Kapitel 33

Paris

 

Nach der langen, anstrengenden Fahrt von Rom nach Paris war Franco Bozza nicht in der Stimmung für Nettigkeiten. Er lenkte den schwarzen Porsche 911 Turbo durch den Verkehr der Pariser Vororte in Richtung Créteil. Bald hatte er sein Ziel gefunden, eine heruntergekommene Industriebrache am Stadtrand.

Der stillgelegte Verpackungsbetrieb stand ein wenig abseits der Straße hinter einem rostigen Gittertor, das mit einem Schloss an einer Kette gesichert war. Unkraut wuchs in den Ritzen und Rissen des Betonbodens im Vorhof. Bozza stieg aus – den Motor des Porsche ließ er laufen – und ging zum Tor. Das Vorhängeschloss war nagelneu und glänzte. Er zog den Schlüssel aus der Tasche und sperrte es auf. Dann warf er einen Blick nach rechts und links, um sich zu überzeugen, dass er nicht beobachtet wurde, und stieß den rechten Torflügel weit auf. Rostige Beschläge quietschten in den Angeln. Bozza fuhr anschließend den Porsche auf den Hof und verschloss das Tor hinter sich. Die Straße lag verlassen. Bozza stieg wieder in den Wagen und parkte außer Sicht auf der Rückseite des heruntergekommenen Gebäudes. Er betrat das Innere durch eine Hintertür, von der er wusste, dass sie für ihn offen gelassen worden war.

 

Das Auftauchen der großen, muskulösen und schweigsamen Gestalt in dem langen schwarzen Mantel ließ die drei Männer fröstelnd erschauern, die den bewusstlosen Gaston Clément bewacht hatten. Naudon, Godard und Berger kannten den Ruf des Inquisitors nur zu gut und bemühten sich nach Kräften, ihm nicht zu nahe zu kommen. Sie wagten kaum, den Mann anzusehen, als er nun die schwarze Tasche öffnete, die er bei sich trug, und die glänzende Sammlung von Instrumenten auf einem Rollwagen vor sich ausbreitete. Einige der Instrumente waren chirurgischer Natur, beispielsweise die Skalpelle und die Säge. Den grausigen Zweck anderer Werkzeuge wie Bolzenschneider, Klauenhammer oder Lötlampe konnten sie nur erraten.

Im Zentrum der weiten, leeren Halle hing der alte Alchemist Gaston Clément nackt und mit dem Kopf nach unten an einer Kette, die um einen Träger geschlungen war. Er rührte sich nicht. Der letzte Gegenstand, den Bozza aus der Tasche nahm, war ein schwerer Kunststoffoverall, den er sich bedächtig überstreifte. Dann zog er Handschuhe an und strich mit dem Zeigefinger wählerisch über seine Sammlung von Instrumenten, während er überlegte, womit er anfangen sollte. Sein Gesicht war ausdruckslos und leer. Er nahm eine lange, spitze Sonde und betrachtete sie nachdenklich, während er sie zwischen den Fingern drehte. Schließlich nickte er.

Das Verhör begann. Heisere, geflüsterte Fragen, gefolgt von Schreien.

Etwas mehr als eine Stunde später waren die Schreie des alten Mannes einem konstanten, undeutlichen Wimmern gewichen. Unter ihm breitete sich eine Blutlache aus, und Bozzas Plastikoverall sowie die Werkzeuge auf dem Rollwagen waren dick mit Blut besudelt.

Es war reine Zeitverschwendung gewesen. Der alte Mann war krank und gebrechlich, und Bozza sah an den Schwellungen und den blutverkrusteten Platzwunden in seinem Gesicht, dass seine Häscher ihn zu einem nutzlosen Stück Fleisch geprügelt hatten, noch bevor er eingetroffen war. Jetzt war sein geschundener Leib in einen totalen Schock gefallen. Der Inquisitor wusste, dass es keinen Sinn mehr machte, die Leiden des Alten zu verlängern. Es gab nichts mehr von ihm zu erfahren. Bozza ging zum Wagen und öffnete den Reißverschluss eines kleinen Beutels. Die Spritze darin enthielt eine gewaltige Dosis der gleichen Substanz, die Tierärzte benutzten, um Hunde einzuschläfern. Er kehrte zu dem Gefangenen zurück und rammte ihm die Nadel in den Hals.

Als es vorbei war, drehte Bozza sich um und sah die drei Männer kalt an. Ihre Nervosität angesichts seiner Gegenwart hatte sich verflüchtigt. Sie standen in einer Ecke der Halle, rauchten, machten dumme Witze und lachten.

Er lächelte. Sie würden nicht mehr lange lachen. Was sie nicht wussten: Informationen aus Clément herauszuholen war nicht der einzige Grund, aus dem der Erzbischof ihn hierher gesandt hatte. Seine Befehle, die «Sauerei zu beseitigen», gingen sehr viel weiter. Diese drei Amateure hatten einmal zu viel Mist gebaut. Die Tage, in denen Gladius Domini Gelegenheitsverbrecher anheuerte, um die Schmutzarbeit zu erledigen, näherten sich ihrem Ende.

Er winkte die drei zu sich. Godard, Naudon und Berger traten ihre Zigaretten aus, warfen sich letzte ernste Blicke zu und näherten sich dann dem Inquisitor. Ihre gute Laune war schlagartig verflogen, und die alte Nervosität kehrte zurück. Naudon versuchte ein schwaches Grinsen und schien etwas sagen zu wollen.

Sie waren keine zehn Meter mehr entfernt, als Bozza lässig die schallgedämpfte Beretta .380 zog und wortlos alle drei in rascher Folge niederschoss. Sie waren tot, bevor sie auf dem Boden aufschlugen. Eine ausgeworfene Patronenhülse rollte klimpernd über die Steinplatten. Bozza starrte ungerührt auf die Männer hinunter, während er den Schalldämpfer von der Beretta schraubte und die kleine Pistole in das Halfter zurückschob.

Vier Leichen waren zu beseitigen. Und diesmal würden keine Spuren zurückbleiben.

Das Fulcanelli-Komplott
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