16.) Der „echte“ Osterhase
Mit Kindern einkaufen zu gehen ist immer gefährlich. Vor allem, wenn man eigentlich nur schnell ein Brot für den nächsten Tag kaufen will. Egal, an welchem Regal sie vorbeikommen, irgendein Objekt der Begierde finden sie immer. Meine jüngere Tochter ist neulich vor Unglück in Tränen ausgebrochen, als ich ihr klargemacht habe, dass sie wirklich keine 20 Pakete Streichhölzer zum Aufstellen in ihrem Zimmer braucht.
Noch schlimmer wird es, wenn direkt am Supermarkteingang ein Sonderregal mit Ostersachen aufgebaut ist. Wie bei unserem letzten Besuch im Supermarkt. Ostern findet in Dubai eigentlich nicht statt, aber ein paar total überteuerte Schokoladenhasen verkaufen sie hier dann doch.
Selbstverständlich wollte ich die lieben Kleinen, die zielstrebig zum Osterregal liefen, gnadenlos weiterziehen, als mein Blick ganz unten im Regal auf mehrere Pakete Lindt-Schokoladenostereier fiel. Ich liebe Lindt-Schokoladenostereier. Ich konnte nicht widerstehen, ich legte zwei Beutel in den Einkaufskorb. Man gönnt sich ja sonst nichts und ich habe seit Jahren keine Lindt-Eier mehr gegessen.
Wie immer, wenn sich Gier mit Nachlässigkeit paart, nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Tochter Eins: „Mama, wieso kaufst du die? Die bringt doch der Osterhase.“
Mist. Ertappt. Das hat man davon, wenn man den Kindern mit viel Aufwand vormacht, dass es den Weihnachtsmann gibt. In Zeiten der Gleichberechtigung kann man da schlecht zugeben, dass der Osterhase ein riesengroßer Quatsch ist. Verzweifelt begannen meine kleinen, grauen Zellen nach einer Erklärung zu suchen. Ich wollte diese Lindt-Schokoeier haben. Für mich. Und den Osterhasen sollte es auch geben. Für die Kinder.
Die kleinen grauen Zellen von Tochter Zwei arbeiteten derweil ebenfalls: „Mama, wo kriegt der Osterhase eigentlich die ganzen Geschenke her?“
Tochter Eins, leicht überheblich: „Na, die kauft er hier im Supermarkt und im Spielzeugladen.“
Mama begann zu ahnen, dass dieses Gespräch nicht in die richtige Richtung gehen würde. Die kleinen grauen Zellen verweigerten allerdings weiterhin einen erklärenden Beitrag. Also drängte ich aufs Weitergehen. Was selbstredend nichts brachte.
Tochter Zwei: „Ich habe aber noch nie einen Osterhasen im Supermarkt gesehen!“
Tochter Eins, wieder leicht überheblich: „Der geht nachts einkaufen.“
Tochter Zwei: „Aber dann ist der Supermarkt doch zu. Wo bezahlt der denn dann?“
Tochter Eins, jetzt leicht verunsichert: „Der muss nicht bezahlen.“
Tochter Zwei: „Wieso nicht?“
Tochter Eins streng: „Weil der Osterhase und der Weihnachtsmann eben nicht bezahlen müssen.“
Tochter Zwei, ganz aufgeregt: „Aber der Weihnachtsmann hat doch eine Fabrik für die ganzen Geschenke! Die zeigen sie sogar in dem Weihnachtsfilm mit Micky Maus! Wieso geht der dann nachts noch ins Spielzeuggeschäft?“
Die Gesichter von beiden Mädchen waren mittlerweile hochrot, so angestrengt dachten sie darüber nach, wo die Geschenke nun herkommen.
Tochter Zwei: „Mama, hat der Osterhase auch eine Fabrik für die Geschenke und die Schokohasen?“
In diesem Moment sah ich nur noch eine Lösung:
„Kinder, wollt ihr ein Eis?“ Keine Reaktion.
Im Gegenteil, Tochter Zwei hatte sich festgebissen wie ein Rottweiler in einen Knochen:
„Mama, wenn der Weihnachtsmann die Geschenke alle in seiner Fabrik macht, warum sehen die dann genauso aus wie die Spielsachen in den Geschäften?“
Ich, verzweifelt: „Vielleicht macht er sie nach?“
Tochter Eins: „Mama, sind die Geschenke, die wir vom Weihnachtsmann kriegen dann alle bloß Fake wie die Sachen in Karama, wenn der die in seiner Fabrik nachmachen lässt?“
Das hat man nun davon, wenn man den Kindern mal die Wahrheit sagt und mal Lügengeschichten erzählt. Wahrscheinlich sollte ich ihnen, wenn wir nach Karama fahren, einem Stadtteil wo es ganze Straßenzüge mit Geschäften mit nachgemachten Nobelmarken gibt, einfach sagen, dass die Sachen alle genauso echt sind wie der Weihnachtsmann und der Osterhase.