6.) Der Rockstar unter den Müttern

 

Seit Monaten muss ich jeden Morgen im Auto Katy Perry hören – oder alternativ das Geplärre, Genörgel und Gezeter meiner Kinder darüber, dass wir eben nicht Katy Perry hören. Wer Kinder hat, der weiß, dass sogar Katy Perry verglichen mit Kinder-Unmut ein Hochgenuss für die Ohren ist. Dazu kommt, dass ich in den Augen meiner Kinder sowieso die schlimmste Rabenmutter aller Zeiten bin.

 

„Die Mama von der Amy geht mit ihr zum Justin Bieber-Konzert! Überhaupt alle aus meiner Klasse gehen zu Justin.“

 

Es ist erstaunlich, wie viel Anklage eine Siebenjährige in einen einzigen Satz legen kann. Ich bin versucht, zu antworten, dass ich die Mama von der Amy noch nie leiden konnte, weil sie eine überdrehte Schnepfe ist, und dass die Gute nun offensichtlich komplett einen an der Schüssel hat. Aber das spare mir natürlich. Das wäre pädagogisch mindestens so wenig wertvoll, wie mit seiner siebenjährigen Tochter das Konzert eines Teenie-Schwarms zu besuchen. Auch den Nachsatz, ob meine Tochter ebenfalls eine Klippe runterspringen würde, nur weil alle anderen das tun, verkneife ich mir, der erinnert mich zu sehr an meine Mutter. Auch wenn er sehr wahr ist.

 

Ich schweige also still, allerdings habe ich den Punkt erreicht, wo ich überlegen muss, was für meine Kinder langfristig schädlicher ist: eine mit roher Gewalt durchgesetzte Veränderung der Automusik oder eine Mutter in der Klappsmühle, die nicht mehr ansprechbar ist und nur noch „California Girls“ vor sich in brabbelt.

 

Ich entscheide mich für die Veränderung des Musikgeschmacks. Einen Versuch ist es wert, den Platz in der Klappse kriege ich immer noch. Nach dem Frühstück stelle ich den Laptop auf den Tisch und zeige den beiden bei YouTube ein Video von Queen. Auch nicht gerade Volksweisen, aber immerhin beherrschten die ihre Instrumente und Freddie Mercury konnte singen.

 

Nachdem Queen auf fast positive Resonanz gestoßen ist, werde ich übermütig. In einem Anfall von Zuversicht, gepaart mit Erinnerungen an meine Jugend, spiele ich meinen Nachkommen als nächstes Guns N' Roses vor. Ungläubige, entsetzte Gesichter starren mich an. Dann erscheint Slash auf der Bildfläche. Der langmähnige, wildgelockte, stark tätowierte, den Oberkörper immer nur mit einer Weste bedeckende Gitarrist der Band. Und meine jüngere Tochter fragt:

 

"Bist du das, Mama?"

 

Noch während ich dabei bin, meinen Kopf mit großer Wucht auf die Tischplatte zu schlagen, fragt die ältere Tochter:

 

„Mama, kannst du die Mama von der Amy fragen, ob sie mich mitnehmen kann zum Justin Bieber-Konzert?“