93 KÖNIG PETER
Am Tag nach Daniels Rede stand Basil im Eingang zum Königlichen Flügel und lächelte kühl. »Kommen Sie, Peter. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Sehen Sie es als Teil Ihrer Fortbildung.« Franz Pellidor stand wie ein gut gekleideter Schläger neben dem Vorsitzenden, bereit dazu, handgreiflich zu werden, wenn der König Widerstand leistete.
Peter runzelte die Stirn. »Die Lehrmethoden von OX sind mir lieber. Er ist darauf programmiert, als Lehrer zu fungieren, und sein Kopf steckt voller Erinnerungen. An Erfahrung mangelt es ihm gewiss nicht.«
»OX hat Prinz Daniel fliehen lassen, und deshalb zweifle ich an seinen Lehrfähigkeiten. Was ich Ihnen zeigen möchte, wird Ihnen helfen, die politischen Realitäten zu verstehen – und gewisse Konsequenzen.« Der Vorsitzende ging mit langen Schritten durch den Flur, und seine Schuhe klackten auf den Fliesen. Er war sicher, dass ihm der König folgen würde.
Peter runzelte erneut die Stirn, verließ sein privates Quartier und schloss sich Mr. Pellidor an, ohne den breitschultrigen Mann eines Blickes zu würdigen.
Sie schritten durch leere Flure und Treppen, erreichten in einem Kellergeschoss schließlich einen Medo-Raum, der nach Desinfektionsmitteln, sterilem Metall und Chemikalien roch. Dort, auf einem Krankenbett mitten im Zimmer, lag Prinz Daniel. Der Junge rührte sich nicht und war mit mehreren medizinischen Geräten verbunden. Dünne Schläuche steckten in seinen Armen. Die Wangen wirkten seltsam eingefallen.
»Was ist geschehen? Kam es zu einem Unfall?«
»Oh, nein, dies ist nicht das Ergebnis eines Unfalls.« Basil trat vor, berührte die intravenösen Schläuche und beugte sich vor, um auf die geschlossenen Lider des Prinzen hinabzublicken. Daniel regte sich noch immer nicht, schien in einer Art Koma zu liegen.
»Nach der dummen Eskapade des Prinzen ist das Hanse-Komitee zu einer Dringlichkeitsbesprechung zusammengekommen. Wir sind einstimmig übereingekommen, dass sich ein derartiges Verhalten auf keinen Fall wiederholen darf. Aus diesem Grund haben wir Daniel betäubt. Er wird in diesem Zustand bleiben, unter Kontrolle.« Der Vorsitzende sah Peter an. »Zu viele Fehler sind gemacht worden. Ich nehme das nicht länger hin.«
Peter schwieg und ließ die Sekunden verstreichen – diese Taktik hatte er von Basil gelernt. Er wusste genau, wie gefährlich der Vorsitzende war. »Warum töten Sie ihn nicht einfach?«, fragte er schließlich.
»Weil er so ein besseres Beispiel abgibt, finden Sie nicht? Wir können ihn jederzeit wecken, wenn das erforderlich werden sollte. Dies wäre auch mit Ihnen möglich.« Basil richtete sich auf und wich einen Schritt vom reglosen Prinzen fort. »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Königin Estarra schwanger ist?«, fragte er im Plauderton. »Ich weiß es seit letztem Mittwoch, aber Ihnen dürfte es seit etwa einem Monat bekannt sein.«
Es lief Peter eiskalt über den Rücken. Er kontrollierte seinen Gesichtsausdruck und verzichtete darauf, alles abzustreiten. Bestimmt hatte der Vorsitzende einen klaren Beweis; andernfalls wäre er nicht darauf zu sprechen gekommen. Es galt herauszufinden, was er mit dieser Sache bezweckte.
Der Vorsitzende ging durch den Medo-Raum. »Der König und die Königin werden ständig überwacht, Peter. Wir haben mehrere Proben genommen und analysiert. Der erste Verdacht kam mir während des Flugs nach Ildira. Nuancen, geringfügige Veränderungen im Verhalten. Sie dachten, ich würde Ihnen keine Beachtung schenken… Aber ich passe immer auf. Nach unserer Rückkehr habe ich die königlichen Gemächer untersuchen lassen.«
Peter blieb still. Sein Mund war trocken, und er schauderte innerlich. Er stellte sich vor, wie man Gewebezellen von den Bettlaken gewonnen, Estarras Menstruationszyklus kontrolliert und vielleicht sogar Urinproben aus dem sanitären System genommen hatte. Er fand es abscheulich.
Basil trat ganz nahe an ihn heran. Peter war im Lauf der Jahre größer geworden, aber der Vorsitzende schien noch immer kaum mehr als einen Straßenlümmel in ihm zu sehen. »Wir können dies nicht zulassen.«
Peter bedauerte, dass er Estarra nicht rechtzeitig nach Theroc geschickt hatte. Er versuchte, stark zu sein, als er erwiderte: »Sie übersehen etwas, Basil. Denken Sie nur an die positive Wirkung auf die Öffentlichkeit. Die Bürger werden begeistert sein.«
»Sie übersehen etwas, Peter, und zwar den wichtigsten Punkt«, sagte der Vorsitzende. »Ich habe Ihnen keine Erlaubnis gegeben.«
Peter seufzte und ließ die Schultern hängen. »Wahrscheinlich glauben Sie mir nicht, aber ich schwöre Ihnen, dass keine Absicht dahintersteckte. Es war ein Zufall, eine Überraschung für uns beide. Vielleicht ist es die Natur, die versucht, in Zeiten der Not die Art zu erhalten.«
Basil blieb äußerlich ruhig, aber in seinem Innern schien es zu brodeln. Dort brannte ein Feuer, das mit jedem kleinen Misserfolg heißer wurde. »Halten Sie mir keinen Vortrag, Peter. Eines Tages, zu einem Zeitpunkt, den ich wähle, gebe ich Ihnen vielleicht die Erlaubnis, ein Kind zu bekommen. Aber nicht jetzt. Estarra muss eine Abtreibung vornehmen, bevor die Öffentlichkeit von ihrer Schwangerschaft erfährt. Diskrete medizinische Spezialisten werden ihr bald einen Besuch abstatten.«
Peter starrte den Vorsitzenden groß an und spürte, wie Zorn und Entsetzen in ihm emporquollen. Basil hätte Estarra ohne jede Vorwarnung zu einer Abtreibung zwingen können, aber stattdessen drehte er das Messer in der Wunde und sorgte dafür, dass König und Königin wussten, was sie erwartete.
Basil bedachte Peter mit einem vernichtenden Blick und sah dann demonstrativ zum betäubten Prinzen. »Und glauben Sie nur nicht, Sie könnten mich daran hindern.«