Das universelle Saatkorn
Obwohl Gamows Vorstellungen damals nicht weiterentwickelt werden konnten, wurde reichlich über den Ursprung des Universums und über die möglichen Anfangsbedingungen des Urknalls nachgedacht. Selbst wenn die Vorstellung, alles ströme aus einem winzigen kosmischen Ei ins Dasein, aufregend ist, stimmt diese Theorie nicht mit unseren Beobachtungen des Universums überein. Für den gelegentlichen Beobachter ist das naheliegendste Problem, dass es viel zu viel Universum da draußen gibt. Nie hätte es in einem winzigen «Superatom» Platz finden können. Obwohl der größte Teil des Weltalls leer ist, lässt sich nicht alles immer dichter zusammendrücken.
Wir wissen, dass es selbst bei einem nach universellem Maßstab kleinen Körper wie der Sonne ein Limit gibt, wie viel Materie verdichtet werden kann. Vor der Entdeckung des Quantentunnelns glaubte man zunächst, in der Sonne könne es keine Kernfusion geben. Angesichts der Tatsache, dass nicht einmal die ganze Materie in der Sonne beliebig zusammengepresst werden kann, fiel es schwer, sich vorzustellen, wie die Kosmologen die gesamte Materie des Universums mit ihren mindestens 100 Milliarden Galaxien, von denen wiederum jede einzelne mindestens 100 Milliarden Sterne enthält, auf so winzigem Raum zusammenquetschen wollten.
Bei Lemaîtres ursprünglichem Bild trat dieses Problem nicht auf, weil sein «Uratom» ein gewaltiges Objekt war, das jedes einzelne Proton, Neutron und Elektron, das heute existiert, schon enthielt. Es war zwar ein Atom, aber ein (relativ) riesiges. Je größer ein Atom ist, desto instabiler ist es. Deshalb wäre es sehr rasch in zunehmend kleinere, stabilere Atome zusammengefallen. Dennoch passte dieses Bild nicht zu einem Universum wie unserem, das zum größten Teil aus Wasserstoff und Helium besteht. Lemaîtres frühes Universum hätte mit schweren Atomen angefüllt gewesen sein müssen. Aus diesem Grund wurde ein anderes Bild eines kosmischen Saatkorns entwickelt, das tatsächlich mit einem winzigen Flecken begann, der faktisch null Größe hatte.
Bevor wir jedoch den Anfang betrachten werden, wie er nach der heutigen Urknalltheorie ausgesehen hat, sollten wir kurz noch eine Alternative erwähnen, die Lemaîtres ursprünglichem Bild näher kam. Diese Idee stammt von dem Physiker Ernest Sternglass und ist den meisten modernen Kosmologen gar nicht bekannt. Sternglass war – das sollte betont werden – ein seriöser Physiker und kein Spinner, aber seine Theorie hat sich nie durchgesetzt und ist wahrscheinlich nie ausreichend überprüft worden, um feststellen zu können, ob sie mit absoluter Sicherheit falsch ist.
Wie Lemaître stellte sich auch Sternglass den Anfang als ein «Uratom» vor, aber Sternglass konnte mit seinem fortgeschrittenen Wissen über Relativität und Quantentheorie dieses unglaublich massereiche Teilchen aus zwei normalerweise kaum wahrnehmbaren Teilchen zurechtzimmern: aus einem Elektron und seinem Antimaterie-Pendant – einem Positron.