A4/V2: der Schuss ins Weltall
Die erste Großrakete entstand in Deutschland
Ob man es nun will oder nicht: Es war die deutsche ballistische Kriegsrakete V2, die die Grenze zum Weltraum zuerst erreichte. Diese unter der Leitung von Wernher von Braun in den Jahren 1936–42 in Peenemünde auf der Halbinsel Usedom entwickelte Rakete hatte alles, was auch heutige Großraketen ausmacht. Nicht umsonst wird die A4/V2 die „Großmutter“ aller modernen Raketen genannt.
Eine Verlegenheitslösung
Die Grundlagen der Raketentechnik waren von dem Russen Konstantin Ziolkowski und dem Deutschen Hermann Oberth im frühen 20. Jh. gelegt worden. Während Ziolkowskis Arbeiten („Erforschung des Weltraums mittels Reaktionsapparaten“, 1903) relativ unbekannt blieben, fand Oberths Werk „Die Rakete zu den Planetenräumen“ (1923) weite Verbreitung und führte in Deutschland zu lebhaften Diskussionen. Sichtbarer Ausdruck war Fritz Langs Film „Frau im Mond“ (1929) sowie der Zusammenschluss junger Ingenieure im Verein für Raumschifffahrt (VfR), der auch erste Raketenexperimente durchführte. Viel weiter auf diesem Gebiet war aber der US-Amerikaner Robert H. Goddard, der 1926 mit dem Start einer flüssigkeitsgetriebenen Rakete eine Revolution einleitete.
In Deutschland interessierte sich ab 1932 auch die Reichswehr für den Raketenbau. Der Grund: Sie wollte aus der Not eine Tugend machen. Der Versailler Vertrag hatte die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur zu einer umfangreichen Abrüstung gezwungen, sondern ihnen auch die Entwicklung neuer weitreichender Waffen verboten. Von Raketen stand in diesem Vertrag aber nichts, und hier sahen die Militärs ihre Chance.
Peenemünde und Nordhausen
Generalmajor Dornberger bot den VfR-Mitgliedern großzügige Unterstützung an, allerdings um den Preis absoluter Geheimhaltung. Darauf wollten sich nur wenige einlassen. Diejenigen, die das wie Wernher von Braun taten, arbeiteten an der Entwicklung der ersten Großrakete unter der Bezeichnung A, ab 1933 zuerst in Kummersdorf bei Berlin, später in Peenemünde auf der Halbinsel Usedom, wo das modernste Raketenforschungszentrum der damaligen Zeit mit Laboratorien, Prüfständen und Startrampen errichtet wurde.
Das Ergebnis war das 14 m hohe Aggregat 4. Diese Rakete wurde erstmals im März 1942 getestet, aber erst am 3. Oktober 1942 gelang ein erfolgreicher Start. Bei diesem Testflug erreichte sie mit einer Spitzengeschwindigkeit von fast Mach 5 (4824km/h) eine Gipfelhöhe von 84,5km und drang als erste Rakete in den Weltraum vor. Adolf Hitler gab ihr daraufhin die höchste Dringlichkeitsstufe – von der NSPropaganda Vergeltungswaffe 2 (V2) getauft. Nach der Bombardierung Peenemündes durch die Royal Airforce im August 1943 wurde die Produktion in eine unterirdische Fabrik im Kohnstein bei Nordhausen verlegt, wo Tausende Zwangsarbeiter sie unter unmenschlichen Bedingungen fertigen mussten, was auch von Braun bekannt war. Nach offizieller Zählung in den SS-Akten kamen etwa 12000 Zwangsarbeiter ums Leben. Hinzu kommen noch etwa 8000 Opfer durch den Einsatz der Waffe.
Steckbrief A4/V2
Länge: |
14m |
Größter Durchmesser: |
1,7m |
Startmasse: |
12,8 t |
Leermasse: |
4,1 t |
Antrieb: |
Ethylalkohol und Sauerstoff |
Startschub: |
25 t |
Nutzlast: |
1 t Sprengstoff |
Reichweite: |
250–300km |
Hergestellt/gestartet: |
6000/3200 |
Kampfeinsatz: |
6. Sept. 1944–27. März 1945 |