig ängstlich. Aber nachdem er sein Zimmer gesehen hatte – und nachdem Socke erklärt hatte, es sei ein guter Ort -, haben sich Junge und Welpe schnell eingewöhnt. Jedenfalls schneller als die Verantwortlichen, die klug genug sind zu wissen, was es bedeutet, einen verwandten Welpen an der Schule zu haben.«
Daemon lächelte. »Dass sie von nun an regelmäßig Besuch von erwachsenen verwandten Wesen erhalten werden?«
»Und dass es sich nicht bei all diesen erwachsenen Tieren um kleine Tierchen oder Hunde handeln wird.« Jaenelle erwiderte das Lächeln.
Zu seinem Lächeln kam ein leichtes Stirnrunzeln hinzu. »Socke? Der Welpe heißt Socke?«
Jaenelle verdrehte die Augen. »Yuli hat gesagt, der Welpe sähe aus, als würde er weiße Socken tragen, woraufhin der Welpe verkündet hat, dass er von nun an so heiße – Socke.«
»Er ist ein Krieger, oder?«
»Ja, und er wird bestimmt ein Juwel von ausreichendem Rang tragen, sobald er die Geburtszeremonie absolviert hat. Und das bedeutet, dass er höchstwahrscheinlich im Erwachsenenalter ein dunkles Juwel tragen wird.«
Das Stirnrunzeln verstärkte sich noch. »Lord Socke? Wie hieß er ursprünglich?«
Jaenelles Wangen wurden von Röte überzogen. »Ich konnte mich nicht daran erinnern, und der Welpe weigert sich, es zu sagen. Als ich Ladvarian gefragt habe, meinte er: ›Socke ist ein Name, den Menschen sich leicht merken können.‹«
»Der kleine Mistkerl«, murmelte Daemon.
Sie lachte.
Dann sah sie ihn auf eine Weise an, die ihm Schmetterlinge im Bauch verursachte. Nervöse Schmetterlinge.
Alles hat seinen Preis, alter Junge. Du hast ein Versprechen gegeben. Es ist an der Zeit, die Rechnung zu begleichen. Ja, es ist an der Zeit, sämtliche Rechnungen zu begleichen.
»Ich habe heute Abend einen Termin«, sagte Daemon. »Ich habe vor meinem Aufbruch nur auf deine Rückkehr gewartet.«
Ihr Blick veränderte sich leicht, ebenso ihre mentale Signatur.
»Einen Termin«, sagte Hexe.
Keine Frage. Zweiundsiebzig Stunden waren vergangen, seitdem er sein kleines Spielchen in Gang gesetzt hatte. Er zweifelte nicht daran, dass die erste Hälfte der Schuld vollständig beglichen worden war. Jetzt war es an der Zeit, der Sache ein Ende zu bereiten.
Hexe wusste das.
»Ich habe Mrs. Beale bereits in Kenntnis gesetzt, dass ich zum Abendessen außer Haus sein werde.« Genauer gesagt hatte er Beale davon in Kenntnis gesetzt. Er hatte es Mrs. Beale – und ihrem Hackbeil – nicht persönlich mitteilen wollen, nur für den Fall, dass sie bereits mit den Vorbereitungen für das Abendessen begonnen hatte. »Nach meiner Rückkehr stehe ich gerne zur Verfügung, solltest du Hilfe bei deinem Spukhaus benötigen.«
Ihr Lächeln war weiblich. Katzenhaft. In höchstem Grade beängstigend.
»Ich freue mich schon«, sagte sie.
Beim Feuer der Hölle und der Mutter der Nacht, möge die Dunkelheit Erbarmen haben!
Er saß mehrere Minuten, nachdem Jaenelle das Arbeitszimmer verlassen hatte, einfach nur da und gewährte sich Zeit, um die weichen Knie loszuwerden und wieder so etwas wie ein Rückgrat zu entwickeln.
Daemon hatte seiner Königin etwas versprochen. Seiner Ehefrau. Und er würde dieses Versprechen halten.
Aber zuerst galt es, ein anderes Versprechen einzulösen.
036
Jarvis Jenkell rollte sich, in eine Ecke gedrängt, noch ein wenig fester zusammen.
»Ihre kleinen Überraschungen passen nun besser zu deinen Absichten für dieses Haus. Sie sind alle gefährlich.« Das hatte Sadi über Tersas Illusionszauber gesagt. Und er hatte recht gehabt.
Die Käfer. Die Spinnen. Sogar die Skelettmäuse.
Die Käfer waren am schlimmsten. Sie überfielen ihn in Schwärmen sobald er versuchte sich auszuruhen, schwollen an, und dann... Diese Zähne! Sie bissen durch seine Kleidung. Bissen durch seine Haut. Fraßen sich in ihn hinein. Dann waren sie verschwunden, ohne Male zu hinterlassen, spurlos. Doch sein Fleisch vergaß das Gefühl nicht, den Schmerz. Ebenso wenig wie sein Fleisch vergaß …
Kein Schlurfen von Schuh auf Holz. Überhaupt kein Geräusch. Doch er wusste, dass er nicht länger alleine war. Wusste, was passieren würde. Wieder. Wusste, das Vergnügen würde so kaltblütig und gnadenlos sein wie der Schmerz.
Was er nicht länger wusste, war, was schlimmer zu ertragen war.
Der Sadist war eingetroffen.
»Lass es zu Ende gehen«, flüsterte Jarvis. »Ich flehe dich an. Lass es zu Ende gehen.«
Der Sadist starrte ihn an. Ein abschätzender Blick.
»Ja«, sagte Daemon leise. »Die Rechnung mit der Familie SaDiablo ist vollständig beglichen.« Er trat einen Schritt auf Jarvis zu. Noch einen. »Jetzt ist es an der Zeit, die Rechnung zu begleichen, die du dem Kriegerprinzen von Dhemlan schuldest.«
 
Hexenfeuer erfasste das Haus, und es brannte schnell und lichterloh. Hexenfeuer bildete einen Teppich, wo einst Gras gewachsen war, und brannte so heftig, dass es den schmiedeeisernen Zaun, der das Grundstück umgab, teilweise schmolz.
Hexenfeuer, das sich von einem schwarzen Juwel nährte, brannte durch die Zauber und verzehrte die Macht, die noch den Angehörigen des Blutes innewohnte, die in dem Haus gefangen gewesen waren. Auf diese Weise führte es das Töten zu Ende und befreite sie, sodass sie ein Flüstern in der Dunkelheit werden konnten.
Mit einer Ausnahme.
Der Junge warf dem Kriegerprinzen, der ihn aus dem Haus gerettet hatte, vorsichtige Blicke zu. Der Prinz hatte behauptet, er sei der Bruder des eyrischen Prinzen, und er würde ihn gewiss nicht des Lügens bezichtigen – selbst wenn dieser Prinz keine Flügel hatte.
Abgesehen davon war sich der Junge ziemlich sicher, dass dieser Prinz sogar noch Furcht erregender war als der eyrische Prinz, auch wenn er ihm nichts getan hatte.
»Werde ich zur Schule gehen müssen?«, fragte der Junge. »Ich bin tot, also sollte ich eigentlich nicht zur Schule müssen.«
»Das wirst du mit dem Höllenfürsten ausdiskutieren müssen«, sagte der Prinz.
»Oh.«
Die Augen des Mannes waren glasig, und man hatte ihm beigebracht, Kriegerprinzen zu meiden, wenn ihre Augen glasig waren, denn dann waren sie am allergefährlichsten. Doch da er gestorben war, weil dieser Jenkell ihn hereingelegt und in das Spukhaus gelockt hatte, war er der Ansicht, dass es besser war, Dinge auf der Stelle zu erfragen.
»Manche Sachen lerne ich gerne«, räumte der Junge ein.
Ein Hauch Wärme kroch in die kalten Augen. »Dann solltest du das erwähnen.« Der Prinz beobachtete die Dorfbewohner, die auf das Feuer zuliefen. »Komm schon, Welpe. Es ist an der Zeit aufzubrechen.«
Er folgte dem Prinzen zu der kleinen Kutsche – und hoffte, dass der Ort, an den er ging, schöner wäre als das Spukhaus.
Selbst wenn er zur Schule gehen müsste.
037
Saetan konnte die kalten Wellen im Abgrund spüren, die aus der Tiefe von Schwarz emporstiegen, und wusste, was auf ihn zukam. Wer auf ihn zukam.
Er legte den Stapel Bücher beiseite, die er gerade katalogisierte, und blickte Geoffrey an. »Warum gehst du nicht ins Nebenzimmer und erwärmst uns etwas Yarbarah?«
»Warum sollte ich dazu ins Nebenzimmer gehen müssen?« Geoffrey folgte Saetans Blick und betrachtete die Tür. Dann zog er sich in das kleine Zimmer zurück, das ihm als Büro diente.
Saetan wartete. Spürte, wie der Sturm immer näher kam.
Als er von den Vorfällen in jenem dhemlanischen Dorf gehört hatte, war ihm klar gewesen, weshalb Lucivar zum Bergfried gekommen war, um ihm Bericht zu erstatten. Und er hatte gewusst, warum – und wann – Daemon durch jene Tür schreite würde.
Die Tür ging auf. Sein wunderschöner, tödlicher Sohn stand im Türrahmen.
Saetan stand reglos da, während er die kalten, glasigen Augen musterte.
»Hat Lucivar dir von dem Jungen, dem kindelîn tôt erzählt?«, fragte Daemon.
»Das hat er.«
»Ich habe ihn hergebracht.«
»Das geht in Ordnung. Ich werde einen Ort für ihn finden.«
Er wusste, wie viel Brutalität eine langsame Hinrichtung erforderte. Es gab Zeiten, da bezahlte auch der Henker einen Preis für die Art Gerechtigkeit, die unter den Angehörigen des Blutes herrschte.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Saetan.
Ihre Blicke trafen sich. Einen langen Moment.
»Du hast recht gehabt«, sagte Daemon eine Spur zu sanft. »Ich werde diese Härte nie verlieren.«
Die Tür der Bibliothek schloss sich mit obszöner Sanftheit, als Daemon ging.
Ein Zittern durchlief Saetan und er gestattete sich einen Augenblick der Übelkeit – und des Mitleids. Daemon hatte schon früher getötet, und er bezweifelte nicht, dass Daemon wieder töten würde. Doch eine formelle Hinrichtung, die ausgeführt wurde, weil die Pflicht es verlangte, war etwas anderes. Sie wurde auf bestimmte Weise ausgeführt, eben weil die Pflicht es verlangte.
Man hatte den Preis einzufordern. Sicherzustellen, dass die Blutschuld vollständig beglichen wurde.
Er drehte sich nicht um, als Geoffrey in das Zimmer zurückkam und ihm ein Glas warmen Yarbarah entgegenhielt.
»Du hast ihn nicht gefragt, was er getan hat«, sagte Geoffrey.
Saetan griff nach dem Glas Yarbarah und starrte den Blutwein lange Zeit an, bevor er seinen Freund betrachtete.
»Er ist ein Spiegel, Geoffrey. Ich habe nicht fragen müssen.«
038
Daemon stützte sich mit den Händen an der Wand der Dusche ab und ließ das heiße Wasser über sich strömen.
Er wusste längst nicht mehr zu sagen, wie viele Angehörige des Blutes er in seinem siebzehnhundert Jahre langen Leben umgebracht hatte. Bei manchem war es ein rascher Wutausbruch gewesen; bei anderen ein exquisiter, schrecklich langsamer Todestanz voller Qualen.
Er hatte sich nach dem Töten niemals besudelt gefühlt. Bis heute.
Denn es war keine persönliche Angelegenheit gewesen. Das Spielchen, das er mit Jenkell gespielt hatte? Ja, das war eine persönliche Angelegenheit gewesen. Er hatte den Sadisten zu einem Schatten umgebildet und hatte ihn von der Leine gelassen. Doch der Schmerz und die Angst, die er Jenkell im Laufe der Hinrichtung bereitet hatte... Das war nicht für ihn selbst gewesen. Noch nicht einmal für Rainier oder Surreal. Das war für jene unbekannten Menschen gewesen, die zu seinen Schutzbefohlenen geworden waren, als er der Kriegerprinz von Dhemlan wurde.
Er hoffte von ganzem Herzen, es würden Jahrzehnte vergehen, bis er wieder so etwas tun musste.
Da Wasser zwar seinen Körper reinwaschen konnte, nicht aber sein Herz, beendete er die Dusche und tat sein Bestes, um sich geistig auf den nächsten Teil des Abends vorzubereiten.
Jazen erwartete ihn, als er in das Schlafzimmer des Gefährten zurückging.
»Kein Anzug?«, fragte Daemon mit einem Blick auf die Kleidungsstücke, die auf dem Bett ausgebreitet lagen.
»Die Lady war der Ansicht, dein normales Gewand passe am besten zu ihren Plänen für den Abend.«
Mutter der Nacht.
Andererseits war das immer noch besser, als er erwartet hatte.
»Ich brauche dich heute Abend nicht mehr«, sagte Daemon.
»Aber …«
»Geh. Oder du wirst der nächste Mensch sein, der sich freiwillig dazu bereit erklärt, bei diesem Spukhaus mitzuhelfen.«
Im Namen seiner Ehefrau fühlte Daemon sich ein wenig beleidigt, als er sah, wie Jazen Hals über Kopf das Weite suchte.
Er zog sich sorgfältig an und schminkte sich sogar ein wenig, um seine Augen raffiniert zu betonen und seine Lippen sinnlicher wirken zu lassen. Das war nicht für die Teilnahme an dem Spukhaus; das war für die Frau.
Als er die Verbindungstür öffnete und Jaenelles Schlafzimmer betrat, war er froh, dass er sich besonders viel Mühe gegeben hatte. Und er war froh, dass sich kein anderer Mann in diesem Flügel des Hauses befand, denn ihr bloßer Anblick ließ ihn nervös und bedürftig werden.
Er hielt seine Lust im Zaum, doch sie brodelte in seinem Blut. Er hielt sein Verlangen im Zaum, und weidete sich mit seinen Sinnen an der Frau vor ihm.
Der Stoff sah aus, als seien Aquarellfarben über Mondstrahlen verschüttet und dann zu einem Kleid gemacht worden. So kraftvoll und doch so zart, dass er sich nicht sicher war, ob es echt war oder eine Illusion. Unter dem Kleid trug sie ein hautfarbenes Hemdchen, welches jedoch ebenfalls so hauchdünn war, dass er die Schatten ihrer Brustspitzen durch die beiden Lagen Stoff erkennen konnte.
Er wagte nicht, den Blick unterhalb ihrer Taille sinken zu lassen, denn er war sich sicher, dass ihn das in die Knie zwingen und ihn seine gesamte Selbstbeherrschung kosten würde.
Ihr goldenes Haar war wieder lang und nicht zurückgebunden, wie es letztes Jahr gewesen war, als sie verletzt worden war. Das Haar war eine Illusion, und zwar eine verlockende, doch er war ein klein wenig enttäuscht, dass es die Stelle an ihrem Hals verdeckte, die er so verführerisch fand.
Er durchquerte das Zimmer und blieb stehen, als er ihr nahe genug war, um sie zu berühren. Doch er berührte sie nicht. Noch nicht.
»Was willst du von mir?«, fragte er, in verführerischerem Tonfall als sonst. Bitte will etwas von mir!
»Ich möchte, dass du mir hilfst, ein Versprechen zu halten. Tanz mit mir, Daemon.«
Er fuhr mit den Fingern über den Ärmel ihres Kleides – und war sich noch immer nicht sicher, ob er etwas Echtes berührte. »Das ist alles?«
Sie trat einen Schritt vor, sodass sie nichts mehr voneinander trennte. Dann berührten ihre Lippen die seinen in einem Kuss, der so warm wie ein Traum war und so weich wie ein Wunsch.
»Für das Spukhaus, ja, das ist alles.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und ließ den nächsten Kuss ein wenig leidenschaftlicher werden. »Anschließend können wir spät zu Abend essen und einen ruhigen Abend zu zweit verbringen, tanzen, was auch immer du möchtest.«
Hitze schoss ihm durchs Blut, bevor er sich wieder ganz unter Kontrolle hatte. »Versprochen?«
Lächelnd verschränkte sie eine Hand mit der seinen, während sie einen Schritt zurücktrat. »Versprochen.«
Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
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