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24

Ren’erei hatte sich hinter einem erhöhten Holzsteg versteckt, als die Reiter vorbeidonnerten. Sie hatte heftig zitternd zugeschaut, wie ein kurzer Wortwechsel mit Selik dazu führte, dass die Reiter sich offenbar zu einer Verteidigungsformation aufbauten. Die Reiter waren keine Schwarzen Schwingen, sondern gehörten offensichtlich zu einem Kolleg. Das spielte im Grunde keine große Rolle, vergrößerte aber ihre Verwirrung. Sie richtete sich wieder auf und rannte gebückt durch den Hafen, bis sie hinter dem Fischmarkt außer Sicht war.

Leise schlich sie an der Mauer entlang. Als sie einigen Müllsäcken ausweichen wollte, sah sie auf einmal weißes Fleisch. Sie blieb stehen und bückte sich. Der Mann war tot und lag mit dem Gesicht nach unten in der stinkenden Brühe voller Fischabfälle, die durch die Gosse floss. Es war kein Ort, an dem man liegen sollte, weder tot noch lebendig.

Ren’erei konnte den Mann nicht liegen lassen. Sie drehte ihn herum und wollte ihn unter den Armen packen.

»Oh, nein!«, keuchte sie. Es war Donetsk. Entsetzt schleppte und zerrte sie den schweren Leichnam aus dem Dreck heraus. Die Stahlkappen seiner Schuhe kratzten auf dem Pflaster. Sie schleifte ihn bis zur Kiesböschung, hinter der sich der Fischereihafen erstreckte. Er sollte am kommenden Morgen wenigstens einigermaßen sauber gefunden werden.

Als sie seinen Mantel reinigte, sah sie die Stichwunde in der Brust. Weder im Gesicht noch am Hals oder an den Händen war er verletzt. Dies bedeutete, dass er nicht auf den Angriff vorbereitet gewesen war. Es hatte keinen Kampf gegeben. Ren’erei legte zwei Finger auf die Wunde, sprach ein kurzes Gebet und bat für ihn um Frieden im nächsten Leben. Eine unbedeutende Geste, aber der Mann verdiente ein wenig Ehrerbietung, während sein Körper kalt und steif wurde.

Weitere Berittene rückten an. Der Lärm näherte sich rasch von Osten, und Ren’erei kauerte sich dicht an Donetsks Körper, um unbemerkt zu beobachten. Die Hufschläge, das Klirren von Metall und die Männerstimmen hallten laut zwischen den Gebäuden. Im schwachen Fackelschein wurden ihre Schatten riesig, als sie sich näherten. Ren’erei erkannte die Abzeichen des Kollegs von Dordover, als die Kavallerie vorbeigaloppierte und vor der Meerulme anhielt. Sie konnte aber nicht sagen, ob es eine freundliche Begegnung oder ein Angriff war, und sie hatte keine Zeit, sich Klarheit zu verschaffen.

Der kalte Wind hatte sie inzwischen fast getrocknet, doch jetzt begann es zu regnen. Sie blickte zum bewölkten Himmel hinauf. Schwere Wolken zogen vorbei, gelegentlich waren tief in ihnen Blitze zu sehen, die andeuteten, dass es noch schlimmer kommen würde. Sie betete für Lyannas Erweckung.

Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Schließlich stand sie auf, rannte hinten um den Fischmarkt herum und lief zum Jahrhundertplatz. In praktisch allen Häusern brannte jetzt Licht. Die Einwohner waren von den hunderten von Pferden, die zum Hafen gestürmt waren, geweckt worden. Einige Gasthöfe am Platz hatten auch zu dieser späten Stunde noch geöffnet. Wenn der Rabe in der Stadt war, dann konnte sie dort sicher etwas erfahren.

 

Der Unbekannte Krieger trat aus der Deckung heraus, als Darrick sein Pferd im Trab laufen ließ. Hirad kniete neben Thraun, einen Arm um den Hals des großen Wolfs gelegt, um ihn festzuhalten und zugleich zu beruhigen. Das Rudel war offensichtlich nervös und wurde deshalb aggressiv. Die Wölfe hatten ihm die Führung überlassen, doch jetzt hatte er angehalten, und sie waren nicht zufrieden.

Darrick hielt vor dem Raben an und stieg sofort ab. Sein Pferd bockte und zerrte am Zügel. Er ließ die Riemen los, es schoss sofort davon, galoppierte eine Seitenstraße hinauf und verschwand in der Dunkelheit.

»Bei den Göttern, ich bin froh, euch zu sehen«, sagte er.

»Ich wünschte, wir könnten das Gleiche sagen«, erwiderte der Unbekannte. »Ich mag es nicht, wenn ich eingesperrt werde.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Darricks Lächeln war humorlos. »Hört mal, wir können hier nicht reden. Sie beobachten uns.« Er deutete hinter sich.

»Und, was nun?«, fragte der Unbekannte.

»Ich habe das Kommando niedergelegt. Man könnte wohl sagen, dass ich gerade eben desertiert bin.«

»Wie bitte?«, sagte Hirad. Darrick sah ihn an, bemerkte ihn offenbar erst jetzt.

»Bei den fallenden Göttern, was hat das alles hier zu bedeuten?«

»Das da ist Hirad, und das da sind die Wölfe, von denen du vermutet hast, sie hätten ihn getötet«, meinte Ilkar.

»Sie sind ganz nützlich, wenn man ein Gefängnis knacken will«, meinte Hirad.

»Ich verstehe.« Hirad wartete, bis Darrick sich wieder gefangen hatte. »Lasst uns hier verschwinden. Ich glaube, ich kann euch helfen.«

»Das wäre nicht schlecht«, entgegnete Denser.

Der Rabe setzte sich in Bewegung. Thraun ließ Hirad keine Sekunde aus den Augen.

»Ich kann es nicht erklären«, erklärte Hirad ihm. »Wir tun, was wir können. Ich verstehe nur nicht, was du willst. Wir jedenfalls versuchen, Erienne zu erreichen.«

Als der Name fiel, knurrte Thraun. Das Rudel folgte dem Raben unter die Traufe des Holzlagers. Hinter ihnen erhoben sich Stimmen.

»Nun rede schon«, drängte Denser.

»Ich hätte auf euch hören sollen«, gab Darrick zu. »Es tut mir Leid.«

»Das ist im Augenblick nicht wichtig«, antwortete der Unbekannte. »Wir stecken in großen Schwierigkeiten, und du hast nichts Vernünftiges beizusteuern.«

»Ich weiß. Hört mal, fragt nicht weiter, akzeptiert es einfach nur. Die Dordovaner haben mit den Schwarzen Schwingen ein Bündnis geschlossen. Ich will damit nichts zu tun haben, deshalb bin ich gegangen. Ich bin desertiert. Meine Männer müssen sich selbst entscheiden, und ich glaube, ein großer Teil ist zwar mir gegenüber loyal, hat aber keine großen Probleme mit den Schwarzen Schwingen. Sie wollen wie jeder andere ihre Angehörigen und ihr Heim retten, und dieses Bündnis scheint der schnellste und einfachste Weg zum Ziel zu sein.«

»Sie haben keine Ahnung!« Denser explodierte. »Diese Schweinehunde werden ihr das Herz bei lebendigem Leibe herausreißen.«

»Ich weiß«, sagte Darrick. »Bei den Göttern, das weiß ich jetzt. Aber wir kommen hier nicht an Erienne heran. Sie würden sie töten und hoffen, einen anderen Zugang zu Lyanna zu finden. Hört mal, ich weiß nicht genau, was Dordover plant, aber ich weiß, dass sie dieses Schiff zur Unterstützung gechartert haben.« Er deutete zum Liegeplatz auf der anderen Seite, wo ein großes, seetüchtiges Schiff festgemacht hatte. An Bord brannten Lichter, und man sah Bewegungen. »Es wird ausgerüstet und ist bereit, in See zu stechen. Die Dordovaner sind schließlich schon mindestens zwei Wochen hier.«

»Dann übernehmen wir das Schiff und folgen der Meerulme?«, sagte Hirad.

»Ich sehe keine andere Möglichkeit«, meinte Darrick. »Keine unmittelbar greifbare Möglichkeit jedenfalls. So können wir wenigstens beobachten, wie sich die Dinge entwickeln.«

Der Unbekannte nickte. »Einverstanden. Aber wir müssen schnell einen Plan entwerfen. Ich glaube nicht, dass die Dordovaner bis zum Morgen warten.«

»Tja, du bist ja der Experte, Unbekannter«, sagte Denser.

»Und du bist immer noch unglaublich witzig«, gab Hirad zurück.

»Ich frage mich nur, welchen Sinn es haben soll, ihnen zu folgen«, meinte Denser.

»Uns bleibt nichts anderes übrig«, erklärte der Unbekannte. »Wir haben hier in Arlen keine Chance, etwas zu unternehmen. Die Insel oder sogar die Überfahrt könnte uns solche Möglichkeiten bieten, sofern wir bereit sind, schnell zu handeln.«

Denser schüttelte den Kopf und wollte Einwände erheben, doch er wurde von einem Spruch unterbrochen, der über dem Hafen explodierte. Die ohrenbetäubende Detonation war im ganzen Stadtviertel zu hören. Dann brüllten Männer, und man hörte Hufgetrappel, als die Kavallerie eilig neu aufgestellt wurde. Befehle wurden gerufen, und gleich darauf drang ihnen der Schlachtlärm in die Ohren.

Der Unbekannte sah Hirad an und nickte.

Die Protektoren waren in Arlen eingetroffen.

 

Auf dem Hauptplatz stieß Ren’erei auf Arlens Wächter. Der Graf selbst saß auf einem großen, dunkelbraunen Hengst und sprach zu der rasch anschwellenden Menschenmenge.

»… eine friedliche Stadt, doch manchmal müssen wir, so widersinnig es auch scheinen mag, kämpfen, um den Frieden zu erhalten. Unser Hafen ist von fremden Truppen besetzt. Alle, die wir dort nicht willkommen heißen können, müssen vertrieben werden. Meine Wächter sind bei mir, und wer von euch hier sich dazu in der Lage fühlt, ist willkommen, unsere Zahl zu verstärken.«

Ren’erei schüttelte den Kopf. Eine Ansprache für die Betrunkenen. Diese Zuhörer waren leicht zu gewinnen, und das Brüllen, das auf seine Worte folgte, bewies es. Die Elfenfrau sah, wie einige Männer einzeln oder zu zweit zum Hafen rannten. Wahrscheinlich Matrosen, die sich in die relative Sicherheit ihrer Schiffe zurückziehen wollten.

Sie suchte in der Menge nach dem Raben, doch die vielen Gesichter verwirrten sie nur. Der Graf gab Befehle, die Wächter formierten sich, und die Menge folgte ihm, offenbar in freudiger Erwartung einer Prügelei. Wieder schüttelte sie den Kopf. Zwei Dutzend Betrunkene und ungefähr ebenso viele Wächter gegen gut ausgebildete Kavallerie. Sie konnte nur hoffen, dass Arlen sich rechtzeitig zurückzog, wenn es gefährlich wurde.

Hinter Ren’erei flammte ein Spruch auf und warf einen hellen Feuerschein über den Himmel. Darauf folgte ein dumpfer Knall, und dann war das Gebrüll hunderter zorniger Stimmen zu hören. In diesem Moment handelte der Mob wie ein einziger Mann und lief zum Südende des Marktes. Arlen und seine Wächter befanden sich in der Mitte der Menge, jeder Anschein von Ordnung war verschwunden.

Ren’erei zog sich rasch zurück und sah ihnen nach. Sie packte einen Wächter am Ärmel, der so vernünftig war, den anderen in einem gewissen Abstand zu folgen. Der Mann drehte sich um und sah sie streng und aufgebracht an.

»Der Rabe«, sagte Ren’erei. »Wo ist der Rabe?«

Der Wächter lachte. »Da, wo alle Freunde der Magie sein sollten, Elfenfrau. Hinter Schloss und Riegel. Komm doch mit, wenn du deine Schiffe retten willst.« Damit verschwand er und rannte den anderen hinterher.

Seufzend machte Ren’erei sich auf den Weg zum Gefängnis. Sie fürchtete, dort ein Blutbad vorzufinden.

 

Thraun heulte, und das Rudel verschwand um die Ecke und rannte zur Mole. Die Wölfe hörten nicht auf Hirads Rufe.

»Der Rabe zu mir!«, befahl der Unbekannte.

Sie zogen die Schwerter blank, Ilkar und Denser bereiteten Sprüche vor. Der Rabe lief rasch zur Mole. Der Regen war noch stärker geworden und trommelte auf die Straße und in ihre Gesichter. Auf der Mole war mittlerweile der Teufel los.

Ein Lagerhaus am Fischmarkt brannte, hinter der Meerulme hörte man heftige Kampfgeräusche von Protektoren und Dordovanern. Ein ansehnlicher Teil der Lysternier hielt sich heraus, doch viele beteiligten sich am Kampf, weil sie in Xetesk einen Feind sahen, den sie hassen konnten, obwohl sie die Streitmacht fürchteten, die da vor ihnen aufmarschiert war.

Hirad sah das Rudel in dem von Fackeln und Feuerschein erhellten Schlachtgetümmel verschwinden. Pferde bäumten sich auf, und er hörte Thrauns unverkennbares Heulen. Hirad hatte keine Ahnung, was die Wölfe dort wollten, aber wenigstens fanden sie endlich ein Ventil für ihre aufgestauten Aggressionen. Er war nur froh, dass er ihnen nicht im Weg war.

»Schild steht«, meldete Ilkar, als sie losrannten.

»Feuerkugeln bereit«, sagte Denser.

In der Luft waren Gestalten zu sehen, die sich vor dem brennenden Lagerhaus hin und her bewegten.

»Fliegende Magier«, bestätigte Ilkar. Er sprach leise, doch seine Stimme trug weit.

»Die Meerulme legt ab«, sagte der Unbekannte. »Seht nur.«

Das Vorsegel wurde aufgezogen, vorne und hinten wurden die Taue gekappt, und mit einem Knirschen, das dem Kapitän durch Mark und Bein fahren musste, drehte das Schiff am Liegeplatz, während sich das Vorsegel blähte und es vom Ufer wegdrückte. Die fliegenden Magier kreisten hoch oben, als die Meerulme Fahrt aufnahm.

»Wie viele kannst du erkennen, Ilkar?«, fragte der Unbekannte. Der Rabe war stehen geblieben, weil er sich nicht am weiter vorn tobenden Kampf beteiligen wollte, der gerade die Tür des Hafengasthofs erreicht hatte. Die Gäste verließen eilig das Lokal und rannten davon.

»Zehn oder mehr«, sagte Ilkar. »Es ist schwer zu sagen.«

Ein weiterer Lichtblitz flammte auf, Feuerkugeln schlugen mitten in die verunsicherte lysternische Kavallerie und ließen Pferde und Reiter erschrocken fliehen. Im Osten ging Heißer Regen nieder, und trotz der Nässe stiegen Dampf und Rauch vom Dach des Fischmarktes auf. Der stechende Geruch von brennenden Fischabfällen und Ölresten wurde vom Wind herangetrieben.

Eine Abteilung der dordovanischen Kavallerie löste sich aus dem Kampfgeschehen, sprengte mitten durch die Lysternier und ritt links neben dem Gasthof in Richtung Jahrhundertplatz.

»Das ist eine Finte«, sagte Darrick. »Sie wollen den Feind umgehen und von der anderen Seite zum Hafen zurückkehren.«

»Wir brauchen mehr Kräfte, wenn wir das zweite Schiff einnehmen wollen«, sagte der Unbekannte.

»Hat jemand einen Vorschlag?«, fragte Hirad.

»Ja. Darrick, geh zum Schiff und sieh mal, ob du etwas ausrichten kannst. Denser, du gehst mit ihm. Ilkar und Hirad, ihr kommt mit mir. Wir werden ein paar Protektoren holen.«

»Und deshalb machst du die Pläne, ja?«, sagte Denser.

»Tu es einfach.« Der Unbekannte wandte sich an Hirad. »Los jetzt.«

Im Rennen beobachtete Hirad die Schlacht, die vor ihnen im Gange war. Die Lysternier waren ohne Anführer und der Panik nahe. Der Verlust Darricks hatte ihnen einen bösen Schlag versetzt, und auch wenn sie einen neuen Kommandanten hatten – Izack, wie Hirad erkannte  –, der Befehl auf Befehl brüllte, war zu erkennen, dass sie nicht sicher waren, ob sie weglaufen oder kämpfen sollten. So geriet die ganze Einheit in Unordnung, und nur einige magische Schilde behüteten sie vor der Katastrophe. Wenn die Protektoren sie erreichten, gab es ein Massaker.

Hinter der nervösen lysternischen Kavallerie hatten die Dordovaner im schmalen Kampfgebiet zwischen dem Fischmarkt, dem brennenden Lagerhaus und dem Rand der Mole eine enge Verteidigungsformation aufgebaut. Nach dem ersten Angriff hatten die dordovanischen Magier die Protektoren mit einer Reihe von Kraftkegeln zurückgedrängt, während andere Magier die Kavallerie vor Angriffen durch Geschosse und Sprüche schützten.

Natürlich suchten die Protektoren sich nun einen anderen Weg. Man konnte sehen, wie sie sich in die Stadt zurückzogen, um die Dordovaner zu umgehen, die unterdessen im Osten des Fischmarktes und um den Hafengasthof Sperren errichteten.

Die xeteskianischen Magier konzentrierten sich inzwischen auf die Gebäude in der Nähe. Der erste Heiße Regen hatte das Dach des Fischmarktes noch zufällig getroffen, doch jetzt konnte Hirad erkennen, dass regelmäßig Feuerkugeln auf die Balken und das Schieferdach schlugen. Sie verkochten den Regen und entzündeten das rasch trocknende Holz. An zehn oder mehr Stellen brachen in der Markthalle Feuer aus.

»In die Stadt«, rief der Unbekannte und führte sie rechts am Hafengasthof vorbei, fort vom unmittelbaren Kampfgeschehen. Hirad konnte sehen, wie das Rudel die Pferde scheu machte, während es zwischen den Lysterniern hin und her lief. Thraun blieb stehen und sah der verschwindenden Meerulme hinterher, dann rannte er wieder ins Getümmel hinein.

Als der Rabe den Hafen verließ, kamen ihnen Menschen entgegen, an ihrer Spitze der berittene Graf Arlen.

»Oh, das ist ein Fehler«, sagte der Unbekannte.

Die Rabenkrieger zogen sich in eine Gasse zurück, die hinter dem Gasthof verlief, doch sie hatten bereits die Aufmerksamkeit der Truppe erregt. Mehrere Männer wurden langsamer, schauten genauer nach und wählten die Rabenkrieger als ihre ersten Angriffsziele aus. Der Unbekannte und Hirad standen nebeneinander, die Klinge des großen Mannes tippte gleichmäßig aufs Pflaster.

»Tut es nicht«, warnte der Unbekannte die Männer. Es waren keine Stadtwächter, sondern Einheimische, die von Alkohol und Adrenalin aufgeputscht waren.

»Der Graf sagt, ihr sollt hier verschwinden«, nuschelte einer.

»Das passt uns jetzt gerade nicht«, erwiderte Hirad. »Geht weiter, oder geht nach Hause. Es ist gefährlich hier.«

»Das ist unsere Stadt«, sagte ein anderer, der hinter den ersten beiden stand. »Wir bestimmen hier, wo es langgeht, nicht ihr.« Darauf folgte zustimmendes Gemurmel, und die Männer rückten weiter vor.

Hirad zählte sechs. Alle waren groß, aber keiner war ein geübter Schwertkämpfer. Er bedauerte, was gleich passieren musste. Der Unbekannte tippte immer noch auf den Boden, der Barbar wechselte zweimal den Griff, um die Gegner einzuschüchtern, doch die Angreifer waren zu benommen, um die Gefährlichkeit der Rabenkrieger zu erkennen.

Ilkar seufzte hinter ihnen.

»Was ist?« Hirad sah sich nicht um.

»Ich …«, der Elf unterbrach sich. »Bei den Göttern. Schnappt euch die ersten beiden. Mehr schafft ihr nicht.«

Die Rabenkrieger zweifelten nicht an Ilkars Worten. Was der Magier auch fühlte, es musste etwas Großes sein. Viel zu schnell, als dass die Männer vor ihnen noch reagieren konnten, streckten Hirad und der Unbekannte Krieger die Arme aus und zogen die vorderen beiden Männer zu sich unter den Schild. Hilflos fuchtelten sie mit den Klingen in der Luft herum. Hirad knallte seinem Gegner den Schwertgriff ans Kinn, um ihn ruhig zu stellen. Das Gerangel war schnell vorbei.

Höllenfeuer knallte in den Gasthof, und die unglaublich heiße Glut suchte die Seelen der Lebenden. Es waren viele Flammensäulen, und nur wenige Menschen befanden sich im Gasthof. Als das Feuer ins Gebäude eindrang und sämtliche Fenster nach außen explodierten, sprangen einige Flammensäulen weiter und fanden die nächsten Opfer auf der Straße.

Die Flammen tobten über Ilkars Schild hinweg, und einen Moment lang sah Hirad nichts außer grellem Orange und weißen und gelben Blitzen. Die Einwohner Arlens aber schrien entsetzt auf und starben kreischend, als das Höllenfeuer in ihre wehrlosen Körper fuhr. Das verbrannte Fleisch spritzte gegen die Wände, brennende Leichen flogen wie Puppen durch die Gasse und die Straße.

Auf der Seite, wo der Rabe stand, brannte der Hafengasthof lichterloh. In den gähnenden Fenstern züngelten Flammen, und im Schieferdach klafften Risse.

»Ilkar?«, fragte der Unbekannte.

»Ja. Los jetzt, gehen wir!«

Der Unbekannte schüttelte den Mann, den er festhielt.

»Kehrt nach Hause zurück und kümmert euch um eure Familien. Das hier ist eine Nummer zu groß für euch.« Er stieß den Mann fort, und Hirad tat das Gleiche mit seinem Gegner. Die Männer stolperten benommen durch das Blutbad.

»Der Rabe! Der Rabe zu mir!