25.) Der schwarze Kater
Ich weiß nicht genau, wie es passiert ist, aber von den 1001 Straßenkatzen meines ersten Abends in Dubai hat ein Nachkomme es in mein Haus geschafft. Sprich: Ich habe eine Katze. Oder besser gesagt: einen Kater. Einen schwarzen Kater der Rasse Arabian Mau. Übersetzt: gewöhnliche arabische Straßenkatze.
Von denen gibt es am Ende sogar mehr als Sand in Dubai. So hätte ich damals, als mich der befreundete Tierarzt scheinheilig fragte, ob ich nicht eine Katze haben möchte, sofort den Raum verlassen und seine Telefonnummer aus meinem Handy löschen müssen. Meine Antwort: „Nicht so wirklich“, übersetzt ein Tierarzt, der Abnehmer für die Jungen einer Straßenkatze sucht, nämlich mit: „Ja, unbedingt, wollte ich schon immer.“
So saß ich ein paar Tage später leicht verwundert mit einer Handvoll Kater da, die der Tierarzt mir vorbeigebracht hatte: Edgar. Edgar dachte die ersten Wochen, ich sei seine Mama-Katze. Auf Schritt und Tritt ist er mir gefolgt und wollte eigentlich nur eins: Schmusen. Irgendwann war Edgar dann „erwachsen“ und durfte nach draußen. Von da an war ich ihm schnurzpiepegal und er nur noch selten gesehen. Deswegen muss ich wohl auch verpasst haben, dass der erwachsene Edgar ein fulminanter Kater ist. Dies wurde mir erst klar, als ich ihn das erste Mal nach einem Kampf mit einer Nachbarskatze halbtot zu dem erwähntem Tierarzt brachte.
„Wow, über sieben Kilo! Und der ist nicht mal dick! Das ist mal wirklich ein Prachtstück von einem Kater“, war der Kommentar der Tierarzthelferin zu Edgar, während dieser der Waage gerade den Kampf ansagte und alles kratze, was ihm näher als einen Meter kam.
Mit dem „Prachtstück“ bin ich mir nicht ganz so sicher. Edgar hat ein ungemein hohes Nerv-Potenzial. Besonders morgens um halb Sechs. Dann kommt er für gewöhnlich mal kurz rein. Nicht um nach seinen Menschen zu schauen, sondern um zu fressen. Sein Napf steht – wegen dem allesfressenden Hund – im Obergeschoss auf dem Schreibtisch. Nun ist es für Edgar von großer Bedeutung, dass er diesen Napf nicht leer vorfindet. Also miaut er was das Zeug hält, sobald er das Haus durch ein offenes Fenster betreten hat, um seine Ankunft und seinen Wunsch nach einem gefüllten Fressnapf zu verdeutlichen.
Am Anfang habe ich ihm aus Prinzip nichts gegeben, man soll schließlich auch Kinder mit ihrem Nörgeln nicht durchkommen lassen. Leider ist dieser Kater mir psychisch bei weitem überlegen. Mittlerweile ist seine Schüssel immer randvoll und ich würde nicht ins Bett gehen, ohne dies überprüft zu haben. Ist Edgar aber egal, er hat das eine Mal, als die Schüssel leer war, nicht vergessen und miaut lieber mal vorsichtshalber trotzdem. Jeden Morgen pünktlich um halb Sechs.
Trotz alldem mache ich mir seit ein paar Wochen Sorgen um Edgar: Es ist ein weißer Kater in sein Revier eingedrungen, dem er einfach nicht Herr wird. Ich auch nicht, übrigens. Dieser Kater ist noch größer als Edgar und hat vor nichts Angst. Einmal habe ich ihn mit dem Gartenschlauch bespritzt, nachdem er und Edgar sich ein stundenlanges Jaul-und-Fauchkonzert geliefert hatten. Hat den weißen Kater überhaupt nicht gestört, er ist einfach im Wasserstrahl sitzengeblieben. Auch, nachdem ich auf „volle Pulle“ gestellt hatte.
Mittlerweile war Edgar mit einem Kehlbiss, einem Augenbiss und einem zerfetzten Ohr beim Tierarzt und leidet schrecklich, genau wie mein Bankkonto. Edgar ist in seinem männlichen Stolz gekränkt – auch wenn er genau genommen als kastrierter Kater gar keinen männlichen Stolz mehr haben dürfte.
Manch einer könnte mir nun vorschlagen, ich solle doch einfach mal den Hund in den Garten zum weißen Kater lassen. Aber ganz ehrlich, da habe ich Angst um den Hund.
Doch wie so oft, hat eine meiner Töchter die
Lösung gefunden. Etwas unkonventionell vielleicht, aber was
soll´s:
Edgar sollte bald Geburtstag haben. Ich saß mit
meiner älteren Tochter im Garten und wir hörten irgendwo hinter der
Mauer wieder das Geschrei von Edgar und seinem weißen Feind. Meine
Tochter legte ihre Stirn in Falten und man konnte förmlich hören,
wie sie intensiv nachdachte. Dann sagte sie plötzlich:
„Mama, wenn wir Edgars Geburtstagsparty machen, dann laden wir den weißen Kater aber nicht ein, oder?“
Auf keinen Fall. Bestimmt ist der dann so beleidigt, dass er sich nie wieder blicken lässt.