15

Nach dem Mittagessen machte ich mich auf den Weg zu meinem Unterricht mit Barrett und Mr Fritz. Cam hatte ich den ganzen Tag noch nicht gesehen. Wahrscheinlich hockte er mit Mr Judan zusammen und plante grausame Vergeltungsschläge gegen die Irin. Eigentlich war ich froh, dass wir uns noch nicht über den Weg gelaufen waren. Ich fürchtete nämlich, dass er mir das schlechte Gewissen wegen des Telefonats mit Jack sofort ansehen würde.

Mr Fritz fing mich schon an der Tür ab. »Den Rucksack kannst du hierlassen, und nimm eine Jacke mit, Dancia. Wir gehen heute in den Wald.«

Ich war überrascht. Nach der Prügelei bei Anna war ich ganz sicher, dass wir in der Stunde heute darüber reden und vielleicht sogar philosophische Fragen aufwerfen würden, bis mir der Kopf rauchte. Ich hatte mich richtig darauf gefreut, denn den ganzen Tag hatte ich an nichts anderes denken können als an Ethan Hannigan, Jack und die Irin. Etwas Ablenkung hätte mir gutgetan.

Ich schnappte mir ein Sweatshirt und folgte Mr Fritz. Obwohl ich noch immer sauer auf Barrett war, dass er so tatenlos zugesehen hatte, konnte ich es ihm nach meinem Gespräch mit Jack nicht mehr so richtig verübeln. Alles schien hoffnungslos kompliziert, und was Barrett an jenem Abend gesagt hatte »sie haben sich das selbst zuzuschreiben« stimmte mit dem überein, was Jack über die Wächter und Ethan Hannigans Tod gesagt hatte.

Jedenfalls war Barrett ungewöhnlich ernst. Entschlossen und geradezu ungeduldig stürmte er mit seinen langen Beinen voran.

Schweigend liefen wir zu einer abgeschiedenen Lichtung. Über uns ragten riesige Douglasfichten in den Himmel, die kahlen Äste der Walnussbäume zitterten im Wind. Der Waldboden war so weich, dass er bei jedem Schritt nachgab. Abgebrochene Zweige, Blätter und verrottete Farne bedeckten die Erde. Zu einer Seite fiel das Gelände steil ab, die Baumkronen ließen vermuten, dass wir uns am Rand einer Schlucht befanden. Das war typisch für die Gegend um die Night Academy. Zwar gab es insgesamt keine großen Höhenunterschiede, aber Abhänge und Hügel warteten hinter jeder Biegung.

Schon oft hatte ich mich gefragt, ob es daran lag, dass die Schüler hier ihre Fähigkeiten ausprobierten. Vielleicht besaß jemand die Gabe, Gräben zu ziehen oder Erdreich zu verschieben. Oder etwas in die Luft zu jagen.

Mr Anderson stand am anderen Ende der Lichtung, die Arme über dem Bauch verschränkt, das Kinn energisch vorgeschoben.

»Bringen wir es hinter uns«, sagte er.

Auf einmal wurde mir mulmig. Und obwohl ich immer wieder versuchte, seinen Blick aufzufangen, wollte Mr Anderson mich nicht ansehen.

»Was ist denn los?«, fragte ich noch und lachte unsicher. »Von hier können mich alle noch schreien hören.« Barrett, Mr Fritz und Mr Anderson stellten sich im Dreieck um mich auf. Ich wirbelte herum. »Ist das wieder einer Ihrer Psychotests, Mr Fritz?«

»Es ist mehr eine praktische Aufgabe«, sagte Mr Fritz.

Barrett und Mr Anderson traten jeweils einen Schritt auf mich zu. Ich war eingekesselt und wollte nach hinten auszuweichen.

»Sorry, aber du gehst jetzt nirgendwohin«, sagte Barrett. Jedenfalls nicht, bevor die Stunde vorbei ist.«

»Du machst mir richtig Angst«, sagte ich und warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was wollt ihr mir denn beibringen?«

»Das wissen wir selbst noch nicht genau«, sagte Mr Fritz. »Das wird sich zeigen.«

Ich ließ meinen Pulli fallen. »Also gut. Treten Sie der Reihe nach gegen mich an oder alle auf einmal?«

Mr Anderson hob die Hände. »Alle auf einmal.«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Im Ernst, Mr Fritz?«

Kaum hatte er genickt, da traf mich auch schon Barretts erste Attacke. Hitze durchflutete mich, stieg durch die Zehen in die Beine. Mein Herz schlug auf einmal unregelmäßig. Ich streckte die Hände aus, meine Haut färbte sich dunkelrosa. Kleine Rauchwölkchen stiegen von meinen Fingerspitzen auf.

Es sah zwar schön aus, fühlte sich aber schrecklich an, als würde ich am heißesten Tag des Jahres in der Sonne braten. Mein Gesicht brannte, und die Atemluft versengte mir Kehle und Lunge.

»Ich weiß, dass du eigentlich noch nicht bereit dafür bist«, sagte Mr Fritz mit Bedauern. »Aber wir haben keine Wahl. Wir müssen dich weiterbringen.«

Ich wollte fragen, was sich so plötzlich verändert hätte, doch wegen der Hitze konnte ich kaum noch klar denken. Ich holte tief Luft und versuchte, das Gefühl zu verdrängen. »Was erwarten Sie jetzt von mir?«

»Wehr dich. Das wolltest du doch gerade, oder?«

Darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Warum waren alle auf einmal gegen mich?

Mr Fritz schien ein Einsehen zu haben. »Du ringst noch mit dir, das habe ich mir schon gedacht. Ehrlich gesagt wird das keine leichte Aufgabe für dich.«

»Vielen Dank für die ermunternden Worte«, keuchte ich.

Mit jedem Atemzug wurde mir heißer. Barrett ließ seine Kräfte unvermindert spielen. Angestrengt blinzelte ich in seine Richtung, um die Fäden auszumachen, mit denen ich ihn umwerfen konnte. Meine Sicht wurde von einem Rauchschleier getrübt, doch endlich nahm ich undeutlich die dunklen Linien wahr, die meine einzige Rettung waren.

Ich zwang mein vernebeltes Hirn, die Informationen zu verarbeiten. In den Fingerspitzen spürte ich das vertraute Kribbeln. Wie eine Wahnsinnige riss ich an dem Band, das Barrett mit der Erde verband. Er fiel zu Boden, wo er reglos auf dem Rücken liegen blieb.

Ich fürchtete, ihm ernstlich wehgetan zu haben, denn er rührte sich nicht mehr, und alles begann sich abzukühlen. Gerade wollte ich nach ihm sehen, da spürte ich, wie etwas an meinem Fuß zerrte und ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Um meinen Fuß hatte sich eine dünne Efeuranke geschlungen. Ich versuchte sie abzuschütteln, dachte noch, ich sei wohl versehentlich hineingetreten, als bereits die nächste Ranke vom Rand der Lichtung auf mich zugeschlängelt kam.

Ich fuhr zu Mr Anderson herum, der vor sich hinmurmelnd auf und ab lief und sich wieder und wieder mit den Händen durch den Haarkranz fuhr. Um mich regten und reckten sich die Pflanzen. Wie winzige Finger streckte sich wilder Wein mir durchs Gras entgegen. Der Efeustrang, den ich gerade losgeworden war, rankte nach oben und drehte sich suchend wie das Zielfernrohr eines U-Boots, bis es mich erspäht hatte und in meine Richtung wuchs.

Vor Schreck hielt ich die Luft an. »Mr Fritz, brechen Sie ab! Ich gebe mich geschlagen.«

Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Dancia. Das kann ich nicht. Du musst bis zum Ende kämpfen.«

Bis zu welchem Ende? Meinem eigenen? Barrett rührte sich noch immer nicht, aber ich verspürte neuerliche Hitze, also schien er sich erholt zu haben. Efeu rankte an meinem Schuh hoch. Ein Brombeerzweig schnitt mir in die Wade, die Dornen bohrten sich in meinen Knöchel. Warum hatte ich ausgerechnet heute einen Rock angezogen? Ich wich zurück, doch die Gewächse rückten unaufhörlich näher und wickelten sich um meine Beine.

Barrett stützte sich auf die Ellenbogen. Trotz aller Wut atmete ich erleichtert auf. Er lächelte. Vielmehr grinste er verschlagen. »So schnell gibst du schon auf? Ich dachte, wir müssten uns wenigstens ein bisschen anstrengen.«

»Das ist ungerecht«, sagte ich. »Ich kenne die Regeln gar nicht. Worum kämpfen wir überhaupt? Ich weiß nicht mal, wie man gewinnt!«

»Es gibt keine Regeln«, sagte Mr Fritz.

»Wie du gewinnen kannst, weiß ich auch nicht. Aber wie du verlieren kannst schon«, sagte Barrett.

»Sei doch nicht so gemein!«, schrie ich.

Ein stechender Schmerz schoss mir in die Wade; während ich durch Barrett abgelenkt war, hatte sich die Brombeerranke noch fester um mein Bein gezurrt. Die Dornen würden sich nur noch tiefer ins Fleisch bohren, wenn ich daran zöge, also musste ich Mr Anderson irgendwie aufhalten. Er war viel kräftiger als Barrett, seine Verbindung zur Erde stärker. Barrett umzuwerfen hatte nicht viel gebracht, also entschloss ich mich, mit Mr Anderson umgekehrt zu verfahren und ihn in die Luft zu heben. Zwar hatte ich es noch nie zuvor ausprobiert, aber mir gingen langsam die Möglichkeiten zur Verteidigung aus.

Ich atmete tief durch und stellte mir vor, wie ich all meine Probleme und alle unwichtigen Gedanken aus meinem Kopf schob, um ganz leer zu werden. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass Barrett mir diese Mentaltechniken erst kurz zuvor beigebracht hatte. Als ich schließlich die Hände hob, war ich kurz von dem weißen Rauch um meine Fingerspitzen abgelenkt. Meine Haut sah dunkelrot aus wie nach einem schlimmen Sonnenbrand. Durch die Hitze fiel es mir schwerer, mich zu konzentrieren, doch ich hielt an der Vorstellung meines leeren Geistes fest. Sobald ich das Gefühl hatte, über genügend Kontrolle zu verfügen, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die dunklen Fäden, die Mr Anderson mit Himmel und Erde verbanden. Sanft zog ich an dem obersten Strang und hielt ihn konzentriert oben.

Er schrie auf, als erst der eine und dann auch der andere Fuß den Bodenkontakt verloren. Wie ein Jo-Jo ließ ich den armen Mr Anderson auf- und abhüpfen. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass sich die Brombeerranke allmählich lockerte. Ich beugte mich vor und löste die jetzt leblose Ranke, doch als ich mit dem Kopf so nach unten ging, durchzuckte mich eine unvermutet heftige Hitzewelle. Durch den Schmerz verlor ich die Gewalt über Mr Andersons Strang. Heftig fluchend fiel er zu Boden.

Ich versuchte, Barrett erneut umzuwerfen, doch der geriet kaum ins Straucheln und sandte mir eine weitere heiße Welle. Durch verquollene Lider sah ich, wie sich Mr Anderson wieder aufrappelte; die Brombeerranke in meiner Hand erwachte zu neuem Leben und bohrte ihre Dornen in meine versengten Handflächen.

Kaum hatte ich einen erwischt, rappelte sich der Nächste auf und setzte mir zu.

Jetzt war ich richtig sauer. Die wollten mich fertigmachen, und aus Angst, einen von ihnen zu verletzen, hielt ich mich zurück. Wütend starrte ich zu Barrett, nun war aber Schluss mit der Nachsicht. Mit aller Kraft riss ich an seiner Schnur. Diesmal hatte ich ihm wohl tatsächlich wehgetan, denn er stöhnte, und die Hitze war mit einem Mal verschwunden. Was für eine Erleichterung!

»Gibst du auf?«, brüllte ich.

»Wir fangen doch gerade erst an«, tönte es heiser von dem schlaffen Bündel am Boden.

Schon brannten meine Fußsohlen wie Feuer. Ich tänzelte hin und her, um den Schmerz zu lindern.

»Das ist ja schlimmer, als ich dachte«, sagte Mr Fritz betrübt. »Die spielen doch nur mit dir, merkst du das nicht? Um zu gewinnen, musst du dir schon was Besseres einfallen lassen.«

Immer noch hüpfte ich von einem Bein aufs andere. »Halten Sie doch bitte den Mund!«

»Bitte sie doch, sanfter mit dir umzugehen. Vielleicht hilft das ja.«

Bestürzt fragte ich mich, warum ich mich überhaupt noch wehren sollte, wenn nicht einmal Mr Fritz an mich glaubte.

»Ich soll aufgeben?«, fragte ich. Hinter mir raschelten Blätter. Wahrscheinlich war Mr Anderson wieder am Werk, doch ich fand nicht den Mut, mich umzudrehen.

Er zuckte die Achseln. »Wenn du ohnehin glaubst, nicht gewinnen zu können, wäre es wohl das Beste.«

Ich ließ die Schultern hängen. Meine Füße standen in Flammen, die Schnitte an meinen Beinen brannten, und meine Haut pochte. Mr Fritz hatte recht. Ich konnte nicht gewinnen. Gegen zwei kam ich nicht an. Auf einmal hatte ich kaum noch die Kraft, mich aufrecht zu halten, an Kampf war gar nicht mehr zu denken.

Beschämt blickte ich zu Boden. Ich stellte mir vor, wie ich gleich auf die Knie fallen und mich ergeben würde. Mein Sweatshirt lag in einem grauen Knäuel zu meinen Füßen. Ich musste daran denken, wie ich es kühn von mir geworfen hatte, in einem kurzen Augenblick voller Selbstvertrauen.

Selbstvertrauen.

Es spielt sich alles nur in deinem Kopf ab

Die Stimme klang in mir. Ich hielt mich an ihr fest, schloss die Augen. Alles spielt sich nur im Kopf ab was hatte das noch mal zu bedeuten? Wo hatte ich das nur schon mal gehört? Von der Hitze und den brennenden Waden wurde mir erneut schwindelig. Gedanken kamen und gingen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Stift. Ich dachte an den Stift, den ich während meiner ersten Stunde mit Mr Fritz hatte fallen lassen. Und die Verzweiflung, die mich beinahe in die Knie gezwungen hatte, wich unvorstellbarer Wut.

Mit dem Stift hatte mich Mr Fritz damals getäuscht, er hatte mir weisgemacht, ich könnte meine Kräfte nicht benutzen.

Jetzt spielte er wieder mit mir.

»Sie versuchen es wieder, nicht wahr?« Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihn an. »Ich soll glauben, dass ich nicht gewinnen kann!«

Ein ganzes Heer von Brombeertrieben kroch meine Waden hoch. Überall bohrten sich die scharfen Dornen in meine nackte Haut und waren in Windeseile meine Knie hochgerankt. Mr Anderson hatte die Gunst der Stunde genutzt. Während ich abgelenkt war, hatte er mit voller Wucht angegriffen.

Theatralisch griff sich Mr Fritz an die Brust. »Ich sorge mich um dich, Dancia. Ich möchte doch nicht, dass dir etwas geschieht.«

»Von wegen!«, versetzte ich. Und die Wut brannte ebenso heiß in mir wie Barretts Feuerzauber. Mr Fritz hatte mich schon einmal getäuscht. Ein zweites Mal würde ich nicht darauf hereinfallen.

Wie Stoffpuppen wollte ich Barrett und Mr Anderson durch die Luft wirbeln, aber natürlich sollte niemand dabei sterben. Mir war klar, dass ich etwas Neues versuchen musste. Ich konzentrierte mich auf die Pflanzen, mit denen Mr Anderson angriff, und mithilfe der Schwerkraft presste ich das Erdreich zusammen. Vor Anstrengung zitterte ich am ganzen Körper. Langsam drehte ich mich im Kreis, nahm alles um mich herum wahr, auch das, was nicht sichtbar war die dunklen Kräfte unter der Erde.

Vor meinen Augen gab das Erdreich nach, erst nur ein, zwei Handbreit, dann eine halbe Armlänge. Mr Anderson stolperte nach hinten, während ich wie auf einem Sockel über ihm schwebte. Die Erde und die Pflanzen verdichteten sich zu dunklen Streifen. Die Brombeertriebe um meine Beine strafften sich und erschlafften im nächsten Augenblick. Ich riss sie mir von den Beinen, ohne auf die blutigen Schrammen zu achten, die sie hinterließen. Die Lichtung war übersät mit toten Pflanzen.

Ich hatte eine Todeszone geschaffen. Mithilfe der Energie aus dem Erdkern hatte ich Erde zu Stein verwandelt.

Durch das plötzliche Absinken des Bodens waren meine Angreifer ins Straucheln geraten. Mr Fritz verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie. Mr Anderson ruderte mit den Armen in der Luft und landete auf dem Hintern, hievte sich aber schwerfällig wieder hoch. Barrett, der ohnehin noch am Boden lag, machte eine halbe Rolle und kam in den Schneidersitz.

Er legte die Hände auf die Knie. »Mit mir willst du dich doch nicht anlegen, oder? Du weißt, dass ich mich zurückgehalten habe. Wenn du bis jetzt noch keine Angst gehabt hast, dann sollst du nun welche kriegen!«

»Eher bist du derjenige, der Angst haben sollte«, fauchte ich. Mittlerweile war mir alles egal. Ich entwurzelte einen jungen Ahorn hinter ihm. Der Baum stürzte zwischen zwei Douglasfichten zu Boden und riss dabei zahlreiche Äste mit sich. Das war sehr riskant, denn ich wusste nicht genau, wie der Ahorn fallen würde. Doch zu diesem Zeitpunkt kümmerte mich das nicht mehr. Barretts Stimme schnitt mir mitten durchs Herz. Diesen Menschen hatte ich vertraut, und nun hatten sie sich gegen mich verschworen; der Verrat schmerzte ebenso sehr wie meine glühenden Beine.

Barrett kniff die Augen halb zu, und winzige Flammen leckten an meinen Schuhspitzen, schmolzen die Sohlen, schwärzten das Leder.

»Gib auf, Dancia«, sagte er ruhig. »Du bist noch ein Kind. Du hast keine Kontrolle.«

»Halt die Klappe!«, schrie ich. Er hatte recht, aber das machte mich nur noch wütender. Daraufhin hagelte es Zweige und Äste von den umliegenden Bäumen. Mir war gar nicht bewusst, dass ich sie in Gedanken gestreift hatte, doch sie gingen wie Speere auf Mr Anderson, Mr Fritz und auch Barrett nieder. Barrett duckte sich und wehrte die Äste mit den Händen ab, zuckte dabei jedes Mal zusammen, wenn ihm ein Ast in die Haut stach.

Dann richtete er die Hand auf mich, und ein fürchterlicher Schmerz ging mir durch und durch. Ich geriet ins Taumeln, meine Klamotten schwelten und rauchten. Bislang hatte Barrett mich nicht ernstlich verletzt, doch je aggressiver wir kämpften, desto gefährlicher wurde es. Ein Rhododendron erwachte zum Leben und schoss aus dem Boden, Erde und Steine regneten auf uns nieder, als der Strauch immer schneller durch die Luft wirbelte. Moos und abgestorbene Pflanzenteile fegten über die Lichtung.

»Dancia, was machst du denn?«, rief Mr Fritz, der auf dem Boden kauerte und sein Gesicht mit den Händen schützte.

»Ich kämpfe. Genau wie Sie es wollten.« Ich versuchte, meinen Geist zu leeren, aber zu viel spukte mir im Kopf herum. Die Trümmer aus Gedanken, Wut und Verunsicherung hatten sich meterhoch aufgeschichtet und ließen mich nicht los. Der Schmerz ergriff Besitz von mir; die schwarzen Fäden und dunklen Kräfte nahmen mich gefangen. Mr Fritz brüllte, und Barrett grinste. Auf einmal wollte ich nur noch meine Ruhe, die Erde sollte wieder in ihre ursprüngliche Form zurück, die Äste sollten nicht länger von den Bäumen fallen. Doch inzwischen hatte ich jede Kontrolle verloren. Die Naturgewalten waren entfesselt. Ein fürchterliches Knirschen und Knacken schallte durch die Lichtung, irgendwie musste ich die Wurzeln einer alten Fichte gelockert haben. Der Baum war bestimmt drei Meter hoch und bog sich wie ein Grasbüschel im Wind.

Mit der mir verbliebenen Kraft versuchte ich den schwankenden Baum zu stützen. Aber ich war ausgelaugt. Die Schmerzen und die Anstrengung, die es mich gekostet hatte, meine Gabe über einen solch langen Zeitraum einzusetzen, hatten mich erschöpft. Die Baumkrone neigte sich immer tiefer, und die Zweige schlugen gegen eine benachbarte Eiche. Vergeblich stemmte ich mich dagegen, schrie erschöpft auf. Nur mit Mühe hielt ich mich noch auf den Beinen.

»Dancia, halte ein!«, brüllte Mr Fritz, aber ich war nicht mehr in der Lage dazu, dem allem ein Ende zu machen.

Ich erinnere mich nur noch, dass Mr Anderson mir zurief, ich solle weglaufen, und an das Krachen von Zweigen.