11

Snonomish Springs, Furillo Provinz Bolan, Lyranische Allianz

 

16. Juli 3064

Rudolf Schakow spannte die Hände um Steuerknüppel und Geschwindigkeitshebel des Exterminator und steuerte den Mech vorsichtig durch die kniehohen Schneewehen, die das Snonomish-Springs-Werk von Defiance Industries auf Furillo umgaben. Der Fabrikkomplex lag im Schatten des Mont-Vert-Gebirges, in dem der Konzern Erz für hochgradigen Kompositstahl, aus dem Panzerung für BattleMechs und konventionelle Kampffahrzeuge hergestellt wurde, abbaute und verarbeitete. Das Werk war auf allen Seiten von hohen, ganzjährig schneebedeckten Bergen umgeben. Und momentan herrschte in dieser Region tiefster Winter.

Mit zusätzlicher ›Lawinengefahr‹ durch Des Prinzen Mannen.
Schmutzig weiße Schneehaufen übersäten das ausgedehnte Fabrikgelände wie künstliche Eisberge auf einem grauen Ozean, teilweise so hoch getürmt, dass sie einem BattleMech bis zur Brustpartie reichten. Als er aus der Schneewehe stapfte, beschleunigte Schakow den schweren Kampfkoloss und rannte hinter eine Lagerhalle in Deckung. Raketen hagelten rings um ihn aus dem Himmel und rissen Krater in den von den Schneepflügen mühsam freigeräumten Boden. Feuer, Qualm und Steinbrocken wurden himmelhoch geschleudert.
Er erreichte die Ecke des bunkerartigen Bauwerks, ohne mehr als eine Granatsalve aus der Autokanone eines fünfunddreißig Tonnen schweren Garm einstecken zu müssen. Im Windschatten der Halle wartete Adept Bills auf ihn. Sein Raijin hockte auf den nach hinten geknickten Vogelbeinen. Mit dem tief am Rumpf ansetzenden, nach vorne ragenden Cockpit erinnerte der avoide Mech entfernt an einen bizarren Greifvogel.
»Übers Dach«, befahl Schakow.
Beide Mechs drehten sich zu dem dreistöckigen Bau und lösten die Sprungdüsen aus. Auf lodernden Plasmaflammen stiegen sie in kurzem Flug zum Dach des fensterlosen Bunkers auf. Der Andruck presste Schakow in die Polster der Pilotenliege, bis er die Düsen abschaltete und der Exterminator federnd aufsetzte.
Ein Beowulf der 244. Division war vor das Gebäude gestürmt und versuchte, ohne weitere Unterstützung eine verstärkte Lanze der BPM Furillo zurückzuschlagen. Schakow und Bills kamen ihm zu Hilfe, und alle drei konzentrierten ihr Feuer auf eine fünfundvierzig Tonnen schwere Königskobra. Die PPK des Raijin peitschte über den Torso des mittelschweren Mechs und verzehrte die Panzerung, während eine Stakkatosalve Smaragdfeuer aus dem Impulslaser des Beowulf die Beine traf.
Schakow hatte mehr Glück. Seine Langstreckenraketen hämmerten auf die durch den PPK-Beschuss entblößte Brustpartie der Königskobra und schleuderten den Mech fast zu Boden. Der Milizpilot antwortete mit zwei Raketensalven aus den Lafetten, die seine Maschine an Stelle der Hände trug, aber daran, wie unsicher der Stahlkoloss davonwankte, erkannte Schakow, dass er dessen Gyroskopgehäuse geknackt hatte.
Dann erwachte seine Raketenabwehr zum Leben. Das Schnellfeuergeschütz spie einige hundert Patronen aus, als es einen Schirm aus MG-Kugeln vor dem Mech aufspannte. Nur eine Handvoll Sprengköpfe schlugen durch und zertrümmerten Panzerung an der linken Rumpfseite des Exterminator. Der Raijin hatte weniger Glück und wurde von über einem Dutzend Raketen aus der zweiten Salve der Königskobra gebeutelt.
Wieder zündeten beide Mechs die Sprungdüsen und zogen sich in die Deckung des Gebäudes zurück, bevor die beiden Taifun-Straßenkampfpanzer der Miliz in Position gehen konnten. Der Beowulf kam um die Hallenecke und schloss sich ihnen an.
»Meldung nach Teams«, befahl Schakow über den allgemeinen Kanal. Seiner Schätzung nach hatten sie etwa dreißig Sekunden, bevor die Bolan-ProvinzMiliz es wagte, ihnen nachzusetzen. Angesichts der sich verschärfenden Lage konnte er mehr nicht erübrigen. Er schaute durch das Kanzeldach hoch. Der Himmel war klar, bis auf die Kondensstreifen von zwei Luft/Raumjägern, die hoch über ihnen auf einem Erkundungsflug vorbeizogen.
Victor hatte in den Planungsbesprechungen sehr deutlich gemacht, dass sämtliche Vorstöße möglichst viel Aufmerksamkeit erregen sollten. »Veranstaltet ein Feuerwerk«, hatte er Schakow und Präzentor Irelon aufgetragen, bevor er mit dem größten Teil der Auslandslegion abgeflogen war. Wohin, wusste Schakow nicht, und das wurmte ihn immer noch.
»Sorgt dafür, dass Katherine euch bemerkt, aber macht es euch nicht bequem, bis ihr euer Abschlussziel auf Furillo erreicht.«
Alle Einheiten Victors hatten ein eigenes Abschlussziel. Die 23. Arkturusgarde, frisch aus dem Arc-Royal-Defensivkordon eingetroffen, war zurück nach Aristotle aufgebrochen, um über Gallery und Thuban vorzustoßen, ein Kurs, der sie für Schakows Seelenfrieden zu dicht an Tharkad führte. Colonel Vineman hatte ihre 6. Crucis-Lanciers in einer Sturmoffensive nach Solihull, Drosendorf und Gypsum geführt, auf einem Weg, der zurück nach Bolan wies.
Die 244. hatte von allen drei Regimentern die leichteste Aufgabe bekommen. Von Clinton aus hatten Des Prinzen Mannen Eidsfoss überfallen, um sich mit Nachschub zu versorgen, gefolgt von Ciotat. Dort blieben sie aber nur lange genug, um die Söldnereinheit Bogarts Mannen zu zerschlagen und Doc Trevana in den örtlichen Widerstand einzuschleusen. Und jetzt standen sie auf Furillo, die erste Einheit, die ihr Abschlussziel erreicht hatte.
Victor hatte ein ›Feuerwerk‹ verlangt - und Schakow lieferte.
Da Irelon noch nicht wieder ganz auf dem Damm war, hatte Schakow die 244. Division gegen den ausgedehnten Fabrikkomplex von Snonomish Springs geführt. Verstärkt durch zwei Kompanien aus der Auslandslegion des Prinzen hatten sie das unerfahrene Garnisonsbataillon der planetaren Miliz mit Leichtigkeit beiseite geschoben. Die Infanterie hatte die schwierigere Aufgabe, alle Gebäude und Fabrikebenen von archonistischen Kröten zu säubern. Das hatte fast zweiundsiebzig Stunden gedauert, da beide Seiten versuchten, bei dem Kampf möglichst keine Fabrikeinrichtungen zu beschädigen. Niemand hier wollte die Anlage beschädigen.
Noch nicht.
Team Beta meldete sich zuerst. »Eine Kompanie Miliz ohne Hilfstruppen treibt sich noch immer am Rand des Minenfelds herum.«
Als Nächster war Teamchef Gamma an der Reihe. »Wir haben im Nordosten schwer zu kämpfen, aber die Linie hält.«
Kommandeur Delta wäre der Nächste gewesen, doch Luft/Raum-Kommandeur Demipräzentor Hassenjoul drängte sich vor. »Hier Schwarm Epsilon«, brüllte er über den Kanal und löste die Regulierautomatik des Kommsystems aus. »Entsatzkolonne hat den Jasserpass erreicht. Erwarten Anweisungen.«
Hassenjoul hatte die Reihenfolge völlig zu recht ignoriert. Da die 244. die Lufthoheit auf Furillo besaß, hatte die weiter westlich stationierte Miliz keinen Landungsschiffsflug über das Gebirge riskiert. Die damit verbundenen Gefahren hatten Des Prinzen Mannen ihnen vier Tage zuvor sehr handgreiflich verdeutlicht, als die Jäger der 244. vierzehn Kampfhubschrauber vom Himmel gefegt hatten. Offenbar hatte die Lektion gesessen. Jetzt rückten die Entsatzeinheiten in einer mehrere Kilometer langen Marschkolonne durch das Gebirge an, mitten durch Lawinengelände.
Schakow schluckte. Nach mehreren Stunden Einsatz war sein Hals ausgetrocknet. »Demi Hassenjoul, du hast nach eigenem Ermessen Freigabe für Plan Donnerberg.«
Was bedeutete - und das wusste der Jägerkommandeur -, dass Schakow so wenig Menschenleben wie möglich gefährden wollte. Mit den Überschallknalls wiederholter Vorbeiflüge würden die Jäger auf beiden Seiten des Passes Lawinen auslösen. Alle Fahrzeuge, die unter den Tonnen herabstürzenden Schnees und Gerölls begraben wurden, liefen Gefahr, rettungslos vernichtet zu werden - auch Mechs. Zusätzlich war ein derartiges Manöver geeignet, eine Kolonne festzusetzen, bis die Straßen freigeräumt waren. Und das konnte unter Umständen bis zum Frühling dauern.
»Demi Schakow«, unterbrach eine seiner vorgeschobenen Beobachterinnen, mit hörbar klappernden Zähnen. Wenn man stundenlang regungslos im Schnee lag, half auch ein wärmeisolierter Schutzanzug nicht viel. »Die Miliz nimmt deine Einladung an. Kontakt in fünfzehn Sekunden.«
»Wir sind klar«, meldete sich endlich auch Team Delta. »Macht euch um uns keine Sorgen.«
Schakow drehte den Exterminator zur Nordwestecke der Halle und bereitete sich darauf vor, dem Sturmangriff des Raijin zu folgen. Die fünfzig Tonnen schwere Maschine war reichlich verbeult, doch Adept Bills ließ sich nicht unterkriegen. Schakow bemerkte einen unregelmäßigen Krater, der von einem Raketentreffer herrührte, an einer Schulter des Mechs.
»Jetzt!«, rief die Infanteristin, etwas früher als erwartet. Von ihrer Position in einer der kleineren Schneewehen hatte sie eine bessere Möglichkeit, den Erstschlag zu koordinieren.
Auf das Zeichen hin beschleunigte Schakow den BattleMech und reihte sich hinter dem Raijin und dem Beowulf ein. Die drei Maschinen schwangen um die Kante der Lagerhalle und in weitem Bogen um einen Berg aus schmutzig weißem Schnee. Die Zielerfassung zeichnete Feindziele auf die Sichtprojektion, bevor sie auf dem Schirm zu sehen waren. Der Garm und die Königskobra befanden sich in mittlerer Schussweite, knapp hinter der letzten Schneewehe. Näher als diese beiden boten sich allerdings ein Zweierteam aus Fang und Nachtfalke und die beiden TaifunPanzer an. Allesamt neuere Konstruktionen, keine älter als sechs Jahre. Das war einer der Vorteile eines Garnisonsauftrags bei Defiance Industries. Schakow tauschte LSR-Feuer gegen die künstlichen Blitzschläge aus der Partikelkanone des Fang. Der gleißende Lichtbogen schnitt eine tiefe Wunde in das linke Mechbein und sprengte den größten Teil der Panzerung weg. Mit den vier mittelschweren Lasern deckte er die Milizionäre zusätzlich ein. Da er über reichlich Energie verfügte, hatte er die Lichtwerfer des Mechs auf ExtremreichweitenTechnologie aufgerüstet. Die rubinroten Energielanzen zuckten über den winterlichen Fabrikhof und bohrten sich in Arme und Brustpartie des Fang.
Die erste Hitzewelle schlug durch das Cockpit des Exterminator, als Schakow zu der Miliz-Maschine aufschloss. Er ließ sich mit der nächsten Raketensalve etwas mehr Zeit, um die Abwärmeschübe zu verringern. Mit den Energiewaffen allein erreichte er bereits die Schlagkraft des Fang. Zusätzlich besaß der Exterminator die größere Reichweite, doch der Miliz-Mech verfügte über einen leistungsfähigeren Reaktor, der Schakow keinen Spielraum ließ. Der Fang stürmte vor, zog den Nachtfalke seines Begleiters mit und zwang die ihn eskortierenden Panzer, mitzuhalten oder zurückzufallen. Die Taifune konnten die Geschwindigkeit des Fang nicht erreichen und blieben langsam zurück.
Schakow hielt kurz die Stellung und leistete seinen Beitrag zu dem Inferno tödlicher Energiemassen, das zwischen den gegnerischen Linien tobte. Laser schleuderten grelle, edelsteinfarbene Lichtbahnen, und aus den PPKs schlugen bläulich weiße Blitze über den grauen Stahlbeton. Zwei Raketen detonierten seitlich am Kopf des Exterminator und schüttelten das Cockpit in einer brutalen Kombination durch. Schakow biss die Zähne zusammen. Ein schrilles Kreischen drang an sein Ohr, und als er sich umdrehte, sah er einen Haarriss auf der linken Seite des Kanzeldachs.
Entsetzt hätte er fast eine weitere Raketensalve abgefeuert, aber dann, als die Taifune vorpreschten, schreckte er zurück. Die schlagkräftigen Straßenkampfpanzer verfügten über eine überschwere Autokanone des Kalibers 12 cm.
Schakows taktische Sichtprojektion identifizierte die Gegner nicht nach dem Typ, aber falls er ihnen zu nahe kam, erhielt er eine handfeste Erinnerung. Das war einer der Nachteile beim Kampf auf einem Fabrikgelände. Magnetortung war in dieser Umgebung auf Grund der zahllosen Geisterbilder praktisch wertlos. Stattdessen musste sein Team sich auf Bewegungsdetektoren und Passivortung verlassen. Mechs setzten genügend Radar- und Funksignale an, um sie in aller Regel klassifizieren und nach Bautyp identifizieren zu können. Bei Fahrzeugen jedoch war das schwieriger. Hier konnte der Computer nur die Geschwindigkeit und wahrscheinliche Bewaffnung entsprechend der Zielerfassungssignale angeben.
Und selbst das mit einem Blick aus der komprimierten taktischen Information der Sichtprojektion abzulesen, setzte jahrelange Erfahrung voraus. Eine Erfahrung, über die Furillos Miliz vermutlich nicht verfügte.
Doch es wartete eine Blitzlektion auf sie.
»Zweiter Schlag, vierter Schlag, vorbereiten«, befahl Schakow und wich erneut vor dem aggressiven Fang zurück. Schweiß brannte ihm in den Augenwinkeln und lief ihm über die nackten Arme und Beine. Damit die Wärmeskala langsam wieder sank, nahm er das Laserfeuer um die Hälfte zurück.
Der Beowulf war ebenfalls zurückgewichen und hinkte durch einen festgefahrenen Beinaktivator. Adept Bills hielt die Stellung. Als Schakow die Infrarotortung einsetzte, sah er den Raijin ausgesprochen ungesund glühen. Die Maschine musste dicht vor der automatischen Stilllegung stehen, aber er hatte keine Zeit, den Adepten zu warnen.
»Zweiter Schlag, vierter Schlag, los!«
Als wäre Schakows Befehl das Zeichen gewesen, detonierte die Raketenmunition des Raijin unter der extremen Temperaturbelastung, der sie ausgesetzt war. Die Panzerung an der rechten Rumpfseite der Maschine beulte sich aus, dann brach sie auf. An einem Dutzend Stellen schlugen Flammen hervor. Interne Explosionen schüttelten den Mech, der tanzte wie eine Marionette an verhedderten Fäden. Da die mittelschwere Maschine über keine zellularen Munitionslager verfügte, schlug die Explosionswelle ungehindert durch den Rumpfinnenraum des Stahltitanen und zertrümmerte den Fusionsreaktor. Als die Magnetflasche schwächer wurde, wurden die orangeroten Flammen von goldenem Feuer beiseite gedrängt - und die freigesetzte Nuklearreaktion verschlang Myomer und Metall.
Mehrere endlose Sekunden hüllte ein langsamer Tod den Raijin ein, gerade lange genug, um Schakow sicher sein zu lassen, dass Bills tot war. Dann flog das Kanzeldach davon und der Adept schoss auf seinem Schleudersitz durch die Luft. Eine goldene Flammensäule verfolgte ihn in den Himmel, als die Fusionsreaktion endgültig freibrach und den Mech restlos verzehrte.
Schakow war vom Verlust des Raijin so konsterniert, dass er nur noch wortlos auf den Sichtschirm starren konnte. Fast hatte er vergessen, dass er den Angriffsbefehl für diese sorgfältig vorbereitete Falle gegeben hatte. Erst als die PPK des Fang die komplette Schutzpanzerung von der rechten Rumpfseite des Exterminator geißelte, wachte er aus dem Schock auf. Er riss den Mech nach links, um dem Gegner frische Panzerung zuzuwenden, noch während drei der großen Schneewehen erzitterten, sich aufbäumten und in sich zusammenfielen.
Wie aus ihren Höhlen stürmende Raubtiere brachen neben dem Garm und der Königskobra zwei schwere BurkePanzer aus dem Schnee. Am Westrand des Industriehofs schob sich auf riesigen Panzerketten ein neunzig Tonnen schwerer Challenger X aus einer noch größeren Schneewehe, und sein Gaussgeschütz feuerte ins Heck eines Taifun. Der sorgfältig über die Maschinen gelegte Schnee hatte die Wärmesignatur der Reaktoren verdeckt, die auf ein früheres Zeichen der vorgeschobenen Beobachterin hochgefahren waren. Ihre Zielerfassungsysteme waren abgeschaltet geblieben, sodass ein Milizionär, der ein Magnetecho bemerkte, es ohne Bestätigung durch eine Aktivsensorsignatur als Geisterbild abtat.
Jetzt waren ihre Feuerleitsysteme natürlich aktiv.
Die Dreifach-PPKs der Burkes schleuderten gleißende Energie in tödlich peitschenden Blitzschlägen, zerfetzten Panzerung und gruben sich mit unerbittlichen Klauen in die BPM-Mechs. Der Garm verlor in einer brutalen Geschützsalve den rechten Arm, hielt sich aber auf den Beinen. Dann drehte er um und floh auf sicherere Distanz. Verflüssigtes Metall floss hinter ihm über den Boden und dampfte in der nasskalten Luft.
Die Königskobra kam nicht so leicht davon, nachdem sie bereits zuvor von Schakows Exterminator und Bills' Raijin angeschlagen worden war. Der künstliche Blitzstrahl einer Teilchenschleuder bohrte sich exakt durch ihre Rumpfmitte, spießte den Mech regelrecht auf und trat durch seinen Rücken wieder aus. Goldenes Feuer brach in die Höhlung und glühte durch breite Risse im Metall. Sekundenbruchteile später explodierte der Kopf der Maschine, und ihr Pilot wurde von einem kurzen Brennschub der Raketentreibsätze unter seiner Liege in den Himmel geschleudert. Am Scheitelpunkt der Flugbahn entfaltete sich ein Gleitschirm ähnlich dem, an dem Adept Bills hing. Die Königskobra sank auf die Knie und kippte nach vorne. Der Mech schlug auf den Boden, gerade als der Fusionsreaktor endgültig kollabierte. Der Mech flog auseinander, und die Druckwelle reichte aus, den in der Nähe stehenden Burke vom Boden zu heben und aufs Dach zu schleudern.
Der siebzig Tonnen schwere Taifun war aus härterem Holz geschnitzt, und der Straßenkampfpanzer hätte den Angriff mit dem Gaussgeschütz des Challenger X überstehen können, hätte der nicht mit Autokanonenfeuer und beiden Lasern nachgesetzt. Der Panzer hämmerte das Heck des Taifun schrottreif und schaffte es offenbar, die unter dem Rumpf liegende Antriebswelle zu zertrümmern. Nach ein paar ruckartigen Bewegungsversuchen stoppte das Gefährt endgültig. Die Zielerfassung wurde abgeschaltet, und die Dachluke öffnete sich, um die Kapitulation der Besatzung anzuzeigen.
Während sich all dies abspielte, rückten Schakows MechKrieger wieder vor und ließen der geschockten Miliz keine Atempause. Der Demipräzentor hielt den Daumen fest auf dem Laserabzug und feuerte, so schnell die Waffen wieder aufladen konnten. Rubinrote Lanzen aus gebündeltem Licht schlugen in die Seite des Fang und höhlten die Panzerung aus, fanden aber keine entscheidende Schwachstelle. Der Beowulf jagte den zurückweichenden Nachtfalke am zertrümmerten Wrack der Königskobra vorbei und schnitt weitere Panzerung aus dem Rücken des Miliz-Mechs, bevor der Pilot es schaffte, sich hinter eine Schneewehe zu ducken und zu entkommen.
Der Fang wandte sich auch zur Flucht, aber falls der MechKrieger im Cockpit glaubte, aus der Schneewehe im Osten sei kein Panzer gekommen, weil sich keiner dort versteckt hielt, konnte er jetzt nur entsetzt zusehen, als Schakow rief: »Dritter Schlag, los!« Der gaussbewaffnete Dämon, der aus dem Schneeberg brach, schnitt dem Mech den Rückzug ab.
Schakow schaltete auf einen offenen Kanal und hoffte, dass der gegnerische Pilot zuhörte. »Fahren Sie den Mech runter oder es wird teuer für Sie«, erklärte er und zog das Fadenkreuz auf die Silhouette der Maschine.
Der Fang hatte nicht den Hauch einer Chance zu entkommen. Der Miliz-MechKrieger schaltete ihn ab. Zwischen zwei mit Gaussgeschützen bestückten Fahrzeugen gefangen und ohne die Geschwindigkeit, die erforderlich gewesen wäre, ihnen zu entgehen, entschied die Besatzung des verbliebenen Taifun, dass die Aufforderung auch ihr gegolten hatte, und kapitulierte ebenfalls.
Während er Bills am Gleitschirm zu Boden kommen sah, rechnete Schakow kurz nach. ›Keine Toten‹ und ›ein Mech‹ verloren gegen eine Beute aus einem nagelneuen Taifun, einem Fang und einer zerstörten Königskobra.
»Mehrere hundert Tonnen moderne Technologie«, stellte er über eine geschlossene Verbindung zum Rest Team Alphas fest. »Und die Halbstarken hier wussten nichts damit anzufangen.« Es war wirklich so, wie Jerome Blake es immer gesagt hatte: Technologischer Fortschritt war kein Beweis für höhere Intelligenz.
Raymond Irelons raue Stimme drang so klar aus der Kommanlage, als säße er neben Schakow im Cockpit. »Wenn du mit deiner Selbstbeglückwünschung fertig bist, könnt ihr vielleicht mal Team Gamma helfen.« Der Präzentor war in der Umlaufbahn geblieben und arbeitete mit den Techs daran, das Kommunikationsnetz der Miliz zu knacken.
Schakow wechselte auf eine Privatverbindung. »Ich lasse den Südzugang nicht gerne mechfrei. Ich schicke den Challenger X und die Burkes.«
»Du solltest sie in einem Flankenmanöver nach Nordwesten führen«, erwiderte Irelon. »Über einen weiteren Angriff aus Süden brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Was weißt du, was ich nicht weiß?«
»Wie viel Zeit haben wir, Demi Schakow?«, knurrte Irelon. »Wir haben die Satellitenverbindung der Miliz angezapft. Sie haben Befehl, sich zurückzuziehen.«
»Wird auch Zeit, dass ihnen klar wird, sie haben hier draußen zu wenig Truppen, um Snonomish Springs zurückzuerobern.« Aber warum war Irelon dann besorgt? »Sie haben herausgefunden, dass ihre Verstärkungen am Jasserpass festsitzen?«
»Donnerberg hat noch gar nicht begonnen. Demi Hassenjoul wartet darauf, dass die letzten Nachzügler die Lawinenzone verlassen.« Schakow konnte die Frustration in Irelons Stimme hören. »Die Miliz hat soeben eine Nachricht von der LAS Robert Kelswa erhalten.«
Das Kriegsschiff! Eine der beiden Korvetten, die Victors Einheiten von York verscheucht hatten. »Wie lange, bis sie eintrifft?«
»Bei Standardbeschleunigung etwa vier Tage. Sie hat keinen Kurs auf Furillo angelegt. Es sieht aus, als wollte sie unseren Transporter stoppen, aber wir werden längst weg sein, bevor sie nahe genug ist. Wir haben einen Tag, dann verlassen wir den Planeten.«
Schakow nickte. Der Neurohelm auf den Schulterpolstern der Kühlweste wirkte plötzlich furchtbar schwer.
»Ein Feuerwerk«, murmelte er leise, doch im Innern des Helms hallten die Worte laut. »Über mangelnde Aufmerksamkeit brauchen wir uns nicht zu beklagen.«