104 WEISER IMPERATOR JORA'H

Adar Zan'nhs Schiffe hatten ihre Rettungsmission im Auftrag des Weisen Imperators beendet und kehrten mit den menschlichen Flüchtlingen von Cjeldre zurück. Gefolgt von Nira, ihren Kindern und dem Erstdesignierten Daro'h machte sich Jora'h auf den Weg, um sie zu empfangen und zu erfahren, wie weit sich die Klikiss ausgebreitet und welchen Schaden sie angerichtet hatten. Er fürchtete einen neuen Krieg. Waren die Klikiss Feinde des Ildiranischen Reichs?

Mit raschen Schritten brachte der Weise Imperator die Stufen des Prismapalastes hinter sich und stolperte dabei fast über die Angehörigen des Bediensteten-Geschlechts. Er erreichte den Platz und wartete dort auf die Landung von Zan'nhs Flaggschiffs. Beamte, Höflinge, Erinnerer und andere Ildiraner folgten ihm in einer Prozession, um die Solare Marine zu Hause willkommen zu heißen.

In der Orbitalwerft feierten Tabitha Huck und ihre Arbeiter die Gelegenheit, indem sie neun neue Kriegsschiffe in Dienst stellten - sie begleiteten das landende Flaggschiff. Schnelle Angriffsjäger flankierten die großen Kriegsschiffe und vollführten komplexe Manöver am Himmel - für die Ildiraner ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Adar seine Mission zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hatte.

Das Flaggschiff ging mit ausgefahrenen Sonnensegeln und bunten Wimpeln auf dem Mosaikpflaster nieder. Nira stand neben Jora'h, und ihre Nähe gab ihm Kraft. Osira'h hielt die Hand des Erstdesignierten Daro'h, als erinnerte sie sich plötzlich daran, dass sie eigentlich ein kleines Mädchen war. Niras Kinder hatten sich mit Kolkers »Offenbarungen« beschäftigt. Sie hatten, vom grünen Priester ermutigt, Nira angeboten, ihr zu zeigen, was es damit auf sich hatte, doch ihre Mutter blieb zu sehr auf ihre Verbindung mit Jora'h konzentriert.

Rampen fuhren aus, und erwartungsvolle Stille herrschte.

Adar Zan'nh kam mit einigen Offizieren aus dem großen Kriegsschiff, und die menschlichen Flüchtlinge von Cjeldre folgten. Es waren nur etwa hundert. Nira wartete auf mehr und fragte schließlich: »Das sind alle?«

Zan'nh presste die Faust an die Brustmitte. »Wir sind zu mehreren bekannten Kolonien geflogen, Herr. Einige waren unbewohnt, andere zerstört. Auf Cjeldre fanden wir diese überlebenden Menschen.«

»Seid ihr den Klikiss begegnet?«, erwiderte Jora'h. »Und wenn ja, wie vielen?«

»Sie sind tatsächlich zurückgekehrt, in voller Stärke. Auf Cjeldre hatten sie die Menschen bereits gefangen genommen. Wenn wir nicht rechtzeitig eingetroffen wären, hätten die Klikiss sie umgebracht.« Zan'nh klang bestürzt.

»Er hat uns gerettet!«, rief einer der Menschen weiter hinten.

Zan'nh sah zu den ausgemergelten Flüchtlingen und richtete den Blick dann wieder auf seinen Vater. »Ja, Herr, wir haben sie gerettet.« Er zeigte so etwas wie verlegene Zufriedenheit. »Was die Klikiss auf all den Planeten gemacht haben, war nicht... ehrenhaft.«

Nira breitete die Arme aus und wandte sich an die Flüchtlinge. »Wir sind froh, dass Sie noch leben. Und wir freuen uns, dass Sie hier sind.«

Männer, Frauen und Kinder wankten die Rampen herunter. Jora'h wandte sich an die Bediensteten, die es offenbar gar nicht abwarten konnten, sich nützlich zu machen. »Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen gut untergebracht werden. Sie sollen frische Kleidung, medizinische Hilfe und gutes Essen bekommen.«

Die Kolonisten von Cjeldre bedankten sich lauthals. Einige von ihnen waren dem Zusammenbruch nahe; andere hätten den Weisen Imperator am liebsten umarmt. Doch Yazra'h hielt Wache und ließ niemanden in Jora'hs Nähe.

Der Adar sah die Erleichterung der Menschen und sagte leise: »Es war richtig von dir, mich mit dieser Mission zu be auftragen, Herr. Wenn ich früher aufgebrochen wäre, hätte ich vielleicht noch mehr Kolonisten retten können.«

Zan'nh verstand seine Worte nicht als Kritik, aber Jora'h fühlte sich trotzdem schuldig. Er war unschlüssig gewesen, als Nira ihn um die Hilfe der Solaren Marine gebeten hatte. Er hatte einem Problem, von dem er glaubte, dass die Menschen ganz allein dafür verantwortlich waren, weder Zeit noch Ressourcen widmen wollen. Jetzt bedauerte er, nicht sofort auf Nira gehört zu haben. Eigentlich hatte sie um wenig gebeten, und er schuldete ihr viel. Nach all dem, was die Ildiraner den menschlichen Versuchsobjekten auf Dobro angetan hatten, nach all den Verbrechen und Heimlichkeiten über Generationen hinweg hätte er nicht zögern dürfen. Der Weise Imperator stand tief in ihrer Schuld.

»Sag mir, wie ich ihnen jetzt am besten helfen kann«, sagte er leise zu Nira.

»Sollten sie auf Ildira bleiben? Oder wäre es besser, wenn ich sie zur Erde zurückschicke? Du weißt, dass ich deinen Rat beherzigen werde.«

Niras Züge verhärteten sich. »Weder die Erde noch Ildira. Diese Menschen ließen sich auf Cjeldre nieder, weil sie dort ein neues Leben beginnen wollten. Sie wünschten sich eine neue Heimat und riskierten alles, um an der Kolonisierungsinitiative der Hanse teilzunehmen.«

Die junge Osira'h nickte nachdrücklich und ergriff die Hand des Erstdesignierten fester, als sieben schnelle Angriffsjäger über den Himmel jagten. »Schick sie nach Dobro, Vater. Zu den anderen Menschen dort. Sollen sie dort ihre eigene Kolonie gründen, wie es den Kolonisten der Burton versprochen worden war.«

Jora'h spürte, wie ein kurzes Zittern durch Niras Schultern ging, doch sie nickte. »Mach ihnen dieses Angebot. Es wird helfen, die Wunden zu heilen und jenen Menschen eine neue Perspektive in Hinsicht auf dich und alle Ildiraner zu geben.«

Jora'h atmete tief durch. »Ja, die Wunden müssen heilen. Vielleicht kann Dobro ein neuer Anfang sein, ein Ort, wo Men sehen und Ildiraner in Harmonie zusammenleben. Diese Kolonisten können sich dort niederlassen, und sie bekommen jede Unterstützung von uns. So hätte es immer sein sollen.«

Ein aufrichtiges Lächeln erschien auf Niras Lippen. »Das ist ein guter Anfang, Jora'h.«

»Es sei denn, die Faeros kommen und zerstören alles«, sagte Daro'h. Im hellen Sonnenschein wirkten die Narben in seinem Gesicht sehr rot. Jora'h blieb in Gedanken versunken, als Bedienstete und Beamte die Flüchtlinge von Cjeldre wegführten. Er hatte lange mit dieser Entscheidung gerungen und wusste, dass er sie nicht länger aufschieben konnte. Er musste die schlimme Situation unter Kontrolle bringen, bevor die Menschen alles selbst in die Hand nahmen. Es genügte nicht, einigen Flüchtlingen etwas Land auf Dobro anzubieten, um ihr Vertrauen zu gewinnen.

Jahrhunderte der ildiranischen Täuschung erforderten jetzt großes Engagement, wenn es zwischen Menschen und Ildiranern nicht zu Feindschaft kommen sollte. Er musste Wiedergutmachung leisten und Brücken bauen.

»Dobro allein genügt nicht; es ist nur der erste Schritt. Angesichts all der Gräuel reicht eine einzelne Geste des guten Willens nicht aus.« Jora'h sah Nira in die Augen, richtete den Blick dann auf Osira'h. »Du hast den grünen Priestern bereits vom Zuchtprogramm erzählt, Nira. Du hast deine Geschichte und einen Teil deines Schmerzes mit ihnen geteilt, doch Erklä- rung ist keine Buße. Und Buße ist nötig. Wir können diese Sache nicht einfach ignorieren und hoffen, dass die Menschen alles vergessen. Das werden sie nicht.«

Jora'h wusste, dass er dies in erster Linie für Nira tat. Es überraschte ihn, wie gut es sich anfühlte. »Ich muss der Führung der Menschen gegenübertreten und zugeben, was die Ildiraner über Generationen hinweg deinem Volk angetan haben. Ich werde mich entschuldigen und hoffen, dass es eine Art von Wiedergutmachung gibt. Ich werde König Peter besuchen.«

Die Händler Rlinda Kett und Denn Peroni hatten bereits das verwirrende Schisma in der menschlichen Regierung erläutert: auf der einen Seite die neue Konföderation, auf der anderen die alte Terranische Hanse. Die Hanse schien isoliert zu sein, während die Konföderation wuchs und die verschiedenen »Geschlechter« der Menschheit aufnahm, von Kolonisten über Roamer bis hin zu Niras geliebten Theronen. Jora'h hatte den Vorsitzenden Wenzeslas kennen gelernt und auch Zeit mit König Peter und Königin Estarra verbracht.

Niras Gesicht erhellte sich, noch bevor Jora'h alles gesagt hatte. Der Weise Imperator verkündete: »Wir fliegen nach Theroc. Dort wohnen Herz und Seele der Menschheit.« Er umarmte Nira und teilte ihre Freude durch den körperlichen Kontakt mit ihr. »Wir brechen so bald wie möglich auf.«