38.) Nebel des Grauens

 

Ich vermisse Deutschland selten, und wenn doch, dann meistens zum Herbstanfang. Rote Blätter, Frühnebel und das erste Mal die Heizung anstellen ist irgendwie nett. Verzweifeln muss ich allerdings nicht, auch wenn in Dubai die roten Blätter und die Heizung fehlen. Es gibt Nebel. Und nicht nur so ein bisschen Nebel. Wenn schon, denn schon, wie auch sonst, macht Dubai beim Nebel keine halben Sachen.

 

Ich nenne ihn den „Dubai-Nebel“, auch wenn es ihn in den restlichen Emiraten und anderswo in der Region natürlich ebenfalls gibt. Mittlerweile habe ich mich an ihn gewöhnt, aber vor Jahren, als ich das erste Mal am frühen Morgen aus dem Fenster blickte und eine graue Wand statt Palmen und Sonnenschein sah, dachte ich, mich trifft der Schlag.

 

Den Dubai-Nebel gibt es nur morgens und nach ein bis zwei Stunden ist der Spuk vorbei. Dann strahlt die Sonne wieder vom Himmel, als wäre nichts gewesen. Selbstverständlich reichen diese zwei Stunden, um absolutes Chaos auf den Straßen ausbrechen zu lassen. Die Vorstellung, nur wegen des bisschen Nebels – wir sprechen hier im schlimmsten Fall von Sichtweiten unter 50 Metern – das Licht am Auto anzumachen, erscheint einigen Fahrern wohl lächerlich. Und wer sein Auto wirklich beherrscht, der drückt auch bei Nebel wie gewohnt auf die Tube und überholt eben auf dem Standstreifen, wenn die anderen alle so grundlos schleichen.

 

Aber ich war ja beim Herbst in Dubai und so lange ich nicht im Auto sitze oder in der Wüste bin, liebe ich diese nebeligen Morgen. Vor allem, weil ich weiß, dass ich die Sonne ein paar Stunden später wieder habe. Warum ich bei Nebel nicht gern in der Wüste bin? Das hat einen triftigen Grund:

 

Es begab sich während meines ersten Herbsts in Dubai und ich hatte mir vorgenommen, morgens mit dem Hund in die Wüste zu fahren. Wenn ich mir was vorgenommen habe, dann ziehe ich es auch durch. Gesagt, getan. Nach einer Zitterpartie mit dem Auto durch undurchdringlichen Nebel stand ich in der Wüste und sah… ja, was? Genau: nichts. Der Hund war irgendwo in der grauen Unendlichkeit verschwunden. Und ich wagte mich nicht weiter als drei Schritte vorwärts,  aus lauter Angst, mein Auto nicht mehr wiederzufinden.

 

So stand ich da und wartete. Plötzlich begann es fürchterlich zu stinken und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr allein war. Selten habe ich mir mehr gewünscht, dass dieser blöde Film „The Fog. Nebel des Grauens“ niemals gedreht worden wäre. Nach einer gefühlten Ewigkeit, der Gestank war mittlerweile unerträglich geworden, hörte ich meinen Hund irgendwo neben mir bellen - wie verrückt. Sehen konnte ich ihn allerdings nicht.

 

Todesmutig (und darauf hoffend, dass der blöde Köter seinen Futterlieferanten schon verteidigen würde) drehte ich mich um. Und sah direkt in die großen braunen Augen eines Kamels, das vollkommen ruhig und ungestört zirka einen Meter von mir entfernt vor sich hin kaute, als gäbe es weder den Nebel, noch den kläffenden Hund oder mich. Die Ruhe selbst. Kamel möchte man sein.