Wettlauf mit der Zeit

 

Die Musketen in Vorhangstoff gewickelt, hasteten sie die Kellertreppe hinunter. Tobias nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sein Degen schlug mit einem metallischen Scheppern gegen das Gestänge des Eisengeländers. Die Lampen in den hohen Gewölben unter dem Gewächshaus brannten mit kleiner Flamme.

»Chang!«, rief Tobias laut, lief an einer Reihe von Werkbänken vorbei und gelangte mit Jana durch einen breiten, gemauerten Rundbogen in einen der unterirdischen Maschinensäle. Hier standen zwei der acht Dampfmaschinen, die das technische Herz des Gewächshauses bildeten. Doch diese beiden waren nicht in Betrieb. Zu dieser Stunde schlug das Herz so langsam wie das eines Tieres im Winterschlaf. Zumindest kam es Tobias so vor. Er hatte die Kellergewölbe noch nie so still erlebt, wie er sie jetzt vorfand. Nur aus einem der weiter vorn gelegenen Räume kam das typische Geräusch gleichmäßig arbeitender Dampfmaschinen. Doch sonst war nichts zu hören. Kein Hämmern, kein Feilen, kein Kohleschaufeln, kein lautes Rattern, rein gar nichts. Und dabei war Chang jemand, der immer irgendetwas reparierte oder zu verbessern suchte. Er konnte sich nicht erinnern, den Kantonesen einmal untätig herumsitzen gesehen zu haben.

»Chang? … Wo stecken Sie? … Wir brauchen Sie! … Es ist dringend! … Es geht um Lord Burlington … um Leben und Tod!«

Er erhielt keine Antwort.

Auch Jana fiel auf, dass es bis auf das entfernte, monotone Geräusch sich drehender Antriebswellen in den Kellerräumen ungewöhnlich ruhig war.

»Sieht so aus, als hätte dein Chang Werkzeug und Ölkanne aus der Hand gelegt, um sich das verrückte Fest da oben nicht entgehen zu lassen.«

»Ach was, doch nicht Chang!«, sagte Tobias und lief weiter. Er rief nach dem Chinesen, so laut er konnte. Doch das Einzige, was ihm antwortete, war sein eigenes Echo.

»Verdammt! Er muss doch hier irgendwo stecken. Warum antwortet er mir denn nicht? Ich habe noch nie erlebt, dass er nicht hier war. Das gibt es doch gar nicht!«

»Vielleicht haben wir uns den denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht, um die Feststellung zu machen, dass man aus gutem

Grund auch in Zusammenhang mit deinem Chang niemals nie sagen soll«, entgegnete Jana spöttisch, während sie sich an seiner Seite hielt. Das Geräusch arbeitender Dampfmaschinen nahm zu.

»Er ist nicht mein Chang«, antwortete Tobias leicht gereizt. »Und wir haben verdammt wenig Zeit, um uns jetzt darüber zu streiten, finde ich!«

»Ich kann mich nicht erinnern, das Gegenteil behauptet zu haben. Und du kannst mir glauben, dass ich mir um Lord Burlington, aber mehr noch um Sadik genauso viel Sorgen mache wie du!«

Sie hatten nun den Teil der Kellergewölbe erreicht, der sich unter dem Pavillon erstreckte. Der Raum war so groß wie ein Ballsaal. Drei parallele Reihen von jeweils zwölf Stützsäulen aus dunkelrotem Backstein trugen die Decke. Von hier führten die vier Schächte mit den Seilzügen nach oben. Zudem zogen sich auch hier Heizungsrohre, acht an der Zahl, unter der Decke entlang und verschwanden in derselben, um bei Bedarf heiße Luft in das Gewächshaus abzugeben.

Tobias blieb vor einer der dazugehörigen Maschinen stehen. Sie standen unter Druck, wie die Anzeigen und die rotierenden Antriebsräder verrieten. In diesem Raum war der Geräuschpegel einigermaßen vertraut. Doch auch hier war keine Spur des chinesischen Maschinisten zu entdecken.

Tobias drehte sich zu Jana um. »Tut mir Leid, Jana. Ich habe es nicht so gemeint, wirklich nicht. Ich glaube, mir flattern ein wenig die Nerven!«, gab er zu. »Ich habe einfach fest damit gerechnet, Chang hier vorzufinden. Aber er ist nicht da.«

»Schon gut«, wehrte sie ab, nicht nachtragend. »Und was machen wir jetzt? Ich meine wegen der Ventilatoren? Viel Zeit haben wir wirklich nicht mehr!«

Tobias zog seine Taschenuhr hervor und ließ sie aufschnappen. Es war kurz nach halb zwölf gewesen, als sie sich von Sadik im Waffenzimmer getrennt hatten. Zehn Minuten hatte er ihnen als Vorsprung eingeräumt, und davon hatten sie schon fast fünf Minuten aufgebraucht. Um Viertel vor wollte Sadik das Gewächshaus betreten. Für den Weg bis zum Pavillon würde er vielleicht fünf bis sieben Minuten benötigen. Das bedeutete, dass sie spätestens um zehn vor zwölf auf ihrem Posten sein mussten.

»Verdammt, wir müssen hoch! Komm mit, ich zeige dir den Einstieg deines Schachtes. Er liegt da drüben hinter der Säule mit der Lampe!« Hastig ließ er die Uhr verschwinden, fasste Jana am Arm und lief mit ihr hinüber. Eine Eisenleiter führte neben den vier Seilen, die doppelte Fingerdicke hatten und auf Spannung standen, zur Decke empor. Seile und Leiter verschwanden dort in einer rechteckigen Öffnung, die etwa einen mal anderthalb Meter maß. Viel Platz zwischen Wand und Seilzug bestand nicht, doch wenn man so zierlich war wie der Chinese, hatte man keine Schwierigkeiten, sich da vorbeizuzwängen. Auch Jana würde keine Probleme haben.

»Die Leiter setzt sich auch im Schacht fort. Achte auf die Ausstiegsklappe. Sie muss sich zu deiner Rechten befinden, wenn ich mich nicht ganz täusche. Wenn du im Schacht bist, sind es bis dahin vielleicht noch zwanzig bis maximal fünfundzwanzig Sprossen. Am besten zählst du im Kopf mit«, riet er ihr.

»Werde ich!«, versprach sie, nahm die stoffumwickelte Muskete in die linke Hand und setzte ihren Fuß auf die Leiter. Mit ernstem Gesicht sah sie ihn an. »Pass gut auf dich auf, Tobias!«

»Ja, du auch! Wir schaffen es schon. Zeppenfeld wird sein blaues Wunder erleben! Und nun hoch mit dir!«, drängte er.

Jana erklomm die Leiter so behände, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan, als mit einer Muskete in der Hand in engen Seilzugschächten aufzusteigen.

Tobias wartete nicht ab, bis sie in der Deckenöffnung verschwand. Er rannte wieder in den vorderen Teil des Gewölbes zurück, wo sich sein Schacht befand. Einen Augenblick war er versucht zu der Maschine zu laufen, mit der einer der Ventilatoren über dem Pavillon angetrieben wurde. Doch da jede Maschine mehrere Funktionen erfüllen konnte und er nicht wusste, über welche der Wellen- und Riemenantriebe der Ventilator lief und in welche Position er das Führungsgestänge mit den verschieden großen Zahnrädern bewegen musste, ließ er es bleiben. Zum Herumhantieren und Ausprobieren fehlte ihm einfach die Zeit. In dieser kritischen Situation konnte es auf jede Minute, ja, jede Sekunde ankommen. Rupert Burlington würde also nicht wissen, ob Sadik seine Warnung verstanden hatte, und das machte sein Verhalten zu einem Risiko. Doch das Risiko, zu spät zur Stelle zu sein, war noch um einiges größer – und wog schwerer.

So schnell er konnte, kletterte er die Eisenleiter zur Decke hoch und stieg in den schmalen Schacht ein. Für ihn mit seinen kräftigen Schultern wurde es eng. Der Raum zwischen Leiter und Seilen war für die schmale, sehnige Gestalt eines Chang bemessen. Tobias musste einige Kraft aufwenden, um sich daran vorbeizwängen. Das hatte jedoch auch seinen Vorteil. Denn obwohl er nur die rechte

Hand zum Nachfassen frei hatte, da er ja in der linken die Muskete hielt, brauchte er keine Angst zu haben, den Halt zu verlieren: Die gespannten Seile pressten ihn förmlich gegen die Leiter. Er hätte auch völlig ohne Zuhilfenahme seiner Hände den Schacht hochklettern können. Doch Kraft kostete es schon.

Das Licht aus dem Gewölbe reichte nicht weit. Dunkelheit umfing ihn bald. Sprosse um Sprosse stieg er höher. Die Seile scheuerten über seinen Rücken und ruinierten den kostbaren Stoff seines Kostüms. Es war stickig in dem engen, hoch aufragenden Schacht. Anstrengung und innere Erregung trieben ihm den Schweiß aus den Poren. Als er den Kopf einmal weit in den Nacken legte und nach oben blickte, war ihm, als könnte er am Ende des langen Seilschachtes einen Punkt erkennen, der nicht ganz so tiefschwarz war wie die lichtlose Enge, die ihn im Augenblick umgab.

Die ersten zwanzig Sprossen, gerechnet ab Deckeneinstieg, brachte er so schnell wie möglich hinter sich. Von da an setzte er seinen weiteren Aufstieg bedeutend langsamer fort. Denn nun tastete er nach jeder Sprosse, die er höher kam, die Wände nach der Ausstiegsluke ab.

Vierundzwanzigste Sprosse: nichts.

Fünfundzwanzigste Sprosse: noch immer keine Luke.

Sechsundzwanzigste Sprosse: rundum nur glattes Metall!

Wo blieb bloß der verdammte Ausstieg? Er musste ihn doch längst erreicht haben! Oder war er schon an ihm vorbei, ohne ihn bemerkt zu haben?

Jede Sekunde, die verstrich, kam ihm jetzt wie eine Minute vor. Unruhe erfasste ihn und der Schweiß floss ihm nun in Strömen über das Gesicht. Es war der Schweiß der Angst, sich verrechnet zu haben und zu spät zu kommen, der ihm ausbrach, als er nach der achtundzwanzigsten Sprosse die Luke noch immer nicht gefunden hatte. Sadik baute fest darauf, dass sie mit schussbereiter Muskete im Gebüsch lagen und für den nötigen Überraschungseffekt sorgten, wenn der Moment gekommen war, um Rupert Burlington aus Zeppenfelds Gewalt zu befreien.

Die Gedanken jagten sich hinter seiner Stirn, während er einen Augenblick zögerte. Sollte er weiter die Leiter hochklettern und hoffen, dass die Luke wirklich um so viel höher lag als gedacht? Oder sollte er rasch um zehn Sprossen absteigen und darauf hoffen, dass ihm die Luke beim ersten Aufstieg aus irgendeinem Grund entgangen war?

Sein Herz hämmerte wie wild. Stimmte seine Schätzung von rund zwanzig bis maximal fünfundzwanzig Sprossen bis zur Ausstiegsluke? Konnte er sich verrechnet haben? Fieberhaft ging er die Zahlen, die seiner Rechnung zu Grunde lagen, im Kopf noch einmal durch. Er suchte den Fehler. Wie stark war die Decke zwischen Keller und Gewächshaus? Etwa sechs bis sieben Meter. Dazu kam dann noch die Erdschicht, die mindestens zwei bis drei Meter tief sein musste, schon wegen der Pfahlwurzeln mancher Bäume. Das ergab eine im Schacht zu bewältigende Distanz von ungefähr zehn Metern. Abzüglich der eigenen Körpergröße blieben noch um die sieben bis acht Meter übrig. Und da bei einer Leiter auf jeden Meter gewöhnlich drei Sprossen kamen, stimmte seine Rechnung doch: Man musste zwanzig bis fünfundzwanzig Sprossen hochsteigen, um mit der Luke ungefähr auf Augenhöhe zu sein.

Doch plötzlich durchzuckte es ihn.

Das Sprossenmaß!

Da lag der Fehler!

Er war ganz selbstverständlich von dem Sprossenabstand ausgegangen, der seiner Körpergröße angemessen war, eben drei Trittstangen auf einen Meter. Doch diese Schächte waren von Chang geplant und insbesondere für seine Körpergröße gebaut worden, da ja er die Reparaturen vornahm, und der Chinese war nicht nur von schmächtiger Gestalt, sondern auch um ein gutes Stück kleiner als er oder Rupert. Das bedeutete, dass er für einen bequemen Aufstieg mindestens vier Sprossen auf einen Meter benötigte und die Leitern bestimmt auch nach diesem Maß angefertigt hatte – und das ergab dann eine Zahl von über dreißig Sprossen bis zur Luke!

Also nichts wie weiter nach oben!

Tobias stemmte sich rasch drei, vier, fünf Sprossen weiter hoch – und als er auf der vierunddreißigsten stand, ertastete er rechts von sich endlich den Rahmen der Klappe und den Riegel, der sich von beiden Seiten betätigen ließ. Mit einem unterdrückten Stoßseufzer der Erleichterung schob er ihn zurück.

Hoffentlich klemmt die Luke nicht!, dachte er und seine stumme Hoffnung ging in Erfüllung. Problemlos schwang die Klappe auf, als er sie aufstieß. Doch sie quietschte in den Scharnieren. Der unangenehme helle Ton erschien ihm verräterisch laut und bereitete ihm deshalb beinahe physische Schmerzen. Sein Magen zog sich zusammen und sofort hielt er die Luke fest.

Ein moosiger, erdiger Geruch schlug ihm entgegen. Es war dunkel im Gewächshaus. Zumindest sah er über sich keinen Lichtschein, sondern nur die schwarze Silhouette der Eisenkonstruktion des Daches, die wie ein sehr eigenwilliges Scherenschnittmuster wirkte, und dazwischen in einem nicht ganz so pechschwarzen Ton den Nachthimmel, der von den vielen Lichtern im Park etwas aufgehellt war. Vielleicht brannten am Pavillon Lampen. Aber um das zu sehen, musste er erst aus dem Schacht klettern und das Dickicht hinter sich lassen, das diesen blickschützend umschloss.

Zuerst schob Tobias die Muskete im Vorhangstoff ins Freie. Dann schnallte er den Degen ab und legte ihn vorsichtig und jedes Klirren vermeidend zur Feuerwaffe. Dann zwängte er sich durch die Öffnung. Es bedurfte schon einiger Verrenkungen, um aus dem Schacht zu kriechen. Jana hatte es da bestimmt einfacher gehabt. Dass er sich dabei das Kostüm an der rechten Schulterpartie mit einem langen Riss ruinierte, berührte ihn zehnmal weniger als das Spinnennetz, in das er mit seinem Kopf gelangte. Hastig und mit einer Miene des Abscheus wischte er sich die Spinnweben von Mund und Nase. Dann griff er zum Degen, schnallte ihn sich wieder um, wickelte die Muskete aus dem Fetzen Vorhang, den Sadik kurzerhand vom Fenster gerissen und mit seinem Messer zerteilt hatte, und richtete sich zwischen den Sträuchern vorsichtig auf.

Tobias wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er und Jana sich von Sadik getrennt und sie sich auf den Weg in die Kellergewölbe gemacht hatten. Aber mit Sicherheit befand er sich schon im Gewächshaus. Doch war er noch irgendwo auf dem gewundenen Weg oder hatte er schon den Pavillon erreicht?

Einen Augenblick lauschte er angestrengt, vermochte aber keine Stimmen oder anderen Geräusche zu vernehmen, die allein dem Gewächshaus zuzuordnen gewesen wären. Das Orchester war deutlich zu hören wie auch das Gelächter von einigen Gästen, das jedoch sehr gedämpft an sein Ohr drang.

Tobias orientierte sich rasch anhand des aufragenden Seilschachtes und der Dachkonstruktion, wandte sich nach halb rechts und zwängte sich in geduckter Haltung zwischen zwei Sträuchern hindurch. Wenn ihn seine Erinnerung nicht sehr im Stich ließ, waren es vom Schacht bis zu dieser Art Lichtung, auf der das Bambushaus stand, keine zwanzig Meter.

Äste glitten durch sein Gesicht, als er um einen undurchdringlichen Bambushain einen Bogen schlug und dann im Zickzack lief, um mannshohen chinesischen Roseneibischen, Beerenmalven und

Wundersträuchern auszuweichen. Gleich dahinter schloss sich ein mehrere Meter tiefer Gürtel aus sehr dicht stehenden Farnen an. Jenseits davon lag die Lichtung – und der Pavillon.

Tobias sah schwachen Lichtschein zwischen den Gewächsen hindurchschimmern und tauchte in das Meer der hohen, feinblättrigen Farne ein. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, um das Rascheln der Pflanzen möglichst leise zu halten und um nicht zu viel Bewegung in die Farne zu bringen.

Das laute Schlagen eines zurückschwingenden Astes ließ ihn erschrocken zusammenzucken, als hätte ihn jemand von hinten berührt. Er verharrte regungslos, die Nerven bis an die Grenzen des Erträglichen gespannt. Noch zwei, drei Schritte, und er musste das Bambushaus vor sich sehen. Hatte Zeppenfeld vielleicht ausgerechnet in diesem Farngürtel einen seiner Männer postiert? Das Geräusch, dem ein weiteres Rascheln folgte, kam von rechts.

Tobias schwenkte den Lauf der Muskete langsam in diese Richtung. Sein Mund war pulvertrocken. Er schluckte schwer und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Wenn es einer von Zeppenfelds Leuten war, musste er ihn überrumpeln und kampfunfähig machen …

Im nächsten Moment hörte er Sadiks Stimme. »Sihdi Rupert? … Hätten Sie nicht ein wenig mehr Licht machen können? … Ich weiß, ich weiß, Sie wollen nicht die Begehrlichkeit Ihrer Gäste auf Ihr Gewächshaus lenken. Ich hätte besser eine Lampe mitgenommen … Aber jetzt ist es ja geschafft …« Er redete so munter, als ahnte er nichts von der tödlichen Gefahr, die ihn am Pavillon erwartete.

Kaum hatte Tobias die Stimme seines Freundes vernommen, da setzte er sein Anschleichen auch schon fort. Jetzt galt es, die letzten kostbaren Sekunden zu nutzen und sich am Saum in Position zu bringen. Die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Verfolger würde jetzt Sadik gelten. Niemand würde auf eine Bewegung der Farne achten oder gar deren Rascheln vernehmen.

Als Sadik einige Schritte weiter rechts auf die mit Wildblumen übersäte Wiese trat, die den Pavillon umgab, robbte Tobias gerade an den äußeren Rand des Farnstreifens heran.

Geschafft! Auf die Sekunde!, schoss es ihm durch den Kopf, als er die Muskete in Anschlag brachte. Er hatte eine ausgezeichnete Sicht. Nach der Schwärze im Schacht und im Dickicht der Wildnis erschien ihm der Teil der freien Fläche, der vor ihm lag, wie in helles Licht getaucht. Dabei brannten am Bambushaus nur zwei Außenlampen mit nicht einmal halber Leistung. Im Pavillon selbst war es stockdunkel.

Tobias bemerkte am Panoramafenster links vom Eingang die Umrisse einer schlanken, hoch gewachsenen Gestalt. War das Rupert Burlington? Von Größe und Figur her konnte es aber auch Armin Graf von Zeppenfeld sein.

Er überlegte krampfhaft, während sich sein Daumen in den Bogen des Zündhahns der Muskete legte. Mit wie vielen Männern hat Zeppenfeld sich hier eingeschlichen? Ob Valdek, Stenz und Tillmann noch bei ihm sind? Wo wird er seine Männer versteckt haben? Ob Jana es auch rechtzeitig geschafft hat? Wenn ja, dann muss sie jetzt irgendwo da drüben auf der anderen Seite zwischen dem Zuckerrohr liegen! Gebe Gott, dass wir keinen Fehler machen und alles ein gutes Ende nimmt!

»Sihdi Rupert?«

Tobias zog den Hahn nach hinten. Er spürte, wie er einrastete. Sofort presste er den Kolben der Waffe an die Wange und legte den Zeigefinger um den Abzug. Aber noch gab es kein Ziel und plötzlich bekam er es mit der Angst zu tun. Angst um Sadik. Es war Wahnwitz, was er da wagte. Nur ein winziger Fehler, und sein Freund würde sterben. Vor ihren Augen.