Als Stefan erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Durch die Lamellen der herabgelassenen Jalousie drang das Licht in den Raum und überzog das Mobiliar mit breiten, hellen Streifen. Verschlafen räkelte er sich auf dem überbreiten Futon in der kleinen Junggesellenbude in der Elberfelder Marienstraße, als der Radiowecker ansprang. Gähnend blinzelte er auf die roten Ziffern. Halb zehn. Zu jeder halben Stunde gab es Lokalnachrichten, und es war selbstverständlich, dass er auch privat Wupperwelle hörte. Wenn Stefan sich recht entsann, dann hatte Manfred Jordan heute Nachrichtendienst. Im nächsten Augenblick vernahm er die bekannte Stimme des Kollegen im Radiowecker.
»Es ist neun Uhr dreißig.« Das Nachrichtenjingle ertönte. »Ich bin Manfred Jordan, Sie hören Lokal im Tal, guten Morgen.«
Stefan streckte sich wohlig. »Guten Morgan, Kollege Jordan«, reimte er und richtete sich im Bett auf. Dann blickte er über seine Schulter.
Heike schlummerte tief und fest. Im Schlaf wirkte ihr hübsches, ebenes Gesicht wie das Antlitz eines Engels, zugleich aber auch sehr verletzlich. Nachdem sie noch in der Nacht ihren Beitrag im Studio gesprochen hatte, war sie mit zu ihm gekommen. Die Reporterin hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie daheim einen Besuch von Gembowskys Männern befürchtete. Jener war unberechenbar und ein denkbar schlechter Verlierer, also ein gefährlicher Gegner für Heike.
»Vielleicht hätte ich ihn freundlicher behandeln sollen«, hatte sie eingeräumt. »Er ist ja für seine rauen Methoden stadtbekannt, und einem Klaus Gembowsky erteilt man nicht ungestraft eine Absage.«
Also hatte er sie mit zu sich genommen, wo sie zunächst auf der Couch im Wohnzimmer schlief. Nachdem sie dann aber wie ein Schneider gefroren hatte, war sie zitternd und bibbernd in sein Bett gekrochen, wo er sie nur allzu gern gewärmt hatte. Zu mehr waren sie einfach zu müde gewesen und so blieb ihre Freundschaft nach wie vor platonisch. Sollten die Kollegen in der Redaktion doch denken, was sie wollten ...
Als Stefan jetzt barfuß hinüber ins Wohnzimmer tappte, stellte er fest, warum Heike in der Nacht so gefroren hatte: Das große Fenster im Erker stand offen. Mit einem müden Grinsen auf den Lippen verschwand er im Bad, um zu duschen. Während die heißen Wasserstrahlen auf seinen Körper herabprasselten, überlegte er, wie es weitergehen solle. Er hatte Spätschicht und wollte an seinem Käfer den längst fälligen Ölwechsel erledigen. Doch wie es aussah, musste Clemens mal wieder zurückstecken. Der dreißig Jahre alte Kugelporsche war seine Leidenschaft. In der knappen Freizeit schraubte er an dem von ihm selbst frisierten Käfer. Mit Werkstätten hatte er herzlich wenig am Hut - schließlich hatte er irgendwann einmal eine Ausbildung als Kraftfahrzeugmechaniker absolviert, bevor er sich auf den Journalismus stürzte. Nun, es war mal wieder wie so oft: Im Tal war etwas geschehen, es hatte einen Toten in der Schwebebahn gegeben, und das war nicht das einzige Problem, denn Heike musste fürchten, Besuch von Gembowsky und seinen Leuten zu bekommen. Es gab jetzt einen rachsüchtigen Nachtclubbesitzer, vor dem Heike sich in Acht nehmen musste, und es gab einen Toten, der nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als in der weltberühmten Schwebebahn zu sterben. Warum hatte keiner der anderen Fahrgäste bemerkt, dass es dem Immobilienhai Rolf Spielberg an den Kragen ging? Wenn man ihn umgebracht hatte, musste es einen Täter geben. Vermutlich einen Profi, der sein Handwerk routiniert genug beherrschte, um in einer Menschenmenge unbemerkt einen Mann zu töten.
Rasch drehte Stefan das Wasser der Dusche ab und frottierte sich trocken. Auf die Rasur verzichtete er heute. Es gab viel zu tun, also begnügte er sich mit Zähneputzen. Obwohl er auch heute wieder Spätschicht hatte, wollte er noch am Vormittag in der Redaktion vorbeischauen und sehen, ob es eventuell schon Neuigkeiten gab. Möglicherweise würde er sich mit der Pressestelle des Polizeipräsidiums in Verbindung setzen - aus Kommissar Verdammt würde Stefan nichts herausbekommen, der war in der Stadt als äußerst medienscheu bekannt. Auch aus diesem Grunde war es ihm ein Rätsel, dass Heike am gestrigen Abend die Erste gewesen war, die Informationen aus erster Hand von Norbert Ulbricht erhalten hatte. Vermutlich hoffte er, durch eine Zusammenarbeit mit der Wupperwelle Zeugen des Vorfalls zu finden.
Unbekleidet betrat er das Schlafzimmer und hätte beinahe vergessen, dass dort eine werte Kollegin schlummerte. Obwohl noch immer leise Musik aus dem Radiowecker dudelte, war sie nicht aufgewacht.
»Sie schläft wie ein Murmeltier«, stellte Stefan lächelnd fest und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Dann beugte er sich zu Heike hinab, die auf der Seite lag. Ihr Körper hob und senkte sich unter den gleichmäßigen Atembewegungen. Sanft strich Stefan ihr über den Arm und ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Heike - aufstehen«, flüsterte er leise.
Sie schüttelte verschlafen den Kopf. »Ich will nicht.«
»Du musst aber. Oder soll es im Radio still werden, weil du nicht aus den Federn kommst?«
Sie gähnte herzhaft und räkelte sich. Dann erst blinzelte sie verschlafen zu Stefan hoch. »Wie spät ist es?«
Er machte eine ernste Miene. »Fast halb zwei.«
In der nächsten Sekunde war Heike hellwach. Sie sprang im Bett auf, stieß die Bettdecke fort und machte Anstalten, sich zu erheben. Energisch stieß sie Stefan zur Seite und stürmte an ihm vorbei aus dem zerwühlten Futon. »Waas?«, rief sie putzmunter. »Warum hast du mich nicht geweckt?« Sie trat an das hohe Fenster und blickte auf die Straße herab. »Ich muss in die Redaktion.«
»Reg dich ab, Heike«, beruhigte er sie lächelnd und trat hinter sie. »Es ist kurz vor zehn.«
Sie fuhr herum und funkelte ihn aus ihren großen, blauen Augen an. »Wie bitte?« Energisch stemmte sie die Hände in die Hüften.
»Kurz vor zehn.« Stefan reckte den Arm in die Höhe und zeigte ihr das Zifferblatt seiner Uhr.
»Du Schuft, du kleiner, elender, mieser Schuft«, rief sie und trommelte ihm mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung in die Magengegend. Lachend schloss Stefan sie in seine Arme.
»Komm schon, es gibt viel zu tun.«
Stimmt«, sagte sie. »Du wolltest einen Ölwechsel an deinem Clemens machen, und da bin ich als weibliches Geschöpf nur hinderlich.«
»Der Ölwechsel ist gestorben«, erwiderte der Kollege.
»Warum?«
»Nun, immerhin warst du es, die mich gestern um persönlichen Geleitschutz gebeten hat. Wer sagt denn, dass dieser Schutz mit dem heutigen Tage beendet ist?«
»Dass Männer immer die Beschützer spielen müssen«, maulte sie und löste sich aus der Umarmung. Leichten Fußes verschwand sie in Richtung Badezimmer.
Bewusst hatte Stefan nicht erwähnt, dass er Heike bei ihren Recherchen nach dem Toten in der Schwebebahn unterstützen wollte. Sicherlich hätte sie abwehrend reagiert und behauptet, alleine klarzukommen. Und das nur, weil sie eine schrecklich ehrgeizige Journalistin war und sie es gewesen war, die die Story angegraben hatte. Natürlich wollte sie sie auch alleine beenden. Wie immer. Der Morgen war aber viel zu schön, um zu streiten. Sie würde schon früh genug bemerken, dass er sich ihrer annahm.
Frauen konnten unberechenbar sein.
*
In der Redaktion herrschte die übliche Hektik. Mitarbeiter wirbelten zwischen den Schreibtischen umher, Telefone klingelten und PC-Tastaturen klapperten monoton, unterbrochen nur vom Stimmengewirr der Redakteure. Seite an Seite betraten Heike und Stefan das vom Sonnenlicht durchflutete Großraumbüro.
»Da seid ihr ja endlich«, ertönte eine Stimme vom Chefbüro aus. Stefan und Heike tauschten einen viel sagenden Blick und zuckten mit den Schultern. Der Chef winkte sie heran.
»Bevor ich einen Anschiss kriege: Darf ich darauf aufmerksam machen, dass ich eigentlich noch gar nicht da bin?«, erinnerte Stefan Michael Eckhardt, der aus seinem Büro gestürmt kam, als sie auf der Bildfläche aufgetaucht waren.
Dieser musterte ihn sichtlich verwirrt und nickte schließlich: »Was treiben Sie dann schon hier?« Eckhardt war unverbesserlich. Ein Vollblutjournalist, der seine eigene Meinung vom Radiomachen hatte; ein sturer Idealist, doch ein korrekter und fairer Chef, der von allen Mitarbeitern des Senders respektiert wurde. Wie immer standen seine dunklen Haare zu Berge, so, als hätte er sich bis soeben die Haare gerauft, weil er die neuesten Einschaltquoten auf dem Schreibtisch liegen hatte. Die modische Krawatte hing wie üblich auf halb acht, während er die obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet hatte. Alles schien, als stünde Eckhardt mal wieder unter Stress. Entsprechend schlecht war seine Laune. Jetzt blickte er erst Stefan an, dann blieb sein Blick an Heike haften.
Michael Eckhardt war Anfang vierzig und eigentlich gut aussehend. Nur mit Frauen wusste er nichts anzufangen obwohl sie ihn faszinierten, waren sie ihm ein Rätsel. Dennoch nickte er verstehend, als er die beiden sah.
»Ah, ja«, machte er gedehnt. »Ich verstehe.«
Das wagte Stefan zu bezweifeln, sprach es aber nicht aus.
Der Chef blickte Heike an. »Was ist mit der Gembowsky-Story?«
»Ich bleibe dran, habe auch schon ein kurzes Interview.«
»Gut.« Eckhardt nickte und zog die beiden in sein Büro. Er schloss die Tür. Die Geräusche aus dem angrenzenden Großraumbüro drangen nur noch gedämpft an ihre Ohren. Höflich rückte er ihnen zwei lederbezogene Schwingstühle vor seinem Schreibtisch zurecht, dann umrundete er diesen und ließ sich nachdenklich auf den Chefsessel sinken. Er bot Kaffee an und beschwerte sich im nächsten Atemzug über den schlechtesten Kaffee seit Generationen, den ihm die Sekretärin jeden Morgen vorsetze. Schweigen breitete sich aus, und Stefan und Heike sahen förmlich, wie es hinter der hohen Stirn arbeitete. Eckhardt ließ sie keine Sekunde aus den Augen, als er die Fingerspitzen beider Hände aneinander legte und sich weit zurücklehnte.
»Hier ist der Teufel los«, eröffnete er nach einer kleinen Ewigkeit das Gespräch.
Stefan Seiler grinste breit und ahmte Tom Gerhardt nach. »Voll normaal.« Nur die Pudelmütze des Komikers fehlte.
Eckhardt überhörte seine ironische Spitze und wandte sich an Heike. »Die Sache mit dem Toten in der Schwebebahn war ein echter Knüller.«
Sie nickte und schwieg.
»Allerdings sind wir durch diese Exklusivstory auch in das öffentliche Interesse gerückt. Die Kollegen von der schreibenden Zunft sind schon neidisch.«
»Ist das ein Nachteil?« Sie lächelte charmant und schlug die Beine übereinander. »Hat Grimm etwas im Talexpress gebracht?«
»Einige Zeilen, die eigentlich nur Luft enthalten. Allerdings war er dumm genug, sich als schlechter Verlierer zu outen: Er erwähnte, dass das Radio mal wieder von den öffentlichen Stellen bevorzugt behandelt werde.«
»Ist das schlecht für unser Image?«, konterte Heike feixend und warf Stefan einen viel sagenden Blick zu.
»Natürlich nicht.« Eckhardt machte eine beschwichtigende Geste und wandte sich Stefan zu.
»Herr Seiler, ich gehe davon aus, dass Sie schon wissen, was Frau Göbel am gestrigen Abend erlebt hat.«
»Ich war noch in der Redaktion, als sie hereinkam und einen Beitrag vorbereitete.« Das war nicht einmal gelogen.
»Schön.« Eckhard beugte sich weit über die Schreibtischplatte. »Das macht Sie zum Mitwisser.«
»Zum Mitwisser?« Er stutzte. »Aber worum ...«
»Nun«, unterbrach ihn der dunkelhaarige Chef der Wupperwelle. »Am Morgen befand sich ein unfrankierter Brief in der Post, der im Zusammenhang mit dem Toten in der Bahn steht.«
»Ach.« Heikes Neugier erwachte. Sie schürzte die Lippen und beobachtete, wie Eckardt eine Schreibtischschublade öffnete und nach dem entsprechenden Schrieb zu suchen schien. Im nächsten Augenblick schlug das Telefon an. Er ergriff den Hörer, murmelte ein kurzes »Jetzt nicht« und legte wieder auf.
Was immer in der Nacht noch geschehen war, es schien tatsächlich wichtig zu sein.
Dann erhellte sich Michael Eckhardts Miene. Er wedelte mit einem maschinegeschriebenen DIN A 4-Blatt in der Luft herum. »Streng geheim«, murmelte er und reichte es seinen Mitarbeitern. Stefan beugte sich weit zu Heike hinüber und versuchte, den Inhalt zu entziffern. Heikes Augen wurden groß wie Untertassen, als sie den Text überflog.
An das Team der Wupperwelle
Wenn Sie verhindern wollen, dass sich in der nächsten Zeit mehrere tragische Unfälle im Schwebebahnbetrieb ereignen, dann sollten Sie unser Anliegen ernst nehmen. Sehr ernst.
Spielberg hatte nichts anderes als den Tod verdient. Betrachten Sie seinen Tod als Warnsignal. Er war Abschaum, gerade gut genug, um noch als schlechtes Beispiel zu dienen. Wenn Sie die Sicherheit der berühmten Wuppertaler Schwebebahn nicht unnötig gefährden wollen, dann sorgen Sie dafür, dass Sie innerhalb der nächsten zwei Tage fünfhunderttausend Euro auftreiben. Wie wir an das Geld gelangen werden, erfahren Sie rechtzeitig telefonisch.
Gezeichnet: Bewegung 12. April
»Das ist unglaublich«, entfuhr es Heike, als sie den Brief an Eckhardt zurückreichte. Der Name der Unterzeichner stellte einen Zusammenhang zum tragischsten Schwebebahnunglück aller Zeiten her! Am 12. April 1999 war die Schwebebahn abgestürzt - hatten sie jetzt weitere Schicksalsschläge zu erwarten?
Der Chefredakteur nestelte an seiner Krawatte herum und nickte. »Allerdings.«
»Sie glauben also an den direkten Zusammenhang mit dem ermordeten Rolf Spielberg?«, fragte Stefan und verschränkte die Arme vor der Brust.
Michael Eckhardt zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise handelt es sich nur um einen Trittbrettfahrer, dem der Tod Spielbergs sehr gelegen kam, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, ohne sich selber die Finger schmutzig zu machen.«
»Wer sagt denn, dass es definitiv ein Mord war?, mischte sich Stefan ein. Er musterte erst den Chef, dann Heike. Eckhardt zuckte die Schultern und warf Heike den Ball zu.
»Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen«, meinte diese. »Wenn man den Erpresser stellt, wird die Polizei ihn gleichzeitig mit dem Mord in Verbindung bringen.«
»Es sei denn«, überlegte Stefan, »es sei denn, man überführt den Mörder, bevor man den Erpresser stellt.«
»Die Chancen stehen denkbar schlecht«, erwiderte Eckhardt kopfschüttelnd und sprang auf. Er wanderte durch das modern eingerichtete Büro und trat an das große Fenster. Scheinbar gedankenverloren starrte er auf die B 7 herab. Weiter hinten schimmerte das lindgrüne Stahlgerüst der Schwebebahn im Licht der Sonne. Soeben setzte einer der zahlreichen Fischreiher zum Landeanflug auf eine Stütze an. Der stolze Vogel hatte in Wuppertal Einzug gehalten, nachdem der Fischbestand in der Wupper wieder angestiegen und die Nahrung für die Reiher gesichert war. Als ein Schwebebahnzug heranrollte, erhob sich der weißgraue Vogel mit ausladenden Flügelschlägen in die Luft.
Sie hatten Eckhardt beobachtet und ahnten, was in ihm vorging. »Wissen die Fahrgäste, dass die Bahn erpresst wird?«, fragte Heike.
Eckhardt fuhr herum. »Natürlich nicht. Und so soll es auch bleiben, um eine Massenhysterie zu vermeiden. Noch ist niemand in Gefahr, und die Ermittlungen der Polizei laufen auf Hochtouren.«
»Ist das nicht unverantwortlich?«, fragte Stefan. »Man sollte den Bahnbetrieb vorübergehend einstellen.«
Eckhardt musterte ihn lange. »Damit hätte der Erpresser das erreicht, was er will: Die Stadtwerke als Betreibergesellschaft der Bahn in die Knie zu zwingen, um die Eintreibung des Lösegeldes möglichst schnell durchzuboxen.«
»Aber das Leben der Menschen, die tagtäglich mit der Schwebebahn fahren...«
»... ist definitiv nicht in Gefahr«, nahm der Chefredakteur ihm den Wind aus den Segeln. »Natürlich habe ich sofort Kontakt mit der Polizei aufgenommen.« Ein Lächeln huschte um seine Lippen, bevor er fortfuhr. »Wie Sie wissen, verbindet mich eine langjährige Freundschaft mit dem Polizeisprecher Jürgen Küppers. Er hat dafür Sorge getragen, dass eine Großfahndung nach dem beziehungsweise den Erpressern eingeleitet wurde. Um Sie zu beruhigen, Frau Göbel: Seit heute Morgen neun Uhr begleitet mindestens ein in Zivil gekleideter Polizeibeamte jede Bahn. Sollte etwas Außergewöhnliches vorfallen, wird sofort Verstärkung angefordert, um den oder die Täter festzusetzen. Niemand wird so leichtsinnig sein und sich in die sprichwörtliche Höhle des Löwen begeben.«
»Wie soll man da erfahren, wer hinter der Erpressung steckt?«, warf Stefan ein.
»Das ist Sache der Polizei«, wich der Chef der Wupperwelle aus. »Übrigens möchte ich nicht, dass etwas von der Erpressung durchsickert. Absolutes Stillschweigen setze ich voraus. Sie beide«, er deutete erst auf Heike, dann auf Stefan, »Sie sind ab sofort zu Geheimnisträgern für den Sender geworden.«
Er marschierte zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den Sessel sinken. »Dass vorläufig eine strikte Nachrichtensperre besteht, muss ich wohl nicht gesondert erwähnen.«
Stefan Seiler tauschte einen raschen Blick mit Heike, welche mit den Augen rollte. »Klar, was auch sonst. Aber im Hintergrund werden wir wohl ermitteln dürfen?«, wagte sie einen zaghaften Versuch, sich die Story nicht gänzlich entreißen zu lassen.
»Natürlich werden wir die Ersten sein, die nach Klärung des Falles über die Geschichte berichten, aber bis dahin ...« Eckhardt schüttelte den Kopf. »Niente. Das Einzige, was ich anbieten kann, wäre, den Fall des ermordeten Spielberg weiter zu verfolgen. Von mir aus können Sie das übernehmen, Herr Seiler.«
Das war's also. Um ein Haar hätte er einen wilden Fluch ausgestoßen, und auch Heike stand kurz vor einem Vulkanausbruch. Ihr nettes Gesicht hatte eine puterrote Färbung angenommen, kein gutes Zeichen ...