2

»Das sieht seltsam aus da oben auf dem Berg ohne Vulcanus«, sagte Fred, während er hereinkam und seinen Mantel ausschüttelte. »Dunkel.« Ich war gerade dabei, Putenspeck auf den Mikrowellengrill zu legen. Er kam herüber zu mir, gab mir einen liebevollen Kuss, tätschelte mein Hinterteil und sagte: »Mmm, ich liebe Frühstück zum Abendessen.«

Ich lehnte mich einen Moment lang an ihn. Schön. »Es gibt eine Benefizveranstaltung für den alten Jungen morgen Abend im Alabama Theatre. Mary Alice hat uns Karten besorgt. Wir müssen dafür sorgen, dass er repariert und wieder aufgestellt wird.«

»Was für eine Benefizveranstaltung?« Fred ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier.

»Ich denke, was Amüsantes. Virgils Sohn ist ein Elvis-Imitator, und er steht mit auf dem Programm. Er hat uns Karten in der ersten Reihe verschafft.«

»Solange es kein Ballett ist!«, rief Fred, während er den Flur hinunter zur Toilette ging. »Man kann die Hernien der Männer sehen, wenn sie die Mädchen hochheben.«

»Sagt man so dazu?«

Ich hörte ein Lachen, während sich die Toilettentür schloss.

Vulcanus, die größte Eisenstatue der Welt, hatte oben auf dem Red Mountain gestanden und über Birmingham geblickt, solange wir uns alle erinnern konnten. Er ist der Gott der Schmiedekunst. Majestätisch von vorn, mit einer Schürze, die lebenswichtige Körperteile vor den Funken schützt, und hinten mit nacktem Hintern, den er der gesamten Südseite der Stadt entgegenstreckt. Für uns ist der Anblick ganz normal, wenn die Sonne von seinem riesigen Hintern abstrahlt, aber Besucher von außerhalb sind immer wieder überrascht, wenn sie zu der Statue hochschauen.

»Keiner von meinen Männern hat so ausgesehen«, bemerkte Mary Alice eines Tages, als wir die Valley Avenue hinunterfuhren und ihr Blick Vulcanus streifte. »Will Alec hatte gar keinen Hintern, erinnerst du dich? Er hatte Schwierigkeiten, seine Hosen oben zu behalten. Und Philip und Roger waren nicht viel besser. Männerhüften sind zu weit unten am Körper. Ist dir das nie aufgefallen, Maus?«

Die »Maus«-Geschichte hatte ich aufgegeben. Das war mein Spitzname aus Kindertagen, weil ich so klein war und angeblich gefiept haben soll, wenn ich weinte. Ich habe versucht, Mary Alice davon abzubringen, mich so zu nennen, aber das ist verlorene Liebesmühe.

»Bei Fred ist das nicht so«, sagte ich.

»Das sieht nur so aus wegen der Fettrolle.«

Ich biss mir auf die Zähne. »Hüftgold.«

»Das hättest du gern.«

Der arme Vulcanus und sein prachtvolles Hinterteil hatten schwere Zeiten durchgemacht. Schon vor Jahren hatte es Befürchtungen gegeben, dass er nicht sicher genug auf seinem Podest stehen, dass er bei einem Sturm umstürzen und Besucher, den Souvenirladen, den Parkplatz und die Twentieth Street, eine der Hauptarterien von Birmingham, mit sich reißen könnte. Die Lösung war, dass man ein Loch in seinen Kopf gebohrt und ihn zur Hälfte mit Beton aufgefüllt hatte. Gewiefte Idee. Regen drang durch das Loch in seinem Kopf. Der Beton dehnte sich bei Hitze aus und zog sich bei Kälte zusammen. Nicht so das Eisen. Vulcanus bekam Risse, der arme Kerl. Man hatte ihn Stück für Stück abbauen und in die Eisenstatuen-Intensivstation bringen müssen, wo man versprach, ihm innerhalb von ein paar Jahren die volle Gesundheit zurückzugeben. Bis es so weit ist, bleibt der Berg dunkel, und wir vermissen ihn. Und das Geld für seine Rückführung muss aufgebracht werden.

»Was von Haley gehört?« Fred war zurück im Wohnzimmer.

»Noch nicht.«

»Wo ist dieses Fernsehding?«

»Die Fernbedienung? Versuch’s mal auf dem Sofa.«

Ich rechnete damit, gleich die Stimme von Peter Jennings zu hören. Stattdessen kam Fred zu meiner Überraschung in die Küche und setzte sich an den Tisch.

»Vielleicht sollten wir sie anrufen.«

»Es ist zwei Uhr früh in Warschau.«

»Dann sind sie jedenfalls mit Sicherheit zu Hause.«

Ich schob die Brötchen in den Ofen und sah ihn an. Er schien es ernst zu meinen.

»Keine gute Idee«, sagte ich. »Sie sagt es uns schon, wenn sie die Ergebnisse hat.«

Ich griff in den Kühlschrank. »Reichen dir zwei Eier?«

»Klar.«

»Mary Alice und Virgil heiraten im Mai.« Ich nahm eine Schüssel aus dem Schrank und schlug daran die Eier auf.

»Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.«

»Kann sein, dass es ihr diesmal wirklich ernst ist. Ich soll Trauzeugin sein und ein violettes Kleid tragen. Die Mädchen gehen in Sonnenblumengelb.«

»Guter Gott.«

Der Wind war stärker geworden. Er trommelte leicht auf das Dachfenster im Wohnzimmer. Das Telefon klingelte, und Fred ging dran.

Ich weiß immer, wenn er mit Freddie oder Alan telefoniert, unseren beiden Söhnen, die in Atlanta leben. Er redet dann lauter als normal, mit so einer Weihnachtsmann-Stimme. Ich kann mir genau vorstellen, wie er sie anruft, wenn ich einmal sterbe. »Ho, ho, ho, mein Sohn. Deine Mutter scheint tot in der Küche umgefallen zu sein. Wie geht es denn so bei dir?« Nun ja, vielleicht übertreibe ich ja mit dem »Ho, ho, ho«, aber der Ton stimmt. Und Freddie und Alan sind genauso schlimm. Sie hören sich wie Sportmoderatoren an, wenn sie miteinander reden. Was mich wieder zu dem Punkt zurückbringt, dass ich es wusste, wenn er mit Freddie oder Alan redete.

»Wir haben nichts gehört, aber wir sind uns sicher, dass alles in Ordnung ist. Absolut. Möchtest du deine Mutter sprechen?«

Ich wischte mir die Hände an einem Papierhandtuch ab, um das Telefon entgegenzunehmen, aber Fred sagte: »Okay, mein Sohn«, und legte auf.

»Das war Alan vom Autotelefon aus«, erklärte er. »Wollte sich nur nach Haley erkundigen. Sagt, er ruft dich morgen an.«

»Okay. Bist du bereit zum Essen?«

»Lass mich noch mal kurz den Computer checken. Manchmal gibt es Verzögerungen bei der Übertragung aus Übersee.«

Ich gab gerade das Essen auf die Teller, als er rief: »Wer ist Joanna?«

»Was?« Ich stellte die Teller ab und ging ins Wohnzimmer. Fred stand auf der Schwelle zur Schlafzimmertür.

»Wer ist Joanna?«

»Haben wir eine Nachricht erhalten?«

»Von Haley. Sie lautet: ›Wir sind alle wohlauf und haben euch lieb. Haley, Philip und Joanna.‹«

Ich stürzte zum Computer. Da stand es. Joanna.

»Du Dummkopf«, quiekte ich. »Es ist ein Mädchen. Haley hat es sich am Ende doch sagen lassen.«

Fred und ich sahen uns an, und dann nahmen wir uns weinend in den Arm. Unsere Tochter bekam eine Tochter. Joanna.

Wir kamen erst sehr viel später zum Essen. Lange nachdem wir mit Warschau telefoniert und viel gelacht und geweint hatten.

»Sie wird mit Sicherheit mal Miss America. Denk nur, wie schön sie sein wird mit Haleys rotblonden Haaren und Philips Augen.«

Es war am nächsten Morgen, und meine Nachbarin Mitzi Phizer und ich unternahmen unseren Morgenspaziergang. Mitzi und Arthur leben seit vierzig Jahren im Haus nebenan, aber erst seit Kurzem begleitet mich Mitzi allmorgendlich, wenn ich Woofer Gassi führe. Was mich total begeistert. Sie ist eine gute Gesellschaft und behauptet steif und fest, dreieinhalb Kilo verloren zu haben, obwohl ich nicht glaube, dass das an der Bewegung liegt. Woofer macht an jedem Baum halt, um sein Revier zu markieren, sodass unser Spaziergang uns gerade einmal um drei Blocks führt.

»Nein. Sie wird Präsidentin Joanna Nachman.«

»Sie könnte beides werden. Was ist verkehrt an einer schönen Präsidentin?«

»Da hast du recht.«

Es war ein wundervoller Tag. Es roch nach beginnendem Frühling, nach dieser unverkennbaren Mischung aus Quittenblüten und Forsythien und der die letzten nächtlichen Regentropfen trocknenden Sonne. Ich hatte alle in der Familie angerufen, um ihnen die Neuigkeiten mitzuteilen, und war nur wenig zum Schlafen gekommen, aber ich hätte um die Blocks rennen können, anstatt so zu bummeln. Zum Glück waren Woofer und Mitzi nicht so aufgedreht wie ich, weshalb wir gemütlich dahinschlenderten und den Morgen genossen.

»Mary Alice sagt, sie heiratet im Mai Virgil Stuckey.« Mir war soeben die andere große Neuigkeit wieder eingefallen.

»Glaubst du, sie meint es ernst? Sie ist doch dauernd verlobt. Wo treibt sie nur all diese Männer auf?« Mitzi stieg über eine kleine Pfütze auf dem Bürgersteig. »Dieser Cedric war meines Wissens der Letzte.«

»Kann gut sein. Sie hat schon schrecklich viele Pläne gemacht, zum Beispiel, welche Farbe die Mädchen und ich tragen sollen und wohin ihre Hochzeitsreise geht.«

»Wirklich?« Mitzi schmunzelte. »Und, welche Farbe?«

»Violett und Sonnenblumengelb.«

Mitzi biss sich auf die Lippen, aber dann kapitulierte sie und lachte schallend.

»Bist du das Violett?«, fragte sie, griff nach einem Papiertaschentuch und schnäuzte sich. Mitzi kommen beim Lachen immer die Tränen.

»Ich bin das Violett«, kicherte ich. Mitzis Lachen war ansteckend. »Wir machen auch irgendetwas auf mein Haar, damit es nicht so ausgewaschen aussieht.«

»Nein, sag das nicht.« Mitzi suchte nach einem weiteren Papiertaschentuch.

»Und kannst du dir die schwangere Haley in Sonnenblumengelb vorstellen? Schwesterherz sagt, sie würde darin sicher aussehen, als stünde sie in voller Blüte.«

»O Gott.«

Woofer blickte uns geduldig an. Wir hatten unseren Verstand verloren, aber das war okay.

»Das macht sie doch nicht wirklich, heiraten«, sagte Mitzi, als wir uns beruhigt hatten und unseren Spaziergang fortsetzten. »Das ist doch nur wieder eine ihrer Kapriolen, glaubst du nicht?«

»Vielleicht. Heute Abend gehen wir mit Virgil und ihr zu dem Vulcanus-Benefizkonzert. Anscheinend ist Virgil junior ein Elvis-Imitator und tritt dort auf.«

Das Papiertaschentuch kam wieder zum Einsatz. Woofer gab auf und setzte sich. Das nannten wir Bewegung?

»Ich habe die Werbung dafür im Fernsehen gesehen«, sagte Mitzi. »Eine ganze Reihe von Elvis-Imitatoren, Beine schwingend wie die Rockettes.«

»Ja, und Virgil junior ist einer von ihnen.«

»Arthur und ich sollten auch dorthin gehen. Ob es wohl ausverkauft ist? Wir haben ein bisschen Geld für die Restaurierung gespendet, aber das Vergnügungsprogramm ist bisher an uns vorbeigegangen.«

»Ruf an und finde es heraus. Du kannst mit uns kommen.«

Wir setzten uns wieder in Bewegung – zwei grauhaarige Damen und ein grauhaariger Hund. Das war in Ordnung so.

»Habe ich dir eigentlich jemals erzählt, dass ich mit Elvis mal einen schmutzigen Boogie getanzt habe?«

»Du hast was?«

»Einen schmutzigen Boogie mit Elvis getanzt. Zumindest haben es meine Schwestern so bezeichnet.«

»Du machst Witze. Du hast tatsächlich mit Elvis getanzt? Und nein, das hast du mir nie erzählt.«

»Es war irgendwie peinlich.«

»Wir wären sicher alle peinlich berührt.«

Mitzi zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich. Jedenfalls war es auf der Party einer Studentinnenverbindung. Du weißt ja, ich bin in Memphis aufs College gegangen.«

Ich nickte.

»Irgendwie wurde Elvis dazu eingeladen. Und er kam zu mir herüber und forderte mich zum Tanz auf. Er war der wildeste Tänzer, den du je gesehen hast. Tatsächlich hat er, denke ich, eine mächtige Show abgezogen, während ich die meiste Zeit einfach nur dastand.«

»Mit Elvis.« Ich war erstaunt, dass Mitzi mir nie zuvor davon erzählt hatte.

»Es gab nichts an ihm, was er nicht in die unterschiedlichsten Richtungen schlenkerte. Ich hatte keinerlei Idee, was ich tun sollte.«

»Es einfach genießen.«

»Jetzt würde ich das.«

»Barmherziger Himmel, Mitzi. Du hast mit Elvis einen Boogie getanzt und nie ein Wort darüber verloren?«

»Scheint so. Aber damals war er einfach nur ein Junge. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass er heute in den Sechzigern wäre wie wir.«

»Wie war er denn?«

»Ich weiß nicht. Wir gingen auf die Tanzfläche, er tanzte wie wild, und das war es. Um die Wahrheit zu sagen – ich hatte das Gefühl, dass irgendwas mit ihm nicht stimmte, so wie er die Knie verbog. Aber er schien nett zu sein.«

»Deine fünfzehn Minuten, Mitzi.«

»Eher vier lange.«

»Ich bin eifersüchtig.«

»Ich bin auf mich selbst eifersüchtig, wenn ich daran denke. Da war ich und tanzte mit Elvis. Ich weiß noch, dass ich den Namen seltsam fand und mir wünschte, dass er nicht so herumzucken würde.«

»Erstaunlich.«

»Mary Alice hätte er mal in die Finger bekommen sollen.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Der Gedanke übersteigt mein Vorstellungsvermögen. Dann wäre er wahrscheinlich nicht so berühmt geworden. Sie hätte ihm sein Herumgewackel ausgetrieben.«

»Möglich.«

»Ihr kommt also alle heute Abend. Das wird deine Erinnerungen auffrischen.«

»Sie sind frisch.«

Wir lächelten uns an und spazierten eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann blickte Mitzi hoch zum Red Mountain und sagte: »Weißt du, Patricia Anne, an einem sonnigen Tag wie diesem würden wir den nackten Hintern voll genießen. Es kommt einem so befremdlich vor, dass Vulcanus nicht dort oben steht.«

»Wir werden dieses dicke blanke Hinterteil zurückbekommen.«

Wir bogen um die Ecke und steuerten heimwärts. Unser Viertel ist der erste Vorort »hinter dem Berg«, erbaut zu einer Zeit, als das Wort »Vorort« womöglich noch gar nicht erfunden war. Angesichts der Schlafstädte, die sich mittlerweile bis in angrenzende Landkreise ausdehnen, und stundenlanger Pendelzeiten schätzen wir uns glücklich. Unsere Häuser haben Eingangsveranden, Maschendrahtzäune, Gehwege. Und wir sind nur zehn Minuten von allem entfernt, selbst von der Innenstadt. Okay, es ist nicht besonders schick bei uns, aber wir mögen es. Und die Häuser haben selten ein »Zu verkaufen«-Schild vor der Tür stehen. Sie werden per Mundpropaganda weiterveräußert, noch bevor die Immobilienmakler Gelegenheit haben, sie in ihren Listen zu erfassen. Mitzi und Arthur haben unlängst eine große Summe Geldes geerbt, aber nicht einen Gedanken daran verschwendet, wegzuziehen. Sie haben vielmehr einen Wintergarten angebaut.

»Komm auf einen Kaffee rein«, sagte ich.

»Ich kann nicht. Ich muss babysitten. Bridget bringt mir gleich das Kleine.«

»Hartes Stück Arbeit.«

Wir grinsten einander an.

»Warum haben sie mit dem Kinderkriegen gewartet, bis wir über sechzig waren?«

»Nun, Alan und Lisa hatten ihre Jungs früher, aber da habe ich unterrichtet, und sie waren in Atlanta. Glaub mir, Joanna Nachman wird ein verzogenes Baby werden.«

Wir hatten vor meiner Auffahrt haltgemacht. Mitzi drückte mich kurz. »Ich freue mich so sehr für euch alle.«

»Ich mich auch. Lass es mich wissen, falls ihr heute Abend mit uns mitfahren wollt.«

»Wenn ich Arthur dazu kriege, seinen Hintern zu bewegen.« Sie winkte mir kurz zu und ging zu ihrem Haus.

Ich machte Woofers Leine los, gab ihm ein paar Hundekuchen, die ich in der Tasche hatte, und ging in die Küche, wo Muffin auf dem Tisch hockte. Ich nahm sie hoch, drückte sie und sagte ihr, dass sie auf dem Küchentisch nichts zu suchen hätte. Sie roch nach sauberer, gesunder, possierlicher Katze. Wie konnte ich sie Haley je wieder zurückgeben? Und wie kam es, dass ich mich so in diese Katze verliebt hatte? Ich war doch ein Hundemensch. Mary Alice war die Katzenliebhaberin. Ihr Kater Bubba schlief auf einem Heizkissen auf ihrem Küchentresen, was ich immer schon schrecklich gefunden hatte. Zugegeben, er war alt. Aber auf dem Küchentresen? Und er bewegte sich nie. Schon öfter hatte ich den Verdacht, er sei tot, und nur die Hitze habe die Todesstarre verhindert. Einmal hatte ich zur Überprüfung seine Pfote hochgenommen und wieder fallen lassen. Bubba hatte die Augen geöffnet, breit gegähnt und war wieder in den Schlaf gesunken. Jetzt hoffte ich, dass Muffin nicht beschloss, auf dem Küchentresen schlafen zu wollen. Ich setzte mich in meinen Sessel und drückte das laut schnurrende Tier an mich.

Der Schlaf übermannte mich. Hatte ich soeben noch mit Muffin im Arm dagesessen, klingelte im nächsten Moment schon das Telefon. Es war kalt, und der Morgen hatte eine Stunde weniger.

»Ihr Name ist Tammy Sue«, sagte Schwesterherz, als ich abnahm.

»Wessen Name?« Ich war noch mehr als halb verschlafen.

»Der von Virgils Tochter. Ist alles in Ordnung mit dir? Du klingst so schlapp.«

»Ich fühle mich auch schlapp. Ich habe geschlafen. Warte eine Minute.« Ich holte mir ein Glas Wasser und kam zurück zum Telefon. »Okay.«

»Also, ihr Name ist Tammy Sue, sie ist dreißig Jahre alt, und ihr Mann ist ein Elvis-Imitator.«

»Ich dachte, der Elvis-Imitator sei ihr Bruder.«

»Das ist er auch. Offenkundig gibt es im St. Cloud County ein ganzes Nest davon.«

Ich dachte an diese ländliche Gegend: hügelige Landschaften, kleine Städtchen, Rinderfarmen. Ein Nest von Elvis-Imitatoren?

»Wie kam es dazu?«

»Wie kam es wozu?«

»Wie wurde aus St. Cloud County ein Nest von Elvis-Imitatoren?«

»Guter Gott, Maus, wie soll ich das wissen? Ich bin keine Historikerin oder Anthropologin. Virgil hat mir einfach gesagt, dass es einen ganzen Haufen davon hier oben gibt. Vielleicht ist es ja ein Club oder so was.«

»Wie Rotary?«

»Schon möglich.«

Das glaubte sie doch selbst nicht.

»Jedenfalls«, fuhr sie fort, »wird Tammy Sue heute Abend bei uns sitzen, weil ihr Mann mit auf der Bühne steht. Und danach gehen wir alle zusammen essen. Okay?«

»Fred kann um zehn Uhr Abend nichts mehr essen wegen seines Sodbrennens. Er liegt sonst wieder die ganze Nacht mit Schmerzen wach und vermittelt mir den Eindruck, dass er jeden Moment eine Herzattacke bekommt.«

»Nun, er kann doch ein Stück Pastete oder so essen.«

»Das bringt auch nichts. Du hast ihn noch nie erlebt, wenn er einen dieser Anfälle hat.«

»Wofür ich unendlich dankbar bin. Aber es ist eine große Sache, Tammy Fay und ihren Mann kennenzulernen. Und wir wollen ihnen heute Abend erzählen, dass wir heiraten. Ihr kommt alle mit. Fred muss ja nichts essen.«

»Hast du nicht vorhin gesagt, ihr Name sei Tammy Sue?«

»Das ist auch so.«

»Jetzt hast du sie gerade Tammy Fay genannt.«

»Ich bin mir sicher, sie hört auf beides.«

»Pass auf: Wenn du ihr von dem sonnenblumengelben Brautjungfernkleid erzählst, solltest du sie besser Tammy Sue nennen. Okay?«

»In Ordnung. Warum?«

»Weil das ihr Name ist.«

»Und du bist unverschämt. Aber wir treffen uns vor dem Alabama um Viertel vor acht.«

Als ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich ihr gar nicht erzählt hatte, dass Mitzi mit Elvis einen Boogie getanzt hatte. Sie würde bestimmt ganz aus dem Häuschen sein.