Wie Helium entsteht

Falls das Dasein, so erkannte Gamow, als reiner Wasserstoff begonnen hatte, dann waren die ersten Verdächtigen für die Herstellung des Heliums, das ebenfalls in großen Mengen auftrat, die vielen Milliarden Sterne da draußen. Man wusste bereits, dass die meisten Sterne Wasserstoff in Helium umwandeln. Allein unsere Sonne produziert eine halbe Milliarde Tonnen Helium pro Sekunde. Dennoch reichte die Gesamtproduktion aller Sterne einfach nicht aus. Stellte die Sonne das ganze Helium, das sie bereits enthält, auf diese Weise her, müsste sie mehr als 26 Milliarden Jahre lang brennen (doppelt so lange wie das heute geschätzte Alter des Universums). Dabei hält man das Universum heute für zehnmal älter als zu der Zeit, als Gamow sich mit diesem Thema beschäftigte.

Stattdessen stellte sich Gamow vor, das meiste Helium im Universum sei beim Urknall selbst entstanden. (Das Helium erhielt seinen Namen, weil es zuerst in der Sonne entdeckt worden war. Vielleicht sollte man es deshalb umbenennen. Knallium wäre ein treffender Name.) Er stellte sich die Temperatur in diesem frühen Existenzstadium des Universums so vor, dass Kernfusionsprozesse, die wir in der Sonne sehen, stattfanden. Die Fusion ist eine grundsätzlich andere Form der Kernkraft im Vergleich zum Kernspaltungsprozess, der Kernkraftwerke antreibt. Dort werden Atomkerne von hochenergetischen Teilchen auseinandergesprengt, wobei Wärme entsteht, mit der wiederum Elektrizität gewonnen wird. Zusätzlich werden dabei weitere Teilchen mit hohem Energiegehalt produziert, die in einer Kettenreaktion noch mehr Kerne spalten. Die Fusion ist ein ganz anderer Vorgang.

Die majestätische Kraft der Sonne entsteht aus der Umwandlung von Wasserstoff in Helium durch den Prozess der Kernfusion, bei dem die Verschmelzung von Teilchen zur Bildung eines neuen Elements zur Freiwerdung von Energie führt. Um fusionieren zu können, müssen die positiv geladenen Protonen, die den Wasserstoffkern bilden, unglaublich dicht zusammengedrückt werden. Aber selbst die Druck- und Temperaturverhältnisse in der Sonne bringen noch nicht genügend Energie auf, um die Abstoßungskraft zu überwinden, die die Protonen auf Distanz voneinander hält. Sie sind positiv geladen, und da sich hier zwei identische magnetische Pole einander nähern, stoßen sie sich gegenseitig ab.

Nur einer Eigentümlichkeit der Quantenphysik ist es zu verdanken, dass Sterne überhaupt funktionieren. Quantenteilchen wie die Protonen haben keinen genauen Aufenthaltsort, wenn sie nicht direkt beobachtet werden. Jedes Teilchen kann über einen gewissen Bereich von Positionen verbreitet sein und weist unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für seine Anwesenheit an einem dieser Orte auf. Das heißt, sie können «tunneln», also von einem Ort zum anderen springen. Selbst wenn es ein Hindernis dazwischen gibt, müssen sie diese störende Barriere nicht direkt durchqueren.

Genau das geschieht in der Sonne. Nur weil Protonen die Entfernung, die sie aufgrund ihrer Abstoßungskraft von anderen Protonen trennt, durch Tunneln überwinden können. Sie tauchen augenblicklich so nahe bei einem anderen Proton auf, dass sie miteinander verschmelzen können, bevor sie voneinander abprallen. Und deshalb scheint die Sonne. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Tunneln ist zwar gering, aber es gibt so viele Protonen in der Sonne, dass es ständig in großem Maßstab passiert. Wenn Kerne fusionieren, geht ein wenig Masse verloren, die in Energie umgewandelt wird. Dies ist ein Ansatz zur Kernenergie, der viel sauberer ist. Er ist bei weitem sicherer und umweltfreundlicher als die Kraftwerke von heute, in denen Kernspaltungsprozesse ablaufen. Aber Generationen von Regierungen haben es versäumt, genügend Mittel in die praktische Möglichkeit von Fusionskraftwerken zu investieren. In einem Stern jedoch oder im frühen Universum des Urknallmodells sind keine Investitionsfonds nötig: Da findet die Fusion einfach statt.

Gamow stellte sich vor, dass in den allerersten Momenten des Daseins nach dem Urknall in der gewaltigen Hitze und unter dem enormen Druck Wasserstoffionen (Atome, die Elektronen verloren haben) miteinander verschmolzen und die Quelle für eine große Menge des Heliums im Universum darstellten. Um die Bedingungen des frühen Universums zu erforschen, benutzte er die gleiche auf Zeitumkehr beruhende Berechnung, die bei der Suche nach dem Alter des Universums angewandt worden war.

Stellen Sie sich vor, das Universum rückwärtslaufen zu lassen. Statt zu expandieren, wird alles immer dichter zusammengedrückt. Mit größerem Druck steigen auch die Temperaturen, was nur ein Maß für die Energie der beteiligten Atome ist. Wenn Sie weit genug zurückgehen, werden Druck und Temperatur so hoch, dass dieselbe Art der Fusion, die in Sternen vorherrscht, auch hier stattfinden könnte. Das ganze Universum wäre wie ein riesiger Stern. (Ich habe mich, der Kürze halber, auf Gamow bezogen, aber es war sein Juniorpartner Alpher, der die Hochleistungsmathematik meisterte, während Gamow sich auf die großen Ideen konzentrierte.)

Noch heute wird daran festgehalten, obwohl Gamow sich erhofft hatte, zeigen zu können, dass all die unterschiedlichen Elemente aus dem Urknall entstanden, aber das erwies sich als unhaltbar. In dieser Ursuppe waren die Bedingungen nicht heftig genug: Es braucht schon die gewaltigen Temperaturen und den immensen Druck eines kollabierenden Sterns, um die schweren Elemente zusammenzubrauen, die anschließend ins Weltall hinausgesprengt wurden. Die schwersten Elemente wie beispielsweise Uran wurden erst gebildet, als Sterne explodierten und sich in Supernovae verwandelten. Ohne diese uralten Sterne, die älter waren als die Sonne, gäbe es keine Erde, keinen Sauerstoff zum Atmen, keinen Kohlenstoff für den Aufbau lebendiger Moleküle und kein Silizium als Baustoff für unsere heutige, von der Elektronik geprägte Welt. Das Einzige, was man sich vom Urknall im Wasserstoffsee erhoffen konnte, war die Erzeugung von drei weiteren Elementen: Helium, Lithium und Beryllium.

Vor dem Urknall
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