27 CESCA PERONI

Nachdem sich die Wentals in vielen Gasriesen ausgebreitet und die feindlichen Hydroger besiegt hatten, kehrten Jess und Cesca zur primordialen Wasserwelt Charybdis zurück. Sie waren endlich zusammen und freuten sich darauf, viel Zeit miteinander zu verbringen, abseits der Ereignisse im Spiralarm. Nur sie beide.

Das silbrig glänzende Wasserschiff ging tiefer, und über ihm spannte sich ein grauer Himmel, aus dessen Wolken lebender Regen fiel. Blitze flackerten und setzten Wental-Energie frei. Als das Schiff die stahlgrauen Wellen berührte, verschwand seine Oberflächenspannung, und es ging in dem weltweiten Wental-Ozean auf.

Jess und Cesca schwammen frei und glücklich in dem globalen Meer. Zahllose Essenzen flössen durch sie, und Stimmen gaben die Gedanken des ausgedehnten Wental-Bewusstseins wider. Es ließ sich mit nichts in Cescas früherem Leben vergleichen.

Die Hydroger sind nicht ausgelöscht, aber besiegt. Wir halten sie unter Kontrolle.

Warmer Regen fiel in Cescas Gesicht und rann ihr über die Haut. »Ich weiß noch immer nicht, worum es in dem damaligen Krieg ging. Ist der Konflikt gelöst?«

Antworten sprudelten ihr entgegen und brachten Informationen, die für sie beide neu waren. Wir vier Manifestationen Wentals, Verdani, Faeros und Hydroger kämpfen um die Zukunft des Universums. Wir nehmen Einfluss auf Raum, Zeit und Naturgesetze, um den Kosmos auf den richtigen Weg zu bringen. Wir entscheiden, ob sich das Universum für immer ausdehnt, abkühlt und stirbt... oder ob es sich wieder zusammenzieht und zu einem neuen Urknall kollabiert.

Soll das Universum eine Heimstatt für Leben, Organisation und Wachstum sein, oder ein Hort des Chaos und der Auflösung? Dieser fundamentale Kampf wird überall ausgetragen, angefangen beim Kern eines Atoms bis hin zum größten GalaxienSuperhaufen. Leben kämpft an der Seite von Leben, Chaos an der Seite von Chaos.

»Wir gewinnen also, wenn wir die Wesen des Chaos besiegen, die Faeros und Hydroger?«, fragte Jess.

Das Chaos kann nur kontrolliert werden, aber das Leben lässt sich vernichten. Die Risiken sind nicht gleichmäßig verteilt.

»Aber das Leben kann erneuert werden«, sagte Cesca.

Und das rettet euch. Die meisten Hydroger sitzen in ihren Gasriesen fest. Wenn die Bewegungsfreiheit der Faeros ähnlich eingeschränkt werden kann, sind die Dinge wieder im Gleichgewicht. Dann kehrt das Universum zu Harmonie zurück.

Jess und Cesca konnten ihr seltsames neues Leben fortset zen - ein Leben, dass sie sich nie erträumt hätten. Als sich Cesca den umfassenden Veränderungen unterzogen hatte, die notwendig gewesen waren, um sie vor dem Tod zu bewahren, hatte sie gewusst, dass sie kein normales Leben unter Menschen mehr führen konnte. Es gab keine Reue in ihr. Sie hatte alles gern aufgegeben, um mit Jess zusammen zu sein. Aber sie vermisste die Roamer.

Später - an diesem Ort verloren sie ihr Zeitgefühl - standen sie nebeneinander auf nassem schwarzem Fels, während um sie herum Wellen ein fröhliches Ballett tanzten. Jess und Cesca hatten ihre Gedanken und Erinnerungen mit den Wasserwesen geteilt und ihnen auf diese Weise zu verstehen gegeben, was sie beabsichtigten. Damit folgten sie ihrem Leit- stern.

»So habe ich mir unsere Hochzeit nicht vorgestellt«, sagte Jess sanft. »Keine Versammlung der Clan-Oberhäupter, keine elegante Kleidung, keine Würdenträger, ob nun zivile oder religiöse. Bist du enttäuscht?«

Cesca sah ihn an, das Herz voller Liebe. »Wie könnte ich das?« Sie bedauerte nur, dass Sprecherin Okiah diesen Tag nicht erlebt hatte - sie wäre gern bei Cescas Hochzeit zugegen gewesen. Aber Cesca hatte zuerst einen anderen Mann geheiratet: Jess' Bruder. Sowohl Ross Tamblyn als auch ihr nächster Verlobter, Reynald von Theroc, waren den Hydrogern zum Opfer gefallen. Selbst danach hatten Jess und Cesca es nicht gewagt, ihren Familien zu gestehen, dass sie sich liebten. Nach Jess' Rettung und Veränderung durch die Wentals war es dafür zu spät gewesen.

»Manchmal habe ich geglaubt, unsere Leitsterne würden uns nie zusammenbringen«, sagte Cesca.

»Diesmal wird uns nichts aufhalten.«

Es kam zu einem wortlosen Einvernehmen zwischen Jess und Cesca. Die Wentals würden ihre Trauzeugen sein, und kein menschlicher Standesbeamte hatte mehr Autorität, ein Ehepaar aus ihnen zu machen.

Regenwolken zogen über den Himmel, gefüllt mit flüssiger Kraft. Die Gischt trotzte der Gravitation von Charybdis, stieg auf und wogte dabei wie ein Brautschleier. Goldener Sonnenschein strahlte durch Lücken in den Wolken und schuf bunte Regenbögen. Cesca begriff, dass die Wentals diese besondere Gelegenheit auf ihre Weise feierten.

Sie und Jess standen einander gegenüber, streckten die Hände aus und berührten sich. Wental-Flüssigkeit glänzte auf ihrer Haut und umgab sie mit funkelnder Pracht. Cesca sprach die traditionellen Worte, die sie sich vor langer Zeit eingeprägt hatte. »Ich bin dir verpflichtet, Jess Tamblyn. Ich bin für dich bestimmt und gebe dir mein Herz und mein Versprechen.« Jess wandte den Blick nicht von ihr ab. »Ich bin dir verpflichtet, Cesca Peroni. Ich bin für dich bestimmt und gebe dir mein Herz und mein Versprechen. Mag sich auch das Universum um uns herum verändern, wir bleiben immer zusammen, in unseren Herzen und in unseren Seelen.«

»Ja, in unseren Herzen und Seelen. Der Leitstern wird uns den Weg weisen.« Von Dunst umgebene Wassersäulen wuchsen aus dem Ozean, eine ganze Gemeinde von Wentals. Statische Elektrizität summte in der Luft, und es roch nach Ozon.

Die Wolken öffneten sich, und kühler, erfrischender Regen kam auf. Wentals fielen in Form Tausender Tropfen, die keine Tränen symbolisierten, sondern ein Dank für all die Wentals waren, die Jess und seine Wasserträger auf zahlreichen Welten ausgesetzt hatten.