26. Kapitel

Und: Woher kennst du Klaus?«

Heike zuckte mit den Schultern, während sie wieder zum Käfer gingen.

Stefan hatte Klaus versprochen, ihm die Einstelllampe spätestens in zwei Tagen zurückzubringen.

Heike war sich völlig unsicher: »Keine Ahnung. Es ist fast wie ein Déjâ-vu-Erlebnis. Man kennt jemanden, fühlt sich zu ihm hingezogen, und weiß nicht, warum.« Sie schnaubte.

Jetzt musste Stefan doch lachen. »Hingezogen? Zu einem Bär wie Klaus? Heike, du wirst mir unheimlich.« Theatralisch fühlte er an ihrer Stirn nach Fieber.          

»Du bist ein Idiot, Stefan Seiler«, stellte sie fest und ergriff seine Hand, um sie an ihre Wange zu ziehen. Sie blickte ihm tief in die Augen. Stefan legte den Arm um ihre Taille, zog sie näher zu sich heran, strich ihr liebevoll eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. So nahe waren sie sich schon lange nicht mehr gewesen. Stefan atmete ihr Parfüm ein, fühlte ihre Wärme, genoss ihre Nähe. Sein Herz schlug schneller, in seinem Bauch kribbelte etwas. Er beugte sich tief zu ihr herab, und als sich ihre Lippen berührten, glaubte Stefan, winzige, angenehme Stromschläge zu spüren. Zärtlich strichen Heikes Hände über seinen Rücken, als sie sich im nächsten Augenblick unerwartet plötzlich von ihm löste.

»Er fährt einen Käfer?«, fragte sie unvermittelt.

»Ja«, seufzte Stefan. »Aber spielt das jetzt eine Rolle?«

»Sicher.« Heike trat einen halben Schritt zurück und stemmte trotzig die Hände in die Hüften. »Und ob das eine Rolle spielt. Jetzt weiß ich nämlich, wo ich diesen Klaus schon mal gesehen habe.«

»Und: Darf man erfahren, wo?« Bezeichnend rollte Stefan mit den Augen, ergriff ihre Hand und marschierte weiter zum Wagen. In der Bremer Straße war Parkraum wegen des benachbarten Krankenhauses knapp bemessen, und entsprechend weit mussten sie laufen.

»Ich habe ihn am Loh getroffen, unmittelbar nachdem dort das Feuer ausgebrochen war«, murmelte Heike.

»Bitte?« Stefan blieb wie angewurzelt stehen. »Beim Brand der Schwebebahnstation? Bist du ganz sicher?«

Das Puzzle war komplett.

»Natürlich. Jetzt weiß ich es ganz genau. Um ein Haar hätte er mich mit seinem Käfer über den Haufen gefahren. Ich hatte erst gedacht, du seiest nachgekommen, um dir die Rosinen aus dem Kuchen zu picken und hatte schon eine Schimpfkanonade parat. Dann sah ich, dass es sich bei dem Fahrer um einen bärtigen Hünen mit Lederjacke und langen Haaren handelte. Er gab an, die Straße benutzen zu müssen, da er dringend zur Arbeit müsse. Außerdem interessierte er sich auffallend für das Feuer in der Haltestelle.«

»Das ist ein Hammer.« Stefan scharrte mit dem Fuß im Staub der Straße, kickte gedankenverloren winzige Steine mit den Schuhspitzen durch die Luft. Schweigend zog er den Zettel hervor, den er auf der alten Adler getippt hatte. Inzwischen hatten sie den Wagen erreicht. Stefan breitete das DIN A 4-Blatt auf dem buckligen Dach des Wagens aus und strich es eilig glatt.

Heike trat neben Stefan, blickte erst ihn fragend an, dann studierte sie den Inhalt des Blattes mit den Einstelldaten. Heike tippte auf die maschinegeschriebenen Buchstaben und Zahlen. »Sieh nur, das miese Schriftbild. Das E ist total zugesetzt, und hier ... das H springt völlig aus dem Rahmen der Zeilen. Kommt dir das bekannt vor?«

»Das Erpresserschreiben«, nickte Stefan. Logisch -Tabbert hatte ihm ja ausschweifend von Klaus Langes finanzieller Situation berichtet. Er sei hoch verschuldet, trank oft und viel, musste Scheidung und Kind bezahlen und unterhielt dennoch einen alten Käfer, der gepflegt und gewartet werden musste. Ein Mann wie Klaus Lange benötigte ständig Geld.

Viel Geld.

Sehr viel Geld.

Blieb der Vorwurf der Sabotage. Wenn jemand einen Schwebebahnzug manipulieren konnte, dann ging das dort am leichtesten, wo die Züge aufbewahrt wurden, wenn sie nicht auf Strecke waren: in den Wagenhallen. Ihr Kandidat hatte zu diesen Einrichtungen jederzeit Zugang, ganz offiziell sogar. Immerhin arbeitete er bei der Schwebebahn. Klaus saß gewissermaßen an der Quelle ...

»Stefan«, krächzte Heike heiser vor Aufregung nun und ergriff seine Hand. »Wir haben ihn.«