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Lucien überlegte nicht. Er bemerkte noch nicht einmal, dass er sich bewegte. Als er sah, was Meena tat, schoss er schnell wie der Blitz zu ihr hin.

Er schob sie beiseite, so dass die vier Pfeile sich in sein Herz bohrten.

Es überraschte ihn, dass es nicht wehtat.

Es war besser so, dachte er. Das war ihm klar geworden, als Meena ihm das Buch gezeigt hatte – das Buch, an das er sich so gut aus glücklichen Tagen erinnerte.

Danach wurde ihm die Vergangenheit auf einmal so klar wie seit Jahrhunderten nicht. Und als Meena sich erschießen lassen wollte, hatte er genau gewusst, was er tun musste.

Sein Leben für Meenas zu opfern war nichts. Er hätte sich nur gewünscht, dass sie mehr Zeit miteinander gehabt hätten, um sich für all das Unrecht entschuldigen zu können, das er ihr angetan hatte.

Danach drehte sie sich um, anscheinend unverletzt, und blickte auf ihn herunter. Irgendwie waren ihre Haare wieder so braun, wie sie gewesen waren, als er sie kennengelernt hatte. Sie waren lang und wehten im leichten Wind.

Der Himmel über ihm war blau, und kleine weiße Schäfchenwolken zogen darüber hin. Das war wundervoll. Seit fünfhundert Jahren hatte er nicht mehr unter einem blauen Himmel liegen können. Er holte tief Luft. Auch das hatte er seit Jahrhunderten nicht mehr getan. Es fühlte sich großartig an.

»Lucien«, sagte Meena mit Tränen in den Augen, »es tut mir so schrecklich leid.«

Er wusste nicht, wofür sie sich entschuldigte. Er war doch derjenige, der sie viele Male verletzt hatte.

»Nein, mir tut es leid«, entgegnete er und hob die Hand, um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.

»Du warst der Einzige, der ihn töten konnte«, sagte Meena. »Aber nur indem du selber stirbst. Das kommt mir nicht fair vor.«

»Doch, das ist es«, versicherte er ihr. »Er war der Schöpfer des Bösen in meinem Vater, und das ist nur mit Gutem auszulöschen. Er wusste das … und du auch. Ich musste mein Leben opfern, damit seines vernichtet werden konnte. Ich wollte nicht, dass du verletzt wirst. Früher einmal habe ich es vielleicht gewollt, aber jetzt nicht mehr.« Lucien schaute sie an. Sie war so schön. Er wusste nicht, wie sie so miteinander sprechen konnten. Er hätte doch eigentlich zu Staub zerfallen müssen.

»Ich weiß«, sagte sie. »Du hast die richtige Wahl getroffen, Lucien. Danke.« Sie beugte sich über ihn, um ihn zu küssen.

Vögel zwitscherten. Es war perfekt.

Er war glücklich.