KAPITEL VIERZEHN
Inspector Benjamin Ross
An jenem Freitagabend war ich tief in Gedanken versunken, als ich auf dem Nachhauseweg in Richtung Fluss ging. Ich überlegte, wie ich meiner Frau und unserem Mädchen für alles die jüngste Wendung der Ereignisse erklären sollte, denn irgendwann musste ich mit der Sprache heraus. Es bestand eine geringe Chance, dass sie bis jetzt noch nichts gehört hatten, und dann musste ich heute Abend noch nicht reden. Das würde mir ein wenig Zeit verschaffen, doch ich durfte nicht meine ganze Hoffnung darauf setzen. Viel wahrscheinlicher nämlich war, dass Fawcetts Kongregation bereits im Bilde war und irgendein eifriges Schwatzmaul die Nachricht bis in mein Haus getragen hatte. Sie wussten, dass Lizzie mit mir verheiratet war. Irgendjemand hatte möglicherweise gehofft, meiner Frau Informationen zu entlocken – ein weiterer Grund, Lizzie nicht vorher einzuweihen. Nicht, dass Lizzie indiskret gewesen wäre, aber für Bessie wagte ich nicht, meine Hand ins Feuer zu legen.
Die meisten Männer, sinnierte ich melancholisch, hätten es nicht für notwendig erachtet, einem Dienstmädchen irgendetwas zu erklären. Es war mein persönliches Pech, dass unser Hausmädchen beides war – sowohl ein begeistertes Mitglied von Fawcetts Temperenzbewegung als auch äußerst freimütig. Und deswegen, Ben Ross, kannst du nicht gewinnen. Bessie wird möglicherweise entsetzt reagieren, wenn sie erfährt, dass Joshua Fawcett verhaftet wurde und gezwungenermaßen eine Nacht in der Zelle verbracht hat, und Lizzie wird enttäuscht sein, wenn sie erfährt, dass wir ihn wieder laufen lassen mussten (und pikiert, weil ich ihr nicht schon am Abend zuvor von seiner Verhaftung erzählt habe).
Es hatte angefangen zu regnen. Bürgersteige und Kopfsteinpflaster glänzten nass im Licht der Straßenlaternen. Die Menschen hatten es eilig, nach Hause zu kommen, so wie ich. Und dennoch waren die allgegenwärtigen Londoner Prostituierten unterwegs und auf der Suche nach den ersten Kunden des Abends. Als ich eine Tür passierte, hörte ich, wie mich jemand mit »Hallo Süßer« anredete, gefolgt von einer Einladung, mich ein wenig aufzumuntern. Die Stimme klang jung. Ich blieb stehen und spähte neugierig in die Schatten, halb in der Absicht, das Mädchen zu seinem Besten zu verhaften und wegzusperren von der Straße mit ihren Gefahren, und wenn es nur für eine einzige Nacht wäre.
Ich hörte ein Ächzen. Das Licht der nächsten Straßenlaterne erhellte mein Gesicht, und das Mädchen konnte mich weit besser erkennen als ich sie.
»Sie sind es, nicht wahr?«, flüsterte sie. »Sie sind der Inspector, der im Conquering Hero war, um mit Jed zu reden?«
»Kommen Sie heraus!«, befahl ich barsch. »Treten Sie ins Licht, damit ich Sie sehen kann!«
Eine Gestalt löste sich aus den Schatten, und ich erkannte das Mädchen mit der malvenfarbenen Haube, das im Pub bei Jed Sparrow am Tisch gesessen hatte. Sie trug immer noch die gleiche Haube wie beim letzten Mal, auch wenn dieses Kleidungsstück für die Jahreszeit vollkommen ungeeignet war, genau wie das dünne Kleidchen mit den Unterröcken, die so kurz waren, dass sie ihre Stiefel und die schlammbespritzten Strümpfe erkennen ließen. Um sich zu wärmen hatte sie ein kleines pelzbesetztes Cape um die Schultern gelegt. Der Pelz sah aus, als stammte er von einer Katze. Außerdem hielt sie einen Regenschirm in der Hand, den sie nun aufspannte, um sich vor der Nässe zu schützen und vielleicht auch, um eine Barriere zwischen sich und mir zu errichten.
»Ich erinnere mich an Sie«, sagte ich. »Sie haben zusammen mit Sparrow und einem anderen Mädchen am gleichen Tisch gesessen. Und jetzt sind Sie zum Lumpensammeln draußen, richtig?«
Sie kicherte nervös. »Hören Sie, das war Jeds alberner Witz, nicht meiner.«
»Sparrow täte gut daran, sich nicht über das Gesetz lustig zu machen. Wie heißen Sie?«
Sie zögerte. »Rose«, sagte sie nach einigen Sekunden, um kleinlaut hinzuzufügen: »Hey, Sie werden mich doch wohl nicht verhaften, oder? Ich bin gerade erst hier angekommen. Ich hab noch nicht einen Penny verdient.«
»Und Sparrow wird Ihnen ein blaues Auge schlagen, wenn Sie ohne Geld nach Hause kommen, richtig? Ein wirklich witziger Kerl«, sagte ich. »Hat er Clarrie auch immer verprügelt?«
»Sie haben Clarrie gefunden, ja?«, fragte sie leise.
»Ich habe ihre Leiche gesehen, in der Leichenkammer. Gefunden habe ich sie nicht, nein. Die Flusspolizei hat sie gefunden. Sie wurde aus der Themse gezogen.«
Rose seufzte. »Es ist einfach nicht fair«, sagte sie. »Das hat das Phantom ihr angetan, stimmt’s?«
Sie sagte es mit einer dumpfen Selbstverständlichkeit, die trauriger klang, als jeder dramatische Tonfall.
»Sie haben wohl Angst, dass es sie eines Nachts ebenfalls findet, wie?«, erwiderte ich.
»Ich hab es sogar schon mal gesehen«, lautete ihre Antwort.
Damit hatte ich nicht gerechnet. »Was denn?«, fragte ich. »Wann? Wo? Doch nicht heute Nacht, oder?«
»Nein, vor ein paar Wochen, kurz vor Clarries Verschwinden. Ich hab sie an jenem Tag noch einmal gesehen und danach nie mehr. Ich wusste gleich, dass das Phantom sie erwischt hat. Sie hatte Angst vor ihm. Wir alle haben Angst vor ihm, aber Clarrie, sie wusste, dass das Phantom nach ihr suchte.«
»Das hat Daisy Smith auch gesagt«, entgegnete ich.
»Daisy und Clarrie. Die beiden waren gute Freundinnen.«
»Verraten Sie mir, Rose, wo Sie das Phantom gesehen haben und wie es dazu gekommen ist«, bat ich mit leiser Stimme.
»Es war in der Woche vor der, in der wir diesen richtig dicken Nebel hatten. Ich glaube, es war der Donnerstag.« Sie stockte. »Das Wetter war nicht gut. Der Nebel war aus dem Fluss aufgestiegen. Er war noch nicht so schlimm wie ein paar Tage später am Wochenende, aber schlimm genug. Unten am Wasser wirbelten die Schwaden umher, und es war verwirrend für alles und jeden, der bei diesem Wetter unterwegs war. Die Kälte schlich sich in die Knochen. Ich hielt bei einem Imbissstand und kaufte mir eine heiße Kartoffel. Ich stellte mich an den Ofen, um mich aufzuwärmen, während ich aß. Ich kenne den Verkäufer – ich kaufe mir häufig etwas zu essen bei ihm, wenn es kalt ist. Kaum war ich fertig und wieder unterwegs, ich war noch nicht weit gekommen, hörte ich Schritte hinter mir hereilen. Ich drehte mich schnell um – aber ich war nicht schnell genug. Da stand es, direkt hinter mir, ganz in weiße Gewänder gehüllt, wie in ein Leichentuch, mit großen schwarzen Löchern, wo Augen hätten sein müssen … und es redete zu mir.«
Es war meines Wissens das erste Mal, dass das Phantom zu jemandem gesprochen hatte. Aufgeregt fragte ich: »Was hat es gesagt? Wie klang seine Stimme?«
»Sehr weich«, sagte sie. »Eigenartig, man sollte meinen, dass sie rau wäre, krächzend. Aber nein. Sie war sanft und wohlklingend und passte so gar nicht zu diesem Gesicht. Es nannte mich eine Hure, eine Tochter der Sünde, und es … es fauchte mich an. Ich schrie, so laut ich konnte, und der Mann am Kartoffelstand weiter die Straße hinunter, er hörte meinen Schrei und kam herbeigerannt. Er brüllte schon von Weitem, was denn passiert wäre, weil er mich an der Stimme erkannt hatte. Als das Phantom hörte, dass jemand kam, verschwand es einfach so im Nebel, als hätte es sich in Luft aufgelöst. Bis der Verkäufer bei mir war, war es längst weg. Ich zitterte am ganzen Leib.«
Rose hatte Clarrie am Donnerstag gesehen – und war am gleichen Abend dem Phantom begegnet. Doch falls es an jenem Abend nach Clarrie gesucht hatte, so hatte es sie nicht gefunden, denn Daisy hatte ihre Freundin am nächsten Morgen bei einem Kaffeestand getroffen.
»Sie hatten ziemliches Glück«, sagte ich zu Rose. Und das hatte sie in der Tat gehabt, denn auch sie hatte das Phantom aus unmittelbarer Nähe gesehen und sogar seine Stimme gehört – möglicherweise hatte nur der herbeieilende Kartoffelmann sie gerettet. Falls das Phantom in jener Nacht ausgezogen war, um seine Technik mit der Schnur zu üben, dann wäre es ansonsten vielleicht Roses Leichnam gewesen, den ich in Wapping gesehen hätte.
»Vielleicht.« Ihre Gedanken waren die gleichen wie meine. »Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich ihn nicht gesehen hätte. Clarrie hat ihn gesehen, und was hat sie nun davon? Vielleicht sucht er auch nach mir.« Sie spähte unter dem Regenschirm zu mir hinauf. »Werden Sie mich jetzt verhaften? Bitte nicht.«
»Nein«, sagte ich resigniert. »Nein, ich werde Sie nicht verhaften. Aber passen Sie auf sich auf, und bleiben Sie in der Nähe von Menschen, hören Sie?«
»Daisy hat gesagt, Sie wären in Ordnung«, vertraute sie mir an.
»Ich bin Daisy zu Dank verpflichtet«, erwiderte ich. »Gute Nacht, Rose.«
»Gute Nacht, Mr. Ross.«
Ich setzte meinen Weg fort, doch das Zusammentreffen mit dem Mädchen Rose hatte mich genauso überrascht, wie ihre Jugend mich deprimierte. Vielleicht war es der Gedanke an diesen durchtriebenen Ganoven Jed Sparrow, der zu Hause saß und darauf wartete, dass sie ihm das in der Nacht verdiente Geld brachte – was auch immer der Grund gewesen sein mag, ich drehte mich um und blickte zurück.
Rose stand da, wo ich sie verlassen hatte, unter ihrem Regenschirm, doch sie war nicht mehr allein. Offensichtlich hatte sie einen Kunden an der Angel. Sie redete mit einem gut gekleideten Gentleman, und eine Diskussion war im Gange – möglicherweise ging es um den Preis. Unvermittelt blickte der Mann auf und in meine Richtung, als hätte er gespürt, dass er beobachtet wurde, und ich erkannte im Licht der Gaslaterne, dass es Sebastian Benedict war.
Ich könnte sagen, meine erste Reaktion war Überraschung. Aber dieses Gefühl verklang genauso schnell, wie es gekommen war, um einem Durcheinander von Empfindungen zu weichen. Die beste Interpretation seiner Gegenwart war noch, dass er einfach unglücklich und einsam war nach dem Tod seiner Ehefrau und dass ihn diese Einsamkeit in die Stadt geführt hatte und zu einem der Freudenmädchen auf den Straßen Londons. Oder, und bei diesem Gedanken wurden Zorn und Empörung die vorherrschenden Gefühle, er war schon immer zu Prostituierten gegangen. Trotz seiner wunderschönen Ehefrau zu Hause gehörte er zu jener Sorte von Männern, die bei Prostituierten mehr Vergnügen und Erfüllung fanden. Es gibt mehr als genug gut situierte Gentlemen von dieser Sorte. Trotzdem war ich schockiert, dass Benedict allem Anschein nach einer von ihnen war.
Ich machte angeekelt auf dem Absatz kehrt und marschierte davon, doch schon bald darauf hörte ich eilige Schritte hinter mir, und eine Stimme rief meinen Namen.
»Ross!«
Ich blieb stehen und wartete. Benedict kam ziemlich außer Atem heran. Ich bemerkte, dass er zwar immer noch Trauerkleidung trug, doch er hatte den Seidenschal von seinem Zylinder entfernt. Seine Bediensteten hätten bemerkt, wenn er seine Garderobe vor der Fahrt in die Stadt gewechselt hätte, daher war er gezwungen, seinen Vergnügungen in tiefstes Schwarz gekleidet nachzugehen.
»Sie sind wahrscheinlich erstaunt, mich hier zu sehen«, sagte er. Sein Verhalten und seine Stimme waren eine einzige Herausforderung.
»Ich bin Polizeibeamter, Mr. Benedict«, antwortete ich. »Es gibt nicht viel, das mich in Erstaunen versetzen könnte.«
Die Kälte meines Tons entging ihm nicht. Ich bildete mir ein, ihn selbst im Licht der Gaslaterne erröten zu sehen. »Sie rümpfen die Nase über mein Verhalten!«, sagte er empört.
»Ich ermittle im Mordfall Allegra Benedict«, entgegnete ich. »Ihr Verhalten ist höchstens insofern von Interesse für mich, als es meine Ermittlungen berührt.«
»Verdammt!«, rief er aus. »Ich bin nicht der einzige Mann …« Er brach ab.
»In der Tat, Sir, das sind Sie nicht.« Mein Tonfall war nichtssagend.
»Aber ich bin noch in Trauer, und aus diesem Grund missbilligen Sie mein Hiersein«, fuhr Benedict fort. »Als ich Ihnen sagte, dass ich meine verstorbene Frau über alles liebte, entsprach das der Wahrheit«, sagte er, als ich nicht antwortete.
»Richtig, Sir«, entgegnete ich.
Er zögerte. »Ich möchte, dass Sie das verstehen, Ross … ich will es erklären … Meine Frau war … sie war ein Kunstwerk. Kein Bildhauer und kein Maler hätte eine vollkommenere Form erschaffen können. Ich hatte stets Angst, dass sie … dass sie schwanger werden könnte.«
Jetzt war ich so verblüfft, dass er es sehen konnte. »Sie fürchteten, dass Ihre Frau schwanger werden könnte? Die meisten Paare hoffen inbrünstig darauf, eine Familie zu gründen.« Genau wie ich es mir zusammen mit Lizzie eines Tages vorstellte, wenn alles gut lief. »Doch das geht mich nichts an, Sir«, fügte ich entschuldigend hinzu, denn so merkwürdig es auch erscheinen mochte – es ging mich wirklich nichts an.
»Sehen Sie«, sagte er. »Ich hätte nicht mit ansehen können, wie dieser vollkommene Körper sich verformte und aufquoll, während in ihm ein Kind heranwuchs. Ich habe schwangere Frauen mit ihren aufgedunsenen Gesichtern und ihrem unbeholfenen Gang gesehen. Unvorstellbar, dass Allegra so werden sollte wie sie. Nein!« Er zögerte. »Aus diesem Grund habe ich mit meiner Frau nur sehr selten das Bett geteilt.«
Diese geschmacklose und unwillkommene Enthüllung berührte meine Ermittlungen, so viel stand fest. War es möglich, dass ebenjenes Fehlen einer körperlichen Beziehung in ihrer Ehe Allegra dazu getrieben hatte, anderswo Erfüllung zu suchen?
»Was hat Ihre Frau darüber gedacht?«, hörte ich mich fragen.
»Eine Frau von Vornehmheit ist den primitiven Verlockungen nicht geneigt!«, schnappte er ärgerlich.
Verdammter Mistkerl!, dachte ich. Glaubt er diesen Unsinn tatsächlich? Dann ist er entweder dumm, verblendet oder einfach nur herzlos und sucht eine billige Entschuldigung für seine Gewohnheit, mit gewöhnlichen Prostituierten zu schlafen. Ich hatte jedoch recht gehabt mit meiner Einschätzung: Er betrachtete Allegra als sein Besitztum, etwas, das er seiner Kunstsammlung einverleibt hatte, nicht als richtiges, verletzliches Lebewesen mit menschlichen Gefühlen. Jetzt war es zu spät, darüber mit ihm zu diskutieren. Außerdem, sagte ich mir, bist du weder sein ärztlicher Ratgeber noch sein Beichtvater. Lass ihn den Unsinn glauben, wenn er unbedingt will. Er hat ihm schon einmal Kummer eingebracht, und er wird es wahrscheinlich wieder tun. Ich hoffe bloß, er ruiniert nicht auch noch das Leben einer weiteren Frau so, wie er das von Allegra ruiniert hat. Bis dahin jedoch mag er mich nicht, und ich mag ihn nicht. Und es besteht keine Notwendigkeit, zu tun als ob.
»Nun, dann machen Sie besser, dass Sie wieder zu Ihrem Freudenmädchen kommen«, sagte ich laut. »Allerdings ist es meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass diese Frauen nicht immer sind, was sie zu sein scheinen. Sollten Sie Wertgegenstände bei sich tragen, seien Sie auf der Hut. Die Frauen sind möglicherweise nur ein Ablenkungsmanöver, während irgendwo in den Schatten ein Halsabschneider lauert. Von den Krankheiten, die diese Mädchen weitergeben, muss ich wohl gar nicht erst reden.«
Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen. Wenigstens hatte ich ihm etwas zum Nachdenken gegeben.
Ich traf in meinem Haus ein und fand mich konfrontiert mit zwei erwartungsvollen Augenpaaren. Wie ich vermutet hatte, hatte sich die Nachricht von Fawcetts Verhaftung und seiner Übernachtung im Polizeigewahrsam bereits herumgesprochen. Meine schwache Hoffnung, noch bis zum nächsten Tag Zeit zu haben, erwies sich als vergeblich.
»Nun?«, verlangte meine Frau zu erfahren.
»Was haben Sie mit dem armen Mr. Fawcett gemacht?«, fragte Bessie weniger subtil und ein ganzes Stück mehr voreingenommen.
»Zum Teufel mit eurem Mr. Fawcett!«, entgegnete ich aufgebracht. Erst das Verhör von Fawcett und dann die Begegnung mit Benedict, beides an einem Tag – es war zu viel.
»Ben …«, murmelte meine Frau mit einem Blick auf unser Hausmädchen.
»Ich musste ihn gehen lassen«, sagte ich zu ihr.
»Da«, sagte Bessie rechthaberisch. »Ich wusste gleich, dass der arme Mr. Fawcett nichts getan hat!«
»Geh und schäl die Kartoffeln, Bessie!«, ordnete meine Ehefrau an.
Bessie gehorchte, doch nicht, ohne mir einen letzten triumphierenden Blick zuzuwerfen.
»Du hast mir gar nicht erzählt, als du gestern Abend nach Hause gekommen bist, dass ihr ihn verhaftet hattet«, sagte Lizzie vorwurfsvoll, genau wie ich es befürchtet hatte. Der Blick ihrer Augen war eine Mischung aus Anklage und Tadel.
»Wir hatten einen begründeten Verdacht, weiter nichts«, sagte ich schwach. »Es ist ein schwieriger Moment, wenn man einen Mann zum Verhör auf das Revier bringt. Ich hielt es für besser, gestern Abend zu schweigen und abzuwarten, bis ich heute Morgen mit ihm gesprochen hatte.« Ich ließ mich in einen Lehnsessel fallen. »Und wie ich euch beiden soeben gesagt habe, wir mussten ihn wieder laufen lassen.«
Lizzie hockte sich auf die Lehne des gegenüberstehenden Sessels. »Dann konnte er dir überhaupt nichts sagen?«, fragte sie.
»Konnte nicht, wollte nicht …«, murmelte ich düster. »Ich wusste gleich, dass es ein Fehler war, ihn zum Yard zu bringen, aber Dunn wollte es so. Wie dem auch sei – Fawcett hat nicht einmal zugegeben, dass er eine Affäre mit Allegra hatte, obwohl wir die Zeugenaussagen von zwei Bediensteten haben.«
»Schuft!«, explodierte Lizzie. Ich nahm an, dass sie nicht mich meinte, sondern Fawcett. »Und was passiert als Nächstes?«, wollte sie wissen.
»Wir müssen hoffen, dass er nicht untertaucht. Möglicherweise hat Dunn recht, und er verschwindet nicht auf der Stelle – es würde ihn eines Kapitalverbrechens verdammt schuldig aussehen lassen. Es ist eine Sache, Fersengeld zu geben, wenn man als Schwindler entlarvt wurde. Aber es ist eine ganz andere, wenn man sich dadurch als Kandidat für den Galgen präsentiert.«
»Glaubst du, dass er sie umgebracht hat?« Lizzie sprach mit gesenkter Stimme, obwohl das laute Klappern aus der Küche verriet, dass Bessie nicht in Hörweite war.
Ich seufzte. »Ich weiß es nicht. Dunn glaubt, dass er es war. Der Mann hatte ein Motiv. Allegra war verliebt. Für Fawcett hätte das normalerweise bedeutet, dass sie ihm hörig war. Doch die Lady war Italienerin und hatte dementsprechendes Temperament. Sie war leidenschaftlich und unberechenbar. Ihr ganzes Verhalten hatte sich geändert. Sie wollte, dass die ganze Welt sah, wie glücklich sie war. Wir wissen, dass die Dienerschaft im Haus der Benedicts wegen ihres veränderten Benehmens bereits die Wahrheit erraten hatte, und es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch ihr Mann Verdacht schöpfte. Ich glaube, dass Fawcett sich in eine Situation gebracht hat, aus der er sich nur zu gerne wieder befreit hätte. Aber dafür zu morden? Das ist etwas ganz anderes. Meiner Meinung nach ist es viel wahrscheinlicher, dass Fawcett im Augenblick der Entscheidung, falls er gekommen wäre, seine Koffer gepackt hätte und verschwunden wäre. Es hätte bedeutet, ein profitables Unternehmen aufzugeben, das ihm viel Geld für sein sogenanntes gutes Werk einbrachte. Doch angesichts der Möglichkeit einer Indiskretion vonseiten Allegras, die den ganzen Skandal enthüllt hätte, nun ja. Meiner Meinung nach hätte er den Schwanz eingeklemmt und wäre verschwunden. Ich glaube nicht, dass er sie umgebracht hat. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Vielleicht hat sie etwas gesagt oder getan, irgendetwas Unüberlegtes, und Fawcett hat die Nerven verloren.«
»Ich gehe am Sonntag zur Temperenzversammlung!«, entschied Lizzie, nachdem sie sich einen Moment Zeit genommen hatte, um über das Gehörte nachzudenken.
Ich war nicht sonderlich glücklich über ihren Entschluss. »Du wirst sehen, dass du unerwünscht bist, wegen mir«, warnte ich sie.
»Ich war schon früher nicht besonders willkommen, glaub mir«, antwortete meine Frau gelassen. »Ich bin jedoch gespannt, wie Mr. Fawcett sich nun aufführt, nach seinem kleinen Abenteuer in der Zelle.«
Und das, so viel musste ich gestehen, interessierte auch mich. Was meine Begegnung mit Benedict anging und das, was ich über die Natur seiner Ehe mit Allegra erfahren hatte, so konnte und wollte ich Lizzie nichts davon erzählen. Die Tatsache, dass Benedict in gewisser Hinsicht sein Unglück selbst heraufbeschworen hatte, war keinerlei Entschuldigung für Fawcett, der eine einsame und verzweifelte Frau schamlos ausgenutzt hatte.
Ich hatte das Gefühl, dass Superintendent Dunn missgelaunt war, weil wir Fawcett hatten gehen lassen müssen. Doch seine gute Laune sollte schon bald wiederhergestellt werden. Am Samstagmorgen, ich war auf dem Weg zu meinem Büro, wurde ich einmal mehr von dem eifrigen Biddle abgefangen.
»Mr. Dunn ist heute ebenfalls da, Sir«, flüsterte er. »Und er hat Besucher.« Es gab keinerlei Grund für sein Getuschel. Der junge Biddle hatte einen Sinn für das Dramatische. Mit ein wenig Glück würde es sich noch auswachsen.
»Besucher aus dem Norden!«, fuhr er im Verschwörerton fort und gestikulierte zum Fenster hinaus in die Richtung, die seiner Meinung nach Norden sein musste. »Und er will Sie sehen, Sir, gleich jetzt. In seinem Büro.«
»Was hat das nun schon wieder zu bedeuten?«, murmelte ich vor mich hin, als ich mich auf den Weg machte. Dunn kam samstags normalerweise nicht zur Arbeit. Jemand musste ihn herzitiert haben.
Ich hörte Stimmen, lange bevor ich da war. Als ich eintrat, fand ich Dunn vor, wie er zwei Männer unterhielt, falls man das so nennen konnte, die offenkundig von außerhalb der Stadt kamen. Sie trugen Zylinderhüte und dicke Wintermäntel, und sie waren umgeben von einem schwachen Geruch nach Ruß und Maschinenöl, der vermuten ließ, dass sie direkt von einem der großen Londoner Bahnhöfe hergekommen waren.
Dunn blickte äußerst selbstzufrieden drein. »Ah, Ross!«, begrüßte er mich. »Sie kommen zur rechten Zeit. Nun denn, ich denke, das Glück hat sich in unsere Richtung gewendet.« Er deutete auf die beiden Besucher. »Das dort ist Inspector Styles, und das ist Sergeant O’Reilly. Die beiden sind von der Polizei von Manchester und eben erst mit dem Zug in London eingetroffen. Sie haben etwas mitgebracht …«
Biddle war an diesem Morgen offensichtlich nicht der Einzige mit einem Sinn fürs Theatralische. Dunn nahm ein Blatt Papier zur Hand und wedelte damit triumphierend vor meinem Gesicht.
»… und zwar einen Haftbefehl für Jeremiah Basset.« Dunn beugte sich vor. »Hiesigen Orts bekannt als Joshua Fawcett.«
»Wir waren höchst erfreut, als wir Superintendent Dunns telegrafische Anfrage mit einer Beschreibung des fraglichen Mannes erhielten«, erklärte Inspector Styles mit einer Stimme, die klang, als käme sie aus den tiefsten Tiefen seiner Stiefel. Er war ein stämmiger, rotgesichtiger Kerl mit einem ansehnlichen Bart. Trotz dieses modischen Haarwuchses hatte er etwas Ländliches an sich. Auf gewisse Weise teilte er dieses Äußere mit Dunn, und die beiden erweckten den Eindruck zweier Bauern, die sich über die Viehpreise unterhielten. »Wir vermuteten gleich, dass er unser Mann ist«, fuhr Styles fort. »Wir suchen Basset schon seit einer ganzen Weile. In Manchester sind viele Leute ganz begierig darauf, ihm eine Reihe unangenehmer Fragen zu stellen.«
»Und nicht nur dort«, warf O’Reilly ein. Seine Stimme stand in alarmierendem Kontrast zu der seines vorgesetzten Beamten, hell und näselnd und mit leicht irischem Akzent. »Er wird außerdem in Preston, Sheffield, Bradford und Leeds gesucht.«
»Aber wir waren zuerst hier!«, rumpelte Style triumphierend. »Und wir würden ihn gerne mit nach Hause nehmen, wenn Sie keine Einwände haben«, fügte er mit einem Blick auf Dunn hinzu, der sich im Hintergrund aufgeplustert hatte.
»Haben wir nicht, soweit es mich betrifft«, antwortete Dunn. »Trotzdem denke ich, dass ich zuerst eine Genehmigung von höherer Stelle einholen sollte, wenn Sie den Kerl aus London mitnehmen. Es sollte nicht lange dauern.«
»Sind wir denn absolut sicher, dass Basset und Fawcett ein und derselbe Mann sind?«, fragte ich. »Es gibt nicht den geringsten Zweifel? Er ist ein schlüpfriger Bursche, und wir wollen schließlich nicht, dass er sich irgendwie wieder herauswindet. Ich nehme an, Superintendent Dunn hat Sie informiert, dass wir ihn zum Verhör hier hatten im Zusammenhang mit einem ungelösten Mordfall, aber wir waren gezwungen, ihn wieder laufen zu lassen.«
Dunn sah mich befremdet an. »Wir konnten ihn nicht festhalten aus Mangel an direkten Beweisen«, sagte er gereizt. »Wir haben überhaupt nichts gegen ihn in den Händen, trotz größter Bemühungen und obwohl wir fest davon überzeugt sind, dass er durchaus unser Mann sein könnte«, fügte er mit einem entschuldigend Blick zu seinen Besuchern hinzu. Er wandte sich an mich. »Sehen Sie, Ross«, fuhr er fort. »Diese Gentlemen haben etwas gegen ihn in der Hand und sogar einen Haftbefehl. Sie können ihn vor Gericht stellen, und wenn er erst in Manchester in einer Zelle sitzt, müssen wir uns nicht mehr sorgen, dass er einfach so verschwindet. Wir wissen, wo wir ihn finden, wenn wir ihn erneut brauchen.«
»Ein Grund mehr, dass wir sicher sein müssen, ob wir tatsächlich vom gleichen Mann reden«, beharrte ich.
»Er ist ausgesprochen gut im Verschwinden, unser Mr. Basset«, grollte Styles. »Aber ich kann Ihnen das hier zeigen, Mr. Ross, wie ich es Mr. Dunn bereits gezeigt habe.«
Er kramte in seiner Tasche und brachte ein kleines rechteckiges Stück Karton zum Vorschein, das er mir reichte.
Es war ein Lichtbild, und es zeigte eine kleine Gruppe von Personen im Garten eines großen Hauses. Alle trugen ihren besten Staat. Sie standen in einer Reihe nebeneinander und lächelten unsicher in die Kamera – mit Ausnahme eines Mannes am einen Ende der Gruppe, der aussah, als sei er lieber anderswo. Was wohl auch so war – eingefangen zu werden auf einer Fotografie war offensichtlich ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Ich bemerkte, dass er bereits zum damaligen Zeitpunkt die diamantene Krawattennadel getragen hatte.
»Das ist Fawcett, oder Basset, wie Sie ihn nennen, ohne jeden Zweifel«, sagte ich, indem ich ihm das Lichtbild zurückgab. »Wer hat diese Aufnahme gemacht?«
»Ah, nun ja.« Styles nahm das Foto und steckte es umständlich wieder ein. »Unser Mr. Basset – Ihr Mr. Fawcett – hat sich erfolgreich durch das ganze Land geschwindelt, ein äußerst überzeugender Gentleman, dem Vernehmen nach. Als er nach Manchester kam, muss er geglaubt haben, auf eine Goldmine gestoßen zu sein. Wir haben ein paar äußerst wohlhabende Bürger, die im Tuch- und Seidengewerbe tätig sind. Ihre Fabriken sind ein Wunder moderner Herstellungsmethoden, in denen jede nur erdenkliche Maschine arbeitet. Was Sie vielleicht nicht wissen: Unsere Luft ist sehr geeignet für die Baumwollspinnerei.«
Dunn und ich schüttelten den Kopf.
»Unser Klima ist feucht«, sagte O’Reilly düster. »Baumwollfasern brechen leicht, wenn sie allzu trocken werden. Und kein Mensch kann behaupten, Manchester hätte ein ausgesprochen trockenes Klima.«
Styles ergriff das Wort. »Die ›Baumwollkönige‹ sind unsere größten Fabrikanten. Irgendwie gelang es Basset, mit der Ehefrau eines unserer Baumwollkönige Bekanntschaft zu schließen, und sobald sie ihn aufgenommen und ihren Mann davon überzeugt hatte, was für ein feiner Mensch Basset doch wäre, wurde er auch allen anderen Fabrikanten und ihren Familien vorgestellt. Die Damen waren in ganz besonderem Maße von ihm angetan.«
O’Reilly grinste breit, aber er beherrschte sich wieder, bevor Styles es bemerkte.
»Wir in Manchester sind große Anhänger wohltätiger Einrichtungen«, fuhr Styles fort.
Nach allem, was ich von den Arbeitsbedingungen in diesen Fabriken gehört hatte, war Wohltätigkeit nicht gerade das, was mir in den Sinn kam. Doch das sagte ich nicht. Stattdessen nickte ich nur.
»Und so kommt Basset daher mit einem Plan, die Kinder der Armen zu retten, die ansonsten in unseren Straßen herumzuhängen und dem Alkohol und der Kriminalität zu verfallen drohten, und sie auszubilden, sodass sie ein ehrliches Tagewerk verrichten könnten.«
»In den Fabriken«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.
Styles nickte. »Ganz recht. Eine erfolgreiche Industrie benötigt ausgebildete Arbeitskräfte, Inspector. Selbstverständlich hörten die Leute auf ihn …«
»Und spendeten ihm Geld«, warf O’Reilly ein.
Styles bedachte seinen Untergebenen mit einem mahnenden Blick. »Die Fotografie war sein Verderben, sozusagen. Einige der betroffenen Damen beschlossen, ein Gartenfest zu veranstalten, um Spendengelder zu sammeln. Es war ein rauschendes Fest, jeder von Rang und Namen war dort. Selbst in der Zeitung stand ein Bericht. Irgendjemand hatte die Idee, einen Fotografen einzuladen, der das Ereignis im Bild festhalten sollte. Sie wissen, wie das ist: Jeder will aufs Bild, insbesondere in feiner Gesellschaft! Dieses Foto hier …«, er tätschelte seine Tasche, »… dieses Foto war das Ergebnis. Ein sehr hübsches Foto ist es geworden. Alle, die darauf abgebildet sind, waren sehr zufrieden damit, außer unserem Mr. Basset, oder Fawcett oder wie auch immer. Wie es der Zufall so will, eine der Damen hat eine Schwester, die in Leeds verheiratet ist. Ebendiese Schwester kam kurze Zeit nach dem Gartenfest zu Besuch, und die Dame berichtete ihr alles über das Fest. Sie zeigte der Schwester einen Abzug des Fotos, und was soll man sagen?«
»Die Schwester hat ihn wiedererkannt«, sagte ich ungeduldig.
»Ganz recht. Gleich im ersten Moment. ›Du lieber Himmel!‹, rief die Schwester. ›Das ist ja Mr. Denton! Er hat den Leuten bei uns ein kleines Vermögen abgeschwatzt zum Bau eines Krankenhauses für schwindsüchtige Kinder von Fabrikarbeitern. Und als die Leute anfingen Fragen zu stellen, wann denn der Bau des Krankenhauses nun endlich losgehen würde, verschwand er mitsamt dem Geld spurlos!‹
Die Dame war entsetzt und informierte ihren Ehemann, und dieser kam direkt zu uns. Wir machten uns unverzüglich auf, um Mr. Basset alias Denton alias Fawcett zu verhaften, doch er hatte irgendwie Wind von der Sache bekommen und war ausgeflogen. Er hatte seine möblierte Wohnung ohne ein Wort geräumt, ohne die Miete zu zahlen. Ich wage zu behaupten, nachdem die Fotografie angefertigt worden war, hat er gewusst, dass sein Spiel nicht mehr lange dauern würde. Die Bürger haben ihr Geld nie wieder gesehen. Sie können sich denken, wie gerne sie Mr. Basset wiedersehen würden», endete Styles grimmig.
»Dann ist er also auch unter dem Namen Denton bekannt«, sinnierte ich.
»Er hat ein halbes Dutzend verschiedener Namen«, informierte O’Reilly mich. »Wir haben uns die größte Mühe gegeben, ihn aufzuspüren. Unsere Nachforschungen bei anderen Polizeibehörden brachten schon nach kurzer Zeit Erkenntnisse über seine früheren Aktivitäten, doch nichts über seinen gegenwärtigen Verbleib. Keine Spur von ihm, er war wie vom Erdboden verschluckt …«
»Wie ich bereits sagte«, unterbrach Dunn das Gespräch. Er war während des Monologs immer nervöser geworden. »Es sollte nicht lange dauern, die notwendigen Arrangements zu treffen, damit Sie den Mann mit nach Manchester nehmen können. Ich schlage vor, Sie gehen solange in eines unserer exzellenten Steakhäuser und kommen wieder, nachdem Sie sich gestärkt haben.«
Diese Idee schien Zustimmung zu finden, und unsere Besucher brachen auf.
»Er ist ein Verdächtiger in einem Mordfall«, erinnerte ich Dunn mit Nachdruck, als wir allein waren. »Es wird berechtigte Einwände dagegen geben, dass unsere Kollegen ihn mit nach Manchester nehmen, wo er geringfügigeren Anklagen entgegensieht. Und was ist mit der Polizei in Leeds und all den anderen Orten? Sie wird ebenfalls nach ihm suchen.«
»Das ist der Grund, warum ich die Entscheidung nicht selbst treffe«, erwiderte Dunn mit halsstarrig vorgerecktem Kinn. »Die Kollegen haben Beweise und Zeugen, die willens sind, gegen ihn auszusagen und ihn zu identifizieren. Sie, Ross, waren außerstande, irgendetwas aus ihm herauszuholen, als Sie ihn verhört haben. Sie waren besorgt, er könnte London verlassen. Also soll Manchester ihn mitnehmen. Ich gehe zum Commissioner und hole seine Zustimmung ein. Er hat sicher nichts dagegen, wenn ich ihn wegen dieser Sache störe, auch wenn Samstag ist.«
Offensichtlich war also die Tatsache, dass wir unsere Zeit mit der Verhaftung von Fawcett verschwendet hatten, nicht Dunns Fehler – es war meiner.
»Nun«, sagte ich schließlich. »Wenigstens weiß ich, wo wir ihn finden. Es ist Samstag, und unser falscher Prediger sitzt in seiner möblierten Unterkunft in Clapham und schreibt an seiner Predigt für morgen. Das heißt …«, konnte ich mir nicht verkneifen hinzuzufügen, »… falls er mich nicht belogen hat. Da er auch bei allem anderen gelogen hat, bleibt uns nichts anderes übrig als zu hoffen, meinen Sie nicht?«
Dunn bedachte mich mit einem irgendwie gehetzt wirkenden Blick.